11.04.2014. Ukrainische Künstler haben es geahnt: Im Wiener Künstlerhaus kann man's sehen, schreibt die Presse. Die Welt begibt sich auf die Spuren eines filmhistorischen Fakes im Internet: Ist Kinderstar Loni Nest aus dem Stummfilmklassiker "Golem" wirklich erst jetzt gestorben? Die Feuilletons sind ganz begeistert von Jan Delays Wende zum Rock. In der SZ erklärt Karl Ove Knausgård seinen Kampf für abgeschlossen. Die FAZ feiert und vergisst Christian Jost.
Kunst, 11.04.2014

Das Wiener Künstlerhaus zeigt eine ganz aktuelle
Ausstellung mit
Revolutionskunst aus der Ukraine, kuratiert von zwei Ukrainern. Almuth Spiegler
schreibt in der Presse: "
Künstler mit Vorahnung finden sich nach Katastrophen immer:
Myroslav Vayda etwa, der schon vor Beginn der Unruhen einen 'Wald' aus rauchenden Autoreifentürmen baute. Ein anderer Künstler baute schon zuvor das Modell eines mittelalterlich anmutendes
Katapults, das letztendlich in Originalgröße tatsächlich eingesetzt wurde." (Das Bild zeigt das Plakat der Ausstellung mit dem Titel "I'm a Drop in the Ocean".)
Bereits zum dritten Mal findet in
Kairo das im Zuge der ägyptischen Revolution begründete
Downtown Contemporary Art Festival statt. In der
SZ zeichnet Jürgen Berger ein Stimmungsbild der Situation in der Stadt. Diese ist zwar angespannt und chaotisch, doch Resignation kann er wenigstens unter den versammelten Künstlern nicht ausmachen. "Im Gegenteil. Kairos unabhängige Künstler üben die
Kunst der Vernetzung und verlassen sich weitgehend auf sich selbst. 'Sie könnten jederzeit unsere Räume schließen, also sind wir auf die Solidarität der gesamten Kulturszene angewiesen', sagt Hana el Bayaty. Sie ist die stellvertretende Leiterin eines Filmzentrums. ... Es nennt sich 'Cimathek'. Die gestrichene Silbe deutet an, was am meisten fehlt:
staatliche Unterstützung."
Für den
Tages-Anzeiger unterhält sich Leonie Krähenbühl mit Anne Marie-Beckmann, Freundin der jüngst in Afghanistan ums Leben gekommenen Fotografin
Anja Niedringhaus, der in Winterthur eine Ausstellung gewidmet wird. Besprochen wird die
David-
Shrigley-
Ausstellung der Pinakothek der Moderne in München (
SZ).
Film, 11.04.2014

Höchst unterhaltsam
begibt sich Hanns-Georg Rodek in der
Welt auf die Spur eines
filmhistorischen Fakes im Internet: Auf einer Nachrufeseite wurde der Tod des legendären Kinderfilmstars
Loni Nest im Alter von 98 Jahren verkündet. Eine Zeitlang funktionierte die Geschichte, aber die Selbskorrekturmechanismen beginnen zu greifen: "In der wichtigsten deutschen Filmdatenbank, dem
Filmportal,
steht das fiktive Todesdatum bis heute. Die deutsche Wikipedia hat es - nach einer veritablen Schlacht der Editoren - mittlerweile
gelöscht; die Simple English Wikipedia führt es weiterhin. Die Datenbank IMDB hat es zwar entfernt,
beharrt aber auf der samt und sonders erfundenen Familiengeschichte: Autohändlerheirat, Musiklehrerin, konservative Republikanerin,
Asche am Waikiki Beach verstreut..." Eine
interessante Diskussion zum Thema gibt es auf
Nitrateville. Das Bild zeigt eine Szene aus "Golem".
Im
Tagesspiegel empfiehlt Christian Maintz eine Retrospektive mit den Filmen von
Wenzel Storch in Berlin. In seiner Cinema-Moralia-Kolumne bei
artechock räumt Rüdiger Suchsland unterdessen mächtig mit dem
Berlin-
Filmhype und der Filmförderung auf: "Dem deutschen Film geht es schlecht, gut geht es nur denen, die schlechte Filme machen", schreibt er im Hinblick auf das "stupid German money", das gegen viele Millionen Hollywood-Produktionen nach Babelsberg lockt (als positives Gegenbeispiel setzt er die Filme der momentanen
Retrospektive "Berlin in den 90ern" entgegen).
Besprochen werden
Elisabeth Bronfens Buch über "Hollywoods Kriege" (
taz),
Pawel Pawlikowskis "Ida" (
Tagesspiegel, critic.de),
Jem Cohens "Museum Hours" (
Tagesspiegel - Perlentaucher,
critic.de),
Dany Boons Komödie "Superhypochonder" (
Berliner Zeitung,
FAZ,
critic.de), die 24-Stunden-Doku über Jerusalem auf
Arte (
NZZ) und die BluRay-Veröffentlichung des dreißig Jahre alten
Talking-Heads-Films "Stop Making Sense"
(Jungle World). Über Jahre und Jahre wurde auf Berliner Feten nach diesem Film
das Haus abgebrannt:
Literatur, 11.04.2014
In der SZ unterhält sich Thomas Steinfeld ausführlich mit dem norwegischen
Autor Karl Ove Knausgård über die literarische Arbeit an dessen sechsbändigen Romanzyklus "Min Kamp", in dem sich der Schriftsteller minutiös in ein schreibendes Verhältnis zu seinem eigenen Leben setzt. Über seine Zeit nach dem Abfassen der über 3000 Seiten sagt er: "Am Ende geht die Literatur ins Leben ein. Und das bedeutet, dass die Person, die schreibt,
verschwinden muss. Was dann kommt, kann nur ein perfektes Leben sein, das bedeutet:
ein nicht mehr literarisches Leben. Das heißt nicht, dass ich kein Schriftsteller mehr bin, sondern, dass dieses literarische Unternehmen an sein Ende gekommen ist. Ich werde nie wieder so etwas schreiben. Das, was diese Bücher waren,
gibt es nicht mehr."
