08.08.2015. Auf einem bayerischen Schulhof stöbert die SZ eine von Josef Thoraks Pferdeskulpturen für Hitler auf. Ein Tango war die Begleitmusik zu Stalins Schreckensherrschaft, erzählt die taz. Im Interview mit der Welt erklärt der kürzlich verstorbene E.L. Doctorow, warum er keine historischen, sondern eternalistische Romane schreibt.
Kunst, 08.08.2015
Seit 1961 steht eine für das "Dritte Reich" geschaffene Pferde-Bronzeskulptur von
Josef Thorak unbehelligt und unkommentiert auf einem bayerischen Schulhof, berichtet Kia Vahland in der
SZ. Und dort werde sie auch bleiben. "Ein Skandal? Es ist
deutsche Normalität. Denn etliche NS-Monumente sind noch unter uns, prägen Stadtbilder, in Parkanlagen und an Brunnen. ... Das Problem an der Sache: (...) All die
Sinnbilder behaupteter Unbesiegbarkeit, sie werden an ihren Orten nicht erläutert und deshalb nur unbewusst wahrgenommen. Als Alltagseindrücke schleichen sie sich seit Kriegsende in das kollektive Selbstverständnis ein. Dagegen hilft nicht Verstecken und Zerschlagen, Vergessen und Verschweigen, sondern nur:
Beachtung."
Kito Nedo informiert in der
SZ über in den Museen derzeit geführte Debatten, wie man mit Fotografien und insbesondere
Polaroids, die ihrem Wesen nach mangels Negativ Unikate darstellen, konservatorisch umgehen sollte: "Anders als etwa Gemälde
leiden Fotografien auch bei gedimmtem Licht und in klimakontrollierten Räumen stark. .. [Doch]
Altern in Würde - das scheint man den Fotografien im hochpreisigen Segment der Andreas Gurskys, Cindy Shermans und Jeff Walls nicht zuzugestehen. "An die Fotografie werden Erwartungen gestellt, die selbst die Malerei nicht leistet", kritisiert die Berliner Künstlerin Heidi Specker. "Kein Altmeister-Gemälde sieht heute noch atelierfrisch aus. Warum sollte es in der Fotografie anders sein?""
Weitere Artikel: Für den
Tagesspiegel spricht Christiane Peitz mit
Ai Weiwei. Auch die
FAZ hat ihr gestern dem Print vorbehaltenes Gespräch mit dem chinesischen Künstler mittlerweile
veröffentlicht.

Besprochen werden die an drei Orten
in Dresden stattfindende Ausstellung "
Krieg und Frieden" (
Tagesspiegel) und die Ausstellung "Wir kommen
auf den Hund" im
Berliner Kupferstichkabinett (
FAZ). (
Bild: Johann Christian Reinhard: Schlafender Windhund, 1811. Foto: SMBPK, Kupferstichkabinett/ Volker-H. Schneider)
Literatur, 08.08.2015
In einem zweieinhalb Jahre alten
Interview mit der
Welt erzählt
E.
L.
Doctorow, warum er keine historischen, sondern
eternalistische Romane schreibt: "Mich faszinieren eher die verschiedenen physikalischen Theorien der Zeit. Für Physiker ist Zeit etwas Erschreckendes. Warum verläuft sie nur in eine Richtung? Warum fließt sie? Woher und wohin?
Zeit ist eines der großen Rätsel, bei dessen Lösung es keinen Fortschritt zu geben scheint. Man kann sich auch vorstellen, das Universum wäre ein großer Würfel, in dem alle Zeiten quasi nebeneinander existieren. Jeder Augenblick hätte einen Platz in dieser Struktur. Dann würde die Zeit nicht "fließen", sondern es würde sich
überhaupt nichts bewegen. Das ist die "eternalistische" Theorie der Zeit."
