Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
10.05.2001.

FAZ, 10.05.2001

Die Hinrichtung Timothy McVeighs soll ja nun nicht öffentlich übertragen werden. Rainer Maria Kiesow aber stellt die provozierende Frage, ob nicht gerade eine öffentliche Hinrichtung ihr Gutes gehabt hätte: "Wer weiß? Jedenfalls hat die ubiquitäre Gemeinde von Fleischessern, die sich jahrzehntelang unbekümmert an tranchierten Teilen von ruhig, ohne Aufsehen in den Schlachthäusern getöteten Tieren labten, die im Fernsehen zu sehenden Autodafes unserer vegetarischen Sauggenossen nicht unberührt gelassen. Plötzlich setzte das große Nachdenken ein. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es, wenn es um Menschen geht, nicht anders wäre. Dies würde auch der alten Beobachtung Foucaults entsprechen, dass Bestrafung ein autonomer, also ruhiger, abgekapselter Sektor wurde, nicht zuletzt, weil dem Fest der Martern mit der Zeit nichts Glorioses mehr anhaftete und das Fest Abscheu auszulösen begann. Also mussten um das Schlachten herum Mauern errichtet werden, die eine exklusive Innenwelt schufen. Diese Mauern durch das Fernsehen einzureißen könnte den öffentlichen Ekel wiederaufleben lassen." McVeighs Hinrichtung widmen wir auch unseren Link des Tages.

Jürg Altwegg meditiert zum 20. Jahrestag von Francois Mitterrands Regierungsantritt noch einmal über die Frage, warum zwar eigentlich bekannt war und dennoch so spät bewusst wurde, dass der Mann in Vichy verstrickt war: "Schon 1984 behaupteten die Abgeordneten Jacques Toubon und Alain Madelin, auch Mitterrand habe eine Vergangenheit. Zur Strafe wurden ihre Bezüge halbiert. Keine Zeitung ging der Geschichte nach. Die Annäherung an die Wahrheit erfolgte im Gleichschritt mit der Rückkehr der verdrängten Vichy-Vergangenheit. In der Symbiose von Mitterrands Lebenslügen und Frankreichs Resistance-Mythen steckt das Geheimnis seiner einzigartigen Langlebigkeit als Präsident."

Auch Österreich ist ein Rätsel, schreibt die Wiener Kulturkorrespondentin Eva Menasse in einem Tagungsbericht über das Ende des österreichischen Erfolgsmodells. Bis 1986 sei alles gut gelaufen, man habe in "innenpolitischer Harmonie" gelebt: "Seit der Waldheim-Affäre muss sich das Land selbst für das rechtfertigen, was es bis dahin für seine großen Leistungen hielt - den stillschweigenden Wiederaufbau, die alles erstickende innenpolitische Harmonie, die außenpolitische Zurückhaltung - von Kreiskys Palästina-Engagement einmal abgesehen -, die hochgereckte Neutralität eben in jeder Hinsicht. Seit der Waldheim-Affäre wird diese beflissene Harmoniesucht für die wohlkalkulierte Maskerade einer Verdrängung gehalten. Aus einem Volk von feschen Skilehrern, gemütlichen Gastwirten und schrulligen Fiakerfahrern war offenbar über Nacht eine Bande Ewiggestriger geworden, zu deren Züchtigung jede Irrationalität - erst Sanktionen, dann ein 'Weisenrat' - vertretbar schien."

Weitere Artikel: Katja Gelinsky erzählt die Geschichte des Düsseldorfer Anwalts Peter Wolz: Er vertritt eine Sammelklage gegen die amerikanische Regierung wegen Beteiligung am Völkermord an den europäischen Juden ? Argument ist, dass die Alliierten Auschwitz nicht bombardierten und sich zum Teil an jüdischem Beutegut bereicherten, das sie den Nazis abgejagt hätten. Der Jurist Rainer Beckmann plädiert eine Seite lang gegen gegen die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik. Joseph Croitoru liest israelische und palästinensische Zeitschriften, in denen er Dokumente der gegenseitigen Verhärtung findet. Achim Bahnen resümiert eine Tagung über "König Fußball" in der Evangelischen Akademie Tutzing. Harald Hartung schreibt zum Tod des Dichters Johannes Poethen. Josef Oehrlein hat die Buchmesse in Buenos Aires besucht. Andreas Kilb gratuliert dem italienischen Regisseur Ettore Scola zum Siebzigsten.

