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Bücherschau des Tages vom 15.03.2006


Bücherschau des Tages


Notizen zu den Buchkritiken des Tages aus FAZ, FR, NZZ, SZ, taz und Zeit. Täglich ab 14 Uhr.
15.03.2006. Mit Kritiken zu Necla Kelek: "Die verlorenen Söhne" in der FAZ, Katharina Hacker: "Die Habenichtse" in der FR, Ilija Trojanow: "Der Weltensammler" in der FR, Ralf Bönt: "Berliner Stille" in der FAZ und Friedrich Wilhelm Graf: "Moses Vermächtnis" in der SZ.

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Berliner Stille.
Erzählungen
Cover: Berliner StilleWallstein Verlag, Göttingen 2006, ISBN 9783835300309, Gebunden, 160 Seiten, 16,00 EUR

Die Protagonisten in den Erzählungen von Ralf Bönt sind viel unterwegs, in Moskau, Haifa, New York, Rom, in Schwabinger Kneipen wie dem "Türkenhof", und immer wieder in Berlin. Dorthin floh man früher vor der westdeutschen Wehrpflicht, dort sucht heute jeder sein Leben. Tatsächlich sind seine Helden hellwache und "gut durchblutete Geschöpfe, Handelnde, die sich und der Welt etwas abverlangen, nicht nur zu Silvester", so der Autor. Wenngleich: In die wirklich wichtigen Fragen von Liebe und Weggehen und Bleiben spielen ja stets die Träume und Entschlüsse des Gegenübers hinein, die den eigenen Absichten nicht selten zuwiderlaufen. So ergeben sich fortwährend Überraschungen und Herausforderungen, beispielsweise wenn die sechsjährige Tochter, zu Besuch bei ihrem Vater und dessen neuer Gefährtin, den Krieg aus dem Fernsehen ganz arglos mit dem Verhältnis von Mama und Papa in Verbindung bringt.

Die verlorenen Söhne.
Plädoyer für die Befreiung des türkisch-muslimischen Mannes
Cover: Die verlorenen SöhneKiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2006, ISBN 9783462036862, Gebunden, 208 Seiten, 18,90 EUR

Warum sind so viele muslimische und türkische Jungen Schulversager? Warum sitzen so viele Muslime in deutschen Gefängnissen? Sind nur soziale Benachteiligung und mangelnde Bildungschancen die Ursache dafür? Oder auch die türkisch-muslimische Erziehung und die archaischen Stammeskulturen einer sich ausbreitenden Parallelgesellschaft? Mit ihrem Buch"Die fremde Braut"- das lange auf der Bestsellerliste stand und von dem über 75.000 Exemplare verkauft wurden - hat Necla Kelek eine heftige Debatte über Zwangsheirat und die gescheiterte Integration der Türken in Deutschland entfacht. Jetzt wendet sie sich der anderen Hälfte der türkisch-muslimischen Gesellschaft zu: den Vätern, die als Patriarchen das Leben der Familie bestimmen, den Söhnen, die sich von den Müttern vorschreiben lassen, wen sie zu heiraten haben, und den Brüdern, die ihre Schwestern kontrollieren und bestrafen - bis hin zum"Ehrenmord", dem die junge Türkin Hatan Sürücü zum Opfer fiel.

Frankfurter Rundschau

Die Habenichtse.
Roman
Cover: Die HabenichtseSuhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006, ISBN 9783518417393, Gebunden, 308 Seiten, 17,80 EUR

"Ich bin glücklich, wollte Jakob sagen, aber der Satz war wie ein Holzpüppchen, das man behutsam aufstellte und das sich doch nur einen Augenblick hielt, bevor es umkippte."- Isabelle und Jakob treffen sich am 11. September 2001 nach Jahren auf einer Party in Berlin wieder. Sie verlieben sich,heiraten und bekommen die Chance, nach London zu ziehen, wo Jakob - Schicksal? Zufall? - eine Stelle in einer Anwaltskanzlei antritt, die eigentlich für einen Kollegen vorgesehen war, der bei den Anschlägen auf das World Trade Center umgekommen ist. Isabelle arbeitet von dort aus weiter für ihre Berliner Grafikagentur und genießt, in den spannungsreichen Wochen vor Ausbruch des Kriegs im Irak, ihr Londoner Leben. Die beiden haben alles, was ein junges, erfolgreiches Paar braucht - und stehen doch mit leeren Händen da. Sehnsüchtig und ratlos sehen sie zu, wie ihr Leben aus den Fugen gerät. Jakob ist fasziniert von seinem Chef, Isabelle von Jim, dem Dealer. Die untergründigen Ströme von Liebe und Gewalt werden spürbar, und das Nachbarskind Sara wird ihr Opfer.

Die Uhr.
Roman
Cover: Die UhrAufbau Verlag, Berlin 2005, ISBN 9783351030452, Gebunden, 488 Seiten, 24,90 EUR

Aus dem Italienischen und mit einem Nachwort von Verena von Koskull. Im Spätsommer 1945 herrscht in ganz Italien Aufbruchstimmung. Der Krieg ist überwunden, GIs kurven in Jeeps durch die Straßen Roms, junge Frauen bekommen von ihren "boyfriends" Seidenstrümpfe und träumen von "l'America". Auf dem Schwarzmarkt gibt es duftendes Weißbrot und Zigaretten. Ein lauer Abend, ein Akkordeon und die Freiheit sind Anlaß genug, um die Nacht hindurch zu tanzen. Die Angehörigen der verschiedenen Widerstandsgruppen glauben noch an einen gemeinsamen politischen Aufbruch. Doch schon in der ersten freien Wahl bröckelt das durch Krieg und Faschismus zusammengeschweißte Bündnis und ergibt sich dem korrupten Ränkespiel politischer Interessen, an dem Italien bis heute krankt.

Revolutionsballade.
Mexiko 1914
Cover: RevolutionsballadeDie Andere Bibliothek/Eichborn, Frankfurt am Main 2005, ISBN 9783821845609, Gebunden, 370 Seiten, 32,00 EUR

Aus dem Amerikanischen von Ernst Adler und Matthias Fienbork. Mit einem Essay von Hans Christoph Buch und Illustrationen von Jose Guadeloup Posada. "Mein sehr verehrter und geschätzter Herr! Sollten Sie es wagen, die Stadt Ojinaga zu betreten, so werde ich Sie mit dem Gesicht an die Wand stellen lassen, und es wird mir persönlich ein großes Vergnügen sein, Furchen in Ihren Rücken zu schießen", schreibt dem Verfasser ein mexikanischer General. "Dennoch", sagt der Reporter, " ging ich eines Tages durch den Fluß und stieg zur Stadt hinauf." So beginnt John Reeds Bericht von einer Revolution, an die sich in Europa kaum noch jemand erinnert. Der 27jährige ahnungslose Amerikaner stürzt sich in die ersten Scharmützel eines blutigen, wirren, grausamen Bürgerkriegs, der zehn Jahre dauern sollte. Er hat kein revolutionäres Heldenepos geschrieben, sondern die Chronik eines tragikomischen Tohuwabohus, voller Sympathie mit den Kämpfern, Opfern und Randfiguren des Aufruhrs.

Der Weltensammler.
Roman
Cover: Der WeltensammlerCarl Hanser Verlag, München 2006, ISBN 9783446206526, Gebunden, 477 Seiten, 24,90 EUR

Ein spannender Roman über den englischen Abenteurer Richard Burton (1821-1890). Anstatt in den Kolonien die englischen Lebensgewohnheiten fortzuführen, lernt er wie besessen die Sprachen des Landes, vertieft sich in fremde Religionen und reist zum Schrecken der Behörden anonym in den Kolonien herum. Trojanows farbiger Abenteuerroman über diesen Exzentriker zeigt, warum der Westen bis heute nichts von den Geheimnissen der anderen Welt begriffen hat.

Krieg als Dienstleistung.
Private Militärfirmen zerstören die Demokratie
Cover: Krieg als DienstleistungCh. Links Verlag, Berlin 2006, ISBN 9783861533856, Kartoniert, 488 Seiten, 14,90 EUR

Unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich im letzten Jahrzehnt ein Phänomen herausgebildet, das die internationale Politik verändert: die "Neuen Söldner". Sie sind Teil einer Dienstleistungsbranche, die weltweit boomt und mittlerweile über eine Million Angestellte hat. Die als "Private Militärfirmen" agierenden Unternehmen bieten alles an, was mit Krieg und militärischer Intervention zu tun hat: von kämpfenden Einheiten und Computerspezialisten bis hin zur Versorgung der Truppen mit Waffen und Nahrung. Mit diesen Dienstleistern hat sich eine neue Art von Akteuren etabliert, die von den Nationalstaaten kaum mehr kontrolliert werden. Der Autor beschreibt den Aufstieg und die Aktivitäten dieser Firmen und warnt vor den Gefahren, die mit der schleichenden Privatisierung von Krieg und militärischen Interventionen verbunden sind: Aushebelung des Völkerrechts, Unterhöhlung des staatlichen Gewaltmonopols und Entstehen eines rechtsfreien Raumes.

Neue Zürcher Zeitung

Der schnellfüßige Achilles.
Roman
Cover: Der schnellfüßige AchillesKlaus Wagenbach Verlag, Berlin 2006, ISBN 9783803132000, Gebunden, 266 Seiten, 19,50 EUR

Aus dem Italienischen von Moshe Kahn. Auf dem Tisch von Ulysses häufen sich die Manuskripte und bringen mit ihren lebenshungrigen Figuren Abwechslung in seinen Alltag. Eines Tages nimmt Achilles, ein merkwürdiger Schriftsteller, per E-Mail Kontakt mit ihm auf. Durch Achilles gerät Ulysses in eine prekäre Situation, die ihn zu einer folgenreichen Entscheidung zwingt ...

