21.02.2014. Die NZZ erliegt der sanften Stimme und dem zarten Optimismus von Beck. Die FAZ weiß wieder, warum sie Neneh Cherry liebt. Meryl Streep wird die Sufragette Emmeline Pankhurst spielen, meldet Jezebel. In der FAZ antwortet Dietmar Dath auf Maxim Biller: Ich bin zwar ein Weißbrot, aber der Kapitalismus ist schuld. Allgemeiner Jubel über Rameaus trampelige Nymphe "Platée", die sich in Wien unter die Reichen und Schönen mischt. In Berlin sitzen die Kritiker in der Volksbühne vor vier menschenleeren Bühnenbildern.
Musik, 21.02.2014
In der
NZZ hört Markus Ganz das neue Album von
Beck, "Morning Phase". Total unspektakulär, fast meditativ, meint er, und doch: "Der
zuweilen bittere Unterton von "Sea Change" ist hier einem zarten Optimismus gewichen, wie der Song "Morning" besonders deutlich zeigt. Er singt darin zwar: "We tore it all down, and buried me underneath the weight." Doch ist seine sanfte Stimme eingebettet in
lange nachhallenden Chorgesang und eine helle Grundstimmung. "Morning Phase" handelt vom Moment, wenn das Licht die Nacht verdrängt und sich neue Möglichkeiten eröffnen." Hier kann man das ganze Album als
Stream hören.
In der
FAZ singt Klaus Ungerer ein Liebeslied auf
Neneh Cherry und ihr minimalistisches neues Album "Blank Projekt", das sie mit Hilfe des Londoner Drum/Keyboard-Duos RocketNumberNine eingespielt hat: "Das Album beginnt
so radikal, wie es nur werden kann: Die samtige Stimme der Disco Queen, die uns durch so viele durchtanzte Nächte begleitet hat, beginnt "Across the Water" mit einem langsamen Rap, der direkt an Songs wie "Move with Me" von vor 23 Jahren anzuknüpfen scheint und dann in eine
melancholisch getragene Melodie übergeht. Und was spielt die Kapelle dazu? Man muss es sagen: praktisch nichts. Irgendjemand klackt da sehr, sehr, sehr zurückhaltend auf einem Schlaginstrument herum. Das war"s dann auch." Hier eine Kostprobe:
Besprochen werden außerdem die neuen Alben von
The Notwist (
Zeit/
Berliner Zeitung) und
Der Englische Garten (
taz).
Literatur, 21.02.2014
In der
Jungle World meldet sich Jakob Hayner mit einem historisch geschliffenen Beitrag in der Debatte zur
deutschen Gegenwartsliteratur zu Wort. Schon den Einstieg in die Debatte, Florian Kesslers
Polemik in der
Zeit, hält er für
missglückt, da er sich nicht an einer Analyse, sondern an Identitäten klammert. "Missglückt ist das, weil die Fragestellung verbindet, was in der Analyse unterschieden werden muss: Fragen der Ästhetik und der Soziologie. Wird diese Unterscheidung unterlassen, so wird Identität zum
Ersatz der Analyse ... Eine Analyse der Produktionsbedingungen der professionellen Autoren, das heißt derjenigen, die mit dem Schreiben das Geld zum Überleben
und vielleicht noch zum Leben verdienen wollen, würde zeigen, dass - und zwar milieuunspezifisch - die Abhängigkeit vom Markt und den Verlagen
enorm ist."
In der
FAZ ist Dietmar Dath sehr bestürzt nach
Maxim Billers Ausbruch in der
Zeit. Selbst ein typischer Vertreter der von Biller beschimpften "echten oder habituellen Christen, Kindern der Suhrkamp-Kultur und Enkeln von halbwegs umerzogenen Nazisoldaten", die "
bestimmen,
was gedruckt wird und wie", möchte er ihm eigentlich recht geben und dann auch wieder nicht. Das Problem sei ja doch irgendwie größer, meint Dath und denkt an eigene Erfahrungen: "Alles, was das fade, keinen unerwarteten nichtdeutschen Belastungen ausgesetzte Weißbrot an mir als Literatur herausfordert und in Frage stellt, kommt aus
sozialen Begegnungen ... Maxim Biller semmelt der Bewusstseinsindustrie eins rein, das ist seine Begabung, das kann und soll er. Aber die Zustände, die er ablehnt, reimen sich zu gut auf die Zustände in den
Städten, an den
Schulen, in den
Parlamenten, als dass sie sich auf die Formate der Bewusstseinsindustrie werden stutzen lassen."
Im Blog des
New Yorker porträtiert Jason Fagone den amerikanischen Germanistikprofessor
Eric Jarosinski, der seine
Angst vor dem Schreiben mit
Twitter überwand - und zwar so erfolgreich, dass er seine akademische Karriere aufgibt und demnächst für
Zeit,
FAZ und
Kursbuch schreibt. "He"d always been drawn to the radical,
playful sides of German thinkers, but others tended to appraise their work with a heavy sobriety close to worship. Adopting the Twitter persona was "extremely liberating," he said, because it helped him to remember what had attracted him to the
Frankfurt School philosophers in the first place: their more literary works, especially their aphorisms. Adorno: "The splinter in your eye is the best magnifying glass." Or, as one
NeinQuarterly tweet has it: "ADORNO. German for
YOLO.""
Außerdem: Der
Freitag unterhält sich ausführlich mit
Jonathan Lethem. Besprochen werden
Fábio Moons und
Gabriel Bás Comic "De:Tales" (
Welt),
Sigrid Löfflers "Die neue Weltliteratur und ihre großen Erzähler" (
taz), mehr in unserer
Bücherschau heute ab 14 Uhr.
Kunst, 21.02.2014

Im
Tagesspiegel verortet Nicola Kuhn die expliziten Bilder der Berliner
Dorothy-
Iannone-
Ausstellung im Kontext aktueller Debatten: "Mittlerweile würde man ihre Bilder zweifellos als jugendfrei einordnen; umso mehr zeigt sich an ihnen unsere v
eränderte Wahrnehmung. Was gestern noch als pornografisch galt, ist heute allgemein als Kunst anerkannt. ... In der aktuellen Diskussion um die Zulässigkeit freizügiger Bilder zeigt ihr Werk sehr genau, warum gute Kunst als
pornotopischer Raum nicht taugt. Sie schafft eine andere Wirklichkeit und ist damit erotischen Fantasien nur
mittelbar zugänglich.
"Außerdem: Warum schreiben eigentlich so wenig Museen Blogs,
fragt Bülent Gündüz in seinem Blog
360° und stellt kurz einige
gute Museumsblogs vor (auch in den Leserkommentaren finden sich Hinweise).
Besprochen werden die Hamburger
Foto-Ausstellung von
Leonore Mau (
taz), eine Ausstellung in der Berliner
Galerie Capitain Petzel mit Fotos von
Roe Ethridge (
Berliner Zeitung), die Architekturausstellung "Spätmoderne Slowakei" im Wiener
Ringturm (
NZZ) und die Tobias-Rehberger-Schau in der Frankfurter
Schirn (
FAZ).
Ein Tweet zum
Porträt-Wettbewerb von
Lensculture:
Film, 21.02.2014
Meryl Streep hat für eine neue Rolle unterzeichnet,
meldet Jezebel. Sie wird die britische Sufragette
Emmeline Pankhurst spielen. "Der Film konzentriert sich auf den Feminismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts und Frauen schreiben ihn, führen Regie und produzieren." Von Thatcher zu Pankhurst - man kann nicht sagen, Meryl Streep hätte keine Bandbreite.
Außerdem: Florian Coulmas
erinnert in der
NZZ an die amerikanischen Atombombenversuche über dem Bikini-Atoll, die außer einem schrecklichen Fallout die
Geburt Godzillas verursachten.
Besprochen werden der erste Teil von
Lars von Triers "Nymphomaniac" (
Jungle World/
Welt/
FR/
Freitag) - siehe auch unsere
gestrige Kulturrundschau), der deutsche
Tarzan-Animationsfilm (
Welt/
Berliner Zeitung),
Stephen Frears' neuer Film "Philomena" (
Welt) und der rumänische Tarantino-Epigone "Killing Time" (
FR).
