Essay

Wege in die Textsortenkompetenz

Von Christiane Kiesow
10.08.2016. Sind junge Autor_innen heute alle ich-bezogene Routiniers? Vielleicht mögen Kritiker, die regelmäßig die Autoren des Open-Mike-Wettbewerbs verreißen, ja gerade diese Autoren, weil man seine Kritik dann sozusagen im Schlaf schreiben kann. Vielleicht muss man nur genauer hingucken. Vielleicht lohnte es sich sogar, ein Schwarzbuch zum Open Mike zu machen? Eine Antwort auf Charlotte Krafft.
Charlotte Krafft hat ein vielbeachtetes Essay zur Lage der Nachwuchsliteratur geschrieben. Darin geht sie der Frage nach, inwiefern die Egozentrismus-Vorwürfe gegenüber jungen Autor_innen berechtigt sind. Ausgehend von der Diskussion um Open Mike Finalist_innen der letzten Jahre gelangt sie zu einer Gesamtbetrachtung der "Generation Y".

Gut ist: sie erkennt einen problematischen Zusammenhang zwischen Förderung und Vermarktung. Weniger gut: sie orientiert sich in ihrer Analyse hauptsächlich an Schriftsteller_innen, deren Bücher einander ähneln und an Äußerungen aus dem Feuilleton. Schlecht: Mit ihrem Text erneuert sie die Vorurteile gegenüber der jungen Generation. Und zwar - das ist eine Novität im Diskurs - noch bevor der diesjährige Literaturwettbewerb überhaupt stattgefunden hat.

Doch ganz auf Anfang.

Es gibt eine kleine Prügel-Tradition gegenüber den Finalist_innen des Open Mike in der Presse, das hat Krafft gut beobachtet: "Jedes Jahr im November überschwemmt eine neue Welle gelangweilter bis böser Kommentare mit unverminderter Kraft die Feuilletons und Literaturblogs." Statt jedoch an dieser Stelle kurz stehen zu bleiben und Medienmechanismen zu reflektieren, nimmt Krafft die Vorwürfe ernst und begibt sich sofort auf die Suche nach Gründen: "dem aufmerksamen Beobachter dieser Debatte [stellt sich] die Frage, woran es denn liegen mag, dass die jungen Teilnehmer des open mike nach (überwiegender) Meinung der Presse alle die selbe anämische Prosa produzieren."

Denkbar wäre aber auch, dass sich der aufmerksamen Beobachterin dieser Debatte zunächst die Frage stellt, woran es denn liegen mag, dass die engagierten Jounalist_innen alle die selbe redundante Kritik reproduzieren. Vielleicht gibt es besonders beliebte Diskursfiguren? Denn die aufmerksame Beobachterin ist sich bewusst, dass Presseartikel auch nur Texte sind. Texte, die von Autor_innen geschrieben werden. Texte, die vermarktet werden.

Demonstrative Überlegenheitsgesten wie etwa von Florian Kessler in der Zeit: "Jede Bildungsreisen-Rentnergruppe im Berliner Ensemble unterhält sich inhaltlich angeregter als die jungen Schriftsteller dieses Landes.", zielen offenkundig auf Unterhaltung ab. Oder Dana Buchzik, die in der Welt den Vorwurf des "gleichförmigen Narzissmus" bei den Texten ihrer Generation bestätigt sieht und sich langweilt - auf ihrem literarischen Schreibblog selbst aber ein erzählendes Ich sehr stark macht. Sie gibt offen zu, dass ihr bei der Schilderung des Wettbewerbs an einem pointierten Stil gelegen war, "dazu gehört auch, dass bei zwanzig Wettbewerbstexten nicht jeder en detail besprochen werden kann".

"Es gab keine Geschichte, von der ich hätte wissen wollen, wie sie ausgeht", klagte Juror Maxim Biller beim Open Mike 2006, an dem Julia Zange gewann. Mittlerweile hat er sich's anders überlegt: "Das kann nur Julia Zange: Alle zehn Jahre ein Buch schreiben, das man nicht mehr vergisst!" Nun ja.