Auf der Bücher-und-Themen-Seite untersucht Georg Eickhoff amerikanische Ratgeber für das Verfassen wissenschaftlicher Texte, die man manchem deutschen Akademiker wahrscheinlich wämrstens ans Herz legen sollte: "Schließlich ließe sich vielleicht auch die Habilitation retten, wenn ordentlich geschrieben wird."

Die große Besprechung auf der Aufmacherseite widmet sich der El Greco-Ausstellung in Wien. "El Greco hat der katholischen Gegenreformation auf eine uns heute paradox erscheinende Weise treu gedient. Die Körperrhythmik und Ekstatik seiner heiligen Figuren ist mühsam verdrängte und zugleich großartig sublimierte Erotik", schreibt Peter Gorsen.
Besprochen werden außerdem Sonny Rollins Deutschlandtournee, Arbeiten Anton Hennings in Ulm, Jacques Fromental Halevys Oper "Der Blitz" in Aachen, Choreografien Jonathan Burrows und Jan Ritsemas in Frankfurt, die Oberhausener Kurzfilmtage und eine Twombly-Ausstellung in Washington.

SZ, 10.05.2001

Eine ganze Seite widmet das Münchner Feuilleton dem angeblich grassierenden Antiamerikanismus in der Kunst. Fritz Göttler meditiert im Aufmacher über uns und die Amerikaner: "Das hässliche Amerika ist Realität, das Land, das einige Nasenstüber einstecken musste, das Land von Brando, Nicholson, de Niro. Das aber, wenn es selbst in den Spiegel schaut, immer nur 'America the Beautiful' entdeckt. Ein unerschütterlicher Narzissmus, für Außenstehende unerträglich." Im Dossier geht's unter anderem um Antiamerikanismus in der Kunst, in der Architektur, beim Essen und selbst beim Automobil.

Thomas Kniebe schreibt aus Cannes, ohne bereits viel schreiben zu können. Im Programm hat er die üblichen Verdächtigen entdeckt: "Oliveira, Moretti, Haneke sind im Wettbewerb. Sie hocken in Cannes wie in einer uneinnehmbaren Festung, ein fröhlicher alter Freundeskreis, der sich am liebsten selbst feiert."

Michael Althen schildert unterdes wie Claire Denis in ihrem Film "Beau travail", der in München gerade anläuft, den Kampfübungen der Fremdenlegion "Anmut, Grazie und fast Zärtlichkeit abgewinnt. Manche der Übungen sind so undurchdringlich wie fernöstliche Zeremonien." Im Interview mit Althen spricht Denis über Dschibuti, wo sie den Film drehte: "Ich habe in Dschibuti gelebt, als ich sieben, acht Jahre alt war. Ich erinnere mich an unser Haus, an meinen kleinen gelben Hund und an die Salzwüste. Wenn man Dschibuti einmal gesehen hat, kann man es nicht mehr vergessen."

Alexander Hosch beschreibt die neueste Mode in der Architektur: Man macht Architektur für die Mode. Dass Rem Kohlhaas und die Basler Architekten Herzog & de Meuron Boutiquen für Prada bauen, war bereits bekannt. Hosch zählt weitere Beispiele auf: "Richard Gluckman entwarf für Helmut Lang eine Parfum-Boutique, Future Systems baut für Comme des Garcons, John Pawson für Calvin Klein, David Chipperfield für Dolce & Gabbana. Renzo Piano gestaltet das Hermes-Hauptquartier in Tokio."

Weitere Artikel: Johannes Willms hat sich eine Ausstellung über Queen Victoria im Schloss Callenberg bei Coburg angesehen. Arezu Weitholz schreibt über ihre Erfahrung als Jurymitglied bei den Oberhausener Kurzfilmtagen. Kurt Oesterle schreibt zum Tod von Johannes Poethen. Holger Liebs berichtet über launische Reaktionen des Kunsthandels auf Werke der Sammlung Berggruen. Und Henning Klüver resümiert die Erfolge der italienischen Kulturpolitik ? die aber im Wahlkampf kaum eine Rolle zu spielen scheinen.

