
Bücherschau des Tages vom 21.04.2020
Die Stadt jauchzt bacchantisch
Notizen zu den Buchkritiken des Tages aus FAZ, FR, NZZ, SZ, taz, Zeit, Welt, DLF und DLF Kultur. Täglich ab 14 Uhr.21.04.2020. Für die SZ stürzt sich Hanns Zischler freudig in das Berlin der Handwerker, Grisetten und Polizeispitzel, das der Kommunist Ernst Dronke in seiner Reportage von 1846 beschreibt - und zwar mit Feuer. Die FAZ erinnert sich mit Renate Schostack an die Fräuleins der jungen Bundesrepublik. Die taz lobt noch einmal Hubertus Butins Recherche "Kunstfälschung". Und der DlfKultur kostet schon mal Maylis de Kerangals "Porträt eines jungen Kochs" vor.
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Eine unmögliche Freundschaft.
David Ben-Gurion und Konrad Adenauer

Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2019,
ISBN
9783451382758, Gebunden, 384
Seiten,
24,00
EUR
David Ben Gurion und Konrad Adenauer sind zwei politische Urgesteine des 20. Jahrhunderts. Ihre Leben sind durch die deutsche und israelische Geschichte vielfältig miteinander verflochten und weisen erstaunliche Parallelen auf. Beide kommen erst sehr spät in ihrem Leben an die Spitze der politischen Macht, beide werden Begründer einer neuen Staatlichkeit ihrer Völker, beide müssen im Innern ihrer Länder wie in der Diplomatie Pionierarbeit leisten - und kommen sich dabei sehr nah und werden Freunde, obwohl sie sich nur zweimal persönlich begegnen. Ihre Familien pflegen die Freundschaft der beiden Männer bis heute.Michael Borchard erzählt die Lebenswege von Ben Gurion und Konrad Adenauer als Parallelgeschichte, berichtet von ihrer nahezu unmöglichen Freundschaft und fragt danach, was sich von diesen beiden großen Männern für heute lernen lässt.
Der eiserne Gustav.
Roman. Urfassung

Aufbau Verlag, Berlin 2019,
ISBN
9783351037604, Gebunden, 831
Seiten,
26,00
EUR
Falladas großer Roman, von allen politischen Eingriffen befreit - erstmals mit dem ursprünglichen Schluss. Für die Erstausgabe des "Eisernen Gustav" (1938) war Hans Fallada gezwungen, den Schluss zu ändern. Goebbels ließ den Text wegen "fehlender Propagandawirkung" nicht genehmigen. 1962 rekonstruierte Günter Caspar für den Aufbau Verlag die verschollene Urfassung, die seither als die gültige angesehen wird. Die Fallada-Biografin Jenny Williams kann nun zeigen, dass hier allerdings zahlreiche Passagen vom Originaltext fehlen: Offenbar standen sie den damaligen kulturpolitischen Vorgaben in der DDR entgegen. Jetzt erscheint der Roman endlich so, wie ihn sein Verfasser gewollt hatte. Berlin 1914-1924: Der Betrieb des Droschkenkutschers Gustav Hackendahl kann neben der Automobil-Konkurrenz nicht bestehen. Da setzt er trotzig einen Traum in die Tat um - eine letzte Reise mit der Droschke von Berlin nach Paris. Mit einem Nachwort der Fallada-Forscherin Jenny Williams.
Kurzschlusspolitik.
Wie permanente Empörung unsere Demokratie zerstört

Piper Verlag, München 2020,
ISBN
9783492059664, Gebunden, 256
Seiten,
22,00
EUR
Die Welt ist aus den Fugen geraten. Innerhalb der westlichen Demokratien findet eine Polarisierung und Radikalisierung statt, die noch vor wenigen Jahren undenkbar erschien. Henrik Müller sucht in diesem Buch nach Ursachen und Folgen der globalen Verunsicherung. Anhand aktueller politischer Debatten macht er deutlich, dass Entscheidungen zunehmend öffentlich und unter großem Druck fallen. Und dass die rasante Beschleunigung politischer Prozesse eine Gefahr für Wirtschaft und Gesellschaft ist. Dabei greift er auf eigene Forschungsergebnisse zurück und bietet auch Lösungen an. Denn schließlich geht es darum, die Empörungsspirale zu durchbrechen und gleichzeitig die Freiheit des öffentlichen Wortes zu retten.
Die gefährdete Rationalität der Demokratie.
Ein politischer Traktat

Edition Körber-Stiftung, Hamburg 2020,
ISBN
9783896842787, Gebunden, 304
Seiten,
22,00
EUR
Eigentlich ist klar, was Demokratien westlicher Prägung definiert: Rechtsstaatlichkeit, unveräußerliche Grundrechte und Gewaltenteilung. Sie stützen sich auf gewählte Volksvertreter und auf die vernunftgeleitete Teilhabe des Volkes. Doch immer mehr Menschen zweifeln an diesen Grundlagen - befeuert vom medialen Diskurs, aber auch von der Politik selbst.Julian Nida-Rümelin analysiert, was Demokratie leisten kann, und identifiziert konzeptionelle Defizite, die sich in der aktuellen Krise zu einer Bedrohung auswachsen. Für den Philosophen und politischen Intellektuellen ist die repräsentative Demokratie die nach wie vor unübertroffene Regierungsform - und zugleich auch eine Lebensform.
Amelie.
Roman

Osburg Verlag, Hamburg 2020,
ISBN
9783955102128, Gebunden, 180
Seiten,
18,00
EUR
"Amelie" ist das schonungslose und intime Protokoll eines Ehebruchs. Nach 25 Ehejahren wird der inzwischen achtzigjährige Journalist Max von seiner großen Liebe Amelie betrogen. Deren leidenschaftliche Affäre und die daraus wachsende Liebe zu dem erfolgreichen Dirigenten und Musikwissenschaftler Paul fliegt auf. Zwar hatte Max schon länger Anzeichen für Intimitäten seiner Frau mit dem gemeinsamen Freund beobachtet, diese Zeichen aber weder wahrhaben noch deuten wollen. Jetzt überschlagen sich die Ereignisse. Max wirft Amelie aus der gemeinsamen Wohnung in Hamburg und entdeckt einen Briefwechsel, der ihm das ganze Ausmaß des Betrugs aufzeigt. Amelie versucht mit allen Mitteln, ihre Ehe zu retten wie ihre neue Liebe zu rechtfertigen und sucht unablässig den Kontakt zu Max. Dieser wird in ein Wechselbad von auswegloser Depression und immer neuen Hoffnungen auf einen möglichen Neuanfang getrieben.
Fräulein Ava Laurin.
Roman

J.S. Klotz Verlagshaus, Neulingen 2019,
ISBN
9783948424138, Gebunden, 520
Seiten,
19,90
EUR
Ava Laurin wird in den 1950ern unter widrigen Umständen erwachsen. Beim großen Luftangriff auf Pforzheim ausgebombt, muss sich die Familie im beschaulichen Vorort Brötzingen eine neue Existenz aufbauen. Ava jedoch widmet sich lieber den Alten Sprachen und der Klassischen Musik - und entdeckt die Männer. Über diesen Erkundungsversuchen schwebt jedoch ein Schatten, der sie immer wieder daran hindert, das zu tun, was sie eigentlich möchte. In ihrem letzten, biografisch inspirierten Roman illustriert Renate Schostack, was es bedeutet, ein Fräulein zu sein.
Frankfurter Rundschau
Heute leider keine Kritiken!
Neue Zürcher Zeitung
Heute leider keine Kritiken!
Süddeutsche Zeitung
Berlin.

