Die Buchmacher

Verlage demütigen Wissenschaftler

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
09.09.2007. Welches Problem gelöst werden kann, indem man Autoren Stempel verweigert. Wie Verlage Wissenschaftler demütigen und knechten. Und was die Börsenvereins-Tochter MVB zur neuerlichen Sicherheitspanne bei "Volltextsuche Online" sagt.

buchreport.express

buchreport berichtet im Aufmacherartikel über die Filetierung der Direct Group von Bertelsmann, die im ersten Halbjahr wieder in die roten Zahlen gerutscht sei: Das US-Geschäft (Umsatz rund eine Milliarde Euro) wird der Verlagssparte Random House zugeschlagen (die auch bei Umsatz und Gewinn geschwächelt habe), das europäische und asiatische Geschäft einschließlich des deutschen Clubs bleibe bei der reduzierten Direct Group, die nach dem Ausscheiden von Ewald Walgenbach nicht mehr direkt im Vorstand vertreten sein werde. Auf den ersten Blick wirkt der Artikel als Aufzählung von schon aus der Wirtschaftspresse Bekanntem, aber buchreport legt doch noch etwas drauf. Aus den eigenen Daten der Spiegel-Bestsellerliste erheben die Dortmunder ein Ranking der 20 meistverkauften Random House-Titel des ersten Halbjahres. Und siehe da, elf Titel, darunter die ersten fünf, stammen von Goldmann - was den hohen Stellenwert des Verlags für die Bertelsmann-Buchverlage demonstriert. 19 Titel der meistverkauften 100 Bücher aller Verlage im ersten Halbjahr stammten aus den Random House-Verlagen.

Der Sortimentsbuchhandel hat im August ein Umsatzminus von 2,9 Prozent hingelegt - auf der Basis eines ungewöhnlich starken Vorjahresmonats. "Auch wenn die schwarze Kurve der kumulierten Werte jetzt einen Knick bekommen hat, bleibt die ausgesprochen positive Grundtendenz für den Sortimentsbuchhandel erhalten", schreibt buchreport. Während die Entwicklung des Einzelhandels insgesamt weiter rückläufig sei (bis Juli: minus 1 Prozent), könne sich der Sortimentsbuchhandel nach acht Monaten über ein solides Umsatzplus von 3,4 Prozent freuen.

Nachdem es zuletzt ruhig geworden ist um die Sondereditionen der Presseverlage meldet buchreport neue Projekte: Zur Frankfurter Buchmesse starte der Spiegel in Kooperation mit Arte eine 50-teilige DVD-Filmedition. Die Süddeutsche Zeitung bringe noch in diesem Monat mit Prestel die zwölfbändige Kunstbuchreihe "Abenteuer Kunst" auf den Markt.

Wie vor sieben Monaten ist es dem Blogger Mathias Schindler (hier sein Bericht auf heise.de) und buchreport gelungen, unerlaubt in das Volltextsuche-Online-System des Börsenvereins einzudringen und "mit einem simplen Trick", so buchreport, Bücher (den Herder-Bestseller "Jesus von Nazareth" von Papst Benedikt XVI) herunterzuladen. Das VTO-Portal sei diesmal sogar nichtmals mit einem Passwort abgesichert gewesen. Von den von der MVB angegebenen 7000 auf der Plattform eingestellten Titeln aus 210 kooperierenden Verlagen seien, wie der Blick hinter die Kulissen gezeigt habe, nur 927 Titel von etwa 40 Verlagen online gewesen. Mit Reiner Klink sei inzwischen der zweite Projektleiter bei VTO ausgeschieden (worden?). Hier die Erklärung des VTO-Chefs Ronald Schild zum Hack.

Weitere Themen: Das schweizerische Parlament hat die Gesetzgebungsinitiative zur Einführung eines Preisbindungsgesetzes auf Eis gelegt. Der Online-Buchhändler buch.de hat sein Community-Portal "Alexandria" fertig gestellt - es soll in diesen Tagen starten. Hier das Inhaltsverzeichnis und hier die Bestsellerlisten.