Besprochen werden außerdem der Film "Men of Honor", David Sawers satirische Oper "Von morgens bis mitternachts" nach Georg Kaiser in London und Richard Evans Buch über die Todesstrafe (siehe auch unsere Bücherschau des Tages heute ab 14 Uhr)

FR, 10.05.2001

Martina Meister kommt auf den General Aussaresses zu sprechen, der in seinen Memoiren fröhlich darüber berichtet, wie er im Algerienkrieg folterte. Le Monde druckte einen Auszug und ein Interview. Und "schon die Lektüre des veröffentlichten Auszugs lässt den Zynismus, ja das Vergnügen erahnen, mit dem der senile General von seinen Gräueltaten erzählt und die damalige sozialistische Regierung in keinem guten Licht dastehen lässt. Mitterrand war damals übrigens Justizminister und soll die Schaffung der 'legalen Voraussetzungen' der Folter insgeheim als seinen 'größten politischen Fehler' bezeichnet haben." Aber nur insgeheim.

Wird Habermas nach seiner inzwischen schon legendären Chinareise für länger nach China zurückkehren? Rudolf Walther hat den Philosophen getroffen und bringt folgende Episode mit: "Zur Verblüffung von Habermas lud ihn der Vizepräsident für 'ein Jahr oder wenigstens ein halbes' als Gastprofessor ein. Auf die Warnung, der Gast könne sich als 'ein subversives Element' erweisen, konterte der Chinese trocken: 'Wir sind doch alle Hegelianer, die Philosophie ist dazu da, auch dem Subversiven subversiv zu begegnen.'"

Über "wilden Zement" in Italien berichtet Gabriella Vitiello. "Illegales Bauen ist in Italien bereits seit Jahrhunderten ein Problem. In den vergangenen vier Jahren wurden in Italien 163 391 illegale Häuser gebaut, so die Statistik von Legambiente. 19,8 Prozent des unzulässigen Zements finden sich auf kampanischem Terrain. Das entspricht 32 351 Objekten. Die Abrissliste der Stadtverwaltung von Pompeji verzeichnet 2500 Häuser, in Ercolano sind es 991, und lediglich je zehn wurden tatsächlich in Schutthaufen verwandelt."

Weitere Artikel: Michael Kohler berichtet über die Kurzfilmtage in Oberhausen. Johannes Wendland hat sich zwei Ausstellungen von Günther Uecker in Weimar angesehen. Besprochen werden außerdem die Wiener Dramatisierung von Sandor Marais Bestseller "Die Glut", Sonny Rollins auf Deutschlandtournee, die Ausstellung "as found" im Museum für Gestaltung Zürich und Janaceks "Schlaues Füchslein" in Gent.

NZZ, 10.05.2001

Tja, das "Sturmgeschütz der Demokratie", Rudolf Augsteins Spiegel, gerät nun auch in den Sog der Vergangenheitsbewältigung. Hans Leyendecker, ehemals Spiegel-, jetzt SZ-Redakteur sollte eine Diskussion des ASG-Bildungsforums über die Frühzeit des Magazins leiten und machte dabei nach Joachim Güntner "keine übermäßig gute Figur. Doch wie sollte er auch? Was der Medienwissenschaftler Lutz Hachmeister über die vom jungen Rudolf Augstein in der Nachkriegszeit für sein Blatt akquirierten Alt- Nazis zu berichten weiß, wäre für jeden Advokaten ein zu dicker Brocken. Zwei von fünf Ressortleitern waren SS-Hauptsturmführer gewesen, als Südamerika-Korrespondent figurierte Goebbels' ehemaliger Chefadjutant, aus Berlin berichtete der frühere Leiter von Ribbentrops 'Auslandspresseclub', und ein ehemaliges Mitglied der Reichskriminalpolizei heuerte Augstein an, damit dieser eine Geschichte seiner Organisation für den 'Spiegel' schrieb. Von einem 'Netzwerk alter Kameraden', die teilweise mit rassistischen Artikeln ihr 'altes Weltbild nahezu bruchlos ins Blatt brachten', sprach Hachmeister."

Peter Hagmann denkt anhand einiger CDs über den Erfolg des jungen britischen Komponisten Thomas Ades nach: "Man könnte an den kometenhaften Aufstieg des jungen Wolfgang Rihm denken, führte der Vergleich nicht so gründlich in die Irre. Mit Rihm mag Ades eine ausgeprägte Assimilationskraft verbinden, doch gibt sich seine Handschrift bei weitem versöhnlicher, um nicht zu sagen: angepasster. Das Neue, das sich Ades einfallen lässt, lebt von einer spezifischen Eingänglichkeit - das mag den Komponisten für ein Publikum, das sich mit den musikalischen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts noch immer schwer tut, zu einem Hoffnungsträger werden lassen."

