Die Buchmacher

Antipoden der Blödel- und Quasselkultur

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
14.04.2008. Warum literarsche Wucht-Wälzer so beliebt sind. Weshalb der Fall der Buchpreisbindung eine Buchhandelskatastrophe wäre. Welche Romane für Frühlingsgefühle sorgen. Und wieso HarperCollins auf Autoren-Vorschüsse und Remissionsrecht verzichten möchte.

Börsenblatt

Der Literaturkritiker Wolfgang Schneider kommentiert den Trend zum Wälzer: Nach Köhlmeier (800 Seiten), Littell (1400 Seiten) stehe für den Herbst ein Tausendseiter von Uwe Tellkamp in Aussicht ("Der Turm"), der neue Pynchon ("Gegen den Tag") komme sogar auf 1600 Seiten. "Der Wucht-Wälzer steht wie ein Monolith aus einer anderen, entschleunigten Welt im Sperrgebiet der alltäglichen Anforderungen - unangepasst, uneffizient. Faszinierend anders", freut sich Schneider. Offenbar gebe es eine Szene von unverdrossenen Lesern, die aus der medialen "Blödel- und Quasselkultur" ausgestiegen seien. Leidtragende bei der Renaissance der Lese-Dinos seien indes die freien Kritiker. "Angesichts des Lektüreaufwands nähert sich ihr Stundenlohn dem eines bolivianischen Lastenschleppers", argumentiert Schneider (wohl pro domo).

Im Interview mit Börsenblatt-Chef Torsten Casimir warnen Berlin-Verlag-Chefin Elisabeth Ruge und ihr Vertriebsleiter Uli Hörnemann vor einem Fall der Buchpreisbindung, die zu einer "Buchhandelskatastrophe" führte. In England könne man beobachten, wie nach dem Verschwinden des unabhängigen Buchhandels Supermarktketten wie Tesco den großen Buch-Filialisten das Leben schwer machten. Hugendubel oder Thalia blühte dann dasselbe Schicksal wie Waterstone?s ("eine erschreckende, öde, tote Angelegenheit"). In den Leserkommentaren wird u.a. darüber diskutiert, wer in Deutschland den Feldzug gegen die Preisbindungsfeinde anführen soll.

Der neue Eichborn-Chef Stephan Gallenkamp hat eine Radikalkur gestartet. Laut Börsenblatt sollen in diesem Jahr deutlich weniger Titel produziert werden (hier die Meldung): 120 statt der zuletzt 180 Novitäten. Die Zahl der Mitarbeiter sei von 63 im vergangenen Jahr auf jetzt 47 reduziert worden; die unterhalb der Vorstandsebene angesiedelt zweite Führungsebene, zu der unter anderem Matthias Bischoff, Wolfgang Hörner und Bettermann gehörten, habe Gallenkamp aufgelöst - Bischoff verantworte künftig den Programmbereich Unterhaltung (Humor und Geschenkbuch), Hörner die Literatur.

Björn Biester kommentiert die gescheiterten Verhandlungen um den Erwerb des Karl May-Nachlasses - der Bamberger Karl May-Verleger Lothar Schmid habe das sächsische Angebot in Höhe von 3,5 Millionen Euro "brüskiert zurückgewiesen". Jetzt stünden der Verkauf oder die Versteigerung des Nachlasses als Optionen im Raum. "Eine öffentliche Auktion, die ja mit einer genauen Katalogisierung des Nachlasses einherginge, böte die Möglichkeit, erstmals in dem seit Jahren schwelenden und jetzt eskalierten Konflikt eine echte Marktsituation herbeizuführen", schreibt der Autor. "Dann könnte sich zeigen, welchen Wert Karl May tatsächlich hat" - der von Verleger Schmid mehrfach geäußerte Vergleich Karl Mays mit Franz Kafka und James Joyce, der die Forderung von 15 Millionen Euro rechtfertigen solle, werde schließlich als "kuriose Randnote" in Erinnerung bleiben.

Weitere Themen: Für die TV-Dokureihe "Hagen hilft" auf Kabel eins sucht die UFA kleine und mittelständische Familienbetriebe, die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken. "Wir suchen nach einer Buchhandlung, die nicht schon mit beiden Beinen im Grab steht", zitiert das Börsenblatt Daniel Böhm, Casting-Redakteur bei der UFA. Stefan Hauck berichtet von der Jugendbuchmesse in Bologna, wo die deutschen Verleger gut gelaunt gewesen seien. Peter Reelfs gibt einen Überblick über den Non-Books-Markt. Nils Kahlefendt porträtiert den "Züricher Zampano", Buchhändler und Verleger Ricco Bilger. Hier das Inhaltsverzeichnis.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Im Aufmacherartikel analysiert buchreport, dass das ausgesprochen starke Roman-Angebot dieses Frühjahrs Wirkung zeigt. Die im buchreport-Umsatztrend noch zum Jahresauftakt gemessene schwache Nachfrage habe in den letzten Wochen eine "spürbare Belebung" erfahren: Im März habe das Sortiment drei Prozent mehr umgesetzt als vor einem Jahr; vor allem die von Charlotte Roche ("Feuchtgebiete") und Ken Follett ("Die Tore der Welt") angeführte gebundene Belletristik, aber auch gut nachgefragte Taschenbuch-Romane sowie die vermehrt zur Kasse getragenen Kinder- und Hörbücher hätten mit kräftigen Zuwächsen auch in der Gesamtrechnung über das komplette Sortiment für ein Plus gesorgt.

Im Kommentar geht Chefredakteur Thomas Wilking auf den von einer Bertelsmann-Tochter geplanten Aufbau von E-Learning-Angeboten ein. Bildungsverlagen, die bereits in den 1990er Jahren begonnen hätten, Lerninhalte mit allen nur denkbaren neuen Medien aufzubereiten, schüttelten dazu nur milde mit dem Kopf, denn: "E-Learning habe sich nicht bewährt, elektronische Edutainmentformen seien mittlerweile nahezu aus dem Handel verschwunden und das Marktvolumen der verbliebenen elektronischen Angebote reduziere sich auf ganz kleine und überdies stagnierende Prozentanteile." Bei der gerade von der nachwachsenden Generation verinnerlichten Onlinekultur seien Bezahlangebote kaum durchzusetzen.

Mit Blick in die USA berichtet buchreport von einem neuen Verlagsmodell, das HarperCollins teste. CEO Jane Friedman habe mit Robert S. Miller eine prominente Verlegerpersönlichkeit von Hyperion abgeworben, um ein noch namenloses Imprint aufzubauen, in dem 25 Titel jährlich (unter 20 Dollar) erscheinen, deren Autoren keine oder nur minimierte Vorschüsse erhalten und stattdessen am Gewinn beteiligt werden sollen. Neben dem Verzicht auf hohe Vorschüsse wollten die Amerikaner zumindest langfristig auf das Rückgaberecht ihrer Titel verzichten.

Weitere Themen: Der Züricher Europa Verlag wechselt den Besitzer. Die Süddeutsche Zeitung kritisiert Nominierungsliste des Deutschen Jugendbuchpreises. Die Konkurrenz für die renommierte Brockhaus-Enzyklopädie wächst - Suite101.de ist an den Start gegangen, "Spiegel Wissen" wird verbessert. Hier das Inhaltsverzeichnis und hier die Bestsellerlisten.