Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
21.08.2006. Weshalb Privatbibliotheken zunehmend uncool sind. Warum stationäre Einzelhändler mehr von Internethändlern profitieren als umgekehrt. Was der größte geisteswissenschaftliche Verlag Europas plant. Und wie es ein Verbrecher zum Verleger geschafft hat.

Börsenblatt

Mit der Übernahme von K.G. Saur und Niemeyer avanciert Walter de Gruyter zum größten geisteswissenschaftlichen Verlag in Europa, bilanziert das Börsenblatt. Künftig werde de Gruyter 65 statt bislang 45 Prozent des Umsatzes mit Geisteswissenschaft erwirtschaften, prognostiziert Walter de Gruyter-Chef Klaus G. Saur im Interview. Es werde zu "einigen Stellenreduktionen und teilweise auch zum Umzug von Mitarbeitern" nach Berlin kommen. "Wachstum geschieht fast nur noch durch Zukauf. Es ist im Prinzip heute nicht mehr möglich, wirklich organisch zu wachsen", so Saur. (Notiz am Rande: Der eingeblockte Kurz-Kommentar von Michael Roesler-Graichen deutet auf die neue Linie des Fachblattes unter Chefredakteur Torsten Casimir hin. Mehr Meinung, bitte, scheint die Devise der Zukunft zu sein. Auch die Editorials von Casimir deuten in diese Richtung. Bleibt abzuwarten, wie weit diese Strategie bei einer an den Börsenverein angedockten Publikation trägt und ob sich Meinungskonflikte gegenüber der Verbandslinie ergeben)

Einer der größten Profiteure der Grass-SS-Diskussion sind der Autor selbst sowie sein Verlag: Nachdem die Startauflage der Memoiren "Vom Häuten der Zwiebel" (150000 Exemplare) schon vergriffen ist, druckt der Steidl Verlag nach (100000 Exemplare). Grass-Neuerscheinungen würden häufig heftig diskutiert, auch die Verkaufszahlen seien nicht außergewöhnlich, relativiert der Verlag.

Was haben "Die wilden Girls von Montana", "Rache für die schöne Lady", "Blondes Gift aus Mexiko", "Sünderinnen", "Das Lustbett" sowie "Das Kuschelbett" und "Das Lotterbett" gemein? Die Titel aus dem Heyne Verlag sind von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdete Medien vom Index genommen worden. Auf eine lustvolle legale Lektüre!

Im "Menschen"-Ressort stellt das Börsenblatt den offenbar unkomplizierten Verbrecher-Verleger Jörg Sundermeier (hier die Website des Verlags), die joggende Buchhändlerin Franca Neubert und den Krimi-Autor Yasmina Khadra (ja, ein Mann, hier die Homepage) vor, der den Fragebogen ausfüllt. Als Lebensmotto zitiert sich Khadra selbst: "Wer zum Licht geht, ist niemals allein."

Weitere Artikel: Google hat für sein Volltextsuche-Projekt einen neuen Partner gewonnen: Künftig kann Google auch die Bücher im Bestand der University of California einscannen. Die FAZ hat Prestel an Jürgen Krieger, Martin Dort und Johannes Heyne verkauft. Der Rechtehandel der Verlage mit dem Nachbarland Polen boomt (der Umsatz des gesamten polnischen Buchmarkts wird von der Frankfurter Buchmesse auf 620 Millionen Euro geschätzt - was im Vergleich zum deutschen 9-Milliarden Euro-Markt auffällig niedrig erscheint).
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Wird der Buchkäufer der Zukunft die Sortimenterscheuklappen anlegen und vorwiegend gebrauchte Bücher kaufen - ein Geschäft, das am traditionellen Buchhandel vorbei geht? Um diese Frage zu klären, hat buchreport bei tns emnid eine Umfrage in Auftrag gegeben (hier die wichtigsten Ergebnisse). Fazit: 34 Prozent der über 14 Jahre alten Deutschen haben in der Vergangenheit schon gebrauchte Bücher gekauft, 36 Prozent können sich vorstellen, dies künftig zu tun, 30 Prozent wollen nur neue Bücher kaufen. Zwar ist der Spannungswert der buchreport-Analyse (gebrauchte Bücher stehen immer höher im Kurs; immer weniger Leser wollen ihre Bücher aufbewahren; der Prestigewert der Heimbibliothek hat abgenommen; das Internet entwickelt sich zum Gebrauchtbuch-Vertriebskanal Nummer eins) eher gering. Gleichwohl enthält die Umfrage interessante Details. So ist der Anteil der Gebrauchtbuchkäufer umso höher, je höher das Bildungsniveau und je höher das Nettohaushaltseinkommen ist - gebraucht gekauft wird offenbar also nicht in erster Linie, um Geld zu sparen.

Stationäre Händler können aufatmen: Das Kölner Institut für Handelsforschung hat herausgefunden, dass sie stärker von den Wechselwirkungen mit dem Internethandel profitieren als die Onliner. Im Interview mit buchreport berichtet Sebastian van Baal, dass bei 21 Prozent der Käufe im stationären Handel eine Recherche im Internet vorangeht. Grund genug, so der Kölner, dass die Händler auch einen guten Online-Auftritt hinlegen.

Monatelang war unklar, welchen Abnehmer die FAZ für den Prestel-Verlag finden wird, nachdem die Frankfurter im vergangenen Jahr die DVA, Manesse und Kösel an Random House verkaufen konnten. Zugeschlagen hat am Ende das Trio Jürgen Krieger (bisheriger Geschäftsführer von Prestel) sowie Johannes Heyne und Martin Dort (ihnen gehört schon der Christian Verlag, area sowie Frederking & Thaler). Die kleine Heyne-Gruppe kommt nach der buchreport-Kalkulation (hier der Artikel) nun auf einen Jahresumsatz von 20 Millionen Euro. Nach dem Deal besitzt die FAZ auf dem Buchmarkt noch den Xenos-Verlag sowie fast 25 Prozent der Anteile von dtv.

Thalia hat angekündigt, im Oktober in Hamburg eine neue Filiale mit integrierter 300-Quadratmeter-Fremdsprachen-Buchhandlung zu eröffnen. Die Buchimporteure Libri und Petersen berichten von großen Zuwachsraten im Geschäft mit fremdsprachiger Literatur. Jedes vierte im Internet bestellte Buch sei ein Fremdsprachentitel. Kommentator Rainer Uebelhöde rät Buchhändlern "mit Mut zur Sortimentserweiterung", neue "Claims abzustecken" und ihre fremdsprachigen Abteilungen auszubauen.

Weitere Artikel: Die Grass-Diskussion hat Buchhändler dazu verführt, den Erstverkaufstag von "Beim Häuten der Zwiebel" (1. September) zu ignorieren und vom Stapel zu verkaufen - was die Exklusivität der FAZ-Tiefdruckbeilage (19. August) geschmälert haben dürfte (hier der gesamte Artikel). Walter de Gruyter hat die Verlage K.G.Saur und Max Niemeyer von der amerikanischen Thompson Corporation gekauft. Die WAZ-Mediengruppe und der WDR starten eine Medienedition (DVDs, Bücher, CDs) zum Thema Nordrhein-Westfalen, während der Focus mit dem Diederichs/Heinrich Hugendubel Verlag eine Biografie-Edition vorbereitet.