Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
08.02.2003. Die NZZ diskutiert die rechtlichen Grundlagen einer Intervention im Irak - und plädiert dagegen. Die FAZ besucht die arabische Buchmesse in Kairo und findet die Tendenzen zur Islamisierung und zur Moderne in einem elektronischen Koran vermählt. Die FR erinnert an europäische Selbstmordattentäter des 19. Jahrhunderts. Die SZ warnt vor Bushs Millenarismus.

NZZ, 08.02.2003

Zuerst die Beilage: Literatur und Kunst diskutiert ein bisschen später als die deutschen Feuilletons die Frage, ob die Türkei zu Europa gehört. Christian Meyer etwa bezweifelt, dass sich die europäischen Völker wirklich dadurch auszeichnen, dass sie christlich sind. "Das wird man zurzeit ganz unabhängig davon, dass Religion inzwischen zur Privatsache geworden ist, allenfalls für den Vatikanstaat und Polen behaupten können. Zählt man nur die praktizierenden Gläubigen, so sind wachsende Bezirke in der EU längst mehr islamisch als christlich. In der Stadt Brüssel war 2001 Mohammed der am häufigsten an männliche Neugeborene vergebene Name." Und Klaus Kreiser liefert einen ausführlichen Rückblick auf Atatürks Kulturrevolution.

Im Feuilleton diskutiert der Zürcher Völkerrechtler Daniel Thürer in einem recht klugen Beitrag die rechtlichen Grundlagen für eine Intervention im Irak und plädiert gegen militärischen Aktionen: "Der Sicherheitsrat hat zum ersten Mal in der Geschichte, wenn auch nur auf den Irak beschränkt, ein vielversprechendes supranationales Abrüstungsregime errichtet. Es ist nun geboten, die verbindlichen Vorschriften zu implementieren und einen glaubwürdigen Präzedenzfall für andere Staaten (z. B. Nordkorea) zu schaffen. Ohne effektive Androhung von Gewalt durch die USA wäre der Sicherheitsrat nicht in Aktion getreten. Beim Ganzen geht es nicht um die Mechanik von Inspektionen, Verifizierungen und Monitoring als solche, sondern um zutiefst politische Grundfragen der internationalen Gemeinschaft."

Weitere Artikel: Uwe Justus Wenzel hat dem Londoner Darwin Centre einen Besuch abgestattet, in dem "siebenundzwanzig Regalkilometern in Alkohol eingelegtes Leben gelagert werden: in Flaschen, Gläsern, Schalen, Trögen und Bottichen konservierte Spulwürmer, Seeanemonen, Fische, Insekten, Schlangen, Vögel, Säugetiere - Wesen, die beschrieben, klassifiziert und taxiert worden sind oder beschrieben, klassifiziert und taxiert werden sollen.

Von der Berlinale berichtet ein begeisterter Christoph Egger über den perfekten Eröffnungsfilm "Chicago", dessen Dialoge so witzig gekonnt seien, dass man auch gern die Tanzerei in Kauf nehme. Paul Jandl glaubt, dass es Wolfgang Lorenz, dem Intendanten von Graz 2003, gelingen wird, mit seinem Kulturhauptstadt-Programm den Platzhirschen ihr Terrain streitig zu machen.

Besprochen werden eine Aufführung von Ravels Ballett "Daphnis et Chloe" in Genf, und wie immer am Samstag jede Bücher, darunter die Frankfurter Proust-Ausgabe, Andrzej Stasiuks "wüster" Erstling "Die Mauern von Hebron", Gerhard Seyfrieds Kolonialroman "Herero", Thomas Wright Tischgespräche mit Oscar Wilde, Niall Fergusons Geschichte der Rothschilds (mehr in unserer Bücherschau heute ab 14 Uhr).

FAZ, 08.02.2003

Stefan Weidner hat auf der arabischen Buchmesse in Kairo erkannt, wie die Ägypter es schaffen, konservativ und lebenspraktisch zugleich zu sein. "Der Blick auf die Bücher, die das Angebot der auf Verkauf abzielenden Messe prägen, verdeutlicht, was die Ägypter am meisten beschäftigt: religiöse Literatur und dazu Handbücher oder CD-Roms für den Computerbenutzer. In der Erfindung des überall angepriesenen 'ersten elektronischen Koranexemplars', eines tamaguchigroßen Korancomputers mit Kopfhörern, vermählen sich diese beide Tendenzen zur größten Zufriedenheit der Besucher."

