17.04.2014. Die NZZ lernt in Pawel Pawlikowskis Film "Ida" etwas über Leben und Überleben. Der Rest der Feuilletons schwingt sich halb gelangweilt durch "Spider-Man 2". Niamh Ní Mhaoileoin macht sich in The Millions Gedanken über die Frage, was das E-Mail-Zeitalter für Biografen von Autoren verändert. Das New York Magazine feiert Sigmar Polke und wünscht sich nur eins: dass die Ausstellung im Moma größer wäre.
Kunst, 17.04.2014

Zu klein, zu wenig Gemälde,
seufzt Jerry Saltz im
New York Magazine über die große
Sigmar-Polke-Retrospektive "Alibibs" im
Moma. "Sie zeigt die verrückte Atmosphäre, den halsbrecherischen Arbeitsausstoß, die wilden Strudel von Polkes künstlerischem Talent und was es hervorbrachte. Aber wenn man wirklich still steht und sich umschaut, dann gibt es viel zu wenig Momente, in denen man von der geradezu reinen,
seltsam ätzenden Großartigkeit seiner Kunst überwältigt wird." Der Rest des Artikels ist eine
Liebeserklärung an den Künstler Polke. Und eine Empfehlung an
jeden Künstler, sich die Ausstellung anzusehen: "Sie müssen erkennen, wieviele junge Maler heute an dem leiden, was ich den
Polkeeffekt nenne: Ignorant oder unbewusst wiederholen sie seine Gesten, ohne sie in etwas auch nur halbwegs Originales zu transformieren. Vielleicht verstehen einige von ihnen das in dieser Schau und sie legen ihre
Schwimmflügel ab und stürzen sich in die Tiefe des Kunstozeans, in dem Polke seine ganze Karriere hindurch seine wunderschöne, gigantische, boschhafte Kosmografie entwickelte." (
Bild: Sigmar Polke, Supermarkets (Wir Kleinbürger), 1976)
In der
NZZ berichtet Bernhard Furrer von einem Streit um die Sanierung der
Siedlung Halen.
Besprochen werden eine Ausstellung von
Matisse' Scherenschnitten in der
Tate Gallery in London (
FR), eine
Otto-
Dix-Ausstellung im Dresdner
Albertinum (
Berliner Zeitung) und die Ausstellung "
Mythos Chanel" im Hamburger
Museum für Kunst und Gewerbe (
FAZ).
Film, 17.04.2014
Pawel Pawlikowskis Film "Ida" wurde bereits sehr gut besprochen. In der
NZZ macht Christina Tilmann da keine Ausnahme. Es geht um die Geschichte einer jungen Frau, die
Nonne werden will und erst jetzt von ihrer Tante erfährt, dass ihre Eltern als
jüdische Widerstandskämpfer gegen die deutsche Besatzung ermordet worden waren. Zusammen suchen sie das Grab der Eltern: "Die Frauen treffen auf Schweigen und Nicht-erinnern-Wollen, auf Lügen, Misstrauen, Feindseligkeit. Aber auch auf einen jungen Jazzmusiker (Dawid Ogrodnik), der den Neustart in ein Nachkriegsleben und die
goldene Zeit der polnischen Jazzmusik in den Fünfzigern und Sechzigern verkörpert. Doch hieße es zu kurz zu greifen, wollte man 'Ida' allein lesen als Abrechnung eines Nachgeborenen mit einer schuldbeladenen Gesellschaft und ihrem fehlenden Willen, sich den Verbrechen der jüngeren Vergangenheit zu stellen. Es sind
fundamentale Fragen von Glauben, Lebenswillen, Entsagung und Bejahung, die der Film mit kargen Dialogen und in sehr stillen, klaren Schwarz-Weiß-Aufnahmen (Kamera: Lukasz Zal und Ryszard Lenczewski) stellt."
Der
neue Spider-
Man-
Film ist heute
das Groß-Ereignis der Feuilletons. Man fragt sich warum, wenn selbst das Lob sich kaum besser als ein Verriss anhört. In der
taz etwa
schreibt Dirk Knipphals: Der Film "bietet eine gegenüber den subtilen Brechungen Raimis naivere, dafür aber wahrscheinlich exklusiver auf eine jugendliche Zielgruppe zugeschnittene Interpretation. Das ist im Grunde auch ganz
sympathisch. Nur
langweilt man sich halt als aufgeklärter erwachsener Kinogeher zwischendurch immer mal ein bisschen." Im
Freitag sieht Andreas Busche "reines
Mediendesign". Im
Tagesspiegel findet Jörg Wunder Spiderman zu
flapsig. In der Berliner Zeitung
attestiert Christian Schlüter eine "
hausbackene Moral". In der
Welt findet ihn Jens Hinrichsen immerhein "elegant". Eine weitere Besprechung gibt's in der
SZ.
