Luc Feit als Hans Robert Jauß im Audimax der Universität Konstanz. Aus dem Stück "Die Liste der Unerwünschten" von Gerd Zahner, inszeniert von Didi Danquart. In der
Nachtkritik informiert Dirk Pilz über die Debatte, die die Aufführung eines Stücks über die SS-Vergangenheit des 1997 gestorbenen renommierten Literaturwissenschaftlers
Hans Robert Jauß an der Uni Konstanz entfacht hat. Aktuelle und ehemalige Professoren beklagen eine "nachträgliche Gesinnungsprüfung" und "Vorverurteilung des Kollegen Jauß" und fordern eine interne Diskussion und Aufarbeitung: Pilz sieht darin "typische
Beschwichtigungsrhetorik. Denn unabhängig, zu welchem Ergebnis das Gutachten kommt, steht bereits fest, dass Jauß
SS-Mann aus Überzeugung war - das ist keine bloße Fußnote in einem "Komplex Jauß". Und darüber eine interne Diskussion zu fordern, heißt nichts anderes als es, unter sich, ohne eine kritische Öffentlichkeit zu den Akten legen zu wollen."
Besprochen wird
Lars Eidinger als Richard III. an der Schaubühne (
NZZ).

Gestern vorab auf der Berlinale und ab heute im Kino:
Sam Taylor-
Johnsons Verfilmung von E.L. James"
SM-Romanze "Fifty Shades of Grey". Während auf der Leinwand wenigstens gelegentlich lustvoll gelitten wurde, musste die Filmkritik im Saal sich mit dem
bloßen Leid zufrieden geben. Susan Vahabzadeh (
SZ)
findet nicht nur die Liebesgeschichte "lahm", ihr stellen sich auch die Haare zu Berge, wenn sie sieht, wie hier das prekarisierte Studentinnenleben auf die Wohlstandswelt eines patriarchalen Lovers trifft: "Wie selbstverständlich versucht er, sich mit teuren Geschenken
die Macht über sie zu erkaufen - und sie liebt ihn dafür. Was für ein
Albtraum."
Mehr zum Film: Auch Dietmar Dath (
FAZ) findet das Ergebnis reichlich trübsinnig: "Man könnte
melancholisch werden, wenn man sieht, wie unterfordert Reitgerte, Lederfessel, Handschelle und Haarpeitsche (...) ihren Daseinszweck verfehlen, der bekanntlich darin besteht, dass Menschen ihre Sexualität eben nicht als
hirnlosen Brunftrausch erleiden müssen, sondern sie mit Willen, Phantasie, Vertrauen und gegenseitiger Fürsorge
selbst noch im Kontrollverlust gestalten können." Der Film wirke nicht nur wie
schlechter Softcore-
Mainstream, sondern sexualisiere - anders als die Vorlage - nicht etwa den Mann, sondern die Frau,
ärgert sich Sophie Charlotte Rieger auf
kritiken.de. In der
Welt ist Elmar Krekeler
enttäuscht: "Der Sex. Findet statt. Er ist sauber, er ist sicher, er
riecht nicht. Das erste Mal ereignet sich was
nach genau 41 Minuten." Nur Sarah Saschek (
ZeitOnline)
meint: Dem Film gelinge eine "komplexe Interpretation".
Weiteres:
Paul Thomas Anderson spricht im
Interview mit dem
Standard über seine Verfilmung von Thomas Pynchons Roman "Inherent Vice". Eine Kritik zum Film gibts in der
Welt.

Das Neueste vom Potsdamer Platz, wo sich die
Berlinale langsam ihrem Ende nähert: Zwar gibt es schwulen Sex in Mexico, doch "
Peter Greenaway auszuhalten bleibt (...) harte Arbeit",
stöhnt Diedrich Diederichsen (
taz) nach "Eisenstein in Guanajuato". Thomas Groh ist im Perlentaucher dagegen
hin und weg - auch von Greenaways inspiriertem Umgang mit den
neuen Technologien.
Außerdem: Mit den Mitteln des Westerns nähert sich
Radu Judes "Aferim!" der rumänischen Geschichte,
erklärt Lukas Foerster (
Perlentaucher). In der
Welt würdigt Tilman Krause den Dokumentarfilmer
Marcel Ophüls, der mit einem Ehrenbären ausgezeichnet wird. Thekla Dannenberg (
Perlentaucher)
war bei einer Diskussion zwischen
Ophüls und
Joshua Oppenheimer. Julian Weber (
taz)
hat sich die
Musikdokumentationen angesehen, die traditionell beim Panorama zu sehen sind. Der
Freitag bringt Matthias Dells unterhaltsam schlecht gelaunten Bericht zur Festival-Halbzeit. In der
taz empfiehlt Tilman Baumgärtel abseits der Berlinale eine Filmreihe mit
politischen Dokumentarfilmen aus den 70ern und 80er Jahren
im Berliner Zeughauskino. In der
Zeit sieht Katja Nicodemus
Kriegerinnen - Charlotte Rampling ("45 Years"), Nicole Kidman ("Queen of the Desert"), Lea Seydoux ("Tagebuch einer Kammerzofe"), María Mercedes Coroy ("Ixcanul") - im
Mittelpunkt der Berlinale stehen.
Alle weiteren heutigen
taz-Texte zum Festival
hier. Cargo schickt weiter munter
SMS vom Festival. Stets einen schnellen Klick wert ist der mehrfach täglich aktualisierte
Kritikerspiegel von
critic.de. Vom Festival berichten online außerdem u.a.
Filmgazette,
Tagesspiegel,
Berliner Zeitung,
FAZ,
SZ,
Das Filter und
kino-zeit.de. Und der
Perlentaucher ist selbstverständlich
ebenfalls vor Ort.
In der
Welt schreibt Richard Kämmerlings über einen Streit in Frankfurt. Dort hatte
Hauke Hückstädt, der Leiter des Frankfurter Literaturhauses, in einem scharfen Brief der Stadt - und der namentlich nicht genannten Leiterin des Literaturreferats
Sonja Vandenrath - vorgeworfen, ihm mit eigenen Veranstaltungen das Wasser abzugraben: "Eine Art
Lesungsdumping, das die Preise und damit den Wert von Kulturveranstaltungen verderbe."
Im Feuilleton der
Zeit erschauert
Durs Grünbein vor dem "Sound der Unbelehrbarkeit, der Einschwörung und der Einschüchterung", der ihm aus der Dresdner
Pegida-Bewegung entgegen schlägt: "Der Drang der Eingeborenen, Mehrheiten zu bilden und die Abweichler niederzubrüllen, ist etwas, das ich schon
in der Schule kennenlernte."
Weiteres: Im
Freitag schreibt Ulrike Baureithel zum Tod der
Schriftstellerin Assia Djebar. Besprochen werden
Joseph Roths "Reisen in die Ukraine und nach Russland" (
SZ) und
Daša Drndićs "Sonnenschein" (
FAZ). Mehr in unserer
Bücherschau heute ab 14 Uhr.