28.05.2014. Die NZZ stellt nach einem Rundgang durch das Theater der Welt fest, dass auch Realität inszeniert werden muss. Außerdem tummelt sie sich in den Geschlossenen Gesellschaften der Londoner Hipster. Die Berliner Zeitung verfolgt baff das Konzert von Miley Cyrus in Köln. Der Tagesspiegel erkundet in Dahlem die großbürgerliche Villa voller Gemälde. Die Welt schreibt zum Tod von Helma Sanders-Brahms, die in im eigenen Land so wenig galt.
Bühne, 28.05.2014
Mit viel Sympathie, vor allem auch für den Kurator
Matthias Lilienthal, resümiert Peter Michalzik in der
NZZ den Start des Festivals
"Theater der Welt" in Mannheim,
schreibt den Theatermachern aber ins Stammbuch: "
Politisches Theater hat keine Wucht, wenn es
alles mitbedenken will. Die
Realität hat im Theater keine Bedeutung, wenn sie
nicht inszeniert wird."
Marion Löhndorf
berichtet in der
NZZ von einem neuen Trend in London zu spontanen Venues in geschlosener Gesellschaft. Bars, Theater und Galerien existieren meist nur noch für eine Nacht: "Der Hang zur
Errichtung von Schranken, zum Schließen von Türen und Geheimnistuerei in London - und anderswo - ist ein alter Hut. Aber er verschwindet auch nicht, im Gegenteil. Und neben der Beliebtheit alteingesessener und neuer Klubs für Menschen aller Gesinnungen mit erfreulichem Kontostand tun sich seit einer Reihe von Jahren ganz andere Zirkel auf, in denen nicht
Geld,
Status und Verbindungen über Zugehörigkeiten entscheiden. Da zählen Spontaneität, Einsatzbereitschaft und die
Hellhörigkeit des Eingeweihten."
Weiteres: Zum 50-jährigen Jubiläum des
Internationalen Forums des Berliner Theatertreffens zieht Thomas Irmer vom
Freitag Bilanz. Klaus Nüchtern
bekennt in der
Welt seine Vorliebe für den britischen Komiker
Bill Bailey.
Besprochen werden
Roland Schimmelpfennigs in Hamburg aufgeführtes Stück "Spam" ("die gute Absicht ist immer erkennbar, aber die Inszenierung wird dem Thema
nicht gerecht",
meint Simone Kaempf in der
taz, während Till Briegleb in der
SZ "
Allegorien-
Stau" bezeugt), "La Damnation de Faust" von
Hector Berlioz am Theater Basel (
NZZ) und
Florentine Kleppers in Frankfurt aufgeführte Inszenierung von
Georg Philipp Telemanns Oper "Orpheus oder die wunderbare Beständigkeit der Liebe" (
FR).
Kunst, 28.05.2014

Mit drei Artikeln befasst sich der
Tagesspiegel mit der
Berlin Biennale unter
Juan Gaitán, der weite Teile des
Kunstfestivals aus Berlins Zentrum ins abgelegene Dahlem verlegt hat. Hier "ist die
Denk-
Werkstatt der Biennale",
schreibt Nicola Kuhn. Claudia Wahjudi
hat in Zehlendorf dem
Haus am Waldsee einen Besuch abgestattet, wo der
private Umgang mit Kunst im Vordergrund steht: "Schon ein
sehr europäisches Ding, diese großbürgerliche Villa voller Gemälde und Objekte, gelegen in einem Kieferngarten mit Café-Tischchen - eine
abendländische Fiktion davon, wie und wo Kunst zu zeigen sei." Christiane Meixner
blieb unterdessen im angestammten Berlin-Mitte, wo die Biennale in den Kunst-Werken unter anderem die indische Künstlerin
Shilpa Gupta ausstellt, die sich in ihren Arbeiten mit den zahlreichen getrennten Städten an der Grenze zwischen Indien und Bangladesch befasst.
In der
FR jubelt Peter Iden über die idealen räumlichen Bedingungen, unter denen derzeit in der Fondation Beyeler bei Basel Bilder von
Gerhard Richter zu sehen sind: " Die lichtvollen Räume ... erweitern sich nach draußen, verbinden die Malerei der Welt, aus der ihre Motive stammen. Es ist, als würden sich die Werke den Raum, den sie brauchen,
selbst bilden. So wird der Wahrnehmung hier alles zu einem
Glück."
Außerdem: Der Kunsthistoriker
Wolfgang Kemp feiert in der
Zeit den Band "Warum Fotografie als Kunst so bedeutend ist wie nie zuvor" seines amerikanischen Kollegen
Michael Fried. Für die
Berliner Zeitung porträtiert Susanne Lenz die
Aktionskunst-Gruppe "Zentrum für Politische Schönheit", die gerade mit einigen subversiven Aktionen in Berlin von sich reden macht. Ulrike Fischer vom
Freitag besucht das rekonstruierte
Bauhaus-
Meisterhausensemble in Dessau.
Besprochen werden die Ausstellung "Farbenmensch Kirchner" in der
Pinakothek der Moderne in München (
SZ) und eine Fotoausstellung mit Bildern von
Ute und Werner Mahler in den
Deichtorhallen in Hamburg (
FAZ) und die Ausstellung über den
Ersten Weltkrieg im
Deutschen Historischen Museum, die sich ganz auf das Kriegsgeschehen konzentriert (
Welt).
Literatur, 28.05.2014
Felix-Emeric Tota
würdigt im
Freitag Louis-
Ferdinand Céline, der dieser Tage 120 Jahre alt geworden wäre.
