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Bücherschau des Tages vom 08.06.2018


Symbiose ist immer auch Konflikt


Notizen zu den Buchkritiken des Tages aus FAZ, FR, NZZ, SZ, taz, Zeit und Welt. Täglich ab 14 Uhr.
08.06.2018. Die SZ lässt sich von Ed Yong in die faszinierende Welt der Mikroben einführen und lernt viel für's Leben. Außerdem freut sie sich über eine Neuausabe von Fritz Alexander Kauffmanns "Chronik einer Kindheit". Die FAZ unternimmt mit Carl Schmitts Tagebüchern Ausflüge ins Berliner "Miljöh" und empfiehlt zwei Bücher über zum Islam konvertierte Deutsche. Die NZZ lernt bei Angelika Reitzer die Schattenseiten von Kleinfamilienparadiesen kennen.

Frankfurter Allgemeine Zeitung

The President Is Missing.
Roman
Cover: The President Is MissingDroemer Knaur Verlag, München 2018, ISBN 9783426281970, Gebunden, 480 Seiten, 22,99 EUR

Aus dem Amerikanischen von Anke und Eberhard Kreutzer. 'The President Is Missing' handelt von einer Bedrohung so gigantischen Ausmaßes, dass sie nicht nur das Weiße Haus und die Wall Street in Aufruhr versetzt, sondern ganz Amerika. Angst und Ungewissheit halten die Nation in ihrem Würgegriff. Gerüchte brodeln - über Cyberterror und Spionage und einen Verräter im Kabinett. Sogar der Präsident selbst gerät unter Verdacht und ist plötzlich von der Bildfläche verschwunden. In der packenden Schilderung dreier atemberaubend dramatischer Tage wirft 'The President Is Missing' ein Schlaglicht auf die komplizierten Mechanismen, die für das reibungslose Funktionieren einer hoch entwickelten Industrienation wie Amerika sorgen, und ihre Störanfälligkeit.

Die Welt im Selfie.
Eine Besichtigung des touristischen Zeitalters
Cover: Die Welt im SelfieSuhrkamp Verlag, Berlin 2018, ISBN 9783518428092, Gebunden, 362 Seiten, 26,00 EUR

Aus dem Italienischen von Martina Kempter. Was den einen Erholung vom Alltag ist, wird für die anderen zu einer alltäglichen Belastung: Weltweit explodieren die Touristenzahlen, in den letzten 15 Jahren haben sich die Einnahmen der Branche mehr als verdoppelt, in Mallorca kamen im Juli 2016 1,8 Millionen Besucher auf 900000 Einheimische. Diese protestierten - als Touristen verkleidet - in Tennissocken und mit umgehängter Kamera. Damit griffen sie zwei Aspekte auf, die rund um das historisch junge Phänomen Massentourismus seit je zentral sind: ästhetische Abgrenzung (schlecht angezogene Touristen sind immer die anderen) und das Faszinosum Urlaubsfotografie. Auf den Spuren von Twain, Barthes und Enzensberger besichtigt Marco d'Eramo unser touristisches Zeitalter. Warum verrenken wir uns, um uns - notfalls unter Einsatz eines Selfie-Sticks - vor Bauwerken abzulichten, die wir "in echt" weniger beeindruckend finden als im Reiseführer? Was zeichnet ihn aus, den touristischen Blick? Und wie verändert der Tourismus Destinationen wie Las Vegas, Paris oder Venedig?

