Die Buchmacher

Rache für bleischwere Bücher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
21.04.2008. Wie Buchhändler für Ladenhüter und blöde Bestseller an Autoren Vergeltung üben. Wer sich im Zeitalter des "funktionalen Analphabetismus" über die Ausdünnung des Buchhandelsnetzes Sorgen macht. Und worüber die Branche auf der London Book Fair diskutiert hat.

Börsenblatt

Der Autor Wolfgang Brenner hat eine abenteuerliche Erklärung dafür, warum Buchhändler trotz des Stresses und des stets ausbleibenden finanziellen Erfolgs weiterhin Schriftsteller zu Lesungen einladen: "Die Buchhändler wollen sich mit Lesungen an den Autoren rächen. Für die Bücher, die schwer wie Blei in den Regalen stehen. Oder für die Bestseller, die die Buchhändler ihren Kunden verkaufen müssen, obwohl sie sie für einfallslos, eitel, banal und debil halten." Als Beleg greift der Autor in die Mottenkiste der Erinnerung und berichtet von einem Berliner Buchhändler, der sich gastronomisch auf weit mehr Interessenten eingestellt habe als dann gekommen seien. "Derart frustriert, begann er schon vor der Lesung seine beeindruckende Bastion Weinflaschen selbst zu trinken - bis ihm die Lesung irgendwann zu lang erschien und er einfach das Licht löschte."

Anlässlich der Meldung, dass der US-Verlag HarperCollins das Remissionsrecht für Buchhändler einschränken will und Buchhändler künftig übriggebliebene Bücher einer neuen Buchreihe nicht wieder an den Verlag zurückgeben können, startet das Börsenblatt einen Rundruf unter Sortimentern und Verlegern. Fazit: Keiner kann sich vorstellen, dass dies ein Modell für Deutschland wäre. Rutger Booß (Grafit Verlag) regt jedoch an, zumindest bei Taschenbüchern das Remi-Recht einzuschränken und künftig Gutschriften auszuteilen.

Vor drei Jahren übernahm das Stuttgarter Barsortiment Koch, Neff und Volckmar (KNV) den insolventen PBS-Großhändler Schreyer; jetzt wird der Schreyer-Vertrieb zum 1. Mai von der PBS Holding Gruppe übernommen. Im Interview mit Eckart Baier erklärt KNV-Chef Oliver Voerster, dass die Umsatzentwicklung, die er sich mit Schreyer vorgenommen habe, nicht erreicht werden konnte. Ob er sich vor drei Jahren verkalkuliert habe? "Ja, das haben wir. Wir mussten erkennen, dass die Großhandelsstrukturen in der PBS-Branche überraschend stark zementiert und sehr traditionell sind. Einige Verhaltensweisen und Strukturen der PBS-Branche sind uns bis heute unverständlich, weil damit auf allen Seiten sehr viel Geld vernichtet wird."

Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, befürwortet im Interview den Vorschlag von Rainer Groothuis, ein konzertiertes Marketing der Branche zu entwickeln. Dies müsse nicht zig Millionen Euro kosten - warum nicht dafür sorgen, dass in der Lindenstraße regelmäßig eine Buchhandlung vorkommt, regt Skipis an.

Sehr lesenswert ist der Kommentar von Verleger Matthias Ulmer zum Interview mit Elisabeth Ruge und Uli Hörnemann zur Preisbindung aus dem vorletzten Heft (hier). Die Diskussion sei peinlich. "Wir haben ein Gesetz. Und es gibt weit und breit keinen Politiker, der das Thema so bedeutend findet, dass er derzeit eine Abschaffung des Gesetzes vorschlägt. Es gib meines Wissens auch keine Demonstrationen auf der Straße, keine Bürgerbewegung ,freie Preise', keine Attacken von Verbraucherschützern und keine Greenpeace-Aktivisten, die sich an KNV-Bücherwagen ketten. Selten in den letzten Jahrzehnten war die Preisbindung so sicher wie heute." Außerdem regt sich der Stuttgarter darüber auf, dass immer wieder behauptet werde, dass durch die "Thaliaisierung" oder Filialisierung der Branche die Qualität so viel schlechter werde. "Kein Deut ist daran richtig. Da wird meist gut ausgebildetes Personal übernommen und durch eine neue Ladeneinrichtung oder ein neues Logo ändert sich doch nichts an deren Qualifikationen. Es ist ungerecht gegenüber diesen Mitarbeitern, wenn ihre Arbeit abqualifiziert wird, bloß weil sie bei einem Filialisten arbeiten."

