25.04.2006. Mit Nahaufnahmen aus Tschernobyl, elf Arten der Hölle und kapriziösen Park-Avenue-Prinzessinnen: Der Bücherbrief im neuen Kleid und mit wärmsten Empfehlungen für den Mai.
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Buch des Monats. Außerdem sind bei uns ab sofort die wichtigsten
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Noch mehr Anregungen gibt es natürlich weiterhin
- im vergangenen
Bücherbrief- in den Büchern der Saison
- in
Arno Widmanns Nachttisch- in
Vorgeblättert- in der
Krimikolumne "
Mord und Ratschlag"
- in unserer
Auswahl der
besten Bücher 2005Buch des MonatsIgor KostinTschernobylNahaufnahme
Der Nachrichtenfotograf
Igor Kostin ist nach Meinung der
SZ der vielleicht wichtigste Zeuge der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl überhaupt. 11 Stunden nach der Explosion fotografierte er den
rauchenden Reaktor und dokumentierte in den folgenden Wochen die Arbeit der Aufräumkommandos, die Umsiedelungen und die entstehende
geisterhafte Sperrzone. Unschätzbare Zeugnisse sind hier versammelt von einer Welt, raunt die
SZ, "von der wir nur wenige Bilder haben, und schon gar keine von dieser
Eindringlichkeit".
LiteraturSwetlana AlexijewitschTschernobylEine Chronik der Zukunft
Zum 20. Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl wurden
Swetlana Alexijewitschs Porträts wieder aufgelegt. Über mehrere Jahre lang hat Alexijewitsch mit Menschen gesprochen, deren Leben am 26. April 1986 umgestürzt wurde. Für die
SZ bringen die literarisch verdichteten Monologe in unerreichter Weise die
existenzielle Erschütterung zum Ausdruck und auch das unerhörte Neue, das sich hier manifestierte. "Man fand
keine Worte für die neuen Gefühle und
keine Gefühle für die neuen Worte."
Richard YatesElf Arten der EinsamkeitShort Stories
Elf Arten der Hölle könnte dieser Band mit den 1962 erstmals erschienenen Kurzgeschichten genauso gut heißen, meint die
FAZ schaudernd. Der in den USA erst vor einigen Jahren wiederentdeckte Yates erzählt ganz normale und gerade deshalb so
beklemmende Geschichten aus Betrieben, Ehen und Klassenzimmern. In seinen
Meistererzählungen erweist sich der Autor als Hohepriester der eisigen Wahrheit und der
glasklaren Form, rühmt die
FR. Bitter und schön zugleich findet sie die
SZ, die sich besonders über die
vorzügliche deutsche Übersetzung freut.
Kurt VonnegutMann ohne LandEigentlich wollte
Kurt Vonnegut kein Buch mehr schreiben. Umso glücklicher macht es nun die
Zeit, dass sein Verleger in Unveröffentlichtem gewühlt und die Fundstücke so geschickt zusammenmontiert hat, dass nun nicht nur ein Roman, sondern ein
weises,
witziges Abschiedsbuch entstanden ist. Vonnegut teilt aus, kommentiert seine Gegenwart vom Altwerden bis zu Bush, verfällt dabei aber nie in Wehleidigkeit. Nein,
extrem gut gelaunte Zivilisationskritik liest die Zeit hier, die sich an Vonneguts verzweifeltem Witz gar nicht sattlesen kann.
Louis AuchinclossDie Manhattan MonologeErzählungen
Die Frauen sind die eigentlichen Strippenzieher der
New Yorker Upperclass, stellt die
NZZ mit sichtlichem Vergnügen fest. Louis Auchincloss, der seinem Untersuchungsgegenstand selbst angehört, widme sich seinen Figuren mit viel
psychologischem Gespür für deren Widersprüche und Selbsttäuschungen. Ein feines und schonungsloses Buch über die Welt "
kapriziöser Park-Avenue-Prinzessinnen und geldmächtiger Fith-Avenue-Fürsten".
Ernst HerbeckWenn man so die Welt durchblicktGedichte
Dass die Auswahl von Gedichten des schizophrenen
Ernst Herbeck wie ein Schulheft daherkommt, findet die
FR sehr passend. Schließlich seien die
Spontangedichte ja auch immer auf Anregung seines Arztes entstanden. Überhaupt ist dieser Band laut
FR der ideale Einstieg zu dem Lyriker, der der von Ernst Jandl bis Gerhard Roth gleichermaßen geschätzt wurde. Die mit
Bunt-,
Filz- und Bleistift verfertigten kongenialen Illustrationen von Katrin Stangl machen die Empfehlung perfekt.
SachbuchPeter LongerichDavon haben wir nichts gewusst!Die Deutschen und die Judenverfolgung 1933-1945
So methodisch reflektiert und
akribisch genau hat noch niemand über dieses heikle Thema geschrieben, gibt die
Zeit überzeugt zu Protokoll. Mit diesem exzellenten Buch sorge Longerich für die längst fällige
Korrektur unseres Geschichtsbildes vom angeblichen Nichtwissen der Deutschen über den Holocaust. Die
NZZ zeigt sich mit der Qualität dieser
dichten Quellenstudie ebenfalls zufrieden, nur gegen die These von der durch
Propaganda und Verschleierung erzwungenen Zustimmung der Deutschen zum Holocaust legt sie Widerspruch ein.
Francis FukuyamaScheitert Amerika?Supermacht am Scheideweg
Nicht unumstritten, aber vielbeachtet ist der neue Fukuyama mit gewohnt dramatischen Titel, in dem sich der Politikwissenschaftler vom globalen
missionarischen Eifer Bushs und den Neokonservativen überhaupt distanziert. Wenn Fukuyama hier tatsächlich für
mehr Multilateralismus in Amerikas Außenpolitik plädiert, dann hat er sich um die internationale Debatte verdient gemacht, formuliert die
FR vorsichtig. Die
NZZ hält den realistischen Wilsonianismus Fukuyamas dagegen für eine reine Pflichtübung. Die verärgerte
Zeit findet die Schrift gar überflüssig,
wenig originell und provinziell.
Ludwig Ammann (Hrsg.), Katajun Amirpur (Hrsg.) Der Islam am WendepunktLiberale und konservative Reformer einer Weltreligion
Die Frage nach der
Zukunft des Islam wird von jedem der hier vorgestellten Religionsgelehrten unterschiedlich beantwortet. Gerade diese vielfältige Bild des sonst oft als
monolithischer Block missverstandenen Islam gefällt der
SZ. Besonders interessant ist für die
FAZ vor allem das letzte Kapitel zu den
Frauenrechtlerinnen. Für einen soliden Überblick über den Islam kann die
NZZ außerdem die fünfte Auflage des Standardwerks
"Der Islam in der Gegenwart".
HörbuchNils Kacirek, Paul Plamper, Michael Ebmeyer Henry Silber geht zu EndeHörspiel
Wenn man der
SZ glauben darf, ist dieses kleine Hörspiel über die
Untiefen des Showgeschäfts eine echte Entdeckung. Mit deutlichen Bezügen zu Harald Juhnke macht der alternde Henry Silber
Comeback nach Comeback, bis er nicht mehr laufen kann. Den Ausschlag gibt bei dieser Umsetzung einer Erzählung Michael Ebmayers aber die fulminante Besetzung aus
Volker Spengler als delirierender Henry Silber sowie
Margarita Broich,
Brigitte Mira und
Charlotte Roche.