Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
29.03.2003. In der NZZ verneint Herfried Münkler die Möglichkeit einer pax americana. In der taz erinnert sich der Filmemacher Samir an seine Kindheit in Bagdad. Die FR gratuliert van Gogh zum 150. Die SZ, die FAZ und alle anderen kommentieren das Ende des Berlin Verlags bei Random House.

SZ, 29.03.2003

Ijoma Mangold meditiert angesichts des Endes des Berlin Verlags bei Random House über die Psyche von Großkonzernen: "Obwohl wir uns Großkonzerne stets als besonders rationale Organisationen vorstellen, scheinen sie oft eher Hypochondern zu gleichen: Einmal verlangt es sie nach frischer Luft, dann muss das Fenster aufgerissen werden, dann ist es ihnen zu kalt, also muss Tee serviert werden, der macht sie müde, nun wird der Tee bei Seite geschoben und Kaffee geordert. Mal drückt es hier, mal dort, eben ist man Feuer und Flamme für dies, schon im nächsten Moment lockt etwas ganz anderes."

Weiteres: Im Aufmacher wütet Heribert Prantl gegen die USA, die neue Barbarei und das organisierte Verbrechen gegen den Verbrecher Saddam. Sabine Fröhlich berichtet begeistert von der Ausstellung im Berliner Haus der Wannseekonferenz über den "Schwarzen Haufen", eine deutsch-jüdische Jugendgruppe im Berlin der zwanziger Jahre. Stephan Lohr beschreibt die zwielichtigen Umstände, unter denen einige Bilder von Kasimir Malewitsch aus der Chardchiev-Sammlung, die gerade in der großen Malewitsch-Ausstellung in Berlin gezeigt werden, 1993 nach Deutschland gekommen ist. Christopher Schmidt fiebert ihr schon der Wiedereröffnung der Münchner Kammerspiele entgegen.

In der Reihe Briefe aus dem 20. Jahrhundert meditiert Peter von Matt über ein Schreiben von Max Frisch an Alfred Andersch aus dem Jahr 1971. Wolfgang Schreiber rekapituliert das Berliner Festival MaerzMusik, auf dem allerlei Breitband Avantgarde zu hören war. "zig" denkt über Sprachunterricht mit dem Fußball nach. Holger Liebs schreibt kurz zum 150. Geburtstag von Vincent van Gogh, Wolfgang Schreiber zum Tod des Musikkritikers W.-E.von Lewinski.

Auf der Medienseite kommentiert Klaus Ott das eigenartige Kuratorium für den Tagesspiegel, mit dem Holtzbrinck den Wirtschaftsminister beruhigen will. Und Christoph Maria Fröhder fragt sich in seinem Tagebuch aus Bagdad, warum er eigentlich dort ist.

Besprochen werden Brian De Palmas grandioser Film "Femme Fatale", das Konzert der Geigerin Leila Josefowicz bei den Münchner Philharmonikern und Bücher, darunter Lawrence F. Kaplans und William Krsitols Rechtfertigungsschrift "The War over Iraq. Saddam's Tyranny and America's Mission", Renate Schostacks Erzählung "Wintertage in Sankt Petersburg", Manuel Rivas? galicische Geschichten und Gerhard Henschels wunderbare Realsatire "Die wirrsten Grafiken der Welt" (siehe auch unsere Bücherschau heute ab 14 Uhr).

In der SZ am Wochende träumt Filmregisseur und Drehbuchautor Oliver Storz, wie unerwarteterweise der Führer bei ihm vorbeischaut. "Die Wintergestalt, der von der Jahreszeit Überholte, schaute mich durchdringend, wie ich mir im Halbdunkel vorstellte, an. 'Gut. Ich komme wieder.' Er deutete neben sich auf einen kleinen Segeltuchkoffer, Wehrmachtsware, den ich jetzt erst bemerkte. 'Den bringst du schon nach oben.' Er ging, gebeugt, aber nicht gebrechlich, für die Last der Geschichte, die er trug, erstaunlich wenig behindert, dachte ich. Oder ist die Welt so, dass die Last nur die anderen tragen?"

