Die Buchmacher

Leiden mit Fuckoh

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
25.02.2008. Warum der Fall Brockhaus doch nicht für den Tod der gedruckten Enzyklopädie steht. Wo man Print-on-Demand-Bücher bald produzieren kann. Und was "Nazis in Dortmund" mit "Narziß und Goldmund" und "Foucault" mit "Fuckoh" zu tun haben.

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Auch in dieser Woche ist die Verlagerung der Brockhaus-Enzyklopädie ins Internet das zentrale Thema. buchreport vergleicht die Online-Offline-Erfahrungen internationaler Verlage, die wenig eindeutig seien: So habe der niederländische Verlag PCM, der die neue Brockhaus-Strategie aufmerksam verfolge, zwischenzeitliche Pläne, die "Winkler Prins Encyclopädie" wieder zu drucken, jetzt gekippt. Bei der im englischsprachigen Raum renommierten "Encyclopædia Britannica", die schon 1999 radikal auf die werbefinanzierte Online-Schiene gesetzt hatte - und damit scheiterte - strebe man wieder stärker in Richtung Print: Im Mai werde eine Taschenbuch-Ausgabe der Enzyklopädie erscheinen, parallel zur großen, alle zwei Jahre aktualisierten großen Print-Edition (rund 2000 Euro) und der Online-Version (51 Euro pro Jahr).

Thalia verpasst seinen Filialen einen einheitlichen Anstrich: Bis Jahresende sollen 230 der 271 Buchhandlungen die Konzern-Dachmarke tragen, Gondrom-, Kober Löffler- sowie Buch & Kunst-Filialen verlieren bis dahin ihren Namen. Flankieren will der Großfilialist seine Vereinheitlichungsmaßnahme mit Zeitungsbeilagen und Hörfunkwerbung, berichtet buchreport.

Und läuft und läuft und läuft... gemeint ist der Streit um die angemessene Vergütung von Übersetzern. Nachdem die Verleger einen neuen Vorschlag vorgelegt haben, konnten sich die Mitglieder des Verbands der deutschsprachiger Übersetzer literarischer und wissenschaftlicher Werke (VdÜ) bei ihrem Treffen in Heidelberg nicht zu einer Entscheidung durchringen - der Vorschlag habe keiner Mehrheit gefunden, sei aber auch nicht durchgefallen, zitiert buchreport die oberste Übersetzerin, VdÜ-Chefin Gerlinde Schermer-Rauwolf. Jetzt laufe alles auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs hinaus, erklärte der Verleger-Verhandler Joerg Pfuhl (Random House) gegenüber buchreport.

Weitere Themen: Der Absatz-Anteil des Buchhandels am gesamten DVD-Markt lag 2007 bei 3,4 Prozent (2006: 2,7 Prozent); der DVD-Umsatz lag im Buchhandel bei 44,4 Millionen Euro. Der Kosmos Verlag und das zur Sony BMG Music Entertainment gehörende Label Europa haben ihren Streit um die Kinderkrimi-Serie "Die drei ???" beendet; am 4. April soll die Serie mit den Folgen 121 und 122 fortgesetzt werden (hier der Artikel). Borders, Nummer zwei auf dem US-Buchhandelsmarkt, hat ein neues Konzept für die Filialen erarbeitet; dazu gehört ein "Digital Center", eine 500 Quadratmeter große "digitale" Insel, auf der sich die Kunden Hörbücher oder E-Books herunterladen und sogar Print-on-Demand-Bücher von Lulu.com produzieren können. Bis Ende des Jahres sollen 14 Filialen überarbeitet werden. Hier das Inhaltsverzeichnis und hier die Bestsellerlisten.
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Börsenblatt

