Efeu - Die Kulturrundschau - Archiv

Design und Mode

857 Presseschau-Absätze - Seite 3 von 86

Efeu - Die Kulturrundschau vom 29.01.2024 - Design

Julia Werner ist in der SZ völlig umgehauen von Maison Margielas Haute-Couture-Show in Paris, die den Modejournalismus endlich mal wieder so richtig aus dem Phlegma der letzten Jahre reißt. Die Entwürfe sind kühn, das Handwerk "atemberaubend", zu beobachten ist "ein einziges wundervolles, verzweifeltes Taumeln und Straucheln." Doch dann "passiert vor dem Bildschirm etwas völlig Unerwartetes, wenn Models mit starken Armen und großzügigen Rundungen die transparenten Abendroben aus federleichtem Tüll präsentieren, mit baren Brüsten und Schamhaar-Toupets darunter: Die Frau sieht sich plötzlich selbst. Sie sieht den eigenen Körper. Der Körper ist das Kleid, nicht die Tüllage darüber. Und er ist stark. Sind das Korsett, die riesigen Gesäße und die teilweise verschmierten, schmerzverzerrten, mit Nylon-Stretch überzogenen Gesichter ein Kommentar zu dem, was Frauen ihren Körpern per Fotofilter und per plastischer Chirurgie antun? Ist das hier eine Kritik am auch von den Kardashians eingeführten Gaga-Schönheitsideal?"

Efeu - Die Kulturrundschau vom 27.01.2024 - Design

Gerhard Matzig kann in der SZ nur noch mit dem Kopf schütteln, wenn er eine neue, von einer Grazer Firma gestaltete Superyacht mit eingebauter U-Bootfunktion sieht, die es ihren Besitzern für kolportierte zwei Milliarden gestattet, yacht-üblichen Luxus mit der Möglichkeit zu kombinieren, buchstäblich unterzutauchen. "So muss es sein, das Leben: ein unendlicher Spaß. Wie bei Hamlet, auf den David Foster Wallace mit seinem Buch 'Infinite Jest' anspielt, wobei das 'Infinite' an den Infinity-Pool erinnert. Der ist beim kolportierten Kaufpreis als Zubehör enthalten. Im U-Boot, aber doch am Pool: schon ziemlich schräg - aber das ist ja der Witz. Was die rund 1000 Quadratmeter Fläche noch ausfüllt: Hubschrauber, Heißluftballon, Tauchausrüstung, Jetski, Speisesaal, diverse Bars, Kino, Weinkeller und 'Camp-Ausrüstung (tropisch und arktisch)'. Alles inklusive. Sonderwünsche sind möglich. Das U-Boot, das den unendlichen Spaß ins ohnehin nicht sehr spaßarme Yacht-Business überführt, soll eine Reichweite von 15 000 Kilometern haben. Man kann damit vier Wochen lang abgetaucht unter Wasser bleiben. Unter dem Radar in gewisser Weise auch. Und ist man eigentlich steuerpflichtig zwischen Tropen und Nordpolarmeer?"
Stichwörter: Yachten, U-Boot, Luxus

Efeu - Die Kulturrundschau vom 23.01.2024 - Design

Bestimmt jede Szene: Balenciaga (Disney+)

Eigentlich ist die Idee ja ganz hervorragend, über den legendären Modeschöpfer Cristóbal Balenciaga eine Miniserie (zu sehen auf Disney+) zu produzieren, findet Tanja Rest im Tagesanzeiger. Schließlich stecke in Balenciagas Biografie "alles drin, Glamour und Zeitgeschichte, Eskapismus und Abgründe, Modegötter, eine leibhaftige Königin und die herrlichsten, kostbarsten Roben einer ganzen Ära. Nicht zu vergessen: Paris, in einer Zeit, als es dem eigenen Klischee am nächsten kam, ganz in tänzelnder Bewegung und flirrend vor Verheißung, wie von sich selbst beschwipst." Doch leider "scheitert die Serie, schwer seufzend ergibt sie sich der Megalomanie ihres Protagonisten. Balenciaga ist als Allmächtiger in jeder Szene, und um ihn herum sind lediglich Figuren, die Talking Heads, Coco & Co. eben. ... Man wird als Zuschauer in diese Serie hineingeschnürt wie in ein Reifrock-Korsett. Was ein Jammer ist, wenn man an Balenciagas Kleider denkt. Denn so kompliziert sie waren - sie atmeten, sie schwebten."

Efeu - Die Kulturrundschau vom 15.01.2024 - Design

Das Wohnen der Zukunft wird abgerundeter, weicher, gepolsterter, nimmt SZ-Kritiker Gerhard Matzig als Ausblick von der Möbelmesse Köln mit. Als Beweisstück A dient ihm dabei der von Lukas Heintschel für Cor gestaltete Beistelltisch "Echo", für Matzig "die deutsche Antwort auf den Cybertruck von Tesla" (hier unser Resümee zu diesem gepanzerten Straßenungetüm). "Am Fuß wird das aparte Tischchen mit Stoff oder Leder weich ummantelt, die naturfarblich gestaltete Glasplatte oben ist sanft eingefasst. ... Cor spricht von 'dezenter Polsterung' und vom 'Stoff, aus dem die Träume sind'. Echo sagt: Peace!" Zwar gibt es keinen "Friedenspreis des deutschen Möbelhandels", aber Leo Lübke, der amtierende Cor-Chef, hätte ihn verdient."

Efeu - Die Kulturrundschau vom 06.01.2024 - Design

Andreas Herzog graut es in der NZZ vor der neuen Lust am Grau, wie sie sich ihm in der Schweiz darbietet: Städte, Inneneinrichtungen, Autos - alles grau. "'Neutralgrau', so die Fachbezeichnung, ist der Ground Zero der Farbpalette, irgendwo zwischen Aschgrau, Staubgrau und Totengrau verharrt es ohne jede Beimischung am Nullpunkt zwischen Weiß und Schwarz. Eine gleichgültige Unfarbe für Unentschlossene und Mutlose, die in der Masse untergehen wollen. Politisch mag die Schweizer Neutralität nicht mehr opportun sein, farblich ist sie en vogue wie lange nicht mehr."

Besprochen wird die Wiener Ausstellung "Critical Consumption" über nachhaltiges Produktdesign (taz, mehr dazu bereits hier und dort).
Stichwörter: Grau, Farbe

Efeu - Die Kulturrundschau vom 29.12.2023 - Design

José Canops: Zylinderbureau. Bild: Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum.
Mit der Ausstellung "Canops. Möbel von Welt für Karl III. von Spanien (1759-1788)" im Berliner Kunstgewerbemuseum entdeckt Christoph Schmälzle in der FAZ die Geschichte der europäischen Luxusmöbel neu - dank einer Zusammenarbeit zwischen Berlin und Madrid. Am spanischen Königshof hatte José Canops, geboren als Joseph Cnops im Herzogtum Limburg, gewirkt: Den Rezensenten "beeindrucken Canops' Möbel durch technische Perfektion, beinahe bildhauerische Plastizität und überreichen Intarsiendekor. Der Berliner Schreibtisch gehört zu den wenigen Stücken dieser exklusiven Produktion, die je den Madrider Palast verließen. Er braucht den Vergleich mit dem berühmten 'bureau du roi' Ludwigs XV. nicht zu scheuen, an dem Oeben und Riesener neun Jahre lang gearbeitet haben. Formal innovativ sind die durchgehend dekorierten Seitenwangen - sie negieren die ansonsten übliche Trennung von Tisch und Aufsatz. Vor allem frappieren die elegant gebogenen Beine. Sie haben ein Detail, das man eher in der Postmoderne erwarten würde, nämlich Augen. Das heißt, der Tisch blickt uns mit jedem seiner Beine an - er steht auf vier stilisierten Elefantenrüsseln."

Efeu - Die Kulturrundschau vom 27.12.2023 - Design

Nicht nur das von Pantone ausgerufene "Peach Fuzz" als Farbe des Jahres (unser Resümee) zeigt Peter Praschl (Welt): Der Trend geht in der Farbenwelt in Richtung Unaufgeregtheit - Entspannt- statt Grellheit. Hinzu kommt, dass immer mehr Prominente und "Instagram-Berühmtheiten" das Beige aus der Spießer- und Rentner-Ecke holen. Zu erleben "ist ein Minimalismus, der niemandem wehtut. Keine Kanten, nichts Hartes, nichts, das wie ein forsches Statement wirkt. Stattdessen: sandige Sanftheit, pastelliges Understatement." Ferner gibt es "in der westlichen Kultur eine äonenalte Farbenallergie, sagt der schottische Künstler und Autor David Batchelor, der ein lesenswertes Buch über 'Chromophobie' geschrieben hat, wie der wissenschaftliche Ausdruck für die Aversion gegen alles Bunte lautet. Seit der Antike, heißt es darin, werden Farben 'systematisch verdrängt, verleumdet, abgeschwächt und abgewertet'. ... Möglicherweise war Buntheit und Farbenpracht nur eine kurze Periode in der Geschichte der westlichen Kultur, eine Art kollektiver Rausch von Menschen, die plötzlich Kunststoffe und Textilien in industriellem Ausmaß färben konnten und einander aufreizen, anlocken und verwirren wollten, ehe sie schließlich doch noch bemerkten, dass die Langeweile von Beige, Greige und Pfirsich viel besser zu ihnen passt und gesünder für ihr mentales Wohlbefinden ist."
Stichwörter: Farbe, Beige