Die neuen Muslime.
Warum junge Menschen zum Islam konvertieren
Cover: Die neuen MuslimePromedia Verlag, Wien 2018, ISBN 9783853714379, Kartoniert, 192 Seiten, 17,90 EUR

Wer sind die jungen, zum Islam konvertierten Frauen und Männer? Was bewegt sie zu einem für Außenstehende unverständlichen und unpraktischen Lebensentwurf? Ihre Motive sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst. In jeder Lebensgeschichte finden sich Brüche, Beweggründe und Erfahrungen, die eine solche Entscheidung erklären können. Eines jedoch haben die Konvertierten gemeinsam: Sie alle haben ihr Leben radikal geändert. Im Gegensatz zu dem, was in den Medien als "radikalisierte Muslime" verhandelt wird, ist ihr neues Leben von einer weniger spektakulären Radikalität ergriffen. Sie sind nicht gewaltbereit, sie wollen keinen Gottesstaat errichten und auch nicht der "Mehrheitsgesellschaft" schaden. Im Gegenteil: Die Hinwendung zum Islam soll ihnen helfen, ihr Leben in den Griff zu bekommen und etwas aus sich zu machen. Sie sehen sich als festen Teil der Gesellschaft und möchten mit ihren Ideen dazu beitragen, diese zum Besseren zu wenden. In diesem Buch kommen sie zu Wort und werden gehört.

Carl Schmitt: Tagebücher 1925 bis 1929.
Cover: Carl Schmitt: Tagebücher 1925 bis 1929Duncker und Humblot Verlag, Berlin 2018, ISBN 9783428152964, Gebunden, 545 Seiten, 79,90 EUR

Herausgegeben von Martin Tielke / Gerd Giesler. In der Reihe der Tagebücher Carl Schmitts, die den Zeitraum von 1912 bis 1934 umfassen, schließt der vorliegende Band nun die Lücke von 1925 bis 1929. Er beschreibt die letzten Jahre Schmitts in Bonn und den Beginn seiner Lehrtätigkeit an der Handelshochschule Berlin. Dieser Übergang markiert eine deutliche Hinwendung des Theoretikers zur politischen Praxis des Regierens und stellt zugleich den Höhepunkt seines wissenschaftlichen Schaffens dar: In dieser Zeit entstehen seine zwei Hauptwerke "Der Begriff des Politischen" und die "Verfassungslehre". Das Tagebuch wird durch die Fülle der beschriebenen Begegnungen Schmitts mit einflussreichen Persönlichkeiten jener Zeit zu einer wertvollen zeitgeschichtlichen Quelle. Carl Schmitts Tagebücher sind ein ohne jeden Vorbehalt geschriebenes Diarium, das sich durch einen abbreviatorischen Charakter und eine gewisse stilistische Sorglosigkeit auszeichnet. Die nahezu unleserliche Schrift, in der es verfasst ist, deutet darauf hin, dass es der Autor ausschließlich für sich selbst geführt hat, als ein Mittel der Selbstvergewisserung. Die verführerische Klarheit des elaborierten theoretischen Werkes ist die notwendige Kehrseite des schnell und flüchtig Hingeworfenen im Tagebuch. Leben und Werk gehören bei Schmitt gerade in ihrer Gegensätzlichkeit eng zusammen. Wie das vorhergehende und das nachfolgende Tagebuch besteht auch dieses aus dem eigentlichen Diarium und zwei Paralleltagebüchern, die den Gedankenstrom des Autors festhalten. Das Buch ist umfassend annotiert; zu zentralen Personen und Themen bietet es zudem einen Text- und Bildanhang.

Deutsche Muslime - muslimische Deutsche.
Begegnungen mit Konvertiten zum Islam
Cover: Deutsche Muslime - muslimische DeutscheSpringer Verlag, Heidelberg 2017, ISBN 9783658180799, Kartoniert, 176 Seiten, 22,99 EUR

Aus dem Englischen von Felix Kurz. Das Buch befasst sich mit dem bislang noch weitgehend unbehandelten Gebiet der Konversion von Deutschen zum Islam und beruht auf langjährigen Feldstudien der Autorin in Deutschland. Von Jahr zu Jahr nimmt die Zahl der Europäer, die sich dem Islam zuwenden, zu. Die vorliegende Publikation erforscht wie insbesondere Deutsche den Islam für sich entdecken, ihre Verbundenheit zum Islam trotz der gesellschaftlich eher ablehnenden Haltung und Furcht leben, wie sie sich zu den eingewanderten Muslimen in Beziehung setzen und wie sie die Debatten um Rasse, Religion und europäischer Zugehörigkeit erleben und mitgestalten. Esra Özyürek wirft einen Blick darauf, wie die Gesellschaft konvertierte Mitbürger an den Rand drängt und deren nationale Loyalität in Frage stellt. Im Gegenzug versuchen sich die zum Islam konvertierten Deutschen von Migranten aus muslimisch geprägten Ländern abzugrenzen und einen "entnationalisierten" Islam, frei von türkischen oder arabischen Traditionen, zu etablieren.

