Die Buchmacher

Riese in der Wachstumsfalle

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
31.03.2008. Warum die Branche eine konzertierte Marketing-Aktion benötigt. Wie Wikipedia Kleinverlage auslöscht. Inwiefern Amazon zu komplex und unflexibel ist. Und weshalb das Ehrenamt beim Börsenverein noch unattraktiver wird.

Börsenblatt

Im Interview fordert der Ex-Wagenbach-Designer und heutige Gestalter und Kommunikationsberater Rainer Groothuis eine konzertierte Marketingaktion der Branche (hier). "Es muss eine übergreifende Kampagne werden fürs Buch." Groothuis plädiert für einen Fonds, dessen transparente Bewirtschaftung und Kontrolle in die Regie des Börsenvereins zu geben sei. "Dieser Topf, aus dem dann eine gesellschaftlich breit wirksame Imagepolitur für das Buch und das Lesen finanziert werden soll, würde sich nach den Vorstellungen des Hamburgers aus einem Rabatt-Verzicht auf Zeit von beispielsweise einem halben Prozent speisen, auf den sich möglichst viele Unternehmen der Branche verständigen müssten. Das Geld könne von den Barsortimenten eingesammelt werden", fasst das Börsenblatt die Idee zusammen. Die Kampagne solle im Fernsehen, Radio und den großen Zeitungen stattfinden.

Eine schön Diskussion hat sich an der Meldung (hier) entzündet, dass die Wikipedia einen Eintrag zur Edition Rugerup gelöscht hat - laut Börsenblatt-Autor Nils Kahlefendt scheint für einen Kleinverlag, der mit "großem Wagemut spannende internationale Lyrik in deutscher Übersetzung präsentiert", in der freien Enzyklopädie kein Platz zu sein. Das harsche Vorgehen von Wikipedia gegen den Verlag sei kein Einzelfall: Rund ein Fünftel aller Artikel-Überarbeitungen in der englischsprachigen Wikipedia seien nach jüngsten Schätzungen Rücknahmen von Löschungen oder Radikal-Änderungen. "Wenn das Kriterium die Rezeption (= Verbreitung?) ist: dann bitte nur noch Artikel über Hape Kerkeling und Ken Follett auf Wikipedia!", schreibt ein Leser der Meldung.

Im Gastkommentar gibt Katharina Raabe, Lektorin bei Suhrkamp, einen Einblick in die Vertreterkonferenzen, bei denen die Lektoren für "ihre" Bücher werben. "Diszipliniert, aber mit Feuer, strikt zur Sache, aber lebendig und niemals über ihre Köpfe hinweg. Vor allem aber: Lassen wir sie keine Sekunde im Unklaren darüber, was wir mit dem einzelnen Buch wollen, warum wir es machen. Dann wird der Satz, der zur Formel taugt, sich schon bilden", meint die Frankfurterin.

Matthias Politycki singt ein Loblied auf seine Lieblingsbuchhandlung Samtleben in Hamburg: "Bloß kein künstlich auratisierter Ort, bloß kein Buchhändler, der ungebeten Geheimtipps gibt, keine Stammkunden, die ihre Bestellungen mit einem wissenden Raunen unterlegen und einander wie die Letzten ihrer Art hofieren, nein! Sondern ein solch perfekt organisierter Ort, dass er an seiner Oberfläche nachgerade beiläufig daherkommt - und ein Buchhändler, der so unbeflissen sein Metier verkörpert, dass man sogar mit ihm in ein entspanntes Kaffeegeplauder geraten, ja, dass man sich dabei sogar dem einen oder anderen literarischen Thema zuwenden kann."

Weitere Themen: Im Interview beklagt sich Jan Henne de Dijn, Ex-Chef des unter Insolvenzverwaltung stehenden Pay-TV-Literatursenders Lettra, dass Investitionsbanken den Sender im Stich gelassen hätten; von den Berliner Förderinstitutionen habe es keinen einzigen Euro gegeben. Jennifer Minke stellt neue Marketing-Modelle der Verlage vor, darunter Lesungen im Flugzeug, "Lerninseln" in Bahnhöfen und Leseproben im Magazin der Deutschen Bahn. Nicola Bardola porträtiert die Tessloff-Programmleiterin Margret Sterneck, Emmanuel van Stein den Ex-Lübbe-Chef und heutigen Literaturagenten Peter Molden. Den Fragebogen hat ziemlich lustlos der Autor Ulrich Woelk ausgefüllt (Hauptcharakterzug? "Da fragen Sie am besten meine Frau"). Hier das Inhaltsverzeichnis.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Im Aufmacherartikel berichtet buchreport, dass das Bundeskartellamt grünes Licht für den Filialisten DBH ( zuletzt 711 Millionen Euro Umsatz die Nr. 2 im deutschsprachigen Buchhandel) gegeben hat, 44 Buchhandels-Shops bei Karstadt zu übernehmen. Lediglich in den Städten München, Frankfurt a.M., Wiesbaden, Leipzig und Kiel wurden DBH-Shops bei Karstadt wegen wettbewerbsrechtlicher Bedenken abgelehnt. Beginnend ab 1. Juli in Berlin, Köln, Nürnberg und Lörrach würden in diesem Jahr bereits die Hälfte der Standorte auf die DBH-Marken Weltbild und Hugendubel umgerüstet, so buchreport. Geplant seien zwei Formate: Höherwertige Hugendubel-Flächen mit bis zu 700 Quadratmeter großen Vollsortimenten u.a. in Dortmund und Berlin sowie in der Mehrzahl Weltbild-Shops auf 200 bis 400 Quadratmetern mit schmalem Sortiment.

Im buchreport.magazin interviewt buchreport zum zehnjährigen Bestehen von buch.de den Gründer Michael Urban und den heutigen Vorstandschef Albert Hirsch. Es geht unter anderem um die heißen Jahre, als die New-Economy-Blase platzte, die damalige Überlebensstrategie sowie die heutige Wettbewerbssituation. Nach Einschätzung von Hirsch gibt es unter den Onlinebuchhändlern einen Verdrängungswettbewerb: "Von den 5000 Medienhändlern, die es einmal gab, sind rund 100 übrig geblieben. Es ist ein Oligopol entstanden, mit vielleicht zehn Online-Händlern, die mehr als 10 Mio Euro Umsatz machen, und von denen gibt es drei bis vier, die deutlich über 50 Mio Euro Umsatz erwirtschaften. Vielleicht wird es in ein paar Jahren so sein, dass das Wachstum gesättigt ist und auch an der Spitze eine Verdrängung stattfindet." Amazon wachse zwar schneller als buch.de, produziere durch das Warenhaus-Geschäftsmodell jedoch auch eine hohe Komplexität. "Das ist immer hinderlich für die wichtige Eigenschaft Flexibilität. Wir wollen keinen Gemischtwarenhandel, in dem das Buch nicht mehr die wichtigste Rolle spielt, ähnlich wie bei anderen großen Versandhändlern und Kaufhäusern, die schon heute diverse Probleme meistern müssen", betont der Münsteraner. "Viele Kunden fühlen sich beim Wettbewerb nicht mehr wohl und wechseln zu uns, weil sie die Vorteile unserer Marken sehen und die schnelle Lieferung und prominente Behandlung von Büchern auf unseren Seiten bevorzugen."

Im "Tagebuch" regt sich die Redaktion darüber auf, dass der Börsenverein exklusiv im Verbandsblatt Börsenblatt hat verlautbaren lassen, dass die ehrenamtlich agierenden früheren Aufsichtsräte der nach der Pleite von Zanolli dauerkriselnden Buchhändler Abrechnungs Gesellschaft (BAG) möglicherweise Schadenersatz zahlen müssen - die Entscheidung soll im Juni auf den Buchhändlertagen in Berlin getroffen werden; der Vorstand des Verbands spricht sich vorab schon dagegen aus. Im Kommentar schreibt Rainer Uebelhöde, dass die schon heute kleine Zahl an Bereitwilligen für ehrenamtliche Verbandspositionen in Zukunft wohl noch kleiner werde.

Nach der Analyse der Taschenbuch-Auslieferung mit den April-Novitäten vermeldet buchreport einen Durchschnittspreis von 8,99 Euro pro Taschenbuch - immerhin drei Prozent mehr als vor einem Jahr. Der weitere Blick zurück offenbare jedoch die "Zickzack-Kurve der letzten fünf Jahre und damit alles in allem die beeindruckende Preisstabilität des Taschenbuch-Angebots".

Weitere Themen: Wallstein-Verleger Thedel von Wallmoden erklärt im Interview, warum künftig Print-Titel auch im Netz veröffentlicht werden - Käufer des gedruckten Buches dürfen downloaden. Nach einer von buchreport in Auftrag gegebenen Umfrage informieren sich immer mehr Deutsche im Netz statt per Sachbuch oder Zeitschrift: Bei den Unter-30-Jährigen nutzten acht von zehn Befragten das Internet bei der Suche nach Informationen (2006 nur 66 Prozent). Im Ranking der 100 größten Verlage steht weiterhin Springer Science + Business Media mit einem Umsatz von 601 Millionen Euro auf Platz eins, gefolgt von Klett, Cornelsen und Westermann. Hier das Inhaltsverzeichnis und hier die Bestsellerlisten.