Die Buchmacher

Respekt für Weltbild

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
23.07.2007. Warum sich der Potter-Verlag mit einer englischen Supermarktkette fetzt. Wie MairDumont bei Carto Travel ausmistet. Wer sich vor Weltbild verneigt. Und wieso die Branche ohne Siegfried Unseld aufgeschmissen ist.

Börsenblatt

"Voller Respekt" verneigt sich Börsenblatt-Chefredakteur Torster Casimir vor den Leistungen des Weltbild-Konzerns, der im Geschäftsjahr 2006/2007 im Internet um 32 Prozent und über alle Sparten um 15 Prozent zulegen konnte. Stationärer und Online-Handel müssten keine gegeneinander stehenden Vertriebswege sein, schlussfolgert Casimir. Im Interview kündigt Weltbild-Boss Carel Halff an, besonders in Polen, Russland und den Niederlanden wachsen zu wollen.

Die Gema hat dem Börsenverein einen Tarif für die Musiknutzung unter anderem an Hörbuchstationen in Buchhandlungen vorgeschlagen: Pro Kopfhörer 10 Euro per anno, die vom Buchhändler zu zahlen sind. Börsenverein: Veto! Thomas Wrensch (Buchhandlung Graff): "Abzocke!"

Im Kommentar beklagt der Salzburger Verleger Jochen Jung, dass die Buchbranche keinen Siegfried Unseld mehr hat, "einen, von dem wir sagen konnten: Er ist unser Bester" - einen, der für alle Verleger spreche. Der Nachwuchs, darunter Verlegerinnen wie Katharina Wagenbach oder Daniela Seel sei wunderbar, habe aber kein Interesse an Repräsentation. Möglicherweise sei die "Repräsentationsidee an sich längst überholt", formuliert der Verleger vorsichtig.

By the way: Im Börsenblatt zeichnen sich allmählich auch Spuren der neuen Online-Strategie ab. So drucken die Frankfurter an prominenter Stelle (direkt hinter dem Kommentar) Stimmen aus dem Internet-Leserforum ab, zu Themen wie Potter, Überproduktion der Verlage oder Internethandel - unabhängig von der Qualität der Beiträge eine konsequente Online-Offline-Verzahnung.

Michael Roesler-Graichen interviewt den Verleger Klaus G. Saur (Chef von Walter de Gruyter), dessen Verlag nach der Übernahme des Saur-Verlags und Niemeyer in Kontinentaleuropa an der Spitze steht (weltweit Nummer zwei hinter Oxford University Presse). Die Integration der Verlage soll zum 1. August 2007 abgeschlossen werden, weitere Zukäufe seien geplant.

Weitere Themen: Tobias Hierl analysiert die Situation auf dem österreichischen Buchmarkt, wo der Konzentrationsprozess gestoppt habe (große Filialen rechneten sich meist nicht). Frank Magdans gibt einen Überblick über neue Computerspiele. Im "Menschen"-Ressort porträtiert Stefan Hauck den Hamburger Illustrator Peter Schössow. Bodo Kirchhoff schreibt über eine Idealbuchhandlung, die es nur in seiner Fantasie gibt (es soll dort nach frischem Gebäck duften).
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Der buchreport nimmt sich (hier der Artikel) den neuen Potter als großes Thema vor (hallo Börsenblatt, jemand zu Hause?). Da auch in Deutschland keine der Ketten den empfohlenen Ladenpreis (28,90 Euro) der englischen Ausgabe ernst nehme (die Mayersche verscherbele Band sieben für 15,90 Euro), bleibe am Ende "nur wenig oder nichts" übrig. "Dass Preise derart drastisch heruntergehen, gibt es in keiner anderen Branche. So richtig verdienen wird wohl keiner", klagt Heinrich Riethmüller (Osiander), Vorsitzender des Sortimenter-Auschusses, im Gespräch mit den Dortmundern. In einem weiteren Artikel beschreibt buchreport die Potter-Blüten aus dem Ausland: So scheuen Bloomsbury  nicht davor zurück, sich mit der Supermarktkette Asda anzulegen Nachdem Asda den Verlag in einer Presseerklärung heftig attackiert und ihm wegen des empfohlenen Verkaufspreises von 17,99 Pfund Preistreiberei "auf dem Rücken der jungen Harry-Potter-Fans" vorgeworfen hatte. kassierte Bloomsbury Asdas 500.000 vorbestellte HP-Bücher ein und kündigte den geschäftlichen Kontakt mit der drittgrößten Supermarktkette auf der Insel.

Im Interview mit Helge Rehbein erklärt der polnische Literaturagent Tomek Berezinski, warum Polen im Ranking des internationalen Lizenzhandels deutscher Verlage mit Tschechien an der Spitze liegt. Man werde langsam müde von der kommerziellen US-Literatur.

Die deutsche Buchbranche hat laut Börsenverein 2006 einen Umsatz von 9,3 Mrd Euro erzielt (plus 1,1 Prozent); im Internet seien 7,6 Prozent des Gesamtumsatzes mit Büchern erzielt worden. Prekär erscheint die Ertragslage: Gemessen am Gesamtumsatz erzielte die Branche im Durchschnitt eine negative Rendite von 0,8 Prozent.

Wie bitter: Nach der Übernahme der bisherigen ADAC-Kartografietochter Carto Travel durch MairDumont zeichnet sich ein Aderlass ab: Zum 30. September werden laut Betriebsrat die Standorte in Bad Soden, Gotha und Berlin geschlossen, 155 Mitarbeitern werde betriebsbedingt gekündigt.

Die Kritik am Börsenvereins-Vorzeigeprojekt Volltextsuche Online reißt nicht ab. Laut buchreport hat der Berliner Verleger Christoph Links im Anschluss an die Buchhändlertage in einem Brief an Vereinsvorsteher Gottfried Honnefelder mächtig Dampf abgelassen: "Das Projekt marschiere auf ein Desaster zu. Das System sei noch nicht ausgereift, die Trefferqualität der internen Suche schlecht und die Beziehung zu Google zur Erfassung der VTO-Titel nicht vertraglich geregelt, lauten Links? wesentliche Kritikpunkte."

Weitere Themen: Im "Tagebuch" meldet der buchreport, dass Diogenes-Chef Daniel Keel seinen Mitarbeitern am Montag vergangener Woche hitzefrei gegeben hat (zwei Stunden vor Dienstschluss). Der Electronic-Publishing-Spezialist Directmedia kooperiert vertrieblich mit dem Hamburger Medien Haus (HMH), um den Umsatz im Buchhandel deutlich zu erhöhen - statt der bisherigen 300 Buchhandlungen sollen so 1000 Sortimenter erreicht werden. Uwe Sertel, bisheriger Finanzchef bei Lübbe, verlässt den Verlag aus Bergisch Gladbach wegen "unterschiedlicher Ansichten zur strategischen Ausrichtung" (O-Ton Stefan Lübbe). Komische Randnotiz: Karlheinz Jungbeck, erst im Januar bei Lübbe ausgeschieden (worden?), übernimmt die Aufgaben des kaufmännischen Geschäftsführers. Und hier die Beststellerlisten.
Stichwörter: Tschechien, Links, Christoph