Krafft schreibt: "Die gleichbleibenden Stichworte der Kritik: Nabelschau, Homogenität, Sterilität, Mittelmaß, Inhaltslosigkeit, Mutlosigkeit, fehlende Leidenschaft, zu viel 'Ich', zu wenige Ecken, zu wenig Fantasie, zu wenig Experiment." Daraus ließe sich auch schlussfolgern, dass es die Kritiker_innen einfach an Originalität vermissen lassen. Und darüber hinaus, dass solche Artikel schon von der Textsorte her gar nicht unbedingt auf sachliche Analyse ausgelegt sind. Die führt zwar zu verlässlicheren Ergebnissen, ist aber meist trocken und wenig unterhaltsam.

Die Kritik an der Kritik zu vernachlässigen, würde einer aufmerksamen Beobachterin außerdem sehr schwerfallen. So sind z.B. im Rahmen der Kessler-Debatte unzählige gewichtige Einwände formuliert worden. Warum finden sie so wenig Gehör?


Erster blinder Fleck: Literatur ≠ Prosa

Wer den gewagten Versuch unternimmt, sich zu einer Gesamteinschätzung über den "deutschen literarischen Nachwuchs" aufzuschwingen, darf wesentliche Teile der Gegenwartsliteratur nicht unterschlagen: z.B. die Lyrik. Klingt simpel, ist auch so.

Wer erstens zugesteht, dass es junge schreibende Lyriker_innen gibt (z.B. Yevgeniy Breyger, Richard Duraj, Kathrin Bach, Alexander Kappe, Tobias Amslinger, Özlem Özgül Dündar, Lara Rüter, Tristan Marquardt, Rike Scheffler, Linus Westheuser, Martin Piekar, Jan Skudlarek, Lea Schneider, Léonce W. Lupette), und zweitens, dass Lyrik erst einmal etwas anderes ist als Prosa - muss zu folgendem Ergebnis kommen: Es stimmt nicht, dass alle Jungliterat_innen anämische Prosa schreiben. Beweisführung abgeschlossen. Fall zu den Akten.

Wem Lyrik als Nischensparte in der Diskussion unerheblich vorkommen mag, der sei auf die Überlegung verwiesen, dass gerade der geringe Vermarktungswert von Gedichten einen positiven Einfluss auf das Schreiben haben kann. Mehr Unabhängigkeit.


Zweiter blinder Fleck - Auswahlprozesse

Es geschieht bei Literaturpreisen und ähnlichen Prämierungsprozessen häufiger, dass das Ergebnis jemanden nicht zufrieden stimmt. Die Kritik richtet sich dann aber in 90 Prozent der Fälle an die Gegenwartsliterat_innen. Dabei gelangt nur ein Bruchteil der eingesendeten Texte an die Öffentlichkeit. Induktiv wird aber geschlussfolgert: was nicht ausgezeichnet wird, existiert nicht. Es sind jedoch Juror_innen und Herausgeber_innen, die für die Auswahl verantwortlich zeichnen, mit eigenen Poetiken, Interessen, Vorlieben. Trotzdem wird ihnen in der Diskussion oftmals eine Art politische Immunität zugesprochen. Expertenstatus eben. (Hinzu kommt, dass die Nicht-Prämierten sich aus verständlichen Gründen nicht zu Wort melden: es kommt einem öffentlichen Versagens-Eingeständnis gleich. Außerdem sähen sie sich schnell dem Neid-Vorwurf ausgesetzt.)

Ein schönes Fallbeispiel ereignete sich jüngst um das Jahrbuch der Lyrik 2015. Die Zeit-Redakteurin Heike Kunert behauptete, es gäbe darin "so gut wie kein politisches, zumindest gesellschaftskritisches Gedicht". Sie schlussfolgert für die Gegenwartslyrik: "Es ist kein guter Jahrgang". Dem gegenüber stand die Bemerkung der Mitherausgeberin Nora Gomringer, dass manch einer "in der Auswahl des Bandes natürlich Dinge vermissen [wird], die die Herausgeber bei den Einsendungen nicht finden konnten." Das warf die Frage auf, ob das Fehlen bestimmter Texte auf ihr Fehlen in der Gegenwartsdichtung generell schließen lasse, oder ob es nicht vielmehr auf die Auswahlkriterien für den Band zurückzuführen sei. Daraufhin rief der Dichter und Verleger Kai Pohl alle Dichter_innen auf, ihm Texte zu schicken, die nicht im aktuellen Jahrbuch der Lyrik 2015 vertreten sind. Das Ergebnis: "Fünfzigtausend Anschläge. Schwarzbuch der Lyrik" - eine Anthologie politischer Gedichte.