Die Andere Bibliothek, Berlin 2019,
ISBN
9783847700210, Gebunden, 416
Seiten,
58,00
EUR
Illustriert mit historischen Aufnahmen, Porträts, Stadtansichten und Karikaturen aus der Vormärz-Publizistik. Mit Ernst Dronke schauen wir auf Berlin - und zugleich auf eine ganze Epoche der Krise, auf das Europa im Vormärz kurz vor der Revolution von 1848/49. Als Journalist und "Junghegelianer" in den 1840er-Jahren hat sich der Koblenzer Gelehrtensohn mitten hineingeworfen in die Widersprüche und Spannungen einer Metropole zwischen preußischem Militarismus und Berliner Schnauze, zwischen einem allgegenwärtigen Beamten- und Polizeiapparat und dem Elend ganzer Bevölkerungsschichten.
Die Tageszeitung
Kunstfälschung.
Das betrügliche Objekt der Begierde

Suhrkamp Verlag, Berlin 2020,
ISBN
9783518429112, Gebunden, 476
Seiten,
28,00
EUR
2015 stellte die Londoner Dulwich Picture Gallery ihre Besucher auf die Probe. Statt des 1769 entstandenen Ölgemäldes Porträt einer jungen Frau von Jean-Honoré Fragonard hängte sie eine für gerade einmal siebzig Pfund angefertigte Fälschung auf. Das Publikum war eingeladen, das fingierte Kunstwerk unter den Exponaten ausfindig zu machen. Das Ergebnis war erstaunlich: Zum einen erkannten gerade einmal zehn Prozent die Täuschung - zum anderen vervierfachten sich die Besucherzahlen. Kunstfälschungen und das Interesse an ihnen haben Hochkonjunktur. Für den globalisierten Kunstbetrieb aber sind sie zur Herausforderung geworden. Massenhafte Fälschungen erzeugen nicht nur erheblichen finanziellen Schaden, sie führen auch immer wieder Museen und die Forschung auf peinliche Irrwege. Hubertus Butin zeigt, dass sich das Phänomen nicht auf einzelne Straftäter reduzieren lässt. Wie das Doping im Sport, so ist die Fälschung in der Kunst ein systemisches Problem.
Die Welt
Heute leider keine Kritiken!
Die Zeit
Heute leider keine Kritiken!
Deutschlandfunk
Heute leider keine Kritiken!
Deutschlandfunk Kultur
Nahe Fremde.
Paul Celan und die Deutschen

Wallstein Verlag, Göttingen 2020,
ISBN
9783835336063, Gebunden, 400
Seiten,
24,00
EUR
Paul Celan, 1920 als deutschsprachiger Jude in Czernowitz geboren, wollte schon früh Dichter werden, doch die Ermordung seiner Eltern im Holocaust führte zu einem zwiespältigen Verhältnis zur deutschen Sprache. Trotzdem wird er zu einem der erfolgreichsten deutschsprachigen Lyriker der Nachkriegszeit. Von seinem Wohnort Paris reist er zu Lesungen oder auch privat immer wieder in die Bundesrepublik, aber dieses Deutschland, in dem der Nazismus noch lange virulent ist, bleibt ihm fremd und verstört ihn stets aufs Neue. Freundschaften mit deutschen Autoren (die meisten ehemalige Soldaten der Wehrmacht) scheitern. Die Plagiatsanschuldigung der sogenannten Goll-Affäre nimmt Celan als Rufmord wahr, der für ihn einem nachgeholten Mord gleichkommt. Sein Verhältnis zu Deutschland und seiner Muttersprache, die auch die Sprache der Mörder war, erweist sich als nicht heilbar.
Porträt eines jungen Kochs.
Roman

Suhrkamp Verlag, Berlin 2020,
ISBN
9783518470770, Gebunden, 94
Seiten,
12,00
EUR
Aus dem Französischen von Andrea Spingler. Mit frischem Universitätsabschluss in der Tasche, beschließt der junge Franzose Mauro, seinem bisherigen Leben den Rücken zu kehren. Er will sich nun voll und ganz seiner wirklichen Leidenschaft verschreiben: dem Kochen. Mit seinem Fahrrad rast Mauro von Brasserien über Bistros zu Sternerestaurants, er kocht in Berlin und in Burma, springt vom Blanchieren zum Sautieren, von Bouillons zu Sorbets, von Marktgängen zu Nachtschichten - und eröffnet schließlich seinen eigenen kleinen Laden. Fünfzehn Lehrjahre, gezeichnet von geschundenen Händen, Schlafmangel und einer schleichend zerrinnenden Freizeit. Aber auch ein sinnliches Abenteuer der absoluten Hingabe und der Kunst des perfekten Menüs.