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Bücherschau des Tages vom 29.09.2018


Schwingend wie ein Canto


Notizen zu den Buchkritiken des Tages aus FAZ, FR, NZZ, SZ, taz, Zeit und Welt. Täglich ab 14 Uhr.
29.09.2018. Nach Lektüre von Chantal Mouffes "Für einen linken Populismus" entscheidet sich der Politologe Jan-Werner Müller in der FAZ doch lieber für die gute alte Sozialdemokratie. Die FR liest mit Gewinn Wolfgang Englers und Jana Hensels Gesprächsband über "die Erfahrung, ostdeutsch zu sein". Schön aufklärerisch findet die NZZ Stephan Thomes chinesischen Historienroman "Gott der Barbaren". Die SZ versteht mit Annie Ernaux was Klasse ist. Die taz hört James Baldwin.

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die Welt, die meine war.
Die sechziger Jahre. Roman
Cover: Die Welt, die meine warOsburg Verlag, Hamburg 2018, ISBN 9783955101633, Gebunden, 800 Seiten, 26,00 EUR

Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs, Kerstin Reimers, Andreas Brunstermann. Der norwegische Musiker und Bestsellerautor Ketil Bjørnstad hat sich mit seinem neuen Projekt ein Ziel gesetzt: Jedem Jahrzehnt seines Lebens soll ein Roman gewidmet werden. Er beginnt mit den sechziger Jahren und zeigt die Ereignisse aus der Sicht des jungen Ketil, der immer ein wenig anders denkt als seine Zeitgenossen: Chruschtschow findet er gut, Kennedy ist für ihn ein fieser Schleimer. Die sowjetischen Kosmonauten sind ihm eher ein Vorbild als die Astronauten aus den USA. Sein politisch aktiver Vater und seine musikalische Mutter prägen sein Leben in diesen Jahren, auch wenn sich erst langsam abzeichnet, dass hier ein musikalisches Genie heranwächst. Denn selbst in der Familie ist passiver Widerstand zunächst Ketils Überlebensstrategie. Wird er ans Klavier gesetzt, sorgt er dafür, dass es schrecklich klingt. Und doch hat er am Ende der sechziger Jahre seine ersten Auftritte als neues Wunderkind, dem alle eine Weltkarriere voraussagen. Davor aber liegt eine kurze Zeit als Mobbingopfer, er tastet sich ganz zaghaft an die Sexualität heran, schwärmt für Schauspielerinnen, seine Großtante und allerlei Nachbarmädchen, merkt, dass die klassische Männerrolle nichts für ihn ist, und verweigert sich - und immer findet er Trost in Büchern, Musik und Freundschaften.

Für einen linken Populismus.
Cover: Für einen linken PopulismusSuhrkamp Verlag, Berlin 2018, ISBN 9783518127292, Taschenbuch, 111 Seiten, 14,00 EUR

Aus dem Englischen von Richard Barth. Kann es das geben, einen guten, linken Populismus? Chantal Mouffe vertritt die Auffassung, dass dies möglich und sogar notwendig ist - eine Position, die ihr auch Kritik eingetragen hat. Führt das nicht zu einer gefährlichen Emotionalisierung? Läuft das nicht ebenfalls auf eine Unterscheidung zwischen gutem Volk und bösem Establishment hinaus? Politik, so Mouffe, funktioniere nun einmal über konfrontative Wir/sie-Konstruktionen; und ja, es gebe eine Art "Oligarchie", die eine Verwirklichung demokratischer und ökologischer Ziele verhindere. Dies mache klare politische Alternativen und neue progressive Allianzen erforderlich. Eine Intervention, die angesichts der Krise sozialliberaler Parteien und der Debatte um "Identitätspolitik" für Gesprächsstoff sorgen wird.

Die letzten Tage des Patriarchats.
Cover: Die letzten Tage des PatriarchatsRowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2018, ISBN 9783498063634, Gebunden, 320 Seiten, 20,00 EUR

Seit 2011 schreibt die Spiegel-Online-Kolumnistin Margarete Stokowski Essays, Kolumnen und Debattenbeiträge. Die besten und wichtigsten Texte versammelt dieses Buch, leicht überarbeitet und kommentiert. Die Autorin analysiert den Umgang mit Macht, Sex und Körpern, die #metoo-Debatte und Rechtspopulismus, sie schreibt über Feminismus, Frauenkörper und wie sie kommentiert werden, über Pornos, Gender Studies, sogenannte Political Correctness, Unisextoiletten und die Frage, warum sich Feminismus und Rassismus ausschließen.