Manfred Rebhandl reist für die
Literarische Welt auf den Spuren
Joseph Roths durch die Ukraine und
stellt fest: Früher war doch alles besser. "Wo ist eigentlich das verschwendete Leben geblieben, frage ich mich an diesem herrlichen Ort. Die
besoffene Schwermut, die jammernde Wehleidigkeit, das genussvolle Scheitern? Wo das Leiden an der Welt bis hin zum verächtlichen Wegwerfen des eigenen Lebens? Wo das Sinnlose, das
nicht Zielgerichtete? Wo sind überhaupt der Tagedieb und der Taugenichts hin verschwunden? Hier leben sie noch. Aber in den Wohlfühlzonen der EU zählen sie längst zu den aussterbenden Arten."
Weitere Artikel: Die Fotografin
Irina Ionesco, die Klage gegen einen Roman
Simon Liberatis erhoben hat, der wiederum Ionescos pädophile Inszenierungen ihrer Tochter
Eva in den Siebzigern thematisiert (unsere
Resümees), ist vom Gericht abgewiesen worden,
meldet Le Monde. Im Ullstein-Blog
Resonanzboden erzählt Übersetzerin
Ulrike Kretschmer, wie sie sich für ihre Arbeit an
Helen Macdonalds Roman
"H wie Habicht" das
Falknervokabular aneignete: "Langfessel, Kurzfessel, Lockschnur, Geschüh, Bells". Jan Feddersen
spricht in der
taz mit
Stephan Wackwitz über dessen neues
Buch "Die Bilder meiner Mutter". In der
Jungle World berichtet die
Schriftstellerin Tanja Dückers von ihrer Lesereise nach
Minsk. Marta Kijowska schreibt in der
FAZ über die Initiativen und Veranstaltungen, mit denen
Krakau seinen Ruf als literarische Stadt festigen und vorantreiben will. Und Mathias Mayer empfiehlt ebendort
Miguel de Cervantes" letzten Roman "Die Leiden oder die Mühen des Persiles und der Sigismunda", der von ungebrochener Aktualität sei: "Immer sind es
Berichte der Flucht und des Asyls, höchst gefährliche Schiffsreisen, Schiffbrüche und Strandungen, die Cervantes zu einem Kaleidoskop der damaligen europäischen Welt macht."
Besprochen werden
Dana Grigorceas Roman "Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit" (
NZZ),
Monique Schwitters Roman "Eins im Andern" (
NZZ, Paul Jandl
widmet der Autorin in der
Welt ein Porträt),
Marina Keegans nachgelassener Erzählband "Das Gegenteil von Einsamkeit" (
NZZ), neue Publikationen von und über
J.
D.
Salinger (
NZZ),
Vladimir Sorokins "Telluria" (
FAZ),
Friedrich Anis Krimi "Der namenlose Tag" (
taz),
Nina Bunjevacs Comic "Vaterland" (
ZeitOnline),
Boaz Yakins und
Nick Bertozzis Comic "Jerusalem - Ein Familienporträt" (
Tagesspiegel),
E.
L.
Doctorows "In Andrews Kopf" (
SZ) und
A.
L.
Kennedys "Der letzte Schrei" (
FAZ).
Architektur, 08.08.2015
In einem Essay für die
NZZ deutet der Kunsthistoriker Stanislaus von Moos
Hans Ernis 1941 entstandenes Bild
"Tagebuchblatt eines Urbanisten", das sich mit den Ideen zur
funktionellen Stadt auseinandersetzt. Dankwart Guratzsch
schreibt in der
Welt zum 200. Geburtstag des Architekten
Gottfried Semper.
