Die Buchmacher

Erfüllungsgehilfen der Filial-Fürsten

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
10.03.2008. Was die Ausbildung in den Buch-Ketten fragwürdig macht. Wer im Wettstreit mit den Filialisten auf Expansionskurs ist. Und warum Verlage zu defensiv sind.

buchreport.express

Sind die Strategien der Verlage zu defensiv, fragt buchreport im Aufmacherartikel. Aufhänger ist eine Studie des Malik Management Zentrums St. Gallen, nach der die Branche eher auf "defensive Maßnahmen" setzt, um den strategischen Herausforderungen aus der Digitalisierung zu begegnen. Fazit der Malikschen Manager-Befragung (deren Fazit im übrigen ziemlich schwafelig daherkommt): "Es wird mehr vom selben gemacht, alle verbessern die Qualität, alle entwickeln neue Produkte. Insgesamt orientieren sich die Maßnahmen stark an bestehenden Zielgruppen und Angeboten." Als Beispiele für den erfolgten oder bevorstehenden Wandel nennt buchreport die kürzliche "Brockhaus"-Wende von der Print- zur Online-Vermarktung sowie die Herausforderungen der Ratgeber- und Reise-Verlage, für die es sich als sehr schwierig erweise, "eigene Plattformen zu etablieren, im Web 2.0 ein Bein an die Erde zu bekommen und damit auch noch Geld zu verdienen."

Als Umsatztrend für Februar vermeldet buchreport eine weiterhin rote Ziffer: minus 1,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Immerhin habe sich die Nachfrage nach einem deutlicheren Minus im Januar etwas erholt. Aktuelle Sorgenkinder im Sortiment seien Sachbücher und Ratgeber angesiedelt, während die Belletristik im Aufwind sei.

Till Spielmann bejubelt die "Reading Rooms", die Online-Ableger der FAZ-Vorabdrucke. Der Leseraum zu Jonathan Littells Roman "Die Wohlgesinnten" sei in den ersten 20 Tagen nach Freischaltung schon 850.000 Mal aufgerufen worden - eine Aufmerksamkeit, die durch klassische Werbung kaum zu erreichen sei. Obwohl noch kein Geschäftsmodell vorliege, zeichne sich hier nach den Sondereditionen von Südddeutsche & Co. bereits die nächste Kooperation von Zeitungs- und Buchverlagen ab.

Weitere Themen: Helge Rehbein unterhält sich mit der Weissbooks-Verlegeri Anya Schutzbach über den Investorenhintergrund des Verlags - die meisten Gesellschafter seien branchenfremd, alle wollten jedoch eine "hübsche Rendite" sehen. Nach der Ankündigung des neuen Bertelsmann-Chefs Hartmut Ostrowski wird der Buchclub auf den Prüfstand gestellt. "Die Anzeichen verdichten sich, dass die Schonfrist für den Buchclub abläuft", schreibt buchreport - ohne eine Idee zu präsentieren, wer (außer Thalia) Interesse an einer Übernahme der Clubs haben könnte. Neben Random House Audio USA verzichten weitere Hörbuchverlage auf DRM-Kopierschutz, darunter Penguin und (testweise) Simon & Schuster Audio. Der Börsenvereins-Vorstand prüft die Option eines Umzugs des Buchhändlerhauses. Hier das Inhaltsverzeichnis und hier die Bestsellerlisten.

Börsenblatt

Joachim Bartholomae, Leiter des Männerschwarm Verlags in Hamburg, schreibt im Gastkommentar, dass der Filialbuchhandel ganz eigene Anforderungen an den Nachwuchs stelle. Dabei blickt der Verleger zu den 16 Thalia-Geschäften in Hamburg, in denen gerade einmal 16 Personen über den Einkauf von Novitäten und damit das Profil des Sortiments entschieden - der Rest packe Geschenke ein und hoffe, irgendwann selbst eine oder einer dieser 16 zu werden. "Wenn der neue Bundesvorstand des Börsenvereins Bildungsarbeit als strategisches Ziel seiner Arbeit formuliert, muss man fragen: Wer soll hier weitergebildet werden, und wozu? Wenn die Absolventen eines Ausbildungsberufs als Erfüllungsgehilfen im engen Korsett einer Firmenstrategie missbraucht werden, könnte man sich auf die Klugheit der Jesuiten besinnen, die gesellschaftliche Veränderungen durch Fürstenerziehung bewirken wollten", schreibt Bartholomae. "Ich habe allerdings meine Zweifel, ob diese ,Filial-Fürsten' nicht lieber mit Betriebsberatern reden als mit Kulturaposteln."

