Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
15.09.2006. Welcher Germanist sich an der Kasse im Buchhandel geniert hat. Warum Grass nicht auf die Belletristik-Bestsellerliste gehört. Weshalb Hörbücher im Buchhandel schwächeln. Und wieso Henning Mankell besser auf dem Altenteil bleiben sollte.

buchreport.express

Seit Jahren wird das Potenzial des Hörbuchs im stationären Buchhandel überschätzt, jetzt untermauern Zahlen die schwierige Entwicklung des Genres im Buchhandel: Nach zweistelligen Zuwachsraten noch vor Monaten (gleichwohl auf kleinem Umsatzniveau) meldet buchreport für die vergangenen drei Monate sogar Rückgänge (zwischen -7 bis -1,7 Prozent). Als Ursachen erkennen die Dortmunder, dass der Tonträgerhandel und Verbrauchermärkte das Hörbuch entdeckt hätten, außerdem setze der Onlinehandel mit Dumpingpreisen den Markt unter Druck. "Am dynamischsten" entwickele sich jedoch der Download-Markt, analysiert buchreport, was Audible-Chef Arik Meyer durch die Bekanntgabe massiver Umsatzzuwächse in diesem Jahr (420 Prozent) flankiert. In einem Punkt liegt buchreport jedoch daneben: Die Verbreiterung der Absatzwege außerhalb des Sortimentsbuchhandel erschwere kleineren Verlagen die Vertriebsarbeit. Das Gegenteil ist der Fall: Gerade kluge Internet-Marketingstrategien bieten Verlagen, die im Buchhandel längst keine Chancen haben, neue Perspektiven - ein Blick in die Kataloge der Downloadhändler zeigt, dass auch die Nischen befruchtet werden (dabei sei einmal mehr auf die kluge Analyse von Chris Anderson zum "Long Tail" des E-Commerce hingewiesen - hier das vorbereitende Essay, hier das ausgearbeitete Buch).

Spekulationen darüber, dass die Zweitausendeins-Gesellschafter ihren Versand verkaufen wollen, gab es schon seit Jahren. Mit der MK Medien Beteiligungs GmbH der Münchner Kölmel-Brüder (zu deren Vergangenheit Google sehr unschöne Artikel findet) hat jetzt jemand angebissen - für den buchreport ein Anlass zum Rückblick. Lutz Kroth "hatte längst schon keine Lust mehr an dem Geschäft", weiß buchreport und erinnert an die aus dem "Merkheft" bekannte Kundenbinderin Frau Susemihl, den Coup mit der kompletten "Fackel" von Karl Kraus und den Überraschungs-Bestseller "Global 2000".

Im Kommentar beklagt Rainer Uebelhöde die Rückkehr von Kommissar Wallander, den Henning Mankell eigentlich schon aufs Altenteil gesetzt hatte. Im Wettlauf mit der Konkurrenz setzten die Verlage "auf die Strategie der größtmöglichen Sicherheit". Andererseits habe der Erfolg des letztjährigen Gewinners des Deutschen Buchpreises, Arno Geiger, gezeigt, dass man den Leser auch mit Mut zum Neuen mitreißen könne. Sollten die Verlage nicht umdenken, drohten langfristig "Monotonie und Lesefrust, schließt der Autor.

Weitere Artikel: Nach der jüngsten Konzentrationswelle im Buchhandel ist das, so buchreport, "Elefantenrennen" in Hannover abgesagt worden, stattdessen präge eine "Monokultur" (unter dem Dach des Branchenführers DBH) den Standort. Thalia erweitert in Dessau um 420 Quadratmeter. Die Mayersche, die gerade erst vollmundig ihre "Weltstadtbuchhandlung" in Düsseldorf angekündigt hat, eröffnet 2008 eine 2500-Quadratmeter-Buchhandlung im Einkaufscenter Forum Duisburg (hier der Artikel). Die Jury des Deutschen Buchpreises hat ihre Shortlist (voila) präsentiert. Und hier die Bestseller.

