Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
11.12.2006. Warum es im Buchhandel vor Weihnachten so traurig zugeht. Weshalb "Perry Rhodan" von seinem Heimatplaneten verstoßen wird. Wieso bei der Volltextsuche Qualität vor Zeit geht. Und wie sich US- und englische Verlage die Welt aufteilen möchten.

buchreport.express

Volle Städte, leere Kassen - auf mehreren Seiten rätselt buchreport, warum der Buchhandel in der vergangenen Woche ein Umsatz-Minus von 8,6 Prozent hinnehmen musste. "Schlechter geht es kaum noch", zitieren die Dortmunder "einen der bekanntesten deutschen Buchhändler". Besonders bitter sei die Situation der kleineren Buchhändler, die Umsatzeinbußen bis zu 20% verbuchten. Hauptgrund der Misere: Es fehlt ein Top-Seller a la "Harry Potter", weshalb die Hardcover-Belletristik-Umsätze um 20 Prozent hinter dem Vorjahr zurückblieben. Demgegenüber die drei meistverkauften Titel (warengruppenübergreifend): "Ich bin dann mal weg" (Hape Kerkeling), "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod III" (Bastian Sick) und der "Duden" (Bibliographisches Institut). Hier außerdem ein Artikel über die November-Umsätze im Buchhandel.

Die Börsenvereinstochter MVB feilt weiter an der als fehlerhaft gescholtenen Rechercheplattform "Verzeichnis lieferbarer Bücher". Ab Frühjahr soll die Datenbank um Nonbooks ergänzt werden, sodass Verlage Merchandising-Produkte anbieten können. Außerdem überlegen die Frankfurter, ob der VlB-Abo-Preis für Buchhändler (jährlich 486 Euro für eine Einzelplatzversion) gesenkt werden soll, um den Kundenschwund zu stoppen.

Im Kommentar kritisiert Thomas Wilking die weitestgehend dichotomen Auslieferungsrhythmen der Verlage (Frühjahr, Herbst). "Das passt letztlich ebensowenig in die Zeit wie die tradierten Rabattmodelle des draufgelegten Partieexemplars. In Zeiten, in denen die Lager des Handels klein gehalten und die Just-in-Time-Logistik immer ausgefeilter wird, sind andere Rhythmen gefragt."

Weitere Themen: Im Interview mit Thomas Wilking erklärt Stephan Schierke, Chef der Bertelsmann-Verlagsauslieferung VVA, warum die Auslieferungsgeschwindigkeit erhöht sowie Bestellungen zunehmend gebündelt werden sollen (hier der Artikel zu den VVA-Plänen). Der Pabel-Moewig-Verlag stellt das Buchgeschäft ein und will die Perry-Rhodan-Reihe als Lizenz an einen anderen Buchverlag verkaufen - Kandidaten sind nach buchreport-Recherchen Heyne und Lübbe. Die Welt und Thalia bringen mit dem Taschen Verlag eine Sonderausgabe mit den Werken von Leonardo da Vinci auf den Markt - für 49 Euro statt der ursprünglichen 150 Euro. Die Riverdeep Group schluckt für 3,3 Milliarden Dollar den US-Großverlag Houghton Mifflin. Random House will in den kommenden Jahren massiv in die Verwertung von Backlist-Titeln investieren, um Marktanteile auf dem Klassikermarkt (derzeit schätzungsweise 10%) zu erobern; die Aktivitäten werden auf den Imprintverlag Vintage gebündelt, bei dem ab August 2007 20 Klassiker erscheinen sollen. Und hier die Bestsellerliste.

Börsenblatt

Ca y'est - es ist vollbracht, feiert Börsenblatt-Chefredakteur Torsten Casimir im Editorial die (monatelang verzögerte) Unterzeichnung des Vertrags zwischen der Börsenvereinstochter MVB und dem Holtzbrinck-Spross HGV zur Kooperation beim Verbandsprojekt Volltextsuche Online (VTO). Der Startschuss für VTO sei wohl erst im Rückblick - aus dem Jahr 2015 - als "wichtiger Schritt ins digitale Zeitalter des Buchhandels" erkennbar. Erstaunlich unkritisch auch das Interview mit MVB-Chef Ronald Schild, der die späte Unterzeichnung der Verträge schwammig begründet: "Das Qualitätsargument wog schwerer als das Zeitargument." In der Folge erfährt der Leser, dass die Titel ab Mitte Februar auf die Volltextsuche Online-Plattform aufgespielt werden, dass ganze 20 Verlage ihr Engagement vertraglich zugesichert und immerhin 160 Verlage den "Letter of Intent" unterzeichnet hätten (mehr zur Verspätung im Buchmacher-Archiv).

Anders als der buchreport mit seiner vorweihnachtlichen Materialschlacht feiert das Börsenblatt das Weihnachtsgeschäft kurz und knapp (und ein bisschen uninspiriert) ab: Der HDE wasserstandmeldet, dass flache Fernsehgeräte gut laufen, Redakteurin Christina Schulte schlägt dem Buchhändler vor, den Kunden das ganze Jahr über zum Kauf zu animieren, und am Telefon berichten fünf Buchändler von ihren unterschiedliuchen Eindrücken zum Kauf-Fest.

Von einem interessanten Streit um Buchrechte zwischen englischen und amerikanischen Verlagen berichtet Eckart Baier. Dabei wehren sich die US-Verlage dagegen, dass sich die Engländer die exklusiven Exportrechte für englischsprachige Bücher ins Commonwealth in der Regel vertraglich zusichern lassen. Besonders der Zugang zum indischen Buchmarkt liege den Amerikanern am Herzen. "Es tobt ein wahrer Krieg um die Aufteilung der Welt", kommentiert Doris Janhsen (Pendo) das Lizenz-Geschachere. Peter S. Fritz, Literaturagent aus Zürich, spricht sich für offene Märkte aus - der indische Leser solle entscheiden, ob er zur englischen oder amerikanischen Ausgabe greife.

Weitere Themen: Rückendeckung erhält Ulla Unseld-Berkewicz von 25 Suhrkamp-Autoren (darunter Adolf Muschg, Volker Braun und Thomas Meinecke), die in einer gemeinsamen Erklärung betonen, dass sie sich bei Suhrkamp "wohl" fühlten - zur Erinnerung: Vor drei Jahren war es Muschg, der wegen der Absetzung des damaligen Verlagsleiters Günter Berg zusammen mit Enzensberger & Co. den Stiftungsrat verließ (hier der FAZ-Bericht). Torsten Casimir berichtet von der VVA-Verlagstagung, wo der Chef der Arvato-Tochter, Stephan Schierke, zum Philosophieren (besonders über den Buchhandels-Kunden) eingeladen habe. Streng nach der neuen Börsenblatt-Strategie, mehr Bilder zu wagen, stellen die acht Juroren der "Schönste Bücher"-Jury (Stiftung Buchkunst) mit eigentümlichen Gesten ihren jeweiligen Favoriten vor. Im "Menschen"-Ressort porträtiert Andreas Trojan die Random-House-Programmmacherin Regina Kammerer.
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