Besprochen werden
Jonathan Coes Roman "Liebesgrüße aus Brüssel" (
Zeit),
Simon Schwartz' Comic "Vita Obscura" (
taz),
Ulla Hahns "Gesammelte Gedichte" (
FAZ),
Heinrich Steinfests Roman "Der Allesforscher" (
SZ),
Martin Hollenders Biografie über
Max Herrmann (
Berliner Zeitung) und
Faramerz Dabhoiwalas Geschichte der ersten sexuellen Revolution im 18. Jahrhundert "Lust und Freiheit" (
NZZ).
Musik, 28.05.2014
Miley Cyrus live in Köln - da waren auch die Berliner Blätter waren mit Berichterstattern vor Ort, die sich angesichts eines offenbar recht prächtig ausstaffierten Konzerts verwundert die Augen rieben. Christian Bos von der
Berliner Zeitung jedenfalls
wähnt sich glatt in einem surrealistisch-erotischen Traumszenario und erlebt dabei "wie sich Träume so entwickeln, sich erst zu surrealen Höhen aufschwingen, nur um schließlich doch wieder in simpler sexueller Wunscherfüllung zu münden. Miley trug nun ein Trikot aus Dollarscheinen, nestelte sich im Schritt herum, legte beinahe eine Schamlippe frei,
Jugend und Gefährdung trennte nur noch eine fleischfarbene Strumpfhose." Deutlich abgeklärter dagegen Christian Werthschulte in der
taz: "Je schöner die Bilder, desto
öder die Musik",
meint der Popjournalist lapidar.
Für die
Zeit hat sich Rabea Weihser mit
Owen Pallett unterhalten, der nach dem Besuch der Berliner
Bowie-
Ausstellung wenig Schmeichelhaftes über seinen Kollegen zu sagen hat: "Ich wurde schon gefragt, inwiefern wir uns ähneln. Und das kann ich nicht beantworten, ohne ihn anzugreifen.
Er frisst Kultur und kackt Produkte. Wenn ich mir diese Ausstellung ansehe, denke ich: Dieser Mann ist ein
Monsterkapitalist."
Außerdem: Im
Tagesspiegel porträtiert Sebastian Handke Elektro-Pionier und Tangerine-Dream-Mastermind
Edgar Froese.Besprochen werden diverse Pop-Reissues (
SZ) und eine
Schumann-Box der
Berliner Philharmoniker (
Tagesspiegel).
Film, 28.05.2014
Hanns-Georg Rodek
schreibt den Nachruf auf
Helma Sanders-Brahms, deren Hauptwerk "Deutschland, bleiche Mutter" hierzulande auf wenig Liebe stieß: "Der Film wurde auf der Berlinale 1980 uraufgeführt und erntete derart vernichtende Kritiken, dass der Verleih ihn nicht ins Kino brachte; in Paris hingegen lief er
anderthalb Jahre en suite, in Tokio 18, in London 16 und und in New York zwölf Wochen. In den USA wurde 'Bleiche Mutter' einer von 70 '
Classics of Foreign Cinema'."
Mit großer Freude hat sich Andreas Platthaus in der
FAZ Disneys neue Dornröschen-Variante "Maleficent" angesehen. Neben der stark als böse Fee in der Titelrolle aufspielenden
Angelina Jolie gefielen ihm auch die anderen Frauenfiguren hier ausnehmend gut. "Man mag 'Maleficent', auch wenn ein Mann Regie geführt hat, als
Manifest eines neuen Frauenkinos sehen, das die hergebrachten Klischees lustvoll dekonstruiert." In der
Welt schreibt Elmar Krekeler über den Film.
Auch viel Vergnügen bereitet offenbar "Edge of Tomorrow", der neue Science-Fiction-Film mit
Tom Cruise. Besprechungen dazu gibt es in der
Welt, auf
critic.de, beim
Tagesspiegel und bei der
Filmgazette.
Außerdem: In der
Zeit resümiert Katja Nicodemus das Festival von Cannes. Besonders bleibt die Szene aus
Mike Leighs Film "Mr Turner" in Erinnerung, in der die Queen Victoria mit einem harschen Verdikt seine Bilder als "formlosen gelben Grauen" bezeichnet, während der Künstler schockiert und einsam in der Ecke steht. Im
Freitag resümiert Dominik Kamalzadeh das Filmfestival in
Cannes, wo sich der Wettbewerb noch immer wie ein exklusiver
Club alter Meister ausnimmt. Doch immerhin: "Mit jüngeren Regisseurinnen und Regisseuren wie Xavier Dolan, Alice Rohrwacher (Le meraviglie) und Bertrand Bonello (Saint Laurent) hat man in diesem Jahr zumindest begonnen, den Wettbewerb
beweglicher zu gestalten." In Berlin sind
queere Kurzfilme (
mehr) zu sehen,
berichtet Caroline Weidner in der
taz. Rainer Gansera gratuliert
Helmut Berger in der
SZ zum 70. Geburtstag.
Besprochen werden die DVD-Veröffentlichung von
Alfred Hitchcocks 1928 entstandenem, vom Meister selbst wenig geschätztem Film "Champagne" ("Natürlich war Hitchcock, bevor er Hitchcock wurde, schon Hitchcock",
meint Ekkehard Knörer in der
taz),
Hossein Aminis "Die zwei Gesichter des Januars" (
taz), der Dokumentarfilm "Welcome Goodbye" über das angespannte Verhältnis der Berliner zu ihren Touristen (
Berliner Zeitung,
taz) und der von
Wim Wenders produzierte Dokumentarfilm "Kathedralen der Kultur" (
SZ, unsere
Berlinale-Kritik).