Basel in der Zeit Jacob Burckhardts.
Eine Stadt und vier unzeitgemäße Denker
Cover: Basel in der Zeit Jacob BurckhardtsSchwabe Verlag, Basel 2005, ISBN 9783796521577, Gebunden, 640 Seiten, 47,50 EUR

Aus dem Amerikanischen von Reinhard Brenneke und Barbara von Reibnitz. Der Ideenhistoriker Lionel Gossman schreibt die Stadtgeschichte Basel im 19. Jahrhundert als intellectual history ihrer vier "unzeitgemäßen" Meisterdenker Bachofen, Burckhardt, Nietzsche und Overbeck. Der erste Teil des Buches widmet sich der städtischen Entwicklung. Daran anknüpfend, zeigt Gossman in ausführlichen biografisch-werkgeschichtlichen Kapiteln, wie die intellektuellen Haltungen seiner Protagonisten auf die historische Situation vor Ort zu beziehen sind und wie sie im europäischen Kontext situiert sind.

Georg Lukacs: Autobiografische Texte und Gespräche.
Werke, Band 18
Cover: Georg Lukacs: Autobiografische Texte und GesprächeAisthesis Verlag, Bielefeld 2005, ISBN 9783895285103, Gebunden, 529 Seiten, 98,00 EUR

Herausgegeben von Frank Benseler und Werner Jung unter Mitwirkung von Dieter Redlich. Mit diesem 18. Band, der Georg Lukacs? autobiografische Texte, Gespräche und zwei Briefe enthält, wird die Werkausgabe des ungarischen Philosophen fortgesetzt. Ablesbar ist die intellektuelle und politische Entwicklung eines Denkers, der in seiner Autobiografie "Gelebtes Denken" einmal von sich behauptet hat, daß in seiner Entwicklung "jede Sache die Fortsetzung von etwas" sei und weiterhin dass es keine unorganischen Elemente darin gegeben habe. Die Lektüre dieses Bands der Werkausgabe mit Texten aus sechs Jahrzehnten lässt darüber hinaus auch noch einmal die wechselvolle und schmerzhafte Geschichte der (organisierten) Linken und marxistischen Bewegungen und Parteien von den Anfängen im 20. Jahrhundert bis zum sich bereits abzeichnenden Ende des 'real existierenden Sozialismus? nach der Zerschlagung des 'Prager Frühlings? 1968 sinnlich-plastisch vor Augen treten.

Solange es schön ist.
Roman
Cover: Solange es schön istZsolnay Verlag, Wien 2006, ISBN 9783552053656, Gebunden, 112 Seiten, 14,90 EUR

Johanna hasst das Alleinsein, und alles kommt immer heftig über sie - die Gefühle, die Männer und auch die Geschichten, die sie notfalls selber erfindet. Eine "Zeitbombe" sei sie, meint Frau Kralik, die Nachbarin, und seit Jahren schon befürchtet der Hausmeister "Probleme" mit der jungen Anwaltssekretärin, die "nicht übersehen werden will". Andererseits: War ihre Welt nicht in Ordnung? "Die Männer schauten sie noch an. Ein Lächeln ...", heißt es in Magdalena Sadlons Roman, der von Bewohnern eines Wiener Mietshauses erzählt, die mehr verbindet, als ihnen bewusst ist.

Süddeutsche Zeitung

Jazztime.
Roman
Cover: JazztimeCarl Hanser Verlag, München 2006, ISBN 9783446207141, Gebunden, 480 Seiten, 24,90 EUR

Aus dem Englischen von Renate Orth-Guttmann. Jazztime erzählt die Geschichte des Revolutionärs und Auftragskillers Henry Smart, der Frau und Tochter in Irland zurücklässt und nach New York flüchtet. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gibt es flotte Frauen, Gefahren, Geschäftsleute mit rüden Methoden - und neue Musik. Smart, gutaussehend, frech und charmant, zynisch, unmoralisch und mit unerschütterlichem Selbstvertrauen ausgestattet, wird von der Mafia aus New York vertrieben und landet im Chicago des Jazz-Zeitalters, wo er sich mit dessen größtem und hellstem Stern anfreundet und hilft, ihn zu beschützen: Louis Armstrong.

Moses Vermächtnis.
Über göttliche und menschliche Gesetze
Cover: Moses VermächtnisC.H. Beck Verlag, München 2005, ISBN 9783406542213, Broschiert, 100 Seiten, 12,00 EUR

Die Diskussionen um die religiöse Verankerung von Verfassungen und Amtseiden, um das Kopftuch im öffentlichen Dienst und das Kruzifix in Schulen, um den Schutz ungeborenen Lebens oder den Verfassungsauftrag zur "Bewahrung der Schöpfung" zeigen, dass die Vorstellung vom "Gesetz Gottes" trotz Aufklärung und Säkularisierung eine nahezu ungebrochene Suggestivkraft entfaltet. Diese geht für manche religiöse Gruppen wieder so weit, dass sie das göttliche Recht dem staatlichen Recht vorordnen und damit die Geltungskraft des "positiven Rechts" unterminieren. Der Theologe und Religionswissenschaftler Friedrich Wilhelm Graf bringt in seinem Essay daher auch die Strategien zur Konfliktvermeidung und Beschränkung des göttlichen Gesetzes zur Sprache, die die Religionen selbst entwickelt haben.

Die Tageszeitung

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