17.04.2015. Regisseur Clemens Bechtel schickt der Nachtkritik einen Brief vom Theaterfestival "Buja Sans Tabou" in Burundi. Die Indie-Labels mögen zu Recht protestieren, aber am Ende siegt bei den Öffentlich-Rechtlichen immer der Mainstream, fürchtet der Freitag. Die Filmkritiker lernen eine Menge über griechische Befindlichkeiten in Syllas Tzoumerkas' Film "A Blast". Und: Mit Louis Vuitton ins Jenseits. Die Welt steht staunend in Dresden vor chinesischen Brandopfern aus Papier.
Bühne, 17.04.2015
Regisseur Clemens Bechtel schickt der
Nachtkritik einen
lesenswerten Brief über das panafrikanische Theaterfestival "
Buja Sans Tabou" in Bujumbura, der Hauptstadt
Burundis, nach dem Welthunger-Index das ärmste Land der Welt. Was kann man hier für ein Theater machen? "Fast immer bilden
biografische Erfahrungen den Ausgangspunkt für die Arbeiten, oft thematisieren die zumeist jungen Theatermacher direkt oder indirekt die politischen Verhältnisse in Burundi. ... "Wir stehen am Anfang", sagt Freddy Sambibona nach der Vorstellung von "Die Stadt der Blinden" im Nachtclub Enzogu, "und oft finde ich die Situation zum Verzweifeln. ... Andererseits: Wenn ich von irgendwelchen Festivals im Ausland zurückkomme und sehe,
wie dynamisch sich hier die Theaterszene entwickelt, dann macht mir das Hoffnung. Nicht nur für die Kultur, sondern für die gesamte Entwicklung in diesem Land."
Weiteres: Alexander Kohlmann
begleitet für die
taz Kulturstaatsministerin
Monika Grütters auf ihrer Reisetour zu einigen westdeutschen Theatern.
Besprochen werden
Sebastian Baumgartens Inszenierung von
Dantes "Göttlicher Komödie" in Köln (
Nachtkritik,
SZ).
Kunst, 16.04.2015
Ansicht der Ausstellung Supermarket of the Dead, Festetage, Residenzschloss Dresden, Copyright: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Adrian SauerAnne Waak kehrt für die
Welt in ihre Heimatstadt zurück, um die
Ausstellung "
Supermarket of the Dead" in der Festetage des Residenzschlosses
zu besuchen. Es geht dabei um die chinesische Tradition des
Brandopfers für die Ahnen: "Umhegen heißt in diesen Fall: dafür Sorge tragen, dass es ihnen nicht an den Gegenständen des täglichen Bedarfs fehlt, weder an Geld noch Essen oder Kleidung. "Der Erdgott leitet eine Bank;
Geld ebnet den Weg zu den Göttern", heißt es in einem chinesischen Sinnspruch. Die frühesten Zeugnisse dafür, dass diese in Papier nachgebildeten Dinge für die Ahnen, Geister und Götter verbrannt wurden, stammen aus der Zeit der Tang-Dynastie (618-907). Seit die kapitalistische Marktwirtschaft vor etwa 15 Jahren begonnen hat, China zu erobern, werden auch und vor allem
westliche Markenprodukte minutiös aus Papier kopiert und per Verbrennen den Toten übergeben:
Gillette-Rasierklingen, Heineken-Dosenbier, McDonalds-Menüs,
Louis-Vuitton-Koffer, iPads."
Die
Schirn-Ausstellung über
Künstlergurus hat auch weiterhin einen schlechten Stand (siehe dazu auch
hier). In der
Jungle World ärgert sich Oliver M. Piecha jedenfalls sehr über Unachtsamkeiten und Lücken in der Aufarbeitung und Vermittlung der ausgestellten Kunst: "In einen "sozialhistorischen Kontext" ordnet die Ausstellung das trotz Ankündigung nicht ein. Im Gegenteil: Das
tiefsinnige Unsinnsgeraune der legendären Propheten soll offensichtlich beeindrucken und nicht etwa irritieren. Eine historische Einordnung würde da wahrscheinlich nur stören. Kurze Erklärungen gibt es dennoch, mit
bizarren Ergebnissen: So wird der Begriff
Lebensreform nicht einmal erwähnt, obwohl Diefenbach und Gräser zu den prominentesten Vertretern der Bewegung zählten. Auch wird unterschlagen, dass ein erheblicher Anteil des vorgestellten Personals zur
völkischen Subkultur gehörte. An fehlender Forschung kann es nicht liegen."