Der britische Militärhistoriker John Keegan hat in "Vanity Fair" ein Porträt von Donald Rumsfeld gezeichnet, das Michael Jeismann so erhellend fand, dass er sich ihm im Aufmacher des Feuilletons widmet. Der amerikanische Verteidigungsminister sei eigentlich gar kein Politiker, "sondern in erster Linie ein Temperament und ein Wille, hat Jeismann dabei erfahren und zitiert: "Er zittert fast sichtbar vor unterdrückter Energie. Er spiele ähnlich wie Churchill mit Ideen und befiehlt dann plötzlich: 'Action this day!'" (Keegans Artikel ist leider nicht online zu lesen).

Weitere Artikel: Der neue Glanz, den Kultursenatorin Dana Horakova Hamburg versprochen hat, wird noch weiter auf sich warten lassen müssen, fürchtet Eberhard Rathgeb. "Aus der Kulturpolitik, die gegen den Etat anrennt, ist in Hamburg eine Fahrscheinkontrolle geworden." Dietmar Polaczek muss sich wieder einmal über Berlusconi ärgern. Diesmal, weil Italiens Regierungschef abgehalfterte Funktionäre mit lukrativen Posten im Kulturbetrieb versorgt. Von Protestaktionen spanischer Künstler gegen einen möglichen Krieg berichtet Paul Ingendaay: Bei der Verleihung der Goya-Filmpreise sind Schauspieler reihenweise mit Antikriegsbuttons auf der Bühne erschienen. Gina Thomas erzählt, wie Harold Pinter und Ronald Harwood bei einem dramatischen Gipfeltreffen gemeinsam über den Starkult im britischen Theater klagten.

Beim Blättern in deutschen Zeitschriften ist Ingeborm Harms an einem Text von Michel Serres hängengeblieben, der den Reichtum, diese Ansammlung von Gütern im Hier und Jetzt, in Zeiten der Globalisierung und der Netzwerke zu einer veralteten Organisationsform erklärt. Jürg Altwegg erinnert an George Simenon, dem Mann, der "fünfhundert Bücher schrieb und zehntausend Frauen liebte". Nicole-Karen Hansel porträtiert den Bismarck-Zeichner C. W. Allers.

Zur Berlinale wirft Andreas Kilb einen Blick auf die Filme von Friedrich Murnau, dem die Retrospektive gewidmet ist, und seufzt: "Was hätte er gedreht, wenn er nicht so jung gestorben wäre, 1931? Alles was Lang zu kompliziert, Lubitsch zu traurig und Hollywood zu europäisch war." Peter Körte widmet sich den Filmen von Zhang Yimou und Michael Winterbottom im Wettbewerb.

Am Sonntag tritt Rumsfeld bei Sabine Christiansen auf, die FAZ-Medienredaktion hätte da auch noch einige Fragen an ihn. Zum Beispiel: "Sie kennen Saddam Hussein persönlich...Welche Eindrücke haben Sie gewonnen, als Sie ihm gegenübersaßen." Oder: "Bleibt Ihr Botschafter in Berlin, oder übernimmt Polen Ihre Vertretung?"

Besprochen werden eine Schau von Paul Klees "Revolutionszeichnngen" aus dem Jahr 1933, Janaceks Oper "Jenufa" an der New Yorker Met. Und Bücher, darunter Dorothy Parkers Band "New Yorker Geschichten", Richard Newmans Alma-Rose-Biografie, Fuad Rifkas Gedichte "Das Tal der Rituale", Arno Schmidts Erzählungen "Verschobene Kontinente" und Albert Camus' Roman "Die Pest", beide als Hörbücher (siehe auch unsere Bücherschau heute ab 14 Uhr).

Schallplaten und Phono rezensiert Aufnahme des Arditti String Quartets, der Neuen Vocalsolisten Stuttgart sowie die De-Luxe-Edition von John Coltranes "A Love Supreme".

Und in der Frankfurter Anthologie bespricht Hans Christoph Buch Schillers "Der Abend".