Außerdem: Schriftsteller Martin Mosebach (Bücher) lässt in der Serie "Deutsche Landschaften" den Rheingau vor unserem geistigen Auge wiederauferstehen, das "goldschimmernde Gartenreich", wo "in jedem alten Gemäuer japanische, polnische und brasilianische Pianisten Brahms und Schubert spielen". Werner Schmalenbach meditiert über van Goghs "Nachtcafe in Arles" (Ersatz für Netz-Leser), nicht ohne den hellwachen Verstand des einohrigen Malers zu würdigen. Rebecca Casati hat sich zu guter Letzt mit den schwedischen Cardigans über Klackbo, Klubbo, Antifoni und Murro unterhalten.

FR, 29.03.2003

Vincent van Gogh (einige Bilder) wurde vor 150 Jahren geboren, jetzt wird er in Zeit und Bild eingehend gewürdigt. Thomas Fechner-Smarsly schildert das Leben des außerordentlich erfolglosen Künstlers und vor allem, wie daraus die große Legende vom Genie ohne Ohr gestrickt wurde. "Zu schön und zu dauerhaft ist die Geschichte vom verzweifelt suchenden, aber stets verkannten Genie, vom Sonderling und unangenehmen Menschen (van Gogh über van Gogh), vom Selbstmörder durch die Gesellschaft (Artaud). Zumal es sich um das erzählerische Gegenstück zur materialistischen Tellerwäscher-Mär handelt: Der verkannte Künstler bezahlt, weil Idealist, mit lebenslanger Erfolglosigkeit. Dafür wird sein Nachruhm umso strahlender sein. Eine Passionsgeschichte also."

Jonathan Meese (sein Bilderzyklus "Young Americans") widmet "van Gogh de Large" einige Zeilen. Hier der Anfang. "VINCENT VAN GOGH ist das MENSCHENSCHEUESTE GETREIDE MEINER aus seinen flammenden AUGEN herausgerißenen Kehle. MEINE DEMUT macht mich unsterblich krank und MAJESTIKX VAN GOGH schreit uns ewiglich an, wie DR. NO." Elke Buhr analysiert das dazu abgedruckte Bild "Inka-Hof de Pharaoz I" von Meese sowie van Goghs "Selbstbildnis mit Pelzmütze, verbundenem Ohr und Tabakspfeife". Christiane Meixner bespricht außerdem zwei neue Bücher, in denen höchst unterschiedliche Bilder der Malerpersönlichkeit entworfen werden (siehe auch unsere Bücherschau heute ab 14 Uhr).

Weitere Artikel: Noch ein Geburtstag. Peter Michalzik gratuliert der "Angewandten Theaterwissenschaft" in Gießen zum Zwanzigsten, die selbst zwar erwachsen wird, aber immer noch für junges Theater steht. Todd Gitlin rollt noch einmal die Geschichte der amerikanischen Anti-Kriegs-Bewegung auf und gibt Tipps, wie man in Zeiten des Krieges gegen den Krieg protestiert. Renee Zimt betont in ihrer Kolumne Zimt, dass es ein Recht aufs Doofsein gibt, und die Amerikaner durchaus für ihre Regierung verantwortlich sind. Gemeldet wird, dass in einem österreichischen Kloster unbekannte Fragmente des Nibelungenliedes gefunden wurden, und dass beim Festival "tanzstraße" in Nordrhein-Westfalen modernes Tanztheater auf die Bühne kommt.

Auf der Medienseite berichtet Peter Nonnenmacher von den allseitigen Angriffen auf die BBC, während Jens Holst einen neuen Fernsehkanal für die Bundeswehr annonciert.

Besprechungen widmen sich Peter Sehrs Autorenfilm "Love the Hard Way" mit Adrien Brody, Li Yus wunderbar unaufdringliches Spielfilmdebüt "Fish and Elephant", der Uraufführung von Jenny Erpenbecks "Leibesübungen für eine Sünderin" in Berlin und Rosalind Salomons Fotoband "Chapalingas".

Angst beherrscht das Magazin, zumindest dem Thema nach. Autor Peter Benchley firmiert als Hai-Experte und gibt nicht nur seine Erlebnisse mit den vielzahnigen Gesellen zum Besten, sondern auch Ratschläge, wie man überlebt. Regel Nr. 1: "Wