06.11.2015. Populistisch ausgetrickst fühlen sich Standard und Presse von der Wiener Ausstellung "Politischer Populismus". Jürgen Flimm erklärt im Tagesspiegel, warum er die Berliner Staatsoper nicht türenknallend verlassen will. FAZ und Stuttgarter Zeitung lassen sich in Marbach von der kinetischen Energie bewegter Bücher durchströmen. Die NZZ gratuliert dem Théâtre national de Bretagne zum fünfundzwanzigsten und dem Komponisten Helmut Lachenmann zum achtzigsten Geburtstag.
Kunst, 06.11.2015

Ziemlich unzufrieden kommen die Kritiker aus der von Direktor Nicolaus Schafhausen persönlich kuratierten Ausstellung "
Politischer Populismus" in der
Kunsthalle Wien. Enttäuscht
konstatiert Anne Katrin Feßler im
Standard, in der Schau gehe es "nicht um die Strategien und Rhetoriken, mit der die Gunst der Massen gewonnen wird. Nein, nein. Es sind die Themen, an denen die perfiden Hebel angesetzt werden: also
Ängste Schürendes wie Migration, Überwachung, Religion, (Ohn-)Macht der Konzerne, Ökonomie und so weiter. Sie sehen, man hätte das also auch gut 'Drängende Fragen der Welt im 21. Jahrhundert' nennen können. Aber man hat - ganz bewusst -
populistisch getrickst. Was das bringt? Einen argumentativen Loop. Sonst nix." Ähnlich
sieht es Almuth Spiegler in der
Presse: "Das aber ist das Problem dieser Schau, die oberflächlich betrachtet sehr engagiert, gut präsentiert und aktuell ist: Sie tut aber niemandem weh. Nicht einmal H. C. Strache würde sich bei einem Besuch
irgendwie betroffen fühlen. Man legt Wert auf Meta-Ebene und künstlerische Reflexion. Und will partout nicht auf aktuelle Ereignisse reagieren."
(Bild: Simon Denny: Modded Server-Rack Display with Some Interpretations of Imagery from NSA MYSTIC, FOXACID, QUANTUMTHEORY, and Other SSO/TAO Slides, 2015. Foto: Nick Ash)Besprochen werden eine Ausstellung von
Madonnas frühen Aktfotografien
in Köln (
FAZ), die
Christoffer Wilhelm Eckersberg gewidmete Retrospektive im
Statens Museum for Kunst in Kopenhagen, die im kommenden Februar auch in Hamburg Station machen wird (
SZ) und die
Germaine-
Krull-Ausstellung im Berliner
Martin-Gropius-Bau (Krull "ist
die Flaneurin der automobilen Moderne",
schreibt Andreas Kilb in der
FAZ).
Film, 06.11.2015
Patrick Wellinski
resümiert auf
kino-zeit.de die
Viennale. Auf
Artechock führt Felicitas Hübner durch das Programm des Münchner
Frauenfilmfestivals Bimovie. Für die
Zeit trifft sich Peter Kümmel mit Bond-Darsteller
Daniel Craig und Bond-Produzentin
Barbara Broccoli (unsere Besprechung von "Spectre"
hier, zwei weitere
auf Artechock).
In der
SZ schreibt David Steinitz zum Tod der "E.T."-Autorin
Melissa Mathison. Andreas Kilb (
FAZ) gratuliert dem Schauspieler
Michel Bouquet zum 90. Geburtstag.
Besprochen werden
Pablo Larraíns "El club" (
taz,
Welt) und der Kinderfilm "Ritter Trenk" (
Artechock,
Tagesspiegel).
Literatur, 06.11.2015
Peter Weiss hat eine Erzählung Hermann Hesses abgeschrieben, illustriert und zum Taschenbuch gebunden. Foto: DLAZiemlich toll findet
FAZlerin Sandra Kegel die Ausstellung "Das bewegte Buch", die heute
im Literaturmuseum der Moderne in Marbach eröffnet wird: Diese befasse sich nämlich mit dem Buch als materiellem Gegenstand, doch "zu sehen sind keine prachtvollen Erst- oder Vorzugsausgaben, kostbaren Manuskripte oder bibliophile Schätze, sondern Bücher mit Gebrauchsspuren. Was erzählt wird, ist
eine Geschichte der gelesenen Bücher." Auch Stefan Kister von der
Stuttgarter Zeitung kann sich begeistern: "Wer sich in diese intellektuell durchdrungenen Zonen wagt, wird entrückt.
Die kinetische Energie bewegter Bücher teilt sich dem bewegten Leser mit. So ist diese Ausstellung eine besondere Art der Road-Novel. Sie bringt zum Sprechen, was bloße Texte für gewöhnlich
verschweigen."
