09.07.2013. Die besten Bücher des Monats Juli führen uns unter anderem nach Mexiko-Stadt, in eine Kneipe in den korsischen Bergen, eine winzige Schule auf der indonesischen Insel Belitung, in die zukünftige Gegenwart des Netzes und in die Vergangenheit einer schwedischen Reise durch Kambodscha.
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Weitere Anregungen finden Sie in den
Leseproben in
Vorgeblättert, in der
Krimikolumne "Mord und Ratschlag", den
Büchern der Saison vom
Frühjahr 2013 und unseren Notizen zu den
Literaturbeilagen vom
Frühjahr 2013 und in den älteren
Bücherbriefen.
LiteraturValeria LuiselliDie SchwerelosenRoman
Antje Kunstmann Verlag 2013, 190 Seiten, 16,95 Euro
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Valeria Luiselli erzählt in ihrem Roman von einer Autorin in Mexiko-Stadt, die sich an einen Schriftsteller im New York der zwanziger Jahre erinnert, dem eine junge Lektorin zum
literarischen Durchbruch verhelfen will. "Die Schwerelosen", das höchst verschachtelte Debüt der jungen Mexikanerin, hat die Rezensenten zu Elogen und den allerhöchsten Vergleichen hingerissen: Roberto Bolaño, Sergio Pitol und Juan Rolfo dienen als Vergleichsgrößen für die Autorin, die bisher für
Letras Libres,
Granta und die
New York Times schrieb. In der
SZ lässt sich Felix Stephan glücklich durch die verschiedenen Erzählebenen treiben. In der
NZZ schwärmt Andreas Breitenstein von Luisellis
Eleganz,
Klugheit und
Witz. Und in der
FAZ versichert Florian Borchmeyer, dass diese innerliterarische Fiktion ganz ohne postmoderne Autorenarroganz auskommt.
Jerome FerrariPredigt auf den Untergang RomsRoman
Secession Verlag 2013, 208 Seiten, 19,95 Euro
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Für seine Predigt auf den Untergang Roms hat
Jerome Ferrari den Prix Goncourt des Jahres 2012 bekommen. Zu Recht, meint FAZ-Rezensent Niklas Bender, den vor allem die
Vitalität des Romans
faszinierte: "Die Gedanken sind
düster, die Handlung jedoch ist
farbenfroh." Es geht um zwei Studenten, die in einem korsischen Bergdorf
eine
Kneipe übernehmen und so ihren eigenen Kosmos aus Wildschweinjägern, Philosophen und Kellnerinnen schaffen - eine Welt, die ebenso untergehen wird wie das Römische Reich oder das französische Kolonialreich. In der
Zeit zeigte sich Adam Soboczynski trotz einer gewissen kulturkritischen Schlagseite beeindruckt von der Intellektualität und dem Humor des Romans. Im
Deutschlandradio Kultur lobte Sigrid Brinkmann das Buch als hochambitionierte Erzählung über den "nicht abreißenden Vollzug der
Generationen-Komödie". Hier noch ein
Interview mit Ferrari der
FAZ über das Sein und Nichtsein in
Welt und Bar.
Andrea HirataDie RegenbogentruppeRoman
Hanser Berlin 2013, 272 Seiten, 19,90 Euro
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Ihr
blaues Bildungswunder haben die Rezensentinnen mit diesem Roman des indonesischen Autors
Andrea Hirata erlebt, der von seiner Kindheit auf der Insel Belitung erzählt. Hier kämpfen zwei
hochengagierte Lehrer gegen Behörden, Minengesellschaften und widrige Umstände für ihre kleine islamische Schule, während sich die zehn armen Fischerkinder jeden Morgen mit demselben Elan ihren gefährlichen Weg durch den
Dschungel schlagen. Zu dieser bunten Truppe gehören natürlich der Autor, aber auch ein Mathematikgenie, ein Künstler und ein gänzlich zurückgeblieber Junge. Aber um keine Missverständisse aufkommen zu lassen, stellt Katharina Granzin in der
FR klar, dass "Die Regenbogentruppe"
keine Pädagogen-Literatur ist, Hirata vielmehr ein "großartiger Erzähler", der es nicht umsonst von Belitung mit einem Stipendium nach Paris geschaffte habe. In der
FAZ lobt Sabine Berking vor allem mit Blick auf die junge Lehrerin das Buch als eine "
Anleitung zum aufrechten Gang".