FR, 08.02.2003

Und ewig grüßt der Wahnsinn: Schon hundert Jahre vor Al Qaida, berichtet Hans Doderer, gab es ein terroristisches Netzwerk, das weltweit agierte. Zu den von einer marxistischen Gutmenschengesellschaft träumenden Terroristen gehörte auch Johann Most, der in seiner eigenen Zeitschrift Freiheit Anleitungen zum Bombenbauen veröffentlichte. "1885 gab er diese Aufsätze gesammelt als Broschüre heraus unter dem Titel 'Revolutionäre Kriegswissenschaft'. In Palästen, Kirchen, Ball- und Festsälen - überall sollten Bomben explodieren. Auch Gift sollte angewandt werden, namentlich gegen Polizisten und Spitzel, aber auch gegen Verräter. Der Schlachtruf lautete : 'Rottet sie aus, die erbärmliche Brut!' Kaltblütig musste ein Revolutionär sein Leben opfern. 'Entweder er schlägt die Köpfe seiner Feinde ab, oder er wird selbst geköpft', so Mosts Formulierung des immer gleich lautenden Credos aller Terroristen-Märtyrer."

Nach einem etwas holprigen Start plaudert "Solaris"-Regisseur Steven Soderbergh dann doch recht locker über sein Metier, seine Pläne, keine Interviews mehr zu geben und darüber, was er nicht ist: ein Intellektueller. "Mein Vater war einer. Ich war auf der Uni, aber ich bin nicht intellektuell. Ich sagte es schon: Film ist ein emotionales Medium. 'Solaris' wurde als durchgeistigter Film bezeichnet. Aber darauf kommt wohl nur jemand, der nicht emotional engagiert ist." Emotional engagiert hört sich zumindest schon mal recht intellektuell an.

Weiteres: Renee Zucker philosophiert in Zimt über Recycling, am Beispiel von Nena. Ursula März stellt in ihrer Gerichtsreportage mit Befriedigung fest, dass der gesunde Menschenverstand noch nicht ganz ausgestorben ist. Außerdem wird gemeldet, dass der Heidelberger Kirchenhistoriker Gerhard Besier neuer Direktor des Dresdner Hannah-Arendt-Institutes für Totalitarismusforschung werden soll und dass der frischgebackene Träger des Deutschen Bücherpreises Peter Härtling den Kanon von MRR ziemlich lächerlich findet.

In Zeit und Bild nimmt uns Schriftsteller John Berger (mehr hier) mit in die Höhle von Chauvet, die von den Cro-Magnon-Menschen während der letzten Eiszeit in eine vorzeitliche Bildergalerie verwandelt wurde, von der sich Berger nun inspirieren lässt. "Für meine Zeichnung habe ich ein saugfähiges Japan-Papier gewählt, denn ich dachte, dass die Schwierigkeit, auf einer solchen Unterlage mit Tinte zu arbeiten, ein wenig dem Problem ähnelt, mit Holzkohle (die hier in der Höhle gebrannt wurde) über den rauen Fels zu fahren. beidemal gehorcht einem der Stift nicht völlig. Man muss schmeicheln wie schubsen."

Auf der Medienseite wünscht sich Markus Brauck mehr ur-amerikanische Familien wie die Simpsons, während Jörn Breiholz von den Querelen der Hamburger taz-Redaktion mit der Berliner Zentrale berichtet.

Besprochen werden die große Retrospektive über den Traditionszertrümmerer Martin Kippenberger (mehr hier) im Museum für neue Kunst Karlsruhe, eine Ausstellung von Künstlerbüchern im Neuen Museum Weserburg Bremen, Ulrich Köhlers eindrucksvoller Debütfilm "Bungalow", und Bücher, darunter das erfrischende Ergebnis der montatelangen Gespräche zwischen dem chilenischen Biologen Humberto R. Maturana und Bernhard Pörksen, Peter Webers surrealistische "Bahnhofsprosa" und "Freedom", eine Bildgeschichte des afroamerikanischen Freiheitskampfs (mehr in unserer Bücherschau ab 14 Uhr).

