31.10.2004. Literatur / Arabische Bücher / Erinnerungen, Biografien / Politische Bücher / Sachbücher
Erinnerungen/Autobiografien
Literatur / Arabische Bücher / Erinnerungen, Biografien / Politische Bücher / Sachbücher Erinnerungen/Autobiografien Zwei große alte Männer des deutschen Konservatismus erinnern sich. Der Historiker
Joachim Fest in
"Begegnungen" an "nahe und ferne Freunde". Lob kommt dabei gerade von linker Seite. Die
taz lobt das in den Porträts von Fests Zeitgenossen entstehende "
Epochenbild mit Sinn für Schattierungen, Bizarrerien und
Verrücktheiten". Die
Zeit lobt Fest als "sensiblen und klugen Beobachter" und dem Rezensenten der
SZ hat das
Porträt Hannah Arendts neben manch anderem "brillanten" Stück am besten gefallen. Auch
Wolf Jobst Siedler hat mit
"Wir waren noch einmal davongekommen" () einen neuen Erinnerungsband (hier eine ) veröffentlicht. Die
FR bewundert die Gedächnisleistung und bedauert nur, dass über die Verlegerjahre Siedlers nichts zu erfahren ist. Die
NZZ lobt etwas zurückhaltender, bescheinigt aber
Geschmackssicherheit auch beim Klatsch.
Als
DDR-Erinnerung der gelungenen Art wird
"Geboren am 13. August" () des heute für die
SZ arbeitenden Journalisten
Jens Bisky empfohlen. Gerade dass Bisky keine Anstrengungen unternehme, sich zum Sprecher einer Generation zu machen, findet die
taz sehr angenehm. Die
FAZ erfreut sich an faszinierenden "Detailbeobachtungen" und Biskys "Geschick für Dramaturgie". Noch persönlicher sind die autobiografischen Notizen von
Jakob Hein. In
"Vielleicht ist es sogar schön" () schreibt er über den Krebstod seiner Mutter. Dazwischen finden sich aber auch Rückblicke in die Kindheit, an denen der
taz der Mangel an jeder Form von Ostalgie gefallen hat.
Einen neuen Blick auf vermeintlich Vertrautes hat
Ulrich Enzensbergers "Die Jahre Kommune I" () zu bieten. Der Autor war damals das jüngste Mitglied neben den Kommune-Stars wie Rainer Langhans und Uschi Obermaier. Der 68er-Experte Wolfgang Kraushaar findet in der
Zeit die Einordnung des Privaten ins Historische gelungen und lobt, dass hier eine "Ansammlung von Episoden zu einer Geschichte geworden" ist.
Tagebücher Da ist vor allem das eine zu nennen,
Peter Rühmkorfs "Tabu II" (),das überall pflichtschuldig und doch auch ergriffen gefeiert wurde. Es schließt an den legendären Band "Die Jahre, die ihr kennt" von 1971 und den Tagebuchband "Tabu I" an, erläutern die Rezensenten. Die Tagebuchaufzeichnungen,
Aphorismen und "Prachtstücke aus dem ewigen Vorrat
deutscher Fäkalpoesie" (Patrick Bahners in der
FAZ) stammen immer noch aus den Jahren 1971 und 72 und sind auch als
Zeitdokument zu lesen. Ein ganzes "Meinhof-Dossier" werde hier unter anderem zutage gefördert, berichtet Michael Baun in der
NZZ, eine "Materialsammlung zu den
politischen Verblendungen jener Zeit". In der
Zeit feiert Gabriele Killert Rühmkorfs
"desperate Heiterkeit".
Biografien Es
schillert gewaltig im Lande. Der große Dichter ist im nächsten Jahr zweihundert Jahre tot, und der lange verlachte kommt zu neuen Ehren. Rüdiger Safranskis große
Schiller-
Biografie () steht gar in den Top 20 beim
Spiegel. Safranski gelinge es gerade, Schiller das Gespenst der "Plattheit" auszutreiben, meint Rolf-Bernhard Essig in der
Zeit.Schiller werde als ein Dichter geschildert, dessen Modernität in bewusster Abkehr vom Nihilismus liege. Fesselnde Sachlichkeit attestiert Hans-Jürgen Schings in der
FAZ. Und Manfred Koch beschreibt in der
NZZ Safranskis Schiller als Sartre des 18. Jahrhunderts.
Durchweg gelobt wird die erste große Biografie
"Friedrichs des Großen" () seit zwanzig Jahren, die der Historiker
Johannes Kunisch verfasst hat. Die Rezensenten sind sich einig, dass hier erstmals ein
durchweg modernes Bild des Monarchen entworfen wird - sie fragen sich allerdings auch etwas bedauernd, wohin die Größe Friedrichs in dieser Darstellung verschwunden ist. Für die
FAZ erweist sich der Alte Fritz nach der Lektüre als
"Achtundsechziger auf dem Thron". Die
SZ kann sich nicht recht damit abfinden, dass Friedrich aufs
Normalmaß eines spätabsolutistischen Herrschers schrumpft. In der
Zeit zeigt sich Kunischs Kollege
Hans-Ulrich Wehler aber fast restlos begeistert.
Lothar Gall hat diese Biografie des Bankiers
Josef Abs (
"Der Bankier - Hermann Josef Abs") () mit Unterstützung der Deutschen Bank geschrieben, die auch Einblick in Archive gewährte. Dennoch sei das Buch keine Apologie, schreibt Volker Ulrich in der
Zeit und bechreibe Abs' Haltung in der
Nazizeit "behutsam abwägend, frei von vorschnellen Schlüssen oder pauschalen Verdächtigungen". Ein Widerständler sei Abs nicht gerade gewesen, meint auch Jürgen Jeske in der
FAZ, der Galls Biografie historische Seriosität und "fesselnde Geschichtserzählung" nachsagt.
Mit seiner Biografie des ungarischen Multitalents
"Bela Balazs" () ist
Hanno Loewy eher eine Neu- als eine Wiederentdeckung gelungen. War
Balazs bisher vor allem als Klassiker der Filmtheorie eine feste Größe, so lässt sich in Loewys Buch nicht nur der
Autor von Märchen und Romanen und Freund von Georg Lukacs kennenlernen, sondern auch der historische Hintergrund in Ungarn und später in Berlin. Die
Zeit findet das Buch "aufregender als manchen Roman", die
FAZ bewundert die
Rechercheleistung dieser Dissertation. (Die
Perlentaucher sind Balazs-Fans, seine
Jugenderinnerungen () waren für uns eine der größten Wiederentdeckungen der letzten Jahre.)
Chinas berühmteste Dichterin
Li Qingzhao lebte im 12. Jahrhundert hiesiger Zeitrechnung. In Deutschland ist sie allenfalls einschlägigen Akademikern bekannt, aber nun hat ihr
Barbara Beuys eine Biografie (
"Der Preis der Leidenschaft") () gewidmet. Zwar steht ihr das klassische Chinesisch nicht zur Verfügung, aber Jürgen Osterhammel lobt in der
Zeit "Fleiß, Ernst und ihren Drang zur Vollständigkeit". Beuys sei "ein
großes Zeitbild" des mittelalterlichen China" gelungen. Beuys weckt Interesse für das gegenwärtige und vergangene China, meint auch "lx" in der
NZZ.
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