
Bücherschau des Tages vom 31.01.2017
Mit einem Schmunzeln und Peitschenhieben
Notizen zu den Buchkritiken des Tages aus FAZ, FR, NZZ, SZ, taz, Zeit und Welt. Täglich ab 14 Uhr.31.01.2017. 1250 Seiten stark, aber als kunstvolles Katz- und Mausspiel ein echter Paul Auster, versichert die FR nach Lektüre des neuen Romans "4 3 2 1". Als klug und gelehrt empfiehlt die SZ Klaus Birnstiels Geschichte des Poststrukturalismus "Wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand". Sehr ger gelesen hat sie auch Saphia Azzedines "Bilqiss". Mit "Sieben Küssen" von Peter von Matt taumelt die NZZ beglückt von der Weltliteratur mitten ins Dasein. Und die FAZ versichert: Laszlo Darvasis Erzählungen "Wintermorgen" sitzen wie Faustschläge.
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Friedensgutachten 2016.

LIT Verlag, Berlin 2016,
ISBN
9783643133700, Kartoniert, 290
Seiten,
12,90
EUR
Im Auftrag der fünf deutschen
Friedensforschungsinstitute herausgegeben von Margret Johannsen, Bruno
Schoch, Max M. Mutschler, Corinna Hauswedell und Jochen Hippler. Die Flüchtlingsthematik spaltet Europa und die deutsche Gesellschaft. Großer Hilfsbereitschaft und Solidarität stehen wachsende Fremdenfeindlichkeit und nationalistische Abschottung gegenüber. Ist der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts nur in guten Zeiten und nur für die Bürgerinnen und Bürger der EU da? Wir untersuchen die Defizite europäischer Einwanderungspolitik und die Gefährdungen für das Friedensprojekt Europa. Krieg und Bürgerkrieg, Repression und Terror, Staatsversagen und soziale Perspektivlosigkeit treiben Millionen Verzweifelte dazu, woanders eine bessere Zukunft zu suchen. Viele hatten zunächst in den Nachbarstaaten Zuflucht gefunden. Den gefährlichen Weg nach Europa wagen sie, weil ein Ende der Gewalt zu Hause nicht in Sicht ist, die Hilfsmittel der UNO gekürzt wurden und die Lebensverhältnisse in Europa Hoffnung verheißen. Wie kann Europa Humanität gewährleisten und seiner Mitverantwortung für die Fluchtursachen gerecht werden?
Außenpolitische Dokumente der Republik Österreich 1918 - 1938.
Band 12: Österreich zwischen Isolation und Anschluss

Österreichische Akademie der Wissenschaften Verlag, Wien 2016,
ISBN
9783700178705, Kartoniert, 398
Seiten,
89,00
EUR
Herausgegeben von Arnold Suppan und Walter Rauscher. Der letzte Band der zwölfbändigen Editionsreihe "Außenpolitische Dokumente der Republik Österreich" dokumentiert den zunehmenden nationalsozialistischen Einfluss in der politisch zerrissenen österreichischen Gesellschaft und den scheinbar unaufhaltsamen Weg Österreichs zum "Anschluss". Während sich der österreichische Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Guido Schmidt, anstrengte, über den preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring noch einen Modus Vivendi mit Berlin zu finden, hatte sich Hitler längst zu einer notfalls auch gewaltsamen Lösung entschlossen. Im Übrigen hatte Mussolini bei seinem triumphalen Empfang in Berlin, Ende September 1937, stillschweigend sein Plazet gegeben.
Dennoch bemühte sich Bundeskanzler Kurt Schuschnigg - gemeinsam mit Ungarn - auf der Konferenz der drei Staaten der Römer Protokolle im Jänner 1938 in Budapest, hinsichtlich einer Anerkennung General Francos und des Anti-Komintern-Paktes einen gewissen Abstand zur Politik Berlins und Roms zu halten. Aber auch Ungarn hatte sich bereits - wie Jugoslawien und Polen - an Hitler-Deutschland angepasst. Großbritannien zeigte wenig Interesse an einer Einmischung in Mitteleuropa, Frankreich war mit innenpolitischen Problemen befasst.
So ließ sich Schuschnigg vom deutschen Botschafter Franz von Papen ein Treffen mit Hitler auf dem Berghof bei Berchtesgaden einreden, das zu einer völligen Demütigung des Bundeskanzlers führte, als ihm Hitler "Verrat" an der deutschen Politik vorhielt. Der Band dokumentiert sowohl die Vorbereitung als auch die Ergebnisse dieses Treffens am 12. Februar 1938 sehr ausführlich. Die internationale Politik erkannte nunmehr zwar die drohende Gefahr einer völligen Vereinnahmung Österreichs, war aber nicht mehr - wie 1934 - bereit, sich einer bevorstehenden nationalsozialistischen Aggression entgegenzustellen. Die Jubelrufe der Bevölkerung für die Wehrmacht und für Hitler erübrigten freilich jeden Protest.
Natur und Figur.
Goethe im Kontext

