17.12.2014. Die taz feiert Schauspielkunst und Metaebenenlust in Olivier Assayas' Film "Die Wolken von Sils Maria". Außerdem staunt sie über die kühn gebauten Welten der Gruppe Haus-Rucker-Co. Die Presse betrachtet im Wiener Mak Josef Hoffmanns und Adolf Loos' Wege in die Moderne. In der SZ annonciert Florian Kessler eine neue literarische Salonkultur im Netz.
Film, 17.12.2014

Juliette Binoche und Kristen Stewart in "Die Wolken von Sils Maria", Bild: NFP*"Ein sehr erwachsenes Kino von
enormer Großzügigkeit" - rundum begeistert
schreibt Ekkehard Knörer in der
taz über
Olivier Assayas" neuen Film "Die Wolken von Sils Maria", der, wie Knörer detailliert erklärt, auf sehr vielen Ebenen komplex und mit viel "
Metaebenenlust" von der Schauspielkunst erzählt. Etwa wenn
Juliette Binoche (als Schauspielerin) und
Kristen Stewart (als ihre Assistentin) ein Stück proben: "Sie fallen aus der Rolle in den Text des eigenen Lebens und dann zurück ins Stück, bis man als Zuschauer kaum mehr weiß, wo das Stück endet, das Leben beginnt, zumal die Konstellation von Stück und Film sich
immer ähnlicher werden, ohne sich je ganz zu gleichen. Spielen sie, oder spielen sie, dass sie spielen? Wissen sie in jedem Moment selbst, wer sie sind, was sie tun? Oder ist gerade das Verwischen des Unterschieds der entscheidende Punkt?" Im
Tagesspiegel bespricht Jan-Schulz Ojala den Film.
Tommy Lee Jones in "The Homesman". Bild: Universum Film.Mit "The Homesman" ist
Tommy Lee Jones "ein unüblicher Western" gelungen, der "die unerhörten
Anstrengungen der Frauen bei der Eroberung des Westens ehrt",
meint Anke Westphal in der
Berliner Zeitung. Auf
kritiken.de hält Sophie Charlotte Rieger Jones" Gegenentwurf jedoch trotz guter Voraussetzungen für "
schwammig und unausgegoren." In der
FAZ bespricht Verena Lueken "diesen bemerkenswerten Film".
In der
Zeit fragt Caspar Shaller nach der Veröffentlichung der Berichte über
Folter durch die CIA, ob nicht Hollywood durch Filme und Serien das amerikanische Publikum positiv
auf Folter eingestimmt hat: "Barack Obama hat "Homeland" als seine Lieblingsserie bezeichnet. Aber gefällt es ihm, wenn Carries Kollegen mit
Heavy Metal und Schlafentzug Informationen aus einem Gefangenen herauspressen, mit denen sie den Film-Präsidenten retten?"
Im
Tagesspiegel empfiehlt Silvia Hallensleben eine
Reihe mit klassischen
Hollywood-
Musicals im Berliner Kino Arsenal. In Wien ist ein bislang unbekannter Film von
Heinz Erhardt aufgetaucht, den der
NDR im Januar
ausstrahlt,
meldet die SZ.
Design, 17.12.2014

Bild links: Josef Hoffmann, Schlafzimmer in der Wohnung Johanna und Dr. Johannes Salzer, 1902 (Rekonstruktion) © MAK/Georg Mayer. Bild rechts: Adolf Loos, Schlafzimmer in der Wohnung Lina und Adolf Loos, Wien I., Bösendorferstraße 3, 1903 (Rekonstruktion) © Peter Kainz/MAKAngeregt und mit Blick auf eine neue Moderne
kommt Sabine B. Vogel (
Presse) aus einer Ausstellung über "
Josef Hoffmann,
Adolf Loos und die Folgen" im Wiener
MAK: "Während Hoffmann zusammen mit den Künstlern der Secession
neue Formen und einen neuen Stil suchte, forderte Loos eine
neue Haltung. Hoffmann sah Architektur und Design als Kunst, Loos dagegen verstand Kunst als autonomen Bereich, scharf abgetrennt von der angewandten Kunst. Wie schafft es das MAK, diese zwei "modernen Einstellungen" auszustellen? Hier helfen
Gegenüberstellungen, besonders überzeugend von zwei exemplarischen Innenräumen." Im
Standard verspricht Wojciech Czaja "einen
analytischen Blick auf die Moderne, der in dieser Form einzigartig ist".
