03.05.2017. Ganz schön irre findet die taz, welche Blüten linke Debatten über Ausgeschlossene und Abgehängte treiben. Die NZZ lauscht in Sidi Larbi Cherkaouis "Satyagraha"-Choreografie der Weisheit keuchender Körper. Die FAZ labt sich am warmen Klang des neuen Dresdner Konzertsaals. Ganz toll finden alle Jordan Peeles rassismuskritische Horrorkomödie "Get out".
Film, 03.05.2017
Rassismuskritische Horrorkomödie: Jordan Peeles "Get Out" (Bild: Universal)Ein Schwarzer lernt erstmals die Eltern seiner weißen Freundin kennen - aus dieser Prämisse hat
Jordan Peele, sonst als Komiker bekannt, für sein Regiedebüt "Get Out" einen fulminanten Horrorfilm mit komödiantischen und rassismuskritischen Elementen gebaut. Der Film zielt in seiner Kritik im übrigen gar nicht so sehr aufs Trump-Klientel,
hält Marietta Steinhard auf
ZeitOnline fest: Die wären "ein
zu einfaches Ziel gewesen". Vielmehr gehe es Peele um die abstruse Vorstellung, dass mit Obamas Präsidentschaft auch der Rassismus überwunden wäre: Er "spielt mit der brisanten Idee, dass weiße bürgerliche Liberale nicht die toleranten Leuchtfeuer der Menschheit sind, die sie zu sein glauben.
Alles nette Leute, die Republikaner als Rassisten abqualifizieren, aber selbst mit keinem farbigen Menschen in Berührung kommen, außer er mäht ihren Rasen."
Tobias Kniebe
lobt in der
SZ, wie geschickt der Regisseur den Blick seiner Zuschauer führt: "Diese winzigen Brüche und Irritationen, dieser Spannungsaufbau - das ist doch alles ziemlich meisterhaft."
FAZ-Kritiker Bert Rebhandl sah eine "eine höchst vergnügliche
Horrorkomödie" und einen Film, der "
kommerziell und relevant zugleich ist und in dem Politik eine Folge radikalen Denkens ist".
Weiteres: Das Festival GoEast
in Wiesbaden fokussierte in einem Schwerpunkt auf
Filmemacherinnen aus dem Ostblock,
berichtet Silvia Hallensleben im
Tagesspiegel: Dabei waren "auch die vergessenen, oft von extrem widersprüchlichen und harten Schicksalen geprägten Gestalten weiblicher Filmgeschichte zu entdecken."
Oliver Stone hat
Wladimir Putin für einen (im Juni auf dem US-Sender
Showtime ausgestrahlten) Interviewfilm getroffen,
berichtet Matthias Lerf im
Tagesanzeiger.
Besprochen werden
Katrin Erthels "Kino Buch" (
Freitag),
Warren Beatttys "Regeln spielen keine Rolle" über
Howard Hughes (
Tagesspiegel), die
Amazon-Serie "Taboo" mit
Tom Hardy (
Die Presse) und die neue Serie "American Gods" nach
Neil Gaimans gleichnamigem Roman (
FAZ).
Kunst, 03.05.2017
Gaby Hartel
erzählt in der
taz von der Initiierung eines neuen Künstlerstipendiums in der weißen Stille von
Spitzbergen. Wunderschön
findet Almuth Spiegler in der
Presse die Schau, die das
BA Kunstforum dem amerikanischen Fotografen
James Welling widmet. Das
Art Magazin
protokolliert Streifzüge durch das
Gallery Weekend in Berlin.
Bühne, 03.05.2017

"Satyagraha" am Theater Basel. Foto: Sandra Then.
"Wie
Surfer auf den Wellen" - so
beschreibt eine begeisterte Martina Wohlthat
in der
NZZ die Tänzer in
Sidi Larbi Cherkaouis Choreografie zu Philip Glass' minimalistischer
Gandhi-Oper im Theater Basel: "Fabelhaft, wie sich zu Beginn einzelne Tänzer zu synchron getanzten Sequenzen zusammenfinden und mit schier endlosen Drehungen und Luftrollen eine
eigene Musik der Körper entstehen lassen. Wenn ein Tänzer in einem der seltenen Momente von Stille
keuchend ausatmet, sagt das mehr über das Leben als die aus dem Sanskrit übersetzten Weisheiten in den Übertiteln am Bühnenportal." Auch in der
SZ staunt Helmut Mauró, wieviel
inhaltliche Relevanz der flämische Choreografie-Star der Minimal Music von Glass abgewinnt.
Ein bisschen irre
findet Jan Feddersen in der
taz Falk Richters Abend "Verräter - Die letzten Tage" im Gorki Theater, der von
Didier Eribons "Rückkehr nach Reims" beeinflusst, aber nicht wirklich inspiriert war. Einer erzählt von Verarmung, ein anderer von Homophobie: "Das ist ein streckenweise
ödes Geraune um die gedankenfaule Idee, dass das Hier und Jetzt, also diese Welt schlechthin,
am Abgrund steht. Es fehlt an intellektuell einheizender Arbeit am Stück und an dessen Umsetzung. Stattdessen: im Hintergrund das Buch eines französischen Soziologen, der momentan als identitärer Linker verbreitet, Macron sei recht eigentlich der eigentliche Le Pen. Das ist alles nicht ganz bei Trost, das ist sogar ermüdend und leider nicht empörend genug. Man wünschte den Figuren das offen ausgesprochene Bekenntnis, dass die
Welt eigentlich schön ist."