Julia KissinaFrühling auf dem MondRoman
Suhrkamp Verlag 2013, 252 Seiten, 18,95 Euro
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Die Ukrainerin
Julia Kissina, bislang vor allem als Fotografin und Aktionskünstlerin bekannt, legt mit "Frühling auf dem Mond" ihren Debütroman vor - und löst prompt allgemeine Begeisterung aus. Andreas Breitenstein
zeigt sich in der
NZZ fasziniert vom Reichtum an surrealen Bildern in dieser Coming-of-Age-Geschichte um ein Mädchen im Milieu der jüdischen Intelligenz. Zeitlich spielt der Roman in der späten
Breschnew-Ära. Die Spannung zwischen Tragik und Komik, zwischen Realismus und Spiritualität - "genauso
unvereinbar wie Borschtsch und Saturn", wie es im Buch heißt -
hebt Richard Kämmerlings in der
Welt hervor, während Judith Leister in der
FAZ Frechheit, Mut und sprachliche Kraft des Romans lobt. "
Prall, eloquent, fantastisch, witzig, zuweilen aber auch böse und gnadenlos",
jubelt auch Vladimir Balzer im
DRadio Kultur.
Manuele FiorDie ÜbertragungAvant Verlag 2013, 176 Seiten, 24,95 Euro
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In seiner Graphic Novel "Die Übertragung" bringt
Manuele Fior scheinbar Gegensätzliches zusammen: Zukunftsvision und Retroästhetik,
extraterrestrische Ferne und psychoanalytische Nähe. "Alles so unglaublich fremdnah",
staunt ein faszinierter Fritz Göttler in der
SZ, dem es besonders das langsame Erzähltempo und die
atmosphärischen Zeichnungen angetan haben. Christian Gasser
würdigt im
DRadio Fiors Mut, keine Erfolgsrezepte aufzuwärmen, sondern konsequent Neuland zu betreten. An der Geschichte weiß Gasser vor allem die Protagonisten, die 20-jährige Dora und den etwa 50-jährigen Psychiater Raniero, als "komplex und lebensnah" zu schätzen.
Joseph RothDie Kapuzinergruftspeak low 2013, 2CDs, 16,80 Euro
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Gleichzeitig nah an der Vorlage und frei im Einsatz der bereichernden akustischen Mittel haben Helmut Peschina und Harald Krewer den 1938 erschienenen Roman "Die Kapuzinergruft" von
Joseph Roth für diese Hörspiel-Koproduktion von
ÖR und
NDR bearbeitet. Darin kehrt der bereits aus dem "
Radetzkymarsch" bekannte Franz Ferdinand Trotta aus dem Ersten Weltkrieg zurück und muss feststellen, dass sich nicht nur seine Ehefrau verändert hat, sondern dass er sich auch in seiner alten Heimat nicht mehr zurechtfindet. Anja Hirsch hebt in der
FAZ insbesondere die
herausragenden Sprecher, allen voran Birgit Doll als Trottas Mutter, und die
anspielungsreiche Musik von Max Nagl hervor.
SachbuchCarlo GinzburgFaden und FährtenWahr - falsch - fiktiv
Klaus Wagenbach Verlag 2013, 153 Seiten, 22,90 Euro
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Der italienische Historiker
Carlo Ginzburg ist für seine eigenwillige Methode bekannt, die Geschichte aus dem Detail heraus, von unten und über originelle Wege nachzuvollziehen. Der Band "Faden und Fährten" folgt Spuren im Werk von
Montaigne und
Stendhal, erzählt vom
Hexensabbat und den Märchenbüchern seiner Kindheit. Im
Deutschlandradio erklärt Martin Opitz, wie wichtig die Fragen sind, die Ginzburg in seinen Essays aufwirft, etwa wenn er in "Unus testis" fragt, ob auch in der Geschichtswissenschaft das juristische Prinzip gelten darf, dass ein Ereignis nur stattgefunden hat, wenn es dafür mindestens
zwei Zeugen gibt. In der
SZ macht Gustav Seibt die grundsätzliche Bedeutung Ginzburgs deutlich, der sich als Verteidiger des
Realitätsprinzip große Verdienste erworben habe und dabei doch ein
intellektueller Künstler geblieben sei: Ginzburg habe die Postmoderne mit ihren eigenen Waffen geschlagen.