Kunst, 17.12.2014
Niklas Maaks
FAZ-Bericht über den Prozess gegen den Kunstberater
Helge Achenbach steht
jetzt online. Der ganze
Kunstmarkt wird durch den Prozess entblößt, auch die Rolle der
Medien, wie Maak einfließen lässt: "Nirgendwo ist es so leicht, einen
Star zu machen wie in der Kunstwelt. Wer Popstar werden will, muss Zigtausende davon überzeugen, seine Musik zu hören. In der Kunst reichen ein einflussreicher Kurator, ein guter Galerist und vielleicht noch ein freundlicher Kritiker, schon ist jemand neuer Kunst-Star, mit steil nach oben zeigender Wertentwicklungskurve."
In seiner neuesten
Maluma-und-Takete-Kolumne für den
Perlentaucher denkt Ulf Erdmann Ziegler über den Vorschlag
Jutta Limbachs nach, dass Museen untereinander ihre Werke ehemals verfemter Kunst zurücktauschen: "Die Aufladung des gesamten Ausstellungsbetriebs mit
unlösbaren moralischen Fragen knüpft an ans Bilderverbot - eine demokratisch aufgeladene Variante, deren äußerste Vision meint, dass man besser das Museum räume und vor leeren Wänden stünde, als Bilder zu betrachten, die den Betrachter kompromittieren könnten." Auch Peter Dittmar in der
Welt kann mit mit der "Limbachschen Ringtausch-Parabel" wenig anfangen.
Weitere Artikel: Christian Thomas (
FR)
schlendert mit einem neuen Fotoband mit Aufnahmen von
Carl Friedrich Mylius durch das
Frankfurt des 19. Jahrhunderts: "Mylius hatte ein Gespür für das Monumentale, das er
antimonumental inszenierte." Die
Presse zeigt eine Auswahl von Fotos, die
André Lützen im nordrussischen
Archangelsk gemacht hat. Außerdem veröffentlicht sie einen
Nachruf auf die österreichische Fotografin
Lillian Fayer.
Bühne, 17.12.2014
Na bitte, historisch ist doch immer noch am besten!
FAZ-Rezensentin Wiebke Hüster jedenfalls notiert nach dem Besuch einer von Alexei Ratmansky rekonstruierten historischen Aufführung von
Marius Petipas Ballett "Paquita" (1881)
in München: "es war phantastischer, interessanter,
1881 eine Maus im Mariinski-Theater zu sein, als es heute an vielen Bühnen ist, eine Ballerina zu sein".
Besprochen werden
Wolfram Lotz" "Lächerliche Finsternis" am Deutschen Theater Berlin (
Tagesspiegel,
mehr), eine in Wiesbaden aufgeführte Bühnenfassung von
Jonas Lüschers Novelle "Frühling der Barbaren" (
FR) und Gregory Dorans
Shakespeare-Inszenierung "Henry IV" in London (
NZZ).
Literatur, 17.12.2014
Florian Kessler freut sich in der
SZ, dass immer mehr
Autoren bloggen - zwar nicht in eigenen Blogs, aber in Verlagsblogs oder im
Freitext-Blog von
ZeitOnline. Hier erblüht für Kessler eine neue "Salonkultur", die Rückschlüsse auf den
Funktionswandel von Verlagen und Autoren zulässt: "Die Salonkultur der neuen Blogs ist öffentliche Bewusstmachung der Köpfe und Ideen der Verlagskultur" und die Autoren "dokumentieren im Rahmen der Salonkultur der neuen Blogs ihre
Zugehörigkeit zu einer bestimmten Liga der unverkennbaren Köpfe und Ideen." Dass die Verlage heute ihre liebe Not haben, "Midlist"-Autoren zu lancieren, und diese wiederum auf Nebeneinkünfte angewiesen sind, verschweigt Kessler ebenfalls nicht. Neben
Freitext stellt Kessler dabei auch das
Logbuch Suhrkamp, den Ullstein"schen
Resonanzboden und S. Fischers
Hundertvierzehn vor.