Frankfurter Rundschau

Heute leider keine Kritiken!

Neue Zürcher Zeitung

Belladonna.
Roman
Cover: BelladonnaHoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2018, ISBN 9783455002751, Gebunden, 400 Seiten, 24,00 EUR

Aus dem Kroatischen von Brigitte Döbert und Blanka Stipetic. Andreas Ban ist ein Psychoanalytiker, der nicht mehr analysiert, und ein Schriftsteller, der nicht mehr schreibt. Ein echter Intellektueller, dessen Welt seit Jahren mehr und mehr verfällt, die nur noch aus Erinnerungen besteht, an Freunde und Geliebte, aber auch an die Schrecken des 20. Jahrhunderts. Eine Parabel über die Tücken des Alterns in unserer gnadenlosen modernen Welt und einen wahren Helden unserer Zeit: einen vergessenen, verstoßenen Intellektuellen, der in einer Gesellschaft, die ewige Jugend predigt und kritische Gedanken unterdrückt, zu leben und denken versucht.

Obwohl es kalt ist draußen.
Roman
Cover: Obwohl es kalt ist draußenJung und Jung Verlag, Salzburg 2018, ISBN 9783990272152, Gebunden, 192 Seiten, 20,00 EUR

Barbara könnte sich für ihr Leben nicht mehr wünschen. Aber wie groß kann das Glück sein, wenn man weiß, dass es wenig braucht, um es zu zerstören? Ohne nachzudenken, im Überschwang vielleicht, aus Lust, alles aufs Spiel zu setzen: die Beziehung (Ante, ihre große Liebe), die Familie (zwei Kinder, bald drei), das eigene Leben (in Sicherheit, mit allen Freiheiten). Nicht dass Barbara das alles immer genau so wollte; früher war sie viel unterwegs, Paris, London, als Model, auf Partys. Manches hätte anders kommen können, hat sich einfach so ergeben. Aber wenn sie daran denkt, schwindelt ihr, vor Glück, aber auch vor Angst. Als hinge alles am seidenen Faden. Obwohl es durch nichts bedroht ist außer durch sie selbst. Aber warum? Warum ist es so schwierig, zufrieden zu sein?

Süddeutsche Zeitung

Leonhard.
Chronik einer Kindheit
Cover: LeonhardWallstein Verlag, Göttingen 2018, ISBN 9783835316652, Gebunden, 792 Seiten, 29,90 EUR

Die Ausgabe enthält den kompletten Text der Erstausgabe sowie unveröffentlichte Teile aus dem Nachlass. Immer wieder ist Fritz Alexander Kauffmanns (1891-1945) "Leonhard" mit Marcel Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" verglichen worden. In beiden Werken wird mit einer seismographischen Präzision der dichterischen Sprache von einer inzwischen untergegangenen Welt an der Wende zum 20. Jahrhundert erzählt. Thematisch steht der "Leonhard" allerdings Walter Benjamins Chronik "Berliner Kindheit um 1900" näher. In der posthum erschienenen Buchausgabe des "Leonhard" von 1956 bricht Kauffmanns Kindheitsgeschichte abrupt im 12. Lebensjahr ab. In seinem Nachlass hat sich jedoch eine Manuskriptfassung des Schlussteils erhalten, die sein Enkel Kai Kauffmann in dieser neuen Edition erstmals veröffentlicht. Mit diesem Schlussteil erschließt sich nun die gesamte Konstruktion der autobiographischen Erzählung und das ihr zugrundeliegende Programm einer "ästhetischen Selbsterziehung". In seinem Nachwort führt Kai Kauffmann in Leben und Werk des Autors ein, der ein begeisterter Reformpädagoge und Kunsterzieher war und erst nach seiner Zwangspensionierung durch die Nazis zum Schriftsteller wurde.