Frankfurter Rundschau

Wer wir sind.
Die Erfahrung, ostdeutsch zu sein
Cover: Wer wir sindAufbau Verlag, Berlin 2018, ISBN 9783351037345, Gebunden, 288 Seiten, 20,00 EUR

Den Osten verstehen. Wer sind diese Ostdeutschen?, fragt sich die Öffentlichkeit nicht zuletzt seit Pegida, NSU und den Wahlerfolgen der AfD. Antidemokraten, Fremdenfeinde, unverbesserliche Ostalgiker? Zwei Stimmen des Ostens stellen sich in diesem Streitgespräch jenseits von Vorurteilen und Klischees der Frage nach der ostdeutschen Erfahrung, die, so ihre These, "vielleicht am besten mit Heimatlosigkeit zu beschreiben ist, mit einem Unbehaustsein, das viele Facetten kennt. Das sich nicht jeden Tag übergroß vor einem aufstellt, aber das immer spürbar ist, nie weggeht." Ein Beitrag zur Geschichtsschreibung des Nachwendedeutschlands.

Neue Zürcher Zeitung

Gott der Barbaren.
Roman
Cover: Gott der BarbarenSuhrkamp Verlag, Berlin 2018, ISBN 9783518428252, Gebunden, 719 Seiten, 25,00 EUR

China, Mitte des 19. Jahrhunderts. Eine christliche Aufstandsbewegung überzieht das Kaiserreich mit Terror und Zerstörung. Ein junger deutscher Missionar, der bei der Modernisierung des riesigen Reiches helfen will, reist voller Idealismus nach Nanking, um sich ein Bild von der Rebellion zu machen. Dabei gerät er zwischen die Fronten eines Krieges, in dem er am Ende alles zu verlieren droht, was ihm wichtig ist. An den Brennpunkten des Konflikts - in Hongkong, Shanghai, Peking - begegnen wir einem Ensemble so zerrissener wie faszinierender Persönlichkeiten: darunter der britische Sonderbotschafter, der seine inneren Abgründe erst erkennt, als er ihnen nicht mehr entgehen kann, und ein zum Kriegsherrn berufener chinesischer Gelehrter, der so mächtig wird, dass selbst der Kaiser ihn fürchten muss...

Süddeutsche Zeitung

Erinnerung eines Mädchens.
Cover: Erinnerung eines MädchensSuhrkamp Verlag, Berlin 2018, ISBN 9783518427927, Gebunden, 163 Seiten, 20,00 EUR

Aus dem Französischen von Sonja Finck. Sommer 1958: Annie Duchesne wird 18 Jahre alt. Sie arbeitet als Betreuerin in einer Ferienkolonie. Sie findet in eine Clique, zusammen feiern sie Feten, genießen ihre Jugend. Und Annie ist in H. verliebt, mit ihm hat sie ihr erstes Mal. Eine Nacht, die einen anhaltenden Schock bedeutet. Denn H. ignoriert sie fortan, sie weiß nicht, wohin mit sich und lässt sich auf andere ein. Schnell ist sie verfemt. Was folgt, sind Ausgrenzung, der Hohn der anderen, ihre eigene Scham. Und Schweigen. Denn über 55 Jahre braucht Annie Ernaux, um sich dieser "Erinnerung der Scham" stellen zu können - anhand von Fotografien und Briefen schreibt sie von einer Zeit, die sich in ihren Körper gebrannt hat. Die ihre Moral, ihre Sexualität, ihr ganzes langes Leben geprägt und bestimmt hat. Annie Ernaux erzählt von ihrer ersten sexuellen Begegnung - von Macht, Ohnmacht und Unterwerfung. Von einer Wunde, die niemals ausgeheilt ist. Und vom teuer bezahlten Erkennen des eigenen Werts.