Börsenblatt

Ein Was-ist-was-Lektoren legt das Börsenblatt in Form einer Interviewrunde vor: Wie hat sich das Berufsbild der Profileser verändert? Viel Neues bringen die Diskutanten Wolfgang Ferchl (Piper), Martin Hielscher (C.H. Beck), Timothy Sonderhüsken (Droemer), Irene Rumler und Tamara Trautner (beide freie Lektorinnen) - vermutlich wegen der etwas laschen Fragen von Andreas Trojan - zwar nicht zu Tage. Gleichwohl erscheinen die Selbstbilder der Lektoren interessant: Für Hielscher ist der Beruf eine "Lebensform", für Sonderhüsken erfordert die Aufgaben "Demut, Härte und Humor"- Ferchl stapelt mit "Dienstleister" etwas tiefer.

Auf dem Fachinformationsmarkt scheinen paradiesische Zustände zu herrschen. So hat der Deutsche Sparkassenverlag (DSV) angekündigt, einen Verlag mit einem Umsatz "in bis zu dreistelliger Millionenhöhe" übernehmen zu wollen. In "Teilen" der Fachinformationssparte erwartet DSV-Chef Bernd Kobarg nun eine Phase der Konsolidierung.

Nach Matthias Horx und Peter Sloterdijk versucht sich der Altgermanist Gert Kaiser an einer Standortbestimmung des Lesens im multimedialen Zeitalter. Zugute halten muss man dem Präsidenten des Wissenschaftszentrums NRW, dass sein Text weder in der Länge noch in der Art der Argumenstion das abschreckende Niveau von Sloterdijk erreicht. Dafür bleibt die Essenz etwas dünn und fragwürdig: Die Bücherlektüre sei privat, die Onlinelektüre hingegen werde von Computern überwacht. "Jede Seite, die der Benutzer aufruft, kann kontrolliert werden", weiß Kaiser - "und für Bombenbauer und Pornografieliebhaber ist das schon ein Problem." Kürzlich habe sich der Autor ein Buch bei Amazon bestellt - weil es im Buchhandel nicht vorhanden war und weil sich der Käufer außerdem an der Kasse "ein wenig geniert hätte". Seitdem werde er von Amazon "mit weiteren Angeboten dieses etwas genierlichen Genres belästigt." (Drei Mal darf geraten werden, was sich der Germanist bestellt hat)

In seinem Kommentar bemängelt Rainer Moritz die Einordnung der Grass-Autobiografie "Beim Häuten der Zwiebel" auf die Belletristik-Bestsellerlisten. "Weshalb? Weil ein Nobelpreis immer Literaturvermutung nahelegt? Und was war mit Lars Brandts ,Andenken' oder Uwe Timms autobiografischem Bericht ,Am Beispiel meines Bruders', die Seit? an Seit? neben den Memoiren von Heiner Lauterbach, Dieter Bohlen oder Stefan Effenberg standen? Oder Axel Hackes ,Deutschlandalbum', das als Belletristik gehandelt wurde?" Am Ende sei der "autobiografische Pakt" entscheidend, also dass die Verfasser behaupten, "nur Wahres über das eigene Leben berichten zu wollen" - nicht die literarische Formgebung.

"Jeden Monat neue Hardcover?", fragt das Börsenblatt anlässlich der Umstellung von Lübbe auf eine monatliche Auslieferung - worauf das Gros der Befragten den neuen Turnus begrüßt. Der Oldenburger Kinder- und Jugendliteraturpreis wird in diesem Jahr nicht vergeben - die Jury fand alle 198 Titel zu schwach.

Weitere Artikel: Die Frankfurter Buchmesse meldet für 2006 ein Flächenzuwachs von 3,5 Prozent auf 172000 Quadratmeter; ebenfalls zugelegt hat die Zahl der deutschen Aussteller, während die Zahl der Ausländer rückläufig ist. Über die Mühen der deutschen Verlage auf dem chinesischen Buchmarkt berichtet Ex-Börsenblatt-Vizechefin Sybille Fuhrmann, die sich in Peking umgeschaut hat. Der Buchhandel hat im August ein Umsatzplus von 9,1 Prozent hingelegt - "vor guter Laune wird gewarnt", zeigt sich Börsenblatt-Chefredakteur Torsten Casimir im Editorial deshalb von der ironischen Seite. Wolfgang Schneider analysiert die sechs Kandidaten der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Im "Menschen"-Ressort stellt Andreas Trojan den Falter-Verleger Amin Thurnher vor. Der "Fragebogen" fällt diesmal wieder aus.
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