Wer weiß - vielleicht lohnte es sich, ein Schwarzbuch zum Open Mike zu machen? Übrigens geht es nicht jedem, der auf Auswahlprozesse hinweist, immer darum, eine Jury zu verurteilen. Wichtig ist aber, sich zu vergegenwärtigen, dass die Siegertexte eines Wettbewerbs viel eher einen Jurygeschmack abbilden als einen verlässlichen Querschnitt dessen, was derzeit an junger Literatur produziert wird.

Auswahl findet natürlich auch schon statt, bevor eine Jury Texte sichtet. So gibt es beispielsweise Autor_innen, die sowohl Prosa als auch Lyrik schreiben, für das Open Mike aber tendenziell eher Prosa einreichen, weil diese im Erfolgsfall mehr Aufmerksamkeit erhält. Auch geben sich Student_innen am Deutschen Literaturinstitut Leipzig untereinander den Tipp, nicht zu ambitionierte Texte zu senden, weil sie nicht durch die Vorjury kommen.

Es ist so eine Sache mit Professionalität. Denkbar ist, dass Normabweichungen häufig als Fehler eines ungefestigten Stils gelesen werden und gerade gegenüber jungen Autor_innen ein Misstrauen vorherrscht, dass dahinter bereits gereifte künstlerische Entscheidungen stehen können. Das ist bloß menschlich. Das Alter der Einsender_innen spielt eine nicht unerhebliche Rolle, wenn es um Textvertrauen geht. Überhaupt drängt sich der Eindruck auf, dass die Kritik am literarischen Nachwuchs oft eher eine Generationskritik ist als ein ernsthaftes Ringen um Poetiken.


….und was ist das überhaupt für ein Vorwurf?

Womöglich stimmt es auch gar nicht, dass alle Autor_innen authentisch schreiben, denen solches unterstellt wird. Vieles, was als Selbstdarstellung eigener Erfahrung gelesen wird, könnte auch das Resultat guter Recherche und einer gelungenen literarischen Suggestion sein. Dann wäre die Erzähltechnik bewusst einkalkuliert - etwa, um leichte Zugänglichkeit zu erzeugen für schwierige Themen.

taz-Kritikerin Angela Leinen bemerkt:"Schreiben können sie ja auch alle, irgendwie." Jana Hensel stellt fest: "20-Jährige können gut schreiben. Aber [...]" Und "Erschreckend professionelle Jungautoren", heißt es bei Heike Kunert. Man muss schon ein bisschen um die Ecke denken, um zu begreifen, wie sich solche Beobachtungen in Vorwürfe verwandeln lassen.

Könnte es nicht auch als Souveränität gedeutet werden, dass die Jury des Open Mike nicht auf die anhaltende Kritik aus dem Feuilleton reagiert, sondern konsequent ihre eigenen Qualitäts-Kriterien vertritt? Man stelle sich vor, wie das wohl wäre, wenn die Presse nicht nur ihre eigenen Themen bestimmte sondern auch noch, was in der Literatur relevant zu sein hat.


Dritter blinder Fleck - Aufmerksamkeitsverteilung und Sichtbarkeit

Das alles heißt natürlich nicht, dass anämische Nabelschau-Prosa nicht existieren würde. Charlotte Krafft hat einige Beispiele genannt. Was macht man nun damit? Ist das eigentlich neu? Wurde nicht immer schon auch viel schlechtes Zeug geschrieben? Liegt hier heimlich eine "früher war alles besser"-Argumentation zugrunde?