Das Magazin macht mit einem Interview mit dem Privatbankier Baron Guy de Rothschild (so schaut er aus) auf, in dessen Verlauf wir mehr über das Leben in einer Dynastie, verachtenswerte Menschen und seine Sorgen um Israel erfahren. Der gute Baron spart auch nicht mit Lebensweisheiten wie folgender: "Man erkennt doch die Menschen an ihrem Erscheinungsbild; die wesentlichen Züge liegen offen. Nur bei den Frauen ist es anders - jeder weiß, was sie im Schilde führen, und dass sie häufig Kurtisanen sind."

Desweiteren stellt uns Florian Hassel seine bewundernswerte russische Kollegin Anna Politkovskaja vor, die einzige russische Journalistin, die trotz aller Drohungen beharrlich gegen den Krieg in Tschetschenien anschreibt. Der Schriftsteller Markus Seidel beschreibt, wie die Suche nach dem "Superstar" Tragödien auf der Fernsehcouch verursachen kann. Und unser Vorzeige-Astronaut Thomas Reiter erzählt, was mehr überwiegt: die Angst vor dem nächsten Unglück oder die Faszination des Alls. Na, dreimal dürfen Sie raten!

TAZ, 08.02.2003

Stefan David Kaufer porträtiert Karin, eine von 300.000 Arbeitslosen in Berlin: "Sie fährt U-Bahn. Sie hat nichts mit ihrer Zeit zu tun und weiß nichts mit sich anzufangen. Und klar, sie gibt wieder mal ihren schlechten Eigenschaften nach, steigt am Alex aus und geht in die Galeria Kaufhof. Was könnte sie sich kaufen, was könnte sie einige Augenblicke lang von ihrer selbst verschuldeten Langeweile ablenken?" Oh je, oh je, Berlin im Winter.

Weitere Artikel: Christiane Zschirnt erinnert an den Literaturwissenschaftler Leslie Fiedler, der vor einigen Tagen gestorben ist. Franz Dobeler schreibt den Nachruf auf den Schriftsteller Hans Frick. Andreas Hartmann stellt die Berliner Rockband Surrogat vor. Besprochen wird eine Ausstellung der Künstlerin Christine Weber im Berliner "Raum für Neue Kunst".

Auf der Berlinale-Seite werden der Eröffnungsfilm "Chicago" und Ulrike Ottingers "Südostpassage" vorgestellt.

SZ, 08.02.2003

Religion und Politik sind in Amerika nie weit voneinander entfernt. Der Religionswissenschaftler Hans Kippenberg weist nun darauf hin, dass die Jahrtausendwende der amerikanischen Mission der Befreiung der Welt vom Bösen ein zusätzliches Gewicht gibt. "Die Wiederherstellung Israels ist ebenso Teil des prämillenarischen Szenarios wie die Vernichtung Babylons, das Saddam Hussein wiederaufbauen ließ. So alt wie die Idee ist vom religiösen Drama, in welchem sich die Guten für die 'Freiheit von Fremden opfern', um die Welt von dem Bösen zu erlösen, sie findet hier und jetzt ihre praktische Realität: Bush hat die Rolle des Bösen geschickterweise mit Größen besetzt, die militärisch als Ziele der US-Macht in Frage kommen. Seine eigene Rolle ist die des Anführer der guten Macht." Der nur mit Deutschland, Kuba und Libyen noch ein paar Probleme hat.

In der Reihe Briefe aus dem 20. Jahrhundert wird diesmal ein kurzes Schreiben des verliebten Heiner Müllers aus dem Jahr 1966 vorgestellt, das Michael Ott kommentiert. Der Anfang: "S. v. Gen(osse) H(onecker) darf ich zurückkommen auf unser Gespräch, den Fall G.T. betreffend + dein Versprechen, mir die Heiratsgenehmigung zu erwirken, wenn ich anders nicht kann. mein Leben gehört mir selbst meine Arbeit der DDR + ich habe noch viel vor + ich kann meine Arbeit nicht machen, wenn ich unglücklich bin + ich bin es ohne diese Frau, das kann ich nicht mehr ändern."