William GibsonMisstrauen Sie dem unverwechselbaren GeschmackGedanken über die Zukunft als Gegenwart
Tropen Verlag 2013, 251 Seiten, 21,95 Euro
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Das muss man erstmal verstehen: In einer Zeit, in der sich die
Zukunftsversprechungen der Vergangenheit durch vollkommene Gegenwärtigkeit auszeichnen, wird auch der Zukunftsprognostiker irgendwann zukunftsmüde, scheibt Frank Schäfer in der
taz, der sich mit Genuss in William Gibsons vertrackt-amüsant-instruktive Essays verloren hat. Gibson, so lernt man in seiner Kritik, war als "Cyberpunk" seiner Zeit so weit voraus, dass er selbst sogar recht spät erst ins Netz ging. Angesichts der allerjüngsten Debatte um Überwachung und eine Technologie, der man
nicht mehr entkommt, dürfte die prospektive Kraft eines Scence-Fiction-Autors wie gerufen kommen. Auch Dietmar Dath feiert das Buch in der
FAZ und empfiehlt besonders Gibsons Essay über das
Netz als Zeitvergeudung. Jedem Journalisten sofort auf den Tisch, meint der Rezensent und bedankt sich abschließend für eine kluge und liebevolle Übersetzung der Texte durch Hannes und Sara Riffel.
Peter Fröberg IdlingPol Pots LächelnEine schwedische Reise durch das Kambodscha der Roten Khmer
Edition Büchergilde 2013, 351 Seiten, 22,95 Euro
Im Jahr 1978 reisten vier schwedische Intellektuelle in das Kambodscha der
Roten Khmer und berichteten nach ihrer Rückkehr begeistert von blühenden Reisfeldern, glücklichen Bauern und dem charmanten Pol Pot. Vom millionenfachen Mord, von Folter, Zwangsarbeit, Vertreibung und Hunger hatten sie nichts mitbekommen. 25 Jahre und eine Generation später fragt
Peter Fröberg Idling, wie diese antiimperialistische Reisegruppe so verblendet sein konnte, dass sie "Träume wahr werden" sah, wo sie die
Killing Fields hätte sehen müssen. In der
FR empfiehlt Barbara Weitzel diese Spurensuche als durchaus sprunghaftes und widersprüchliches Nachdenken über
politische Verblendung, über die Entstehung
historischer Wahrheit und über Schönheit wie Schrecken in Kambodscha. In der
FAZ lobt Joscha Schmierer, durchaus kompetent in Bezug auf revolutionären Realitätsverlust, das Buch als kluge Reflexion über den
Augenschein. Im
Deutschlandfunk pries Sabine Peters das Buch als klug und vielschichtig, im
RBB nannte Salli Sallmann es "ein literarisches Meisterstück, das einem das
Blut in den Adern gefrieren lässt".
Diana PintoIsrael ist umgezogen Jüdischer Verlag 2013, 238 Seiten, 21,95 Euro
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Diana Pinto ist eine französische Historikerin und schlägt mit ihrem Buch eine ganz neue Saite im
Nachdenken über Israel an, versichern die Rezensenten. In der
taz pries Micha Brumlik die analytische Tiefe des Buches und sah in diesem "philosophisch inspirierten Reisebericht" noch einmal den
Glanz des 19.
Jahrhunderts aufleuchten. Linda Grant
betont im
Independent, dass sich Pinto wirklich für das Land und seine Zukunft interessiert und nicht nur ein politisches Statement zu Besatzung und Zionismus abgeben möchte. Allerdings hätte sie sich gewünscht, dass Pinto auch einmal die intellektuellen Kreise von Jerusalem und Tel Aviv verlässt und etwa einen Abstecher in die
Banlieue von Bat Yam unternimmt. Einen Eindruck von Pintos Denken vermittelt ein Interview mit ihr, das Rüdiger Suchsland für die
Jüdische Allgemeine geführt hat und in dem Pinto über das
kubistische Israel, historische Verankerungen und die
jüdische Moderne spricht.