Deutlich besser gelaunt
berichtet Michael Kohler (
FR) von der
49.
Art Cologne: Dort sah er "
auf Schritt und Tritt gute Kunst". Besprochen werden außerdem die Ausstellung "
Der Göttliche. Hommage an
Michelangelo" in der
Bundeskunsthalle Bonn (
NZZ), zwei Ausstellungen in Wien zu
alpinen Heimatbildern (
NZZ), ein Fotoband von
Anton Corbijn (
SZ), die
Cranach-Ausstellung im
Herzoglichen Museum in Gotha (
FR),
eine Ausstellung zu 100 Jahren
Leica-
Fotografie im
Fotografie Forum Frankfurt (
FR), eine Retrospektive des Fotografen
Anders Petersen im
Münchner Stadtmuseum (
FAZ) und die
Gauguin-Ausstellung in der
Fondation Beyeler in Basel (
FAZ).
Musik, 17.04.2015
Dass die
Indie-
Labels mehr Sendezeit auf den öffentlich-rechtlichen Radiosendern für ihre Produktionen
einfordern,
findet Jörg Augsburg vom
Freitag nur richtig angesichts der erdrückenden Dominanz der Majorlabels im Programm und der für die Indies angesichts sinkender Verkaufszahlen immer wichtiger werdenden
Gema-
Einnahmen und Live-Promo-Effekte durch das Radio. Allein, viel Hoffnung macht er sich nicht, dass das Anliegen auch tatsächlich umgesetzt werden wird: "Juckt solch ein Appell irgendjemanden in den Radio-Gremien? ... Warum sollte sich dort plötzlich irgendetwas
im grundlegenden Nicht-
Verständnis von Musik ändern? Die Politik aller großen öffentlich-rechtlichen Sender hat immer wieder gezeigt, dass im Zweifelsfall
immer der Mainstream siegt, dass selbst als erfolgreich angesehene Experimente mit musikalischer (und sonstiger inhaltlicher) Vielfalt zu Gunsten von "Quote" wieder eingestampft oder
in die Nachtstunden verdrängt wurden."
Weiteres: Carla Baum
bringt in der
taz Hintergründe zum Rechtsstreit zwischen den Betreibern des
Golden Pudel Clubs, der die Existenz der legendären
Hamburger Musikvenue bedroht. Ulrich Amling
stellt im Tagesspiegel die Saisonpläne des
Rundfunk-
Sinfonieorchesters Berlin vor.
Besprochen werden ein
Strauss- und
Schubert-Konzert der
Berliner Philharmoniker unter
Riccardo Muti (
Tagesspiegel),
Luigi Boccherinis Sinfonie Nr. 6 in d-Moll mit dem Tonhalle Orchesters Zürich unter Giovanni Antonini (
NZZ), der Auftritt von
Karin Park im Berghain (
Berliner Zeitung), CDs mit
Mundart-Pop von Tinu Heiniger, Sina und Greg Demo (
NZZ), das vierte Album des Rappers
Tyler,
The Creator (
Welt) und
Action Bronsons Album "Mr. Wonderful" (
taz).