Besprochen werden
Alessandro Sannas Comic "Am Fluss" (
Tagesspiegel),
Szilárd Rubins "Der Eisengel" (
FR),
Liza Codys Krimi "Lady Bag" (
SZ,
unsere Besprechung),
Gabriel Zucmans "Steueroasen - Wo der Wohlstand der Nationen versteckt wird" (
FR),
ein ganzer Regalmeter mit neuer Literatur zur
Geschichte des 20.
Jahrhunderts (
Freitag)
und eine Biografie des Psychotherapeuten
Paul Watzlawick (
NZZ).
Musik, 17.12.2014
Neil Kulkarni
versenkt sich für
The Quietus tief ins Werk der Glamrocker
T.
Rex. Für den
Rolling Stone schreibt Eric Pfeil diesmal Poptagebuch über "
Niederländische Death-
Metal-
Frisöre im Taumel der Weihnacht". Und Michael Stallknecht (
SZ) lauscht in Salzburg
Peter Eötvös" Kompositionen und staunt darüber, "wie viel Eötvös mit dem Alter an
Freiheit gewonnen hat."
Frank Sawatzki porträtiert in der
Zeit Kate Tempest, die "Pop-Entdeckung der Saison": "Sprache und Rhythmus des HipHop waren die Geburtshelfer für ihre Kunst...In ihren Wortströmen kann man beides entdecken, das Versmaß der
klassischen Dichtung und die Melodie des HipHop."
Mehr Bestenlisten! Die Popkritiker der
SZ bringen ihre Resümee-Notizen zum sich neigenden Jahr. Ziemlich clever sind die Bestenlisten, die
Spotify auf Grundlage seiner
Datenerhebungen ermittelt hat. Auf
The Quietus verkündet Toby Cook seine
Lieblings-
Metalalben des Jahres: Am liebsten hatte er die schwermütige Düsternis auf dem neuen (schon auf
Pitchfork begeistert
besprochenen) Album "Clearing the Path to Ascend" von
Yob. Eine Hörprobe:
Besprochen werden das Album "The Pinprint" von
Nicki Minaj (
Pitchfork),
ein Konzert von
J Mascis (
Tagesspiegel) und
ein von
Pablo Heras-
Casado dirigiertes Konzert der Berliner Staatskapelle (
Tagesspiegel).
Architektur, 17.12.2014
Installationsansicht Roman März. Haus-Rucker-CoIn der Aufbruchsstimmung der 60er und 70er Jahre definierte die Gruppe
Haus-
Rucker-
Co den Architekturbegriff neu. Jetzt widmet sich ihr eine Ausstellung
im Berliner Haus am Waldsee,
berichtet Rolf Lautenschläger in der
taz: "
Kühn gebaute Welten, neue Räume, Hüllen tun sich auf. Doch (...) die veränderten - "verruckten" - Raumerfahrungen, welche die Wiener Architektur-Kunstgruppe (...) in den 1960er und 1970er Jahren inszenierte, lassen sich eher als Auseinandersetzung mit den Bildern und
Verfremdungen jener Revolte- und Aufbruchsjahre lesen. Popart, James Bond 007, "Fahrenheit 451", Dynamik, Leben im All und in künstlichen Städten (nach dem Atomkrieg!),
die Welt als Sex-
oder Klangraum bildeten die Klischees."
Besprochen wird außerdem eine Schau über die
Hochhausstadt Frankfurt im
Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt (
NZZ,
SZ).