Autor Csch kommentiert, dass immer mehr mittelständische oder zumindest inhabergeführte Buchhandlungen auf Expansionskurs sind: Osiander, Rupprecht oder die Mayersche. "Dass einige Standorte schon von den Großen besetzt sind, schreckt sie nicht ab. Wissen sie doch, dass ihre Buchhandlungen eine andere, persönliche Note haben - und sich gegen die Big Player behaupten können", schwärmt der Autor. Dabei sei es klug, das Tempo nicht zu sehr zu forcieren.

Eckart Baier und Christina Schulte vergleichen die Strategien der Einkaufsgemeinschaften LG Buch, eBuch, AUM und AGM. Anders als in Branchen wie Lebensmittel seien nur rund 20 Prozent der 4500 unabhängigen Buchhändler in solchen Zusammenschlüssen organisiert; ein Zusammenschluss der Verbünde sei jedoch in weiter Ferne.

Das Kinder- und Jugendbuchprogramm bei Random House wird neu geordnet. Im Herbst bekommt das Jugendtaschenbuchprogramm cbt einen eigenen Hardcover-Bereich; die Marke Omnibus fällt weg. Im Gespräch mit dem Börsenblatt erklärt der Verleger Jürgen Weidenbach die Hintergründe: "Auslöser ist unser starkes Wachstum im Jugendbuch, das nicht nur auf Christopher Paolinis ,Eragon', wie vielleicht vermutet, zurückzuführen ist. Wir konnten im Jugendbuchsegment - und hier auch im cbt-Jugendtaschenbuch - seit Jahren ein kontinuierliches Wachstum verzeichnen."

Weitere Themen: Der US-Hörbuch-Anbieter Audible hat seinen Umsatz 2007 im Vergleich zum Vorjahr um 34 Prozent auf 110 Millionen Dollar (72,3 Millionen Euro) gesteigert und dabei erstmals einen Nettogewinn (2,4 Millionen Dollar) ausgewiesen - gutes Omen für den Onlinehändler Amazon, der Audible übernehmen will (hier die Meldung). Der norddeutsche Anbieter von Print-on-Demand-Büchern, Books on Demand (BoD), expandiert auf dem französischen Markt und weitet die Vertriebszone (bisher Schweiz, Österreich, Dänemark und Finnland) aus. Im vergangenen Jahr sei der Titelbestand von 17.000 auf mehr als 65.000 vervierfacht worden, das Umsatzwachstum liege im deutlich zweistelligen Bereich, zitiert das Börsenblatt aus einer Pressemitteilung (hier). Max Florian Kühlem berichtet begeistert von einem Lesesonntag mit Charlotte Roach bei der Lit.Cologne. Tamara Weise gibt Tipps, wie Buchhändler DVDs verkaufen können. Michael Roesler-Graichen porträtiert den zum Understatement neigenden C.H. Beck-Cheflektor Detlef Felken und Nils Kahlefendt die Wagenbach-Herstellungsleiterin Julie August (was für ein Name!). Andrea Maria Schenkel schwärmt von ihrer Lieblingsbuchhandlung Bernsteinbuch in Nittendorf. Den Fragebogen hat sterbenslangweilend der Leipziger Buchmesse-Chef Oliver Zille ausgefüllt (Lebensmotto? "Die Dinge, die man im Leben tut, möglichst richtig tun und sich selbst dabei nicht zu wichtig nehmen").

Erstmals im Börsenblatt: ein "Plus"-Heft zum Thema Comics - ähnlich wie buchreport seit Monaten Supplements zu Schwerpunktthemen auskoppelt. Dem Leser des Börsenblatts erschließt sich allerdings nicht so leicht, wie sich das "Plus"-Heft von den bisherigen Spezial-Heften zu bestimmten Themen unterscheiden soll. Hier das Inhaltsverzeichnis des "großen" Börsenblatts.

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