Ein kleiner Schwerpunkt widmet sich der Berlinale: Anke Sterneborg sieht der Eröffnung der Sektion Perspektiven zuversichtlich entgegen. Fritz Göttler freut sich auf lange Berliner Kinonächte mit heldenhaften Filmen von Alan Parker, Michael Winterbottom und Zhang Yimou. Und Susan Vahabzadeh kann noch gar nicht so recht glauben, dass es schon im nächsten Jahr eine Deutsche Filmakademie geben wird, nach dem Vorbild der Academy of Motion Picture Arts and Sciences drüben in den USA.

Weitere Artikel: Sonja Zekri annonciert die Deutsch-Russischen Kulturbegegnungen (die Seite dazu ist noch nicht ganz fertig), in deren Verlauf zwei Jahre lang Hunderte Künstler und Kunstwerke erst nach Deutschland, dann nach Russland reisen werden. Jens Bisky bezweifelt, ob das neue interdisziplinäre Zentrum für Kunstwissenschaften und Ästhetik der Freien Universität Berlin außer Fördergeldern auch wissenschaftlichen Gewinn verspricht. Stefan Koldehoff hat gute Nachrichten für Kunstfreunde: die verschollen geglaubten Briefe Van Goghs an seinen Malerfreund Emile Bernard (mehr hier) sind wieder aufgetaucht. Ijoma Mangold spekuliert, ob Springer den Verlustbringer Ullstein Heyne List verkaufen darf - an Bertelsmann alias Random House. Und Thomas Thiemeyer hat im neuen Heft der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft geblättert, das sich "Flucht und Vertreibung in europäischer Perspektive" widmet.

Auf der Medienseite gewährt uns das bewährte Investigativ-Duo Hans-Jürgen Jakobs und Hans Leyendecker einen Einblick in die Persönlichkeit von Liz "Chantal" Mohn, die bei Bertelsmann unaufhaltsam die Zügel in die Hand nimmt.

Besprochen werden Peter Maxwell Davies? Oper "Cinderella" in Hamburg, John Websters "The Duchess of Malfi" und John Marstons "The Malcontent" in London, ein Auftritt der japanischen Trommlergruppe Yamato in Berlin, Lou Reeds neues Album "The Raven", inspiriert von Edgar Allan Poe, und Bücher, darunter Per Olov Enquists Roman "Lewis Reise", John von Düffels Geschichten vom Schwimmen und Schreiben, "Wasser und andere Welten", sowie Blaise Cendrars wiederentdeckte Erinnerungen an den ersten Weltkrieg, "Die rote Lilie" (mehr in unserer Bücherschau ab 14 Uhr).

Der ungarische Schriftsteller Peter Esterhazy (mehr hier) schildert im Magazin offen und eindrucksvoll den Schrecken, als er nach Beendigung des Familienbuches "Harmonia Caelestis" vor zwei Jahren erfahren musste, dass sein Vater ein Spitzel des Geheimdienstes war. Zuvor erzählt er mit viel Selbstironie von den nicht minder schrecklichen Geburtswehen des Schriftstellers: "Ich taumelte durch die Feiertage, und es begann die vielleicht schwerste Arbeitswoche meines Lebens. Ich zog mich quasi nicht mehr ordentlich an, ich aß nur mehr unregelmäßig, ich rasierte mich nicht, um Mitternacht fiel ich so ins Bett, dass es im nächsten Moment schon sieben Uhr Morgen war, ich irrte in meinem eigenen Zimmer umher, niemand und nichts existierte mehr, nur die Sätze und die Nummern, d. h. die Reihenfolge. Manchmal legte ich mich am Nachmittag für eine viertel Stunde nieder, das habe ich auch früher getan, aber nun schlief ich wie ein Toter, in leichenhafter Unbewegtheit." Esterhazys Verarbeitung der väterlichen Vergangenheit erscheint in den nächsten Tagen unter dem Titel "Verbesserte Auflage" im Berlin Verlag.

Außerdem: Armin Kummer plädiert für mehr Spaß am Einkaufen. Ingo Mocek stellt Günter Winter vor, der auf Home Shopping Europe mit großem, regelrecht verstörendem Erfolg Puppen verkauft. Birgit Weidinger porträtiert Thomas Pakenham, den 8. Earl of Longford und dessen urenglische und literarisch produktive (mehr hier) Liebe zu Bäumen. Und Jonathan Fischer hat den Boxer George Foreman gefragt, wie man das schafft, immer wieder aufzustehen.