Die interessantesten Artikel sind in dieser Woche nicht im gedruckten Börsenblatt zu lesen, sondern als Kommentare zur Meldung, dass Thalia mit einer Werbeoffensive den neuen Markenauftritt flankiert (hier). "Durch Beilagenkampagnen mit einer Auflage von bis zu 8,5 Millionen Exemplaren allein in Deutschland, Rundfunk- und Anzeigenwerbung sowie optimaler POS Präsentation und Dekoration wird Thalia noch intensiver als in der Vergangenheit über alle drei Länder hinweg werblich auftreten", zitiert das Blatt aus dem Pressemitteilung. "Nach Erschlagen durch Ladenverkaufsfläche, kommt nun erschlagen durch Papier", spöttelt der eine Leser, "Wann dreht die ,Parfüm-Mutti' den Geldhahn zu?" der andere. Außerdem geht es darum, wie gut oder schlecht bei den Filialisten bedient wird, wie freundlich diese sind - und mit welchen Mittel Thalia & Co. die angestammten Händler verdrängen. "Dazu gehört auch das Thalia gezielt unabhängige Buchhandlungen vernichtet indem mit viel Geld und möglichst hoher qm entweder neben der Buchhandlung oder über einer Stadt verteilt den unabhängigen Buchhandlungen die Luft abschnürt."

Über den chronischen Mitgliederschwund (besonders durch Konzentration auf der Handelsseite) jammern die Börsenvereinianer seit Jahren, doch selbst ein kleiner Reform-Schritt ist offenbar auch nicht mehrheitsfähig: Der Länderrat im Börsenverein ist zwar dafür, eine abgestufte Mitgliedschaft für Unternehmen anzubieten, die branchennahe Produkte oder Dienstleistungen anbieten. "Insbesondere auf Drängen der Verleger im Verband wurde präzisiert, dass die Offerte in der Regel nicht für literarische Agenturen, Autoren und Übersetzer gilt", erklärt das Börsenblatt - hier bestehe ein Konflikt "im Hinblick auf Kerninteressen der Vergütung".

Kurz bevor sich der BAG-Sanierer Manfred Antoni in Richtung Klett Verlag verabschiedet, hat er der Buchhändler-Abrechnungs-Gesellschaft eine ausgezeichnete Zukunft bescheinigt. Vor dem Länderrat, berichtet das Börsenblatt, habe Antoni angekündigt, die BAG werde ab 2009 "eine kleine Cash-Maschine sein, die eine Umsatzrendite nördlich von 15 Prozent erwirtschaften wird".

Oh je, das Volk wird dümmer und dümmer, und das alltägliche Leid der Buchhändler entsprechend größer und größer. Dies ist der Tenor eines Gastkommentars (eigentlich ein Auszug aus dem Buch "Feinde. Alle, die wir brauchen", Diederichs) des Soziologen Reinhard Kreissl. "Frei nach der Assoziationskette, die von Pfannkuchen über Omelette zu Hamlet führt, sieht der Händler sich oft mit Anfragen nach Spezialtiteln konfrontiert, die aber die Interessenten nur im Ungefähren zu beschreiben in der Lage sind. Schlimmstenfalls fragt einer nach einem dicken Buch mit einem grünen Umschlag, wo es um Indianer geht." Aber auch die Fachkräfte des Gewerbes seien nicht immer klüger - auf der Suche nach einem Titel von Michel Foucault in einer eingesessenen Buchhandlung mittlerer Größe habe die "beflissene junge Dame" "Fuckoh" in die Suchmaske eingetippt. Schön sind auch hier wieder die Leser-Kommentare von Buchhändlern, die aus ihrer Leidensgeschichte erzählen: "Das Buch war von einer Frau und vorne drauf waren so Buchstaben" (nach konsequenten Nachfragen: Cornelia Funke, Die Tintenherz-Trilogie). Oder: "Haben Sie das Buch "Nazis in Dortmund"? (Narziß und Goldmund, Hesse). Hier der Artikel.

Weitere Themen: Eckart Baier zeigt die Vorteile der RFID-Funktechnik, die bei der niederländischen Kette BGN eingesetzt werde. Holger Heimann porträtiert Jo Fürst und Marc Iven, die in Berlin die traditionsreiche Autorenbuchhandlung übernehmen. Jörg Magenau hat den Schriftsteller Michael Kumpfmüller getroffen, der einen neuen Roman ("Nachricht an alle", KiWi) über die Berliner Inszenierung von Macht geschrieben hat. Hier das Inhaltsverzeichnis.
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