Efeu - Die Kulturrundschau

Signaturen des Kosmos

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
16.09.2015. Auf Zeit online denkt Philipp Theisohn über die Besonderheit der außerirdischen Literatur nach. Wim Wenders erzählt in The New Republic, wie er im kriegszerstörten Düsseldorf seine Eltern ins Museum zerrte. Die FR macht Diskurswohnen in München. Der SZ fremdelt mit Max Richters neuer Komposition "Sleep". Der Tagesspiegel führt durch die Art Week in Berlin.
9punkt - Die Debattenrundschau vom 16.09.2015 finden Sie hier

Literatur


Szene aus "The Martian" von Ridley Scott

In einem schönen Essay für Zeit online denkt der Literaturwissenschaftler Philipp Theisohn anlässlich des nahenden Kinostarts von Ridley Scotts Science-Fiction-Verfilmung "The Martian" darüber nach, welches Verhältnis (gedruckte) Bücher des Genres zum All entwickelten - und wie die Literatur mitunter selbst und in Sichtweite zur Medien- und Kommunikationstheorie danach trachtete, außerirdisch zu werden. Am Ende, so lehrt es "The Hitchhiker"s Guide...", ist vielleicht sogar der Eingang des Menschen in neue Phase seiner Geschichte zu beobachten, denn "die Besonderheit der außerirdischen Literatur besteht (...) darin, dass man sie nicht benutzen kann, ohne von ihr selbst umgeschrieben zu werden. Sie birgt ein Überwindungswissen. Für das posthumane Denken und seine kulturellen Manifestationen ist sie Schrittmacher wie Prüfstein, verwandelt sie ihre Leser doch in Informationsträger, in Signaturen des Kosmos, die sich von der Erde aus noch gar nicht entziffern lassen. Es kann mitunter vorkommen, dass der Mensch von der dabei entstehenden Erzählung überrollt oder gar aus ihr gelöscht wird."

Außerdem unterhalten sich Lee Child und Stephen King über Jack Reacher:



Weitere Artikel: Eva-Christina Meier besucht für die NZZ die argentinische Autorin María Sonia Cristoff, deren neuer Roman "Lasst mich da raus" gerade erschienen ist. Günther Haller beschreibt in der Presse - nach einem gerade erschienenen Buch von Frank Gerbert - das Leben der Viktoria Savs, einer Südtirolerin, die sich schon als Kind als Junge definierte, als Soldat am Ersten Weltkrieg teilnahm und als begeisterter Nationalsozialist später auch in der Wehrmacht diente. Judith von Sternburg war für die FR bei Ilja Trojanows Frankfurter Lesung.

Besprochen werden unter anderem Wladimir Sorokins postapokalyptischer Roman "Telluria" (NZZ), Richard Flanagans "Der schmale Pfad durchs Hinterland" (FR), Clemens J. Setz" "Die Stunde zwischen Frau und Gitarre" (Zeit) und Alina Bronskys "Baba Dunjas letzte Liebe" (FAZ).
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Kunst

In Berlin ist Art Week. Der Tagesspiegel führt mit Kurztexten durchs Programm: Besprochen werden die Cindy-Sherman-Ausstellung im me Collectors Room (hier), Gustav Metzgers Zeitungsstapel im Neuen Berliner Kunstverein (hier), die zwei Ausstellung zu Ehren von René Block (hier), die Ausstellung "Xenopolis" in der DB Kunsthalle (hier) und die Ausstellung "Welcome to the Jungle" in den Kunst-Werken (hier). Fernerhin schreiben Anna Pataczek und Simone Reber über Nöte der Kunstsammler, für die die Berliner Kunstmessen und -festivals Paradies und Herausforderung zugleich sind. Gabriele Detterer besucht für die NZZ die von Walter Pichler entworfene "Plattform über dem Bach" im Südtiroler Eggental.

Besprochen werden die Tim-Burton-Ausstellung im Museum Max Ernst in Brühl (NZZ), eine Berliner Ausstellung mit den Fotografien des Anti-Überwachungs-Aktivisten Jacob Appelbaum (taz) und Christian Labhardts Film über den Künstler Giovanni Segantini (ZeitOnline).
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Film


Szene aus "Paris, Texas"

Anlässlich einer großen Wim-Wenders-Retrospektive im IFC-Center in New York hat sich Ratik Asokan für den New Republic mit Wenders unterhalten. Und erfährt unter anderem etwas über dessen Anfänge im kriegszerstörten Düsseldorf: "You see, aesthetics is a very strange thing. I never learned anything from the history of cinema or photography. I didn"t know any movies, and we didn"t have television. Photography was something you saw in newspapers, but it wasn"t an art. So, the only counter-image of the world I knew was the world of paintings. And even if the cities around me were flattened, and quite brutally empty in the late "40s and early "50s, there was art and in art there was a whole different world to be seen-different cities and different landscapes, and there was a different kind of beauty. I was the only kid I knew who had to drag his parents to the museum, because I couldn"t get enough of it."