Weitere Artikel: Der
Freitag bringt eine Übersetzung von Edward Helmores
Guardian-
Artikel über die gefeierte HBO-Serie "True Detective" mit
Woody Harrelson und
Matthew McConaughey, mit der das Kino endgültig ins Fernsehen einzieht. In der
SZ hegt Philipp Stadelmaier düstere Gedanken über die zur Zeit viel genutzte "
autonome Kamera", eine automatisiert freidrehende Kamera ohne kontrollierende Instanz: "der Blick einer monströsen, unbedingt tödlichen und selbst unzerstörbaren Natur, der unsterbliche Blick des Todes selbst".
Besprochen werden
Philippe Le Guays Film "Molière auf dem Fahrrad" mit Fabrice Luchini und Lambert Wilson (
Standard), die DVD des japanischen Animationsfilms "The Garden of Words" von
Makoto Shinkai (Ekkehard Knörer beobachtet in der
taz "eine manchmal geradezu
peterhandkesche Versenkung in den Augenblick"),
Jalil Lesperts Biopic "Yves Saint Laurent" (SZ,
Tagesspiegel) und
Pepe Danquarts "Lauf, Junge, lauf" (
taz,
Welt).
Musik, 17.04.2014
Im
Freitag-Gespräch
gibt die von Alt-Westberliner Szeneprominenz durchsetzte Band
Automat Katja Kullmann Auskunft über ihr (
hier besprochenes) Flughafen-Konzeptalbum Anlässlich der Reunion der verbliebenen Mitglieder von
Ton Steine Scherben,
bringt Hollow Skai im
Freitag Hintergründe zu den Streitigkeiten um Rio Reisers Erbe. In der
taz porträtiert Jens Uthoff das neue Berliner
Label Späti Palace, das sich auf die Entdeckung bislang unentdeckter Berliner Acts spezialisiert. Sead Husic
berichtet in der
taz von Kontroversen um den kroatischen Musiker
Thompson, der seine Musik mit
nationalistischen Symbolen auflädt. Für die FAZ trifft sich Oliver Jungen mit dem deutschen Indiepopper
PeterLicht, der seinen Umsatzausfällen mit einer Crowdfunding-Kampagne zu begegnen versucht. "'Die Ironie', sagt PeterLicht, besteht darin, 'dass dasselbe System, das dich
enteignet, dir auch wieder ermöglicht,
von ihm zu leben.'"
Besprochen werden der Berliner Auftritt des Pianisten
Yundi (
Tagesspiegel)
und das neue Album von
Kelis (
Tagesspiegel).
Bühne, 17.04.2014
Am Bauhaus in Dessau werden historische Tanzaufführungen von
Oskar Schlemmer rekonstruiert, berichtet Christine Dössel in der
SZ. Cornelia Geissler
fragt sich in der
Berliner Zeitung, ob auch Berlin, wie Hamburg, zur Musicalstadt werden kann.
Besprochen werden
Christoph Willibald Glucks selten gezeigte, nun zu Ostern an der Musikakademie Rheinsberg inszenierte Oper "Merlins Insel" ("Gendermäßig kann man da ... einiges nachbessern",
meint Udo Badelt im
Tagesspiegel) und
Christopher Wheeldons Choreografie "The Winter's Tale" in London (
NZZ).
Literatur, 17.04.2014
(Via
Mobylives) Niamh Ní Mhaoileoin
macht sich in
The Millions Gedanken über die Frage, was das
E-Mail-Zeitalter für Biografen von Autoren verändert. Ein schwieriger Punkt ist schon mal die
schlechte Haltbarkeit dieses Datenformats: "Wir mögen glauben, dass die jüngste Zeitgeschichte sicher in der digitale Festung aufbewahrt wird, aber elektronischer Inhalt ist
viel prekärer als traditionelle Materialien wie Tagebücher, Akten und Briefe. Der David-Foster-Wallace-Biograf Stephen Burns und andere fürchten, 'dass potenziell wichtige Briefe oder Briefwechsel unerreichbar
auf Festplatten versteckt sein könnten - sei es wegen 'bit rot', instabilen Speicherformaten oder anderer technischer Probleme"
Weitere Artikel: Die
Presse hat ein großes
Shakespeare-Dossier ins Netz gestellt - mit Hintergründen, Grafiken, Bildern und Videos. Im
Tagesspiegel begibt sich Gerrit Bartels auf die Spur der
Mummins, deren Erfinderin Tove Jansson vor 100 Jahren geboren wurde. Für die
FAZ unterhält sich Patrick Bahners mit
Colm Tóibín über dessen neuen Roman "Marias Testament", der die Passionsgeschichte Jesu aus der Perspektive von Maria beschreibt.
Besprochen werden
Martin Genahls "Der Tag, an dem es Kapitalisten regnete" (
taz),
Uwe-
Karsten Heyes "Die Benjamins" (
Freitag) und
Sheila Hetis Roman "Wie sollten wir sein?" (
Freitag) und
Michael Lewis' "Flash Boys" (
FAZ).