Factfulness.
Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist
Cover: FactfulnessUllstein Verlag, Berlin 2018, ISBN 9783550081828, Gebunden, 400 Seiten, 24,00 EUR

Aus dem Schwedischen von Hans Freundl und Hans-Peter Remmler. Unter Mitarbeit von Anna Rosling Rönnlund und Ola Rosling. Es wird alles immer schlimmer, eine schreckliche Nachricht jagt die andere: Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer. Es gibt immer mehr Kriege, Gewaltverbrechen, Naturkatastrophen. Viele Menschen tragen solche beängstigenden Bilder im Kopf. Doch sie liegen damit grundfalsch. Unser Gehirn verführt uns zu einer dramatisierenden Weltsicht, die mitnichten der Realität entspricht, wie Hans Rosling erklärt.

Winzige Gefährten.
Wie Mikroben uns eine umfassende Ansicht vom Leben vermitteln
Cover: Winzige GefährtenAntje Kunstmann Verlag, München 2018, ISBN 9783956142321, Gebunden, 448 Seiten, 28,00 EUR

Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. Unser Körper ist eine ganze Welt: Billionen Mikroorganismen bevölkern ihn. Sie gestalten unsere Organe mit, schützen uns vor Krankheiten, steuern unser Verhalten und bombardieren uns mit ihren Genen. Diese winzigen Gefährten verfügen über den Schlüssel zum Verständnis für das gesamte Leben auf der Erde, wie es begann, wie es sich fortentwickelte. Ed Yong öffnet uns die Augen für diese unsichtbare Welt. Er erzählt von den erstaunlichen Symbiosen, die Korallen dazu bewegen, mächtige Riffe zu bauen, oder es Zwergtintenfischen ermöglichen, ihre eigenen Umrisse mit einem diffusen Licht zu tarnen, um sich vor Jägern zu schützen. Wir erfahren, wie Mikroben Viren in Schach halten, Einfluss auf unsere Emotionen und unser Wesen nehmen und sogar unsere genetische Veranlagung verändern können. Wir lernen die Wissenschaftler kennen, die mit ansteckender Begeisterung diese winzigen Begleiter erforschen - sehr zu unserem Nutzen.

Die Tageszeitung

Auf der Suche nach der Wahrheit.
Autobiografie
Cover: Auf der Suche nach der WahrheitHerder Verlag, Freiburg im Breisgau 2018, ISBN 9783451347832, Gebunden, 672 Seiten, 28,00 EUR

Hans-Werner Sinn hat wie kein anderer in den letzten Jahrzehnten die wirtschafts- und sozialpolitischen Debatten in Deutschland und Europa geprägt. Er gilt als einer der wichtigsten Köpfe der Bundesrepublik und als einflussreichster Ökonom im deutschsprachigen Raum, seine Leistungen auf der wissenschaftlichen Weltbühne sind unbestritten. In seiner Autobiografie, die anlässlich seines 70. Geburtstags erscheint, zieht er die Bilanz eines außergewöhnlichen Lebens - von seinem Weg aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, in denen er auch mit dem Schicksal von Flucht und Vertreibung konfrontiert war, an die Spitze der Forschung. Zu seinem Weg gehört die Mitgliedschaft zur Jugendorganisation der SPD, den Falken, ebenso wie der Einfluss durch die 68er oder die Bewunderung für Willy Brandt. Das Studium der Volkswirtschaft in Münster, Mannheim und später in Kanada veränderte seine geistigen Prägungen einschneidend und für immer. Sinn nahm Abschied von allem Ideologischen, das ihm bis heute ein Gräuel ist. Stattdessen folgt er den Regeln der Wissenschaft, bei denen es ihm vor allem auf die fortwährende Suche nach der Wahrheit ankommt - das Credo seines Lebens.

Die Welt

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