Weiteres: Im Freitag schreibt Thomas Groh über auf DVD erschienene Westberlin-Filme. Und Maxi Leinkauf porträtiert die Schauspielerin Martina Gedeck. Jan Schulz-Ojala schreibt auf Zeit online über den Schauspieler Matthias Schoenaerts. Schauspieler Tom Courtenay plaudert im Interview mit dem Standard über seinen neuen Film "45". Die FAZ gibt die Nominierten für den Michael-Althen-Preis für 2015 bekannt - eine schöne Leseliste. Besprochen wird Wolfgang Beckers "Ich und Kaminski" (Tagesspiegel, SZ, FAZ).
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Bühne

Für die FR ist auch Sylvia Staude zum "Diskurswohnen" in eines von Matthias Lilienthals in München aufgestellten "Shabbsyshabby Apartments" gezogen (mehr dazu in unserer Kulturrundschau vom Samstag). Für sie ist die Aktion "ein Fingerzeig, in welcher Rolle sich Lilienthal gefällt: als Eindringling nicht nur in das kulturelle, sondern auch in das soziale Gewebe der Stadt. Listig hat er mit dieser ersten großen Aktion seines Engagements die Münchner mit ins Boot gezogen, das noch lange nicht voll ist." Dass offenbar nicht alle Münchner da gerne mitmachen, ist einer weiteren FR-Meldung zu entnehmen: Eines der Apartments ist niedergebrannt, die Polizei geht von Brandstiftung aus. Auf Facebook findet sich dazu eine kurze Meldung der Münchner Kammerspiele. Die FAZ hat unterdessen Patrick Bahners" "Shabbyshabby"-Erlebnisbericht online nachgereicht.

Besprochen werden Andreas Homokis Inszenierung von Alban Bergs "Wozzeck" an der Oper Zürich (FR, Welt, mehr dazu hier), Anne Lenks Hamburger Inszenierung von Jonas Hassen Khemiris "≈ [ungefähr gleich]" (taz), Roland Geyers Inszenierung von Heinrich Marschners Oper "Hans Heiling" am Theater an der Wien (FAZ), Christoph Nußbaumeders in Bochum gezeigtes Stück "Das Fleischwerk" (SZ) und Anna Zieglers in London aufgeführtes Stück "Photograph 51" mit Nicole Kidman in der Rolle der Biochemikerin Rosalind Franklin (FAZ).
Archiv: Bühne

Architektur


Carlo Ratti Associati - Responsive Flotation (2015) in Tallin

Bei der Architekturbiennale in Tallinn informiert sich Laura Weißmüller (SZ) darüber, "wie Technologie unsere Städte verändern wird." Ganz wohl allerdings ist ihr angesichts von Zukunftsszenarien mit selbstfahrenden Autos und einer Neustrukturierung des Stadtraums, die Privatheit, Arbeitssphäre und öffentlichen Raum miteinander verschränkt, nicht: "Die Nähe von Mensch und Technik [wirft] die Frage auf, wer hier eigentlich die Regeln bestimmt."

Besprochen wird außerdem die Ausstellung "Daheim - Bauen und Wohnen in Gemeinschaft" im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt, die Rainer Schulze (FAZ) als "Ideensammlung und Inspirationsquelle" schätzt.
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Musik

Acht Stunden dauert Max Richters neue Komposition "Sleep", das vor seiner Uraufführung in Berlin im November auch in Auszügen auf einer CD, eingespielt vom American Contemporary Music Ensemble, vorliegt. Harald Eggebrecht fremdelt in der SZ: "Zu molluskenhaft, wässerig und ewig wiegend tönt es dahin. Mancher könnte bei so unendlichem Auf-und-ab-Gesäusel schnell in Rage geraten und nach dem Abschaltknopf suchen. Dabei ist Richters Absicht, der Welthektik eine musikalisch langsamere Gangart entgegenzusetzen, lieb gemeint." Hier einige Hörproben. Zuvor hatte sich Jasper Ruppert für das SZ-Magazin mit dem Komponisten unterhalten. Eine weitere Besprechung gibt es auf The Quietus.

Weiteres: Bruce Dickinson von Iron Maiden spricht im Interview mit der Welt über seine Mundrachenkrebserkrankung und die Rückkehr seines Geschmacks. Im Weekly Standard stellt George B. Stauffer eine neue Bartok-Biografie von David Cooper vor.

Besprochen werden das neue Album von Disaster in the Universe (FAZ), ein Konzert des Royal Danish Orchestra in Berlin (Tagesspiegel) und Carly Rae Jepsens "Emotion" (taz),

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