Efeu - Die Kulturrundschau vom 12.12.2023 - Design


Pantone legt sich fest: Die Farbe des Jahres ist "Peach Fuzz": "Pfirsichflaum wirkt wie etwas, was noch sehr viel vor, zugleich schon viel hinter sich hat", schreibt Gerhard Matzig in der SZ. "Insofern passt das zur Gegenwart. Orange minus Ganges: So lässt sich der ausgerufene Farbtrend auch beschreiben - wenn man schon nicht von Lachs-, Koralle- oder Apricot-Varianten sprechen will. Die Überschrift 'Pfirsich ist die Sommerfarbe, die wir jetzt überall tragen' stammt aus der Zeitschrift Freundin und zwar aus dem Sommer 2018. Aber gut. Eh wurscht."

Besprochen wird die Ausstellung "Talking Bodies" über Körperbilder im Plakat im Museum für Gestaltung in Zürich (NZZ).
Stichwörter: Farbe, Pantone, Pfirsichflaum, Korallen

Efeu - Die Kulturrundschau vom 02.12.2023 - Design

Völlig fassungslos steht SZ-Kritiker Gerhard Matzig vor dem "Cybertruck", den Elon Musks Tesla nun auf den Markt gebracht hat. Sieht aus, als wäre er aus dem letzten "Mad Max"-Film übriggeblieben: "Es ist das Aggro-Auto der Stunde, denn es ist geschaffen für eine postapokalyptische Ära, die einzig noch vom Futurismus des Elon Musk und vom Überleben einer gut motorisierten Minderheit auf diesem Planeten erzählt... Der Futurismus, den sich Faschisten wie Marinetti in Paris ausgedacht haben, erlebt heute in Austin/Texas sein Comeback - in Form des aggressivsten, vielleicht aber auch zeichenhaftesten und mit Sicherheit die Automobilgeschichte ins Explizite, ja pornografisch Obszöne vorantreibenden Autodesigns, das je erdacht wurde. Ken Adam, der Erfinder der Bond-Hauptquartiere des Bösen, wirkt so jutebeutelhaft versponnen wie Hundertwasser gegen die Schöpfer des Cybertruck-Designs... Musk lässt das Auto, das seiner Meinung nach die Zukunft repräsentiert, konsequenterweise nicht mehr als niedliche, rundbauchige, elegante oder auch nur funktionale Apparatur erscheinen - sondern als tödlich explosives Geschoss." Der Werbefilm lässt daran keinen Zweifel:

Stichwörter: Musk, Elon, Tesla, Autodesign, Auto

Efeu - Die Kulturrundschau vom 28.11.2023 - Design

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

Ein Beitrag geteilt von Olaf Scholz (@bundeskanzler)


Tillmann Prüfer denkt in seiner Stilkolumne für das Zeit Magazin über die politische Ästhetik der patinierten Leder-Aktentasche nach, der in der Ampel-Republik Olaf Scholz und Robert Habeck maßgeblich zum Comeback verholfen haben. Dies "dürfte damit zu tun haben, dass Männer in Deutschland sichtbar machen wollen, dass sie viel arbeiten. Wer eine Aktentasche hat, der muss offenbar wichtige Papiere mit sich herumtragen. Wer schon seit 40 Jahren Akten mit sich herumträgt, der ist schon seit 40 Jahren sehr ernsthaft dabei. Und wer in dieser ganzen Zeit nicht dazu gekommen ist, sich mal eine neue Tasche zuzulegen, muss einfach immer Wichtigeres zu tun gehabt haben. So ein Mann vertraut dem Bewährten, rennt nicht jedem Schnickschnack hinterher - so jemandem kann man vertrauen."