Weiteres: Übervoll
findet Judith von Sternburg
Maria Milisavljevics "Beben", mit dem der
Heidelberger Stückemarkt eröffnet wurde und bei dem "
Tod, Quatsch, Gefühl" eine wirre Gemengelage ergeben wie sonst nur im Internet. Ronald Pohl
entfacht im
Standard Vorfreude auf
Romeo Castellucci an, der mit seinem Bilderessay "Democracy in America" bei den Wiener Festwochen zu sehen sein wird.
Besprochen werden die Guerilla-Folk-Oper "Counting Sheep" von
Mark und Marichka Marczyk bei den Ruhrfestspielen (
nachtkritik),
Ernst Kreneks Opern-Triptychon an der Oper Frankfurt (
FR), die "Extinction of a Minor Species" von
Jacopo Godani und seiner Dresden Frankfurt Dance Company (
FR) und Goethes "Stella" im Wiener Volkstheater (
Starndard).
Architektur, 03.05.2017
In der
NZZ nennt Jürgen Tietz
Dresdens Kulturpalast auch architektonisch einen Wohlklang aus Alt und Neu. In der
FAZ betont Jan Brachmann vor allem den
warmen Klang des Konzertsaals im Unterschied zur
Hamburger Elbphilharmonie: "Dresden folgt nicht einer akustischen Züchtungslinie, die Transparenz und Detailschärfe über alles stellt. Von der Hamburger Akustik, die manche Hörer als unbarmherzig oder bloßstellend empfunden haben, lässt sich vielleicht sagen, was Georg Friedrich Wilhelm Hegel über die Moderne als solche behauptete: 'Es ist darin die ganze
Totalität der Beschränkungen zu finden, nur das Absolute selbst nicht.'"
Literatur, 03.05.2017
Rainer Maria Rilkes Russlandreisen stehen im Mittelpunkt einer großen Ausstellung des
Marbacher Literaturarchivs. Sehr begeistert
berichtet SZ-Kritiker Volker Breidecker von seinem Besuch: Für diese Ausstellung wurde "ein enormer Fundus nie gezeigter Dokumente aus Rilkes Nachlass zusammengetragen. ... Sie erzählen von Rilkes eindringlichen Berührungen mit den 'russischen Dingen', mit Landschaft, Menschen, Religion, Malerei, Sprache, Dichtung." Dazu passend
diskutieren Jürgen Lehmann, Ilma Rakusa und Thomas Schmidt im
SWR über Rilkes Russlandsehnsucht.
Weiteres: Im
taz-Gespräch mit Jasmin Kalarickal
erinnert Natasha A. Kelly an die Dichterin
May Ayim und deren Einfluss auf die
afrodeutsche Frauenbewegung. Außerdem derzeit wieder online beim
BR:
Elfriede Jelineks Hörspiel "Jackie" von 2003.
Besprochen werden
Toni Morrisons "Gott, Hilf dem Kind" (
Tagesanzeiger),
Marina Achenbachs "Ein Krokodil für Zagreb" (
Freitag),
Walter Gronds "Drei Lieben" (
Tagesspiegel),
Camillo Boitos Novelle "Sehnsucht" (
ZeitOnline),
Nava Ebrahimis "Sechzehn Wörter" (
FR), der Auftakt der Werkausgabe
Uwe Johnson (
FAZ) und neue Bücher von
Maxim Biller,
Roberto Bolano und
Daniel Clowes (
Freitag).
Musik, 03.05.2017
Frank Spilker von
Die Sterne erklärt in der
taz, warum seine Band heute gemeinsam mit vielen weiteren Bands und Musikern beim einem
Solikonzert für
Deniz Yücel am Brandenburger Tor auftritt. Christoph Wagner
verabschiedet sich in der
NZZ von
Fredi Bosshard, dem langjährigen Leiter des Zürcher Festivals
Taktlos. Für den
Tagesspiegel porträtiert Tobias Richtsteig den Jazzschlagzeuger
Max Andrzejewski. Auf
The Quietus erzählt Angus Batey die Geschichte des
Wu-
Tang Clans. Für die Seite Drei der
SZ hat Johanna Adorján
DJ Hell (dessen neues Album "Zukunftsmusik" Tim Caspar Boehme in der
Spex bespricht) bei der Arbeit begleitet. Im
Tagesspiegel plaudert Nadine Lang mit
Campino von den Hosen.
Besprochen das neue Album von
Father John Misty (
Freitag), ein Mozartkonzert von
Daniel Barenboims West-
Eastern Divan Orchestra (
Die Presse), der Abschluss der
Brendel-Hommage im Berliner Konzerthaus (
Tagesspiegel), eine Aufführung von
Mahlers Siebter durch das
Deutsche Symphonie-
Orchester unter
Andrew Davis (
Tagesspiegel), ein Livealbum von
Sufjan Stevens (
Pitchfork), ein Auftritt der
Einstürzenden Neubauten (
Standard) und ein Konzert des Ensembles
Camerata Variabile (
NZZ).