Entscheidend ist vielmehr, welchen Texten Aufmerksamkeit zugesprochen wird. Und da ist auffällig, dass die egozentrische Prosa viel abbekommt. Hier herrscht das eigentliche Ungleichgewicht. Ältere Semester widmen sich solchen Texten vielleicht aus einem Jugend-Voyeurismus heraus, wer weiß? Jüngere, unbescholtene Leser_innen können sich damit am schnellsten identifizieren? Lesegewohnheiten, die sich aus der Beschäftigung mit Instagram, Twitter, Facebook, Blogs - also dem häufigen Lesen von Selbstdarstellungen im Internet ergeben, werden hier vielleicht besonders gut bedient?

Schade ist, dass Krafft mit ihrem Essay letztlich auch nur wieder geläufige Namen nennt und deren Bekanntheit damit weiter verfestigt, statt auf Autor_innen zu verweisen, die etwas anders machen. Oft lohnt sich an dieser Stelle auch ein Blick über Großverlage hinaus in die Independent-Verlage.

Titus Meyer (*1986), hat 2016 mit "Andere DNA" den weltweit längsten (deutschen) Palindromtext vorgelegt. Dorothea Schwaab (*1985) veröffentlichte 2008 zusammen mit Melanie Laibl das Kinderbuch "Ein Waldwicht fliegt in den Oman". Luise Boege (*1985) debütierte 2015 mit der Beziehungsgeschichte "Kaspars Freundin" in Form einer Schauernovelle. Annika Scheffel (*1983) schrieb mit "Ben" 2010 einen Roman im Märchenstil. Judith Schalansky (*1980) reflektierte 2011 mit "Der Hals der Giraffe" die Form des Bildungsromans. Ann Cotten*(1982), veröffentlichte 2016 einen fulminanten Versepos in 403 Pseudospenserstrophen. Der 2012 publizierte Roman "Indigo" von Clemens Setz (*1982) montiert verschiedene Textsorten zu einer Geschichte zusammen. Mara Genschel (*1982) verweigert sich dem Literaturbetrieb und stellt ihre Lyrik-Hefte "Referenzflächen" selbstständig her. Sie betrachtet den Buchmarkt als Affirmationsmaschine (mehr hier).

Diesen Autor_innen (und es ist nur eine höchst ungerechte und nicht repräsentative Auswahl) ist die "Angst vor Epigonalität, die Angst vor Meinungen, die Angst vor Entscheidungen, die Angst vor dem unergründbaren Fremden, vor Träumen" nicht so einfach nachzuweisen.


Der Ruf nach neuen Inhalten

Der Ruf nach neuen Inhalten ist poetologisch lahm. Ein Ruf nach Formenvielfalt hingegen erweist sich als fruchtbar. Denn mit anderen Formen findet man zu anderem Denken. Wer Romane als erweiterte Blogbeiträge versteht, gelangt automatisch zu einem ich-fixierteren Schreiben als jemand, der sich z.B. an Montage- oder Anagrammgedichten ausprobiert, postdigitale Märchen oder Essays zu fiktiven Personen und Themen entwirft. Wem es schwerfällt, von sich wegzudenken, der kann sich diesem "Schreibzwang" aussetzen, das hilft. Es muss nicht gleich Oulipo sein, aber der Grundgedanke stimmt. Bevor das geschehen kann, muss natürlich auch viel gelesen werden. Textsortenkompetenz lautet hier das Stichwort. Die eben erwähnten Autor_innen sind versiert darin und deswegen sind sie so spannend zu lesen. Dort muss man ansetzen. Von dort muss man weiterschreiben.

Wie wäre es zum Abschluss mal mit etwas Unkonventionellem innerhalb der Debatte - ein Blick in die Anfänge einiger prämierter Open Mike Texte. Ohne wertenden Kommentar. Ohne Kritik. Reines Lesen.


Matthias Senkel - Peng. Peng. Peng. Peng.