Schließlich: Die
Cargo-
Ratings für die aktuelle Kinowoche.
Bühne, 21.02.2014

Jubelstürme in Wien für
Robert Carsens Inszenierung der
Rameau-Oper "Platée" am Theater an der Wien, und verdient sind sie,
findet Walter Weidringer in der
Presse. Es geht, kurz gesagt, um die in einem
Froschtümpel hausende hässliche Nymphe Platée, die so eitel ist, das die Götter sie in einem Verkleidungsspiel benutzen, um Juno von der Eifersucht auf ihren Ehemann Jupiter abzubringen. In Wien spielt das Stück "in einem von der Hautevolee in Haute Couture frequentierten, verspiegelten
Luxushotel, wo Reich und Schön aus Mode- und Medienwelt sich von Paparazzi beim In-Sein beseitenblicken lassen. Dabei finden etwa die
göttlich verursachten Stürme ihr logisches Abbild: die High Society als blind wütende Naturgewalt. Mittendrin und
glamourös peinlich: Platée, die das volle Beautyprogramm gebucht hat und in der Lobby im Badetuch herumschlapft. [Marcel] Beekman ... spielt die selbstbewusste Dame aus Herzenslust und mit Herzblut. Mit klarem, ausdrucksstarkem Tenor versprüht er einen von Testosteron bestimmten und doch grandios darüber hinauswachsenden
Trampelcharme".
Weitere Besprechungen im
Standard und in der
Welt.
An der Volksbühne hat das isländische Performance-Duo Ragnar Kjartansson und Kjartan Sveinsson einige Passagen aus
Halldór Laxness" Roman "Weltlicht" adaptiert und unter dem Titel "Der Klang der Offenbarung des Göttlichen" aufgeführt: Mit dem Filmorchester Babelsberg und vier
menschenleeren, in ihrer Ästhetik ans 19. Jahrhundert gemahnende Bühnenbildern. In der
Welt zeigt sich Kai Luehrs-Kaiser
not amused: "Wo allzu
unreduziert auf Klischeevermeidung gepfiffen wird, wo zu viel Schnee rieselt, die Windmaschine penetrant bläst und einige Sternlein zu viel am tiefblauen Himmelsprospekt blinken, da ist dies alles kaum noch ein aufbruchhafter Rollback mit Vintage-Charakter, der es vielleicht sein will. Sondern
nur peinlich. Durch Dauerfeierlichkeit die reflexhafte Wiederholung von Pathos-Schablonen aus dem 19. Jahrhundert."
In der
taz fühlt sich Katrin Bettina Müller von der Aufführung mit ihren Fragen sehr alleine gelassen. Denn: "Ein bisschen
mehr Futter für das Hirn hätte es neben all dieser flüchtig verdampfenden Schönheit aber schon geben können. Warum sind die Autoren so fasziniert vom Künstlerbild des 19. Jahrhunderts? Wo sehen sie dessen
Daumenabdruck in der Gegenwart? Warum muss das alles
so groß sein?"
Außerdem: In der
taz porträtiert Esther Slevogt den Schauspieler
Saul Rubinek, dessen erstes Theaterstück "Schlechter Rat" gerade
am Ku"damm läuft. Eleonore Büning war in Wien und hörte drei phantastische Opernaufführungen: von Rameaus "Platée", Cilèas "Adriana Lecouvreur" und Mauricio Kagels "Mare Nostrum" (
FAZ). Besprochen werden die
Wiener Musicaladaption von
Dürrenmatts "Der Besuch der alten Dame" (
Welt)
Design, 21.02.2014

Im
Smithsonian Mag stellt Natasha Geiling Venedigs schönsten Buchladen vor: die
Libreria Acqua Alta. Sie hat ihre Bücher nicht nur in Regalen gestapelt, sondern auch in einer
Gondel, die mitten im Laden steht, und
Badewannen. Bei Feuer führt eine Fluchttür direkt in den Kanal. Ob Feuer oder Wasser, da kann gar nichts schief gehen. Und toll aussehen tut es auch, wie man auf den Fotos im Text sehen kann.