Börsenblatt

"Nie war buchhändlerische Fitness so überlebenswichtig wie heute", schreibt Börsenblatt-Chef Torsten Casimir im Editorial. Anlass seiner Diagnose sind die jüngsten Meldungen, nach denen die großen Filialisten in Nürnberg (hier), Göttingen, Wuppertal und Düsseldorf (hier) expandieren wollen und "dem kleinen und mittleren Sortimenter die Luft zum Atmen immer dünner wird." Bei den Großen glaube keiner an eine erhebliche Markterweiterung, ein gleich großer Kuchen werde nur neu verteilt.

Der Bertelsmann-Club steht wieder im Fokus der Preisbindungswächter. Nach dem Stopp eines irreführenden Werbeslogans geht es diesmal um den Bücher-Bestell-Service des Clubs, bei dem, Bestellungen preisgebundener Titel, die nicht im Club-Programm sind, auf die Abnahmeverpflichtung des Mitglieds angerechnet werden können - angeblich ein Verstoß gegen die die im "Potsdamer Protokoll" formulierten Branchenregelungen für Buchclub-Ausgaben (hier die Meldung).

Jochen Jung sucht im Kommentar eine Lösung für das Problem der Überproduktion. "Aus lauter Angst, einen Marktanteil, geschweige denn ein Marktsegment zu verlieren und - horribile dictu - dem Konkurrenten zu überlassen, produziert man lieber weiter, nicht munter, aber doch. Kurz und schlecht: von den Verlegern ist da nichts zu erwarten", klagt der Salzburger Verleger. Also müsse man das Problem noch früher angehen, von den Schreibern her, die ihre Geniekarrieren heute an den Schreibschulen mit "Siegel, Stempel und Ausweis" antreten. "Wenn man einen dieser Stempel verweigert, dann wird nichts mit dem Dichter, dann muss er Bibliothekar werden, dann bleibt das eine oder andere Buch ungeschrieben, dann atmet der Buchhändler auf und der Leser am Ende ebenso."

Das Börsenblatt druckt weiterhin konsequent Leserbriefe und Kommentare zu Internetmeldungen ab - darunter sind regelmäßig interessante Fundstücke. Nachdem die Frankfurter Ende August gemeldet hatten, dass Open Access nur für 7,5 Prozent der Fachverlage schon unmittelbare Auswirkungen auf Umsätze und Geschäftsmodelle hat, schaltet sich der Historiker und OA-Verfechter Klaus Graf ein (hier sein Wikipedia-Eintrag). "Die Verlage demütigen und knechten Wissenschaftler ohne vernünftigen Grund", schreibt Graf im Kommentar. Als Beiträger zur "Enzyklopädie der Neuzeit" (Metzler Verlag) bekomme er ein paar Euro ("20 oder so"), müsse aber mindestens zehn Stunden recherchieren. Noch nicht einmal ein Freiexemplar des Bandes bekomme er vom Verlag. Um Erkenntnisse mitzuteilen, sei Open Access heutzutage "schneller und für alle Beteiligten angenehmer".

Weitere Themen: Sabrina Gab schickt eine Reportage von der Buchmesse in Peking, wo die Risiken der Geschäfte von deutschen Verlagen nur schwer zu kalkulieren seien. Tamara Weise porträtiert Gabriele Rittig und Birgit Staniewski, die beide für die "Titanic" gearbeitet und Bücher geschrieben - und im Frühjahr eine Buchhandlung in Frankfurt eröffnet haben. Den Fragebogen hat den Kunstmann-Vertriebschef Uli Deurer nicht besonders inspirierend ausgefüllt (Lebensmotto? "Schaun mer mal!"). Hier das Inhaltsverzeichnis.
Archiv: Börsenblatt