Und jeden Morgen das Meer.
Roman
Cover: Und jeden Morgen das MeerCarl Hanser Verlag, München 2018, ISBN 9783446259959, Gebunden, 144 Seiten, 18,00 EUR

Dreißig Jahre war Sonja Chefin eines Hotels am Bodensee; ihr Mann Bruno bekam als Koch sogar einen Stern. Doch dann stirbt Bruno. Sein Bruder Arno ist bereit, alles, und damit auch einen Berg von Schulden, zu übernehmen - vorausgesetzt, sie verschwindet. Also reist sie nach Wales zu Mister Pettibone. Obwohl dieser sie gewarnt hat. Vor der abgetakelten Pension, dem Essen, seinem Onkel, und überhaupt vor diesem traurigen Land: zugige Fenster, zugige Türen, rundum Ödnis. Doch das Meer ist herrlich! Und ist Wales im Regen nicht allemal besser als ein Feinschmeckerhotel ausgerechnet am Bodensee?

Die Tageszeitung

Von dieser Welt.
6 CDs
Cover: Von dieser WeltDer Audio Verlag (DAV), Berlin 2018, ISBN 9783742404091, CD, 22,00 EUR

6 CDs, ca. 8 Stunden Laufzeit. Aus dem Amerikanischen von Miriam Mandelkow. Ungekürzte Lesung mit Wanja Mues. Ein einziger Tag kann deine Welt zum Einstürzen bringen, ein einziger Tag kann deine Rettung sein. John Grimes ist ein schwarzer empfindsamer Junge aus Harlem, sexuell unschlüssig, seine einzige Waffe zur Selbstverteidigung ist sein kristallklarer Verstand. Aber was nützt es schon, von den weißen Lehrern geschätzt zu werden, wenn der eigene Vater einem tagtäglich predigt, man sei wertlos, solange man sich nicht von der Kirche retten lässt. Als an Johns vierzehntem Geburtstag sein jüngerer Bruder Roy durch Messerstiche schwer verletzt nach Hause kommt, wagt er einen mutigen Schritt, der nicht nur sein eigenes Leben verändern wird.

1941 - Das Jahr, das nicht vergeht.
Die Saat des Hasses auf dem Balkan
Cover: 1941 - Das Jahr, das nicht vergehtS. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2018, ISBN 9783100025371, Gebunden, 608 Seiten, 30,00 EUR

Aus dem Kroatischen übersetzt von Marica Bodrozic. 1941 besetzten die Deutschen das Königreich Jugoslawien, in Kroatien übernahm die faschistische Ustascha die Macht. Slavko Goldstein erzählt von diesen Wochen und Monaten, die er selbst als Vierzehnjähriger erlebt hat. Fesselnd beschreibt er die Dynamik der Gewalt auf dem Balkan, die 1941 in Gang gesetzt wurde, als die Ustascha-Regierung hunderttausende Menschen, vorrangig aus der serbischen Bevölkerung, ermordete. Goldstein beschreibt die Ereignisse Tag für Tag, Woche für Woche, schildert die Schicksale zahlreicher Menschen, ob Täter oder Opfer, und versucht, ihre Motive zu verstehen, ohne vorschnell zu urteilen. Die Gewalt von 1941 prägte die Region auch nach dem Krieg, als den Tätern im Geheimen der Prozess gemacht, aber in der Öffentlichkeit geschwiegen wurde. Der Hass entlud sich schließlich 1991 erneut in ungeahnter Brutalität.

Die Katze und der General.
Roman
Cover: Die Katze und der GeneralFrankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2018, ISBN 9783627002541, Gebunden, 750 Seiten, 30,00 EUR

Alexander Orlow, ein russischer Oligarch und von allen "Der General" genannt, hat ein neues Leben in Berlin begonnen. Doch die Erinnerungen an seinen Einsatz im Ersten Tschetschenienkrieg lassen ihn nicht los. Die dunkelste ist jene an die grausamste aller Nächte, nach der von der jungen Tschetschenin Nura nichts blieb als eine große ungesühnte Schuld. Der Zeitpunkt der Abrechnung ist gekommen. Nino Haratischwili spürt in ihrem neuen Roman den Abgründen nach, die sich zwischen den Trümmern des zerfallenden Sowjetreichs aufgetan haben. "Die Katze und der General" ist ein Roman über den Krieg in den Ländern und in den Köpfen, über die Sehnsucht nach Frieden und Erlösung. Wie in einem Zauberwürfel drehen sich die Schicksale der Figuren ineinander, um eine verborgene Achse aus Liebe und Schuld. Sie alle sind Teil eines tödlichen Spiels, in dem sie mit der Wucht einer klassischen Tragödie aufeinanderprallen.

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