Weitere Artikel: Angelika Affentranger-Kirchrath schreibt über das Ende der Ära Tina Grütter im Museum Allerheiligen Schaffhausen. Ueli Bernays resümiert die Kurzfilmtage in Oberhausen. Besprochen werden auch einige Bücher, darunter Don DeLillos "Körperzeit" und Essays von Gerhard Nebel (siehe unsere Bücherschau ab 14 Uhr).

Zeit, 10.05.2001

Gustav Seibt hat die Berliner Ausstellung zum 300. Krönungsjubiläum des ersten preußischen König Friedrich I. gesehen, sozusagen das Gesellenstück Hans Ottomeyers, der nach Christoph Stölzl die Leitung des Deutschen Historischen Museums übernommen hat. Aber zufrieden ist der Rezensent nicht. Zu sehr gerät ihm Friedrich I. in der Ausstellung zum "barocken Exponenten der deutschen Verwestlichung, der, allen Sonderwegen abhold, mit vollen Händen absolutistisch verschwendete, wie der Franzose es ihm vormachte. Selten hat man die vernebelnde Funktion der von Helmut Kohls Europapolitik inspirierten Gründungsideologie des Deutschen Historischen Museums in so reiner Form erlebt... Dieses offiziöse Geschichtsbild versucht, möglichst viel von der deutschen Vergangenheit unter die Kriterien des Weltlichen und des Föderalen zu bringen. Das alte Reich wird zu einer Vorform des Bonner Staates; und fast alles in Deutschland, außer der 'kurzen Episode des 'Dritten Reichs', soll so wie im übrigen Europa auch gewesen sein, vom Absolutismus bis zum Nationalstaat."

Christoph Türcke kommentiert die Bestrebungen ominöser Internetfirmen, die kommende Hinrichtung des Attentäters McVeigh öffentlich auszustrahlen: "Bei der rituellen Tötung im Namen des Volkes, ausgestrahlt für alles Volk, tritt das Medium übrigens erst ganz in sein theologisches Element. Es hält mit nichts mehr zurück und leistet, was seine Gemeinde, bewusst oder unbewusst, immer schon in ihm gesucht hat. In Echtzeit."

Thomas Groß porträtiert die lettische Band Brainstorm, die letztes Jahr beim Grand Prix d'Eurovision reüssierte und jetzt von einer europäischen Karriere träumt. "Einfach ist es .. nicht, eine lettische Band nach vorn zu bringen. Bei MTV zum Beispiel wollen sie das Brainstorm-Video nicht spielen, weil das Schlager-Image des Grand Prix nicht zur Programmschiene passt." In Lettland soll die Band aber schon ziemlich berühmt sein.

Jürgen Habermas antwortet in einem von Georg Blume arrangierten Gespräch auf die Fragen chinesischer Intellektueller, zum Beispiel auf diese: "Sind Sie ein Optimist oder ein Pessimist?" Und Habermas sagt: "Theoretisch ein Pessimist, in der Praxis ? als guter Kantianer ? muss ich mich als ein Optimist verhalten." Warum muss er das?

Weitere Artikel: Merten Worthmann schildert die internationalen Erfolge der deutschen (mit Wim Wenders liierten) Filmfirma Road Movies, die gerade Ken Loachs neuen Film "Brad and Roses" in 20 Länder verkaufte. Achatz Müller beschreibt die Kampagnen italienischer Intellektueller gegen Berlusconi ? am 13. Mai ist Wahl ? und kombiniert dieses Thema kurioserweise mit der Rezension dreier Ausstellungen. (Interessanter ist in diesem Zusammenhang vielleicht der aktuelle Hinweis auf einen Artikel von Umberto Eco im italienischen Onlinemagazin Golem. Eco erklärt hier die Wahlen am Sonntag zu einem "moralischen Referendum, dem sich keiner entziehen darf".) In der Leitglosse kommentiert Hanno Rauterberg folgenden Plan der Hamburger Stadtväter: Mitten in der Innenstadt, "keine 100 Meter vom Rathaus entfernt", sollen "ganze Häuserblöcke niedergerissen werden, Bauten zumeist aus der Zeit um 1900, nur um eine gewaltige Glasglocke für eine Einkaufspassage zu errichten." Damit niemand mehr sagen kann, dass es in Hamburg ständig regnet?