Außerdem:
Zeit-Autor Daniel Schreiber
trifft sich mit den beiden Schriftstellern
Peter Wawerzinek und
Simon Borowiak, die sich in ihren Büchern jeweils mit ihrer Alkoholsucht auseinandergesetzt haben. In der
Berliner Zeitung berichtet Marten Hahn vom Berliner Festival
Spoken Worlds Nairobi:
Berlin. Nach einigem Hickhack
hofft Martin Ebel in der
Welt, dass dem Zürcher
Strauhof mit seinen angesehenen Literaturausstellungen doch noch eine Chance verbleibt.
Besprochen werden
Wolfgang Herles Roman "Susanna im Bade" (
Zeit),
Alison Bechdels Comic "Wer ist hier die Mutter?" (
FAZ) und
Akif Pirinçcis Wutbürger-Pamphlet "Deutschland von Sinnen" (
Tagesspiegel).
Bühne, 11.04.2014
Für die
FAZ hat sich Eleonore Büning Aufführungen von
Christian Josts "Lover" und "Rumor" in Berlin bzw. Heidelberg angesehen. Als Gebrauchsmusiker weiß sie den Mann durchaus zu schätzen: "Szenisch ist 'Lover' eine exotische Kitschnummer. Musikalisch: eine
überwältigende Pfundnotenorgie. Sobald sie vorbei ist, hat man sie wieder vergessen. Insofern nicht schlimm, als Jost einer jener smarten vielseitigen neuen Komponisten ist, die tolle Gebrauchsmusik für den Tag schreiben,
keine Musik für die Ewigkeit."
Doris Meierheinrich
berichtet vom
Theaterfestival F.I.N.D. in Berlin, das sich seinem Ende zuneigt. Mit
Angelica Liddells Peter-Pan-Variante "Todo el cielo sobre la Terra (Das Wendy-Syndrom)" hat sie noch ein echtes Highlight gesehen: "In allem sieht man die unerbittlichen Versuche Liddells, Gegenwart umzudenken, ihre
Wahrheiten aufzusplittern und dabei keine Angst vor Unverständnis zu haben." Im
Freitag begibt sich Juliane Löffler mittels
Thomas Bo Nilssons ebenfalls bei F.I.N.D. errichteter Theaterinstallation "Meat" in die Halbschatten-Welt von Porno und Verbrechen.
Außerdem: Sehr verhalten kommentieren Michaela Schlagenwerth in der
Berliner Zeitung und Sandra Luzina im
Tagesspiegel die Pressekonferenz zu
Nacho Duatos kommender Intendanz am Staatsballet Berlin: "Entschieden bessere Kandidaten" habe es gegeben,
meint erstere und zweitere
stellt fest: "Ein fulminanter Neustart ist das nicht."
Besprochen wird
Idil Üners am Ballhaus Naunynstraße in Berlin aufgeführtes Stück "Süpermänner" (
Berliner Zeitung)
.Musik, 11.04.2014
Im
taz-Gespräch
erklärt Jan Delay Fatma Aydemir, warum er sich auf seinem neuen Album nun auch für Rockmusik interessiert: Die popkulturellen Koordinaten sind schlicht abhanden gekommen: Früher "sahen die Nazis auf der Demo noch nicht aus wie der
schwarze Block. Da gab es auch noch kein Nazi-Fanzine, bei dem 50 Cent auf dem Cover war. ... Einmal habe ich Bullen gesehen, die Gentleman gehört haben. Irre. Die beste Art, das alles zu verarbeiten, war es, einfach zu sagen:
So weit ist es schon gekommen, dass ich eine Scorpions-Ballade singe." Für die
Welt interviewt ihn Michael Pilz.
Derweil
schreibt Eric Pfeil beim
Rolling Stone Poptagebuch und verleiht seiner Begeisterung über die neue Platte von Jan Delay eher eigenwillig Ausdruck: Diese ist nämlich "irre widersprüchlich, gänzlich unvorhersehbar, ein radikaler Richtungswechsel, total rockig,
Hamburg bis einer weint undsoweiter undsoweiter. Sekunde, warten Sie mal eben ... Im Chinaimbiss gegenüber ist gerade ein
Sack Reis umgefallen, das muss ich rasch fotografieren."
Knut Henkel
würdigt in der
NZZ die arbeit des bei Sony wiederauferstandenen
Okeh-Labels, das unter anderem die zwischen Lagos und den USA pendelnde Sängerin
Somi (
Video) produziert. Und Manuel Brug
unterhält sich für die
Welt mit der südafrikanischen Sopranistin
Pumeza Matshikiza, die in Stuttgart reüssiert. Besprochen wird das Album "Lila Samt" der Rapperin
Sookee (
taz).
Religion, 11.04.2014