Wilhelm Fink Verlag, Paderborn 2016,
ISBN
9783770560462, Gebunden, 460
Seiten,
49,90
EUR
Natur ist stets Gestalt und stellt, rhetorisch gesehen, insofern eine figura dar, ohne die sie sich überhaupt nicht bilden und zur Anschauung werden könnte. Dass alles, was wir als Natur ansehen, kontingent ist und ohne die konstruktiven Vermögen des Menschen keinerlei Evidenz gewinnt: das ist für Goethe selbstverständlich. Goethe vermeidet die falsche Alternative zwischen Naturalismus und Konstruktivismus, die im 20. Jahrhundert das Projekt der Naturästhetik kennzeichnet. Bevor eine auch theoretisch umfassende Naturästhetik vorgelegt wird, schaut Hartmut Böhme auf die Zeit um 1800, die Belle Époque des Naturdenkens. Goethe ist dabei das Paradigma: sein Verhältnis zum Wasser oder zur Erde, zur magischen Bezauberung des Bewusstseins durch Obsessionen und fetischistische Praktiken; die überraschende Entdeckung einer Figuration, die man eher der Romantik zuordnen würde, nämlich des Vampirismus; seine Kritik an der Tele- und Mikroskopie; seine dissidenten Erfahrungen, Praktiken und Konzepte in der Montanwissenschaft und der Anatomie.
Apologie der Barbarei.
Frühe Schriften 1931-1941

Karolinger Verlag, Wien 2016,
ISBN
9783854181699, Gebunden, 135
Seiten,
19,90
EUR
Herausgegeben von Martin Bertleff. Auch wenn er sich später von den Arbeiten seiner rumänischen Sturm und Drangzeit distanzierte, bleiben diese Ausätze, die hier erstmals auf Deutsch erscheinen, für das Verständnis des großen Autors wichtig.
Zur französischen Ausgabe:
Die Übersetzung von rund 30 Artikeln, zwischen 1932 und 1941 für mehrere rumänische Zeitschriften geschrieben, unter dem Titel "Apologie der Barbarei", bringt einen Baustein mehr zur Kenntnis seines inneren Universums. Lange noch wird man Cioran lesen, weil er die Ambiguitäten zusammenfasst und sie bis zur Weißglut bringt, was wir, die Westler im Grunde sind: armselige Gestörte, denen es aber gelungen ist, aus ihren Neurosen eine Kultur aufzubauen, bevor wir uns beeilten, sie wieder zu zerstören.
Wintermorgen.
Novellen

Suhrkamp Verlag, Berlin 2016,
ISBN
9783518425527, Gebunden, 348
Seiten,
24,00
EUR
Aus dem Ungarischen von Heinrich Eisterer. Ein Orchester kommt bei einem Busunglück um, nur der Schlagzeuger überlebt und erfüllt den Auftrag allein: die Insassen einer Nervenklinik mit dem kollektiven Erlebnis der Musik aus dem individuellen Wahnsinn zu erlösen. Ein Mädchen steht am Fenster und beobachtet auf der Straße zwei Küssende, den Stein in der Hand, mit dem es die beiden zerschmettern will.Ein Unglück, auf das die Betroffenen nicht reagieren; kryptische Geschehnisse, in deren Zentrum das hinterrücks hereinfahrende Böse steht; Töten, ohne zu wissen, warum: um diese unheimlichen Erfahrungen kreisen die 27 kurzen Prosastücke des Bandes. Die Normalität, in der wir leben, erscheint als Insel in einem Meer aus Hass, Brutalität und Paranoia.
László Darvasi, der Erkunder des Unbegreiflichen, hat früh die Novelle als Form entdeckt, in der seine Kunst der Verrätselung und Verdichtung ihren stärksten Ausdruck findet. Unbeirrt nimmt sein Erzähler den Menschen in den Blick, der seine Wünsche und Handlungen selbst nicht versteht. Darvasis Geschöpfe wirken wie Verzauberte, die zur schönsten, verrücktesten Liebestat und zum entsetzlichsten Verbrechen fähig sind. Es ist die Sprachmacht des Autors, seine buchstäblich bodenlose Phantasie, die aus den abwegigsten, albtraumhaften Szenerien Texte erstehen lässt, die mit ihrer Lakonie und berückenden Schönheit fesseln.
Der Panzer und die Mechanisierung des Krieges.
Eine deutsche Geschichte 1890 bis 1945

Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2016,
ISBN
9783506783554, Gebunden, 604
Seiten,
44,90
EUR
Der Panzer ist eine alte Idee, aber eine junge Erfindung. In seiner charakteristischen Anordnung von Feuerkraft, Panzerung und Beweglichkeit hat er den Landkrieg im 20. Jahrhundert revolutioniert. Dieses Buch untersucht die Geschichte des Panzers als Waffe und Symbol in Deutschland zwischen dem Aufkommen erster Planungen und dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Anhand der zeitgenössischen Kriegsbilder, der Rüstung, der Operationen und der Bilder vom Panzer beschreibt das Buch den Stellenwert des Waffensystems in den deutschen Streitkräften. Dabei wird deutlich, dass idealisierende Vorstellungen vom Panzer seine tatsächliche militärische Wirkung oft überlagerten. Das Waffensystem "Panzer" wurde zum Indikator für soldatische Auffassungen über Technik, zum Symbol für die Niederlage von 1918, aber auch für die "Blitzkriege" von 1939/40 und für militärische Hybris. Im Panzer treffen Mensch und Maschine auf existenzielle Weise aufeinander. Das macht ihn bedeutsam bis in die Gegenwart.
Frankfurter Rundschau
4 3 2 1.
Roman

Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2017,
ISBN
9783498000974, Gebunden, 1264
Seiten,
29,95
EUR
Aus dem Amerikanischen von Thomas Gunkel, Werner Schmitz, Karsten Singelmann und Nikolaus Stingl. Paul Auster legt in Gestalt eines Rätselspiels sein bisher umfangreichstes Werk und Opus magnum vor: die vierfach unterschiedlich erzählte Geschichte eines jungen Amerikaners in den fünfziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts - ein Epos voll mit Politik, Zeitgeschichte, Liebe, Leidenschaft und dem wechselvollen Spiel des Zufalls.
'4 3 2 1' - das sind vier Variationen eines Lebens: Archibald Ferguson, von allen nur Archie genannt, wächst im Newark der fünfziger Jahre auf. Im Verein mit der höheren Macht einer von Paul Auster raffiniert dirigierten literarischen Vorsehung entspinnen sich nun vier unterschiedliche Versionen von Archies Leben: provinziell und bescheiden; kämpferisch, aber vom Unglück verfolgt; betroffen und besessen von den Ereignissen der Zeit; künstlerisch genial begabt und nach den Sternen greifend. Und alle vier sind vollgepackt mit Abenteuern, Liebe, Lebenskämpfen und den Schlägen eines unberechenbaren Schicksals.
Neue Zürcher Zeitung
Sieben Küsse.
Glück und Unglück in der Literatur

Carl Hanser Verlag, München 2017,
ISBN
9783446254626, Gebunden, 288
Seiten,
22,00
EUR
Sieben bedeutungsvolle Küsse der Literaturgeschichte von Marguerite Duras bis Heinrich von Kleist hat Peter von Matt für sein neues Buch ausgewählt. Eigentlich ist Küssen ja ein Alltagsgeschäft. Und dennoch sind wir fest davon überzeugt, das Leben nach dem Kuss sei ein besseres als zuvor. Daran hat auch die Literatur ihren Anteil, denn in zahllosen Geschichten nimmt das Schicksal nach dem entscheidenden Kuss einen neuen Lauf. Einmal mehr erweist sich Peter von Matt als Meister der kenntnisreichen und eleganten Interpretation, aus der Neugierige genauso viel lernen wie erfahrene Leser: ob es nun um Literatur geht, die Liebe - oder um Osculologie, die Wissenschaft vom Küssen.
Süddeutsche Zeitung
Bilqiss.
Roman

Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2016,
ISBN
9783803132819, Gebunden, 176
Seiten,
20,00
EUR
Aus dem Französischen von Birgit Leib. Wie irre muss man sein, um in einer Aubergine einen Phallus zu sehen und ihren Kauf nur zerstückelt zu erlauben? Das fragt Bilqiss, die widerspenstige Heldin dieses tragikomischen Romans. Man hat sie verurteilt, man hat sie verdammt, man wird sie steinigen. Bilqiss jedoch lässt sich den Mund nicht verbieten, sie verteidigt sich selbst vor dem überforderten Richter. Tags im Gerichtssaal, nachts in ihrer Zelle, wo er sie bald regelmäßig besucht. Rhetorisch geschickt und außerdem klug entlarvt sie die obszöne Fehlinterpretation des Korans und die scheinheilige Moral, erzwingt Tag um Tag den Aufschub ihrer Hinrichtung.
Die Weltöffentlichkeit verfolgt das Ganze in Echtzeit, schon ziert das Antlitz der Angeklagten amerikanische Solidaritäts-Tassen. Eine jüdische Journalistin reist an, um sich selbst ein Bild und eine große Reportage über den Fall zu machen.
Wütend, witzig und weise erzählt dieser Roman die Geschichte einer freien Frau in einem islamischen Land.
Wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand.
Eine kurze Geschichte des Poststrukturalismus

Wilhelm Fink Verlag, Paderborn 2016,
ISBN
9783770557967, Gebunden, 491
Seiten,
69,00
EUR
Kaum eine theoretische Strömung hat das abendländische Denken im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts so sehr beeinflusst wie der französische Poststrukturalismus. Das französische Denken über Sprache, Kultur und Geschichte, wie es seit den sechziger Jahren von Denkern wie Michel Foucault, Jacques Derrida, Roland Barthes und anderen entwickelt wurde, hat in Deutschland, den USA und darüber hinaus breite Wirkung entfaltet. Die "French Theory" hat Eingang gefunden in Universität und Feuilleton, Literatur und Theorie. Der Blick auf die steile internationale Karriere des Poststrukturalismus, seinen Niederschlag in den Diskursen zwischen Akademie und Zeitung, Buchmarkt und öffentlicher Debatte, wirft nicht nur Schlaglichter auf die Denkgeschichte des 20. Jahrhunderts, sondern versteht sich als Vorgeschichte des Denkens unserer Gegenwart.
Dorffrieden.
Roman

Jung und Jung Verlag, Salzburg 2016,
ISBN
9783990270905, Gebunden, 192
Seiten,
19,00
EUR
Ist die Woche vorbei, kann sich Wattenhofer sagen: "Jetzt ist schon wieder nichts passiert", und das ist gut so. Zwei mal zwei Kilometer misst der Flecken Idylle in der Provinz, wo er die Obrigkeit verkörpert und als Polizeiwachtmeister darüber wacht, dass nichts passiert. Doch eines Tages, just vorm Wochenende, erhält er einen Hinweis, und
er geht ihm nach. Gründlich. Und entdeckt einen Schlüssel zu einem Garderobenschrank im örtlichen Schwimmbad. Dieser Schlüssel führt ihn zu einer Sporttasche, und in dieser Sporttasche findet er ein Foto, zerrissen, und auf dem Foto erkennt er seinen Sohn. Auf einmal ist nichts mehr, wie es war, nicht in seinem Hoheitsgebiet und nicht in seinem Leben. Wie aus heiterem Himmel ist da ein Fall, der größer und größer wird, und plötzlich geht es um alles.
Die Tageszeitung
Ein wenig Leben.
Roman

Hanser Berlin, Berlin 2017,
ISBN
9783446254718, Gebunden, 960
Seiten,
28,00
EUR
Aus dem Amerikanischen von Stephan Kleiner. "Ein wenig Leben" handelt von der lebenslangen Freundschaft zwischen vier Männern in New York, die sich am College kennengelernt haben. Jude St. Francis, brillant und enigmatisch, ist die charismatische Figur im Zentrum der Gruppe - ein aufopfernd liebender und zugleich innerlich zerbrochener Mensch. Immer tiefer werden die Freunde in Judes dunkle, schmerzhafte Welt hineingesogen, deren Ungeheuer nach und nach hervortreten.
Die Welt
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