Außerdem: Für die
taz trifft sich Annette Walter mit
Franz Dobler, der gerade mit einer Biografie über den Countrysänger
Willie Nelson auf
Lesetour ist, in einer Bahnhofskneipe. In der
Berliner Zeitung schreibt Cornelia Geißler zum Tod des DDR-Schriftstellers
Karl-
Heinz Jakobs. In der
SZ fasst Willi Winkler einen Aufsatz von Rainer Nicolaysen über einen Auftritt
Thomas Manns in den 50ern kursorisch zusammen. Die
NZZ druckt die Rede des bosnischen
Schriftstellers Dzevad Karahasan zur gestrigen Eröffnung des internationalen Literaturfestivals Buch Basel.
Besprochen werden eine Neuauflage von
Hugo Pratts Comicklassiker "Corto Maltese" (
Tagesspiegel),
James Carlos Blakes "Pistolero" (
FR),
Charlotte Roches "Mädchen für alles" (
Jungle World),
Hayfa Al Mansours "Das Mädchen Wadjda" (
Tagesspiegel),
Johannes Groschupfs "Das Lächeln des Panthers" (
Tagesspiegel) und
Krisztina Tóths "Aquarium" (
SZ).
Mehr aus dem literarischen Leben im Netz im Laufe des Tages
bei Lit21, unserem ständig aktualisierten Meta-Blog.
Musik, 06.11.2015
Im Zentrum von
Helmut Lachenmanns Werk steht das Abarbeiten an dem von ihm sogenannten "ästhetischen Apparat", der die gesellschaftlichen Vorstellungen von Schönheit prägt,
schreibt Max Nyffeler (
NZZ) in einem Porträt zum achtzigsten Geburtstag des Komponisten: "Lachenmann versteht sein Komponieren als praktische Kritik an diesem Apparat, den er als Ort erstarrter, teilweise durch den Nationalsozialismus
schwer korrumpierter Traditionen betrachtet. Ein Bollwerk des falschen Bewusstseins, das geschleift werden muss: Die eingefahrenen Wahrnehmungsgewohnheiten sollen aufgebrochen werden, damit unter den Trümmern die
Spuren einer verschütteten Schönheit freigelegt werden können. So wird das Ohr empfänglich für all das, was anders sein könnte. Aus der kritischen Wahrnehmung erwächst das kritische Denken des mündigen Menschen."
Auf
Das Filter unterhält sich Thaddeus Herrmann mit dem isländischen, gerne für Hollywoodsoundtracks gebuchten Komponisten
Jóhann Jóhannsson. Für die
Zeit spricht Christoph Dallach mit dem früheren Doors-Schlagzeuger
John Densmore. In der
SZ freut sich Bernd Graff darüber, dass die Proto-Musikvideos der
Beatles aus den 60ern restauriert und "digital aufpoliert" wurden.
Besprochen werden
Bob Dylans "The Cutting Edge 1965-1966: The Bootleg Series Volume 12" (
Pitchfork), das neue Album "Delirium" von
Ellie Goulding (
Pitchfork), das Album "Music in Exile" von
Songhoy Blues (
taz) und das von
Marek Janowski dirigierte
Verdi-Requiem (
Tagesspiegel)
.Bühne, 06.11.2015
Im
Tagesspiegel-Interview
erklärt Jürgen Flimm Frederik Hanssen das Modell seines etappenweisen Ausscheidens aus seiner Intendanz an der Berliner Staatsoper. Vorgesehen ist demnach, dass er seinen Nachfolger
Matthias Schulz von 2017 bis 2018 als Designatus in den Dienst einarbeitet: "Es gibt in der Tat Fälle, da lässt der scheidende Intendant den Nachfolger bis zu seinem letzten Arbeitstag nicht ins Theater rein.
So ein Quatsch! ... Wenn du als Intendant merkst, für dich hat die Glocke geschlagen, dann solltest du dich kümmern, damit jemand kommt, der auch dir
in den Kram passt."
Das
Théâtre national de Bretagne feiert heute sein 25jähriges Bestehen,
meldet Marc Zitzmann in der
NZZ. Seit 21 Jahren und noch bis Ende dieses Jahres wird es von
François Le Pillouër geleitet: "Wenn Vertreter nachrückender Generationen mit Ambitionen dem 62-Jährigen vorwerfen, er sei ein 'Superbaron', verweist er gern auf seine '
Jagdtrophäen' als Gründer eines Theaterfestivals in Dijon und dann als Leiter des TNB: 'Ich war der Erste, der Romeo Castellucci nach Frankreich gebracht hat, Matthias Hartmann, Thomas Ostermeier, Leander Haussmann, Nicolas Stemann, Rodrigo García, Simon McBurney, Giorgio Barberio Corsetti, Omar Porras . . .'"