Bühne, 08.08.2015
Julika Bickel
porträtiert in der
taz den Regisseur
Fabian Gerhardt. Im
Tagesspiegel gratuliert Gunda Bartels dem Berlin-Weddinger
Prime Theater zur 100. Ausgabe iher Bühnen-Sitcom "Gutes Wedding, schlechtes Wedding", in der
nachtkritik gratuliert Georg Kasch. Besprochen werden "Fidelio"- und "Figaro"-Inszenierungen in Salzburg (
Welt)
.Musik, 08.08.2015
Jens Malling
begibt sich für die
taz mit dem Musikhistoriker
Dmitri Dragilew auf eine Entdeckungsreise in die Geschichte des
russischen Tangos, der von den Zwanziger bis Vierziger Jahren enormer Popularität im Lande genoss, nebenbei den Tango in Finnland popularisierte, doch seitdem zum großen Teil in Vergessenheit geraten ist. Eine wichtige Rolle kommt dem Stück "Utomljonnyje solnzem" aus dem Jahr 1937 zu, das damals überall zu hören war: Es "war
die Begleitmusik zu Stalins Schreckensherrschaft: Angst vor den unangekündigten Besuchen der Geheimpolizei NKWD und den Schauprozessen des Großinquisitors Andrej Wyschinski, Folterungen im Keller der Lubjanka und Massenhinrichtungen von Unschuldigen am Stadtrand von Moskau. ... Mit dem gesellschaftlichen Kontext vor Augen wird die Musik zum
Abgesang darüber, Gutes zu wollen, aber daran zu scheitern."
Peter Richter besucht das von Disco-Urgestein
Nile Rodgers organisierte
Festival "Fold", dessen enttäuschende Besucherzahlen der Gastgeber mit bester Laune wegwischt. Was vielleicht auch besser so ist, meint Richter in der
SZ, denn betrachtet man das Geschen von etwas außerhalb, "droht automatisch eine
merkwürdige Katerstimmung. Das also ist nun das Woodstock von Disco: 3000 Menschen wippen in den Knien, 99 Prozent weiß und, soweit man das an den mitgeschleppten Kindern ablesen kann, auch
zu 99 Prozent heterosexuell. Sommerfrischler aus den Milliardärsbadeorten in den Hamptons und lokales Landvolk, das sich freut,
weil mal was los ist."
Sehr allergisch
reagiert Freitag-Pop-Wadenbeißer Jörg Augsburg auf die
Idee,
Konzerte quasi im Stil von Crowdfunding einfach per
Vorab-
Willensbekundungen der Fans stattfinden zu lassen. Was vorderhand nach Demokratisierung klingt, ist für ihn das glatte Gegenteil: "Die
Targetisierung des Musikfans als reine Zielgruppe begünstigt logischerweise eher den schon existierenden Mainstream gegenüber unbekannteren Acts, Metropolen noch mehr gegenüber der Provinz als eh schon üblich. ... Vor allem aber das als alles entschuldigende Monstranz dienende Versprechen des "Konzerterlebnisses" wird langfristig nachhaltig
beschädigt. Denn das besteht zu einem Gutteil aus dem
Unkalkulierbaren, dem Widerspruch gegen das Erwartete, dem grandios gemeisterten Scheitern."
Weitere Artikel: Im
Standard porträtiert Daniel Ender den Komponisten
Matthias Pintscher, der in diesem Jahr Composer in Residence beim Musikfestival in Grafenegg sein wird. Die gemeinschaftliche Arbeit zwischen Israelis und Palästinensern im
West-Eastern Divan Orchestra ist zwar von Konflikten gesäumt, hilft aber beim Abbauen von Vorbehalten,
erklären die beiden Musiker Asaf Levy und Nassib Ahmadieh im
taz-Gespräch mit Thomas Winkler. Für die
taz plaudert Gunnar Leue mit
Jodelkünsterin Doreen Kutze, die ihre Sangeskunst unter anderem auch dem Berliner Elektro-Underground zur Verfügung gestellt hat. Zum Gedenken an den Atombombenabwurf auf
Hiroshima haben die
Dresdner Sinfoniker Keiji Nakazakas Manga-Klassiker "Barfuß durch Hiroshima" live vertont, berichtet Andreas Platthaus in der
FAZ. Jan Brachmann (
FAZ) schreibt zum Tod des Komponisten
Gerd Natschinski.
Besprochen werden das neue Album von
Dr.
Dre (
FAZ) und Paul Kalkbrenners neues Album "7" (
Welt)
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