Die Buchmacher

Deutsche Literatur auf den Bestsellerlisten

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17.08.2007. Warum die alten, aber nicht ganz alten Autoren so still geworden sind. Wieso dem Börsenverein hohe finanzielle Belastungen drohen. Und weshalb die deutsche Literatur so stark auf den Bestsellerlisten vertreten ist.

buchreport.express

"Man liest Deutsch", titelt der buchreport und analysiert die Bestseller-Affinität der deutschen Literatur. Hätten auf der Jahresbestsellerliste 2005 gerade mal zwei deutsche Titel einen Platz in der Top-10 besetzt, seien allein im ersten Halbjahr 2007 zehn der erfolgreichsten Top-20-Titel von deutschen Autoren gewesen. "Zum Trend trägt neben dem gewachsenen Interesse durch erfolgreiche Vorreiter wie Kehlmann und Schätzing auch der 2005 ins Leben gerufene und sogleich gut eingeschlagene Deutsche Buchpreis bei", forscht buchreport nach den Ursachen (hier die gerade veröffentlichte Longlist der Jury). "Wir haben eine regelrechte deutsche Welle", bestätigt der Random-House-Verleger Georg Rechlein gegenüber den Dortmundern. Während Reuchlein und Verlegerkollege Michael Krüger den Trend auf die Erzähllust der Autoren zurückführen, dämpft Suhrkamp-Cheflektor Raimund Fellinger die Euphorie: "Ich habe meine Zweifel, ob das ein langfristiger Trend ist."

Nachdem der Börsenverein seit vergangener Woche 100-Prozent-Eigentümer der Buchhändler-Abrechnungs-Gesellschaft (BAG) ist, hat der Verband jetzt eingeräumt, dass auf ihn außerordentliche finanzielle Belastungen zukommen könnten. "Wir haben bei Übernahme Verluste zu erwarten, die weit über unser bisheriges Engagement von 4,4 Mio Euro hinausgehen", zitieren die Dortmunder aus einem offenen Brief von Vorsteher Gottfried Honnefelder an Buchhändler und Verleger. Die BAG werde sich künftig auf ihr Kerngeschäft, das Clearing, konzentrieren, und ihre weiteren Engagements beenden und abwickeln.

Im Interview mit buchreport formuliert die Buchhändlerin Ulrike Musial (die für die Leistungsgemeinschaft Buch einen offenen Brief zum Erhalt des unabhängigen Buchhandels verfasst hat) schwammige Forderungen an die Verlage: "Es geht um eine intensivierte Zusammenarbeit zwischen leistungsfähigen Buchhandlungen und wichtigen Verlagen." Dabei gehe es nicht ausschließlich um Rabatte, "sondern um gemeinsame Strategien zum Nutzen von Buchhandlungen und Verlagen."

Weitere Themen: Der Journalist Peter Leuschner hat eine Klage gegen den Verlag Edition Nautilus und die Autorin Andrea Maria Schenkel eingelegt, die mit ihrem Roman "Tannöd" aus seinem Sachbuch "Der Mordfall Hinterkaifeck" abgekupfert haben soll. Im bayerischen Buchhandel und Verlagswesen gibt es nach der Einigung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ab September 2,4 Prozent mehr Lohn. Während Amazon den Service seines On-Demand-Dienstleisters CreateSpace (bislang CDs und DVDs) um Bücher erweitert hat, um so den internationalen Print-on-Demand-Markt zu erobern, hat der Noch-World-Champion Lulu angekündigt, in den kommenden fünf Jahren auf wichtigen lokalen Märkten wie Deutschland Marktführer werden zu wollen.

Börsenblatt

Feuilletonisten, aufgepasst - bahnt sich da eine neue Generationendebatte an? Im Gastkommentar fragt der Berliner Verleger Jörg Sundermeier, wo die "alten, doch noch nicht ganz alten Autorinnen und Autoren in Deutschland, Österreich und der Schweiz" geblieben sind. Schriftsteller wie Helga M. Novak, Elke Erb, Oswald Wiener, Hermann Peter Piwitt oder Gabriele Wohmann seien aus dem öffentlichen Bewusstsein nahezu verschwunden, ihre Werke, die einst bei großen Verlagshäusern verlegt worden seien, hätten inzwischen in kleinen Verlagen Unterschlupf gefunden. "Sie sind ergraut, Falten prägen ihre Gesichter, ihre Stimmen sind rau oder werden immer leiser, sie rauchen vielleicht und sie finden nicht mehr alles amüsant.", sucht Sundermeier nach Ursachen. "Sie sind nicht süß, ihre Fehler, Dummheiten und ihre Halsstarrigkeit kann man nicht mehr mit mangelnder Erfahrung entschuldigen. Zur Mahner- und Warnerrolle, die Walser, Grass oder Jens so perfekt ausfüllen, fehlt den Angehörigen der nachfolgenden Generation wiederum die Staats-, Partei- oder Moralgläubigkeit."

Christina Schulte greift die Dauerkrise der Buchhändler-Abrechnungs-Gesellschaft BAG auf. Mit der BAG-Übernahme drohten dem Verband hohe finanzielle Belastungen, besonders zur Modernisierung der EDV. Im Interview mit dem Börsenblatt verteidigt BAG-Vorstand Volker Neumann die Entscheidung, auf die 25-prozentige Beteiligung zu verzichten und so den Börsenverein zum alleinigen Eigentümer zu machen. Alternativ, so Neumann, hätte der Wert der BAG in drei Jahren neu bestimt werden müssen - bis dahin hätte eine "Hängepartie" ohne Einfluss des BAG-Vereins gedroht. Schlimmstenfalls hätte die BAG dann Geld an die MVB nachschießen müssen, was nicht möglich gewesen wäre.

Die US-Buchkette Borders steht in Verhandlungen mit dem Medienhändler W.H. Smith zur Übernahme der 70 britischen Borders-Standorte. In Bankenkreisen sei ein möglicher Kaufpreis von 50 Millionen Pfund genannt worden.

Weitere Themen: Im Juli ist der Umsatz im US-Buchhandel um 6,6 Prozent auf 832 Millionen Dollar zurückgegangen.; seit Jahresbeginn sank der Umsatz um 4,6 Prozent. Sabine Cronau beschreibt den Profilwechsel beim Callwey Verlag, der früher Bücher übers Bauen veröffentlicht habe, inzwischen aber Wohn- und Gartenbücher fürs breite Publikum verlege. Wolfgang Schneider seziert die Longlist des Deutschen Buchpreises, die primär Bücher von "wenig durchgesetzten Namen" wie Larissa Boehning, Lena Gorelik oder Gregor Sander enthalte. Im "Menschen"-Ressort porträtiert Nils Kahlefendt die Templiner Buchhändlerfamilie Karger. Den Fragebogen hat der Illustrator Philip Waechter ausgefüllt (Lebensmotto? "Morgen ist ein neuer Tag").
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