Weitere Themen: Sabrina Gab stellt die "Zukunftskonzepte" von Bahnhofsbuchhändlern vor. Holger Ehling schickt einen Bericht von der London Book Fair. Stefan Hauck und Holger Heimann interviewen den Chef des angeschlagenen Eichborn-Verlags, Stephan Gallenkamp, der "harte Schritte" als notwendig erachtet und die Fokussierung des Programms auf bestimmte Zielgruppen ankündigt. Holger Heimann porträtiert den ehemaligen Shell-Manager und jetzigen Verleger Wolf-Rüdiger Osburg (Osburg Verlag). Hier das Inhaltsverzeichnis.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Vorab: Der buchreport hat seine Webseite relauncht (hier) - und es gibt jetzt mehr Artikel aus dem Heft online.


Im Aufmacherartikel kommentiert buchreport den Vorstoß des Schweizer Vereins der unabhängigen Kleinbuchhandlungen (VUKB), die rund ein Jahr nach dem Fall der Preisbindung Subventionen fordern, um Schweizer Buchhandelslandschaft und Buchkultur zu erhalten. VUKB-Präsident Urs Heinz Aerni verlange direkte Staatsstütze in Form von Steuerermäßigungen, Subventionen sowie Abnahmegarantien durch öffentliche Institutionen. Andernfalls drohten "ausgerechnet im Zeitalter des funktionalen Analphabetismus" und schwindender Lesekompetenz die Ausdünnung des Buchhandelsnetzes außerhalb der Ballungszentren und die Konzentration auf unterhaltungsorientierte Kost.
Im Kommentar erweitert Thomas Wilking den Fokus und berichtet, dass nicht nur die kleinen Buchhandlungen, sondern selbst Marktführer Orell Füssli in seinem soeben veröffentlichten Geschäftsbericht offensiv die Frage nach dem geschäftlichen Nutz und Frommen des Buchhandels zu diskutieren. Dass sich der Schweizer Marktführer bemüßigt fühle, ein nachlassendes Interesse am Buchhandel zu dementieren, "deutet wie die Subventionsdiskussion der Kleinen darauf hin, dass jetzt über Rahmenbedingungen, Ziele und Arbeitsweise dieser besonderen Branche dezidierter nachgedacht wird - auch weil die Preisbindungsdiskussion nicht mehr alles überlagert."

Auf der London Book Fair hat buchreport beobachtet, dass das Stichwort Digitalisierung sich wie ein roter Faden durch die Messe gezogen habe. Während Random House (im Juli) und Faber (im Herbst) die ersten elektronischen Bücher planten, gingen die Penguin-Gruppe sowie Pan Macmillan noch einen Schritt weiter und brächten ab September bzw. Januar 2009 sämtliche Neuerscheinungen parallel gedruckt und als E-Book heraus. Darüberhinaus habe sich die London Book Fair in "Rekordlaune" präsentiert. "So reibungslos wie sich die Premiere der Londoner Messe im Vorjahr im Ausstellungskomplex Earls Court dargestellt hatte, ging es im zweiten Jahr am neuen Standort weiter: Bereits am Montagvormittag meldeten die Messedirektoren Alistair Burtenshaw und Emma House hoch zufrieden ein ,volles Haus'".

Weitere Themen: Die Wettbewerber des in diesem Jahr von Amazon aufgekauften Hörbuch-Download-Champions Audible rüsten auf: Libri.de will unter der Adresse www.audiotime.de eine Community aufbauen, in der sich die Nutzer über Hörbücher austauschen und Lieblingslisten anlegen sollen; Konkurrent Claudio.de hat buch.de als Vertriebspartner gewonnen (hier der Artikel). Das Barsortiment KNV trennt sich vom Schreyer-PBS-Vertrieb. Das Branchenparlament des Börsenvereins diskutiert in dieser Woche über da strittige Thema Remittenden. In den USA ist der Umsatz mit E-Books im vergangenen Jahr um 57 Prozent auf 67 Millionen Dollar gestiegen. Hier die Bestsellerlisten. Und hier das Inhaltsverzeichnis.