Besprochen werden Peter Zadeks Inszenierung von "Bash" in Hamburg, eine Dauerausstellung über die Beteiligung der Polizei an NS-Verbrechen in der Villa ten Hompel in Münster und Spike Lees Film "It's Showtime".

Aufmacher des Literaturteils ist Volker Ullrichs Kritik über Richard J. Evans' Buch "Rituale der Vergeltung", das die Geschichte der Todesstrafe in Deutschland behandelt. (Siehe auch unsere Bücherschau des Tages heute ab 14 Uhr)

TAZ, 10.05.2001

Das ist Journalismus! Katja Nicodemus war ein bisschen schneller als die anderen und hat über den Eröffnungsfilm von Cannes, Baz Luhrmanns "Moulin Rouge", schon geschrieben: "Manchmal fehlt Luhrmanns wildem, tingeligem Potpourri der Rhythmus, und so ganz haut es auch nicht hin, wenn die dürre Nicole Kidman als strassbesetzte Queen des Pariser Sündenpfuhls versucht, den Cancan neu zu erfinden. Aber 'Moulin Rouge' ist einfach zu sympathisch, zu infantil und besteht aus zu viel buntem Papmache, um richtig schlecht zu sein."

In Deutschland ist weithin unbekannt, dass die Währungspolitik einiger afrikanischer Staaten (wie etwa dem Senegal) immer noch von Frankreich gesteuert wird. Volker Weidermann hat sich darüber mit dem senegalesischen Philosophen Souleymane Bachir Diagne unterhalten. Er sagt: "Wir wollen eine Währung, die in das Euro-System integriert ist. Die postkoloniale Abhängigkeit von Frankreich muss aufhören. Sie wird übrigens, so denke ich, spätestens in zwei Jahren ohnehin enden, wenn Länder wie Nigeria und Ghana in die gemeinsame Währungszone drängen. Sie werden sich mit einer überkommenen Bindung an den Franc, eine verschwundene Währung, nicht einverstanden erklären."

Mehr Sturmgeschütz als Demokratie? Auch Gisa Funck hat der Tagung über das Magazin von Rudolf Augstein (der am Sonntag den Börne-Preis erhält) zugehört: "Dass sich der Spiegel mit der eigenen Geschichtsaufarbeitung schwer tut, beweist auch die neueste Debatte um den Reichstagsbrand. Tatsächlich gelang es dem Spiegel, die These vom Alleintäter van der Lubbe kanonisch durchzusetzen. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gelangte nun neues Aktenmaterial ins Berliner Bundesarchiv, das Zweifel an der Van-der-Lubbe-Version aufkommen ließ. Das Magazin konterte prompt. Zehn Seiten widmete der Spiegel vom 9. April dem Disput. Und obwohl eingeräumt wurde, dass es 'bei fast allen großen Kriminalfällen ein Restquantum an widersprüchlichen Zeugenaussagen (gibt)', kanzelte man die vier Historiker im Vorwort als 'akademische Außenseiter' ab. Für Hachmeister die typische Reaktion einer 'männerbündischen Organisation'."

Weitere Artikel: Hamlet-Darsteller Sebastian Rudolph liefert die fünfte Folge seiner Kolumne über Schlingensiefs "Hamlet"-Vorbereitungen in Zürich. Christian Broecking würdigt Sonny Rollins auf Deutschlandtournee. Tom Holert bespricht Spike Lees Film "It's Showtime".

Auf der Internetseite weist Niklas Hablützel auf eine Adresse hin, die sich künstlerisch mit dem Straucheln der New Economy befasst. "Die wirtschaftliche Pleite dieser Illusionen war vorhersehbar und ist heute eingetreten. Unter der Adresse turbulence.org ist jetzt auch ein Kunstwerk zu betrachten, das die Konsequenzen aus den gescheiterten Erwartungen der letzten Monate zieht. Mit einem ganzen Team von Programmierern, Grafikern und Musikern zeichnet der Amerikaner Wesley Thomas Meyer mit einer Reihe von Flash-Animationen das Bild einer Firma dieser neuen Zeit. Sie trägt den schönen Namen 'More Inc.'"

Schließlich Tom.