30.12.2005. Neues Jahr, neue Bücher! Unsere Empfehlungen für die langen Abende im Januar - mit israelischen Generälen, österreichischen Quantenphysikern und sizilianischen Feinschmeckern.
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besten Bücher 2005,
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Literaturbeilagen,
hier in
Arno Widmanns "Nachttisch" oder
hier im vergangenen
Bücherbrief.
Zersplittertes IsraelEinen großartigen Roman über das
Israel der Gegenwart hat die
FAZ mit
Yitzhak Laors "Ecce homo" () entdeckt. Militarismus und Sexualität sind die Hauptthemen, die sich in der Figur des
alternden Generals Adam Lotem kristallisieren, der einer phantomhaften Frau nachjagt. Laor gilt in seiner Heimat als einer der schärfsten Kritiker der
Korruption in Militär und Politik. Die vielen weiteren Nebenfiguren, Verwicklungen und Handlungsstränge erfordern vom Leser zwar eine
gewisse Konzentration, gesteht die
FAZ, damit wird Israel in seiner Zerissenheit und Komplexität aber kongenial abgebildet. "Einfacher ist die Wirklichkeit nicht zu haben."
Prinzip AbschweifungVerzaubert verlässt die
SZ den schwankenden Boden von
Sergio Pitols furiosem Erzählband
"Mephistowalzer" (). Sicher ist hier gar nichts, die
Abschweifung wird zur Methode. Ob Vogelmassaker oder die Jugenderinnerungen einer
Diplomatengattin: Pitol spinnt aus allem eine Abenteuergeschichte. Für die
NZZ ist der mexikanische Schrifsteller schlicht ein Meister des literarischen
Spiegelkabinetts, der Dopplungen, Irrwege und raffinierten Täuschungen, dem es im Grunde immer wieder um die Geburt des Kunstwerks geht.
Herodot im GepäckSeit 1954 hat die polnische Reporterlegende
Ryszard Kapuscinski die "Historien" von
Herodot im Gepäck, wenn es auf Reisen geht. Wie das große Vorbild sucht Kapuscinski in
"Meine Reisen mit Herodot" nach einer umfassenden Sprache, die auch das Minenspiel, die Gestik und die Bewegungen des Körpers umfasst, schreibt die
NZZ. Nur scheue er sich nicht,
Grausamkeiten auch zu verurteilen. "Ein wirklich großes Buch", so die
NZZ. Herodot und Kapuscinski sind beide keine Reporter, meint die
SZ, sondern Historiker, Geografen und verdammt
talentierte Erzähler.
Geschickt sprachlosMit ihrem Erstling
"Nahe Tage" einem
klaustrophobischen Horrortrip in die Vergangenheit, steht
Angelika Overath zumindest auf Augenhöhe mit
Elfriede Jelinek, findet die
SZ. Johanna steht in der Wohnung ihrer toten Mutter und räumt auf - dabei macht sie auch eine Inventur ihrer Kindheit. Als
hohe Kunst gilt der
NZZ die Fähigkeit Overaths, die Sprachlosigkeit, die Scham und die Schuld der Elterngeneration nie auszusprechen, aber immer
hauchzart mitklingen zu lassen.
Londons wilder OstenEine Wiederentdeckung feiert die
FAZ mit
Ernst Augustins erstmals 1982 erschienem Roman
"Eastend" Ungetrübte Lesefreude verspricht sie auch heutigen Lesern, die dem aus der deutschen Selbsterfahrungsszene der Siebziger wegen seiner
Therapieresistenz ausgeschlossenen Almund Grau ins fröhliche Londoner Eastend folgen. Von dort kehrt Grau dann als selbsternannter Psychotherapeut triumphal zurück. Die
Zeit feiert Augustins Erzählen nicht nur als einzigartig, traumatisch, hypnotisierend und
rauschhaft verstörend, sondern in Hinblick auf die Darstellung der Metropole als unheimliche und katatrophendurchwirkte Phantasmagorie auch als
geradezu hellseherisch.
Lieber Paria als ParvenüEine klügere und zugleich wärmere Einführung zu
Hannah Arendt hat die
SZ noch nicht gelesen! In seinem letzten Buch präsentiert der kürzlich verstorbene
Kurt Sontheimer auf wenigen Seiten die ganze
"Hannah Arendt" : die Philosophin, die lieber Paria als Parvenü sein wollte, das Genie der Freundschaft sowie die
streitbare Intellektuelle. Und Sontheimer lege überzeugend dar, dass am Anfang ihres Denkens nicht Heidegger und Jasper gestanden haben, sondern ihr eigenes Leben und die Erfahrung des
Totalitarismus.
UngeschminktÜber
Al-Dschasira wird viel diskutiert, nun ist die erste, laut
FAZ sehr empfehlenswerte Abhandlung über den
arabischen Nachrichtensender herausgekommen. Der in Saudi-Arabien geborene Journalist
Hugh Miles hat für
"Al-Dschasira" Zugang zu den Redaktionsräumen bekommen und mit den Schlüsselfiguren gesprochen. So
ungeschminkt wie in den Sendungen aus Qatar wird in der arabischen Welt nirgendwo anders über die gesellschaftlichen und
politischen Probleme diskutiert.
Auftritt des KlangzauberersThomas Mann total - 36 Stunden auf
36 CDs. Die von Marcel Reich-Ranicki zusammengestellten
"Hörwerke" () sind ein
fabelhaftes Hörereignis, meint die begeisterte
FAZ, die besonders von den Stücken schwärmt, die Thomas Mann selbst gesprochen hat und ihn als raunenden Beschwörer archaischen Erzählens erleben lassen. Hier spüre man bei jedem Wort, wie sehr der Schriftsteller seine Figuren geliebt habe. Alles sei hier versammelt: Von den
Buddenbrocks bis zu den
BBC-Reden, vom
Zauberberg bis zu den Bekenntnissen des Hochstaplers
Felix Krull.
Beam me upBekannt geworden ist der Quantenphysiker
Anton Zeilinger, als er Teilchen unter der Donau hindurch beamte. Auf der CD erzählt er nun im
Plauderton über die
"Spukhafte Fernwirkung" und die Geschichte der
Quantenphysik, offenbar so verständlich und anregend, dass sich auch die Quantenlaien des
SZ-Feuilletons angesprochen fühlten. Denn Max Planck, Albert Einstein, Niels Bohr,
Erwin Schrödinger und Werner Heisenberg haben Fragen aufgeworfen über Bewusstsein und Sein, die laut
SZ hochphilosophisch und sehr interessant sind.
VerführungenWas kochen wir im Jahr 2006? Vielleicht die Lieblingsgerichte von Andrea Camilleris sizilianischem
Commissario Montalbano, der seine Ermittlungsarbeiten gerne kulinarisch unterfüttert. Dass die Autoren zudem an die Schauplätze der Romane reisen, macht
"Andrea Camilleris sizilianische Küche" für die
FAZ endgültig zur köstlichen Melange aus Fakt, Fiktion und Kochkunst. Apropos Melange:
"Das neue Sacher Kochbuch" kann mit seinem überaus erfolgreichen Vorgänger locker mithalten, bestätigt die
FAZ, die die
österreichisch-ungarisch-böhmische Kochtradition hier würdig präsentiert sieht. Zum Dessert reicht sie Laurent Schotts Bild- und Rezeptband
"Schokolade" der neben opulent-sinnlichen Fotos endlich auch das Rezept des
karibischen Kuchens mit
Canache-Creme zu bieten hat.