Parabellum I
Die Pistole meines Urgroßvaters Franz Gründel war bisher in den Tod
folgender Personen verwickelt:

Jeremiah Regoldt,Handelsvertreter (1933),
Felicité Samoa Rötschke, mutmaßliche Spionin (1944),
Sarkis Karabekian alias Sergej Karabekow, Frontaufklärer (1945),
und Wolfgang Plöthner (1945).

Wolfgang hatte die Pistole kurz nach seinem dreizehnten Geburtstag in
den Trümmern des Nachbarhauses gefunden - gerade zur rechten Zeit,
um dem bolschewistischen Mongolensturm zu entkommen. Man hatte ihn wiederholt vor der Gefahr gewarnt, Sklave der Untermenschen zu werden, falls der Russe die Stadt erobern würde. Der einzige Russe, dem Wolfgang je begegnete, war der armenischstämmige Georgier Sergej Karabekow. [...]


Joseph Felix Ernst - Dora Diamant

Vorrede: Wharekauri
"Franz."
Kafka stand auf Kies, der wie ein verschlungenes graues Haarband sich über grasige Hügel, Bodenhebungen, ebensolche Senkungen und flaches Gelände, durch die feinsehnigen Rasenflächen um den Wannsee zu einem Weg sich streckte, welcher dem Schein nach, und zwar indem er in vielen Kurven, Krümmungen, Kehrtwenden, Haken und Schlinge, mal um jene Weide, mal durch Birken und Asterwiesen, kleine Einfriedungen und Marter sich flocht, jeglicher Zielstrebigkeit bar erschien und in diesem Wesen mehr als jeglicher Weg davon zeugte, keinem anderen Zweck zu dienen als dem Spazieren. Sohlen aus strammem Rindsleder oder vulkanisiertem Kautschuk quetschten unzählige Löcher, die zwischen Kieselsteinen und Splitt des Pfades den Ausgang unterirdischer Erdameisen-, Transistorkäfer- oder Hundertfüßerbauten bildeten. Unbarmherzig in seinem Lauf deckendes Erdreich unter dem Kies verschiebend trieb Kafkas Schnürschuhsohle Granitsplitter, Lehmversatz und Kalksteinschotter in die Eingangshöhlung eines Ameisenvolkes, während Dora das trockene Knirschen übertönte. [...]


Inger-Maria Mahlke - 3. Kapitel: Potulski I

"Bitte", sagte er und weil sie sich vor dem dunklen Flur fürchten konnte, griff er an ihr vorbei nach dem Lichtschalter, doch der Lichtschalter war weg. Nur Raufasertapetenhubbel, er tastete höher, Metall stieß gegen Metall - das Schlüsselbrett, weiter unten, nicht da, wie konnte das sein, nur
hubbelige Raufaser und er wusste, seine Finger zitterten. "Moment, ich mache kurz Licht", sagte er. "Damit Sie auch was sehen können", sagte er und schämte sich sogleich. Eine gerade Kante berührte seine Finger, gerade und plastikglatt und hart, seine Finger glitten über den Sockel, erleichtert sah er hoch. Zur Schale aus weißem Glas mit Glühbirne dahinter. Und zwischen Glühbirne und Schalental, und er war sich sicher, er hatte sie noch nie gesehen, Insektenschatten. Gespreizte Flügelpaare und steife Beine, bullige Wespenkörper, dreieckige Motten, zentimeterlange Nachtfalter, in der Mitte so dicht liegend, dass er die einzelnen Tiere nicht mehr ausmachen konnte. Die Schale gut gefüllt und lange tot und er war sicher, er hatte sie noch nie gesehen.
"Bitte", wiederholte er und trat einen Schritt zurück, sodass zwischen ihm und ihr eine ausreichende Menge Luft verbleiben würde, wenn sie an ihm vorbeiging. []


Thien Tran - Gedichte


ONE POEM
FOR TWO INTELLIGENT MAN
on fluxus
gegeben sei: eine Person A
die ihren Kaffee nach rechts rührt
und gegeben sei: eine Person B
die ihn nach links rührt
die Reibung an der Oberfläche der Augen
würde ungefähr eine Spannung
von 0.001 Minivolt
erzeugen [...]