Literatur, 17.04.2015
Die
FAZ hat
Volker Schlöndorffs Erinnerungen an
Günter Grass online nachgereicht. Kurz vor dem neuen
Avengers-Film
bringt uns Florian Friedman im
Tagesspiegel auf den neuesten Stand, was die Comics der Superheldenserie betrifft. In der Welt
ärgert sich Elmar Krekeler über die im "Brustton der Beleidigteleberwursthaftigkeit von einer Krimilektorin" kürzlich in der FAZ vorgetragenen Klage über den
deutschen Kriminalroman. Hannes Hintermeier resümiert in der
FAZ die
London Book Fair, wo man sich vom E-Book nicht mehr verrückt machen lässt, aber einem allgemeinen Niedergang der Taschenbuchkultur entgegen sieht.
Besprochen werden
Lisa Moores "Der leichteste Fehler" (
SZ),
Annika Reichs "Die Nächte auf ihrer Seite" (
Tagesspiegel),
Michael Ohls "Die Kunst der Benennung" (
FAZ) und neue Comics der Meister
Robert McGuire,
Marc-
Antoine Mathieu und
Scott McCloud (
FAZ).
Film, 17.04.2015
Alles eins: Syllas Tzoumerkas "A Blast". Bild: Real Fiction.Den griechischen Film "A Blast" von
Syllas Tzoumerkas lesen die Filmkritiker vor allem im Zusammenhang mit der Krise in Griechenland. Seinem Titel gemäß entwickelt das mit einigem sexuellen Überschuss hantierende Drama über eine auseinander brechende Familie einige Wucht, über die Daniel Kothenschulte (
FR) sehr
ins Staunen gerät. Eine "
unkontrollierte Energie"
attestiert denn auch Andreas Busche (
taz) dem mit der Chronologie seiner Erzählung undurchsichtig spielendem Film: "Lange nicht mehr haben in einem Film Familienmitglieder
dermaßen viel aufeinander eingeprügelt: Eltern schlagen ihre Kinder, Kinder ihre Eltern und einmal schmeißt Maria ihrem Schwager einen PC auf den Kopf. ... Die Linien, die Tzoumerkas mit seinen Filmen zieht, sind alles andere als fein. Sie sind
mit der Faust gezeichnet."
Jan Schulz-Ojala vom
Tagesspiegel wirkt dem gegenüber deutlich überforderter: Der Film funktioniere "wie eine einzige hektische Parallelmontage in 83 Minuten:
Gegenwart,
Rückblenden,
alles eins." Angesichts der zahlreichen ausgestellten Gewalteskalationen und infantilen Trotzreaktionen fragt er sich: "Erklärt sich etwa so das massive griechische Sozial- und Politchaos:
In diesem Land wird niemand erwachsen?" Und auch Peter Körte (
FAZ)
offenbaren sich hier "
griechische Befindlichkeiten (...) und zwar sehr konkret, sehr deutlich, mitunter überdeutlich, deshalb aber keineswegs gegenstandslos." In der
SZ bespricht Fritz Göttler den Film.
Weitere Artikel: Carolin Weidner (
taz)
empfiehlt eine
Retrospektive, die das Berliner Kino Arsenal der Kamerafrau
Sophie Maintigneux widmet.
Filmlöwin Sophie Charlotte Rieger
freut sich über die auf dem
Internationalen Frauenfilmfestival in Dortmund wiederentdeckten Dokumentarfilme von
Elisabeth Wilms, die vor und nach dem Zweiten Weltkrieg das Geschehen in Dortmund mit ihrer Kamera begleitete. Außerdem hat sie sich mit der Filmemacherin
Julia C.
Kaiser unterhalten, deren Film "Das Floß!"
heute in Berlin beim Festival Achtung Berlin Premiere feiert.
Deutschlandradio Kultur bringt ein ausführliches Gespräch mit
Georg Stefan Troller. Außerdem
listet critic.de die ersten bekannt gegebenen Filme, die in
Cannes laufen werden.
Besprochen die Komödie "Top Five" mit
Chris Rock (
FR,
Perlentaucher), die DDR-Komödie "Dessau Dancers" (
Tagesspiegel) und die von
ZDFneo produzierte Politsatire-Serie "Eichwald, MdB" (
FR,
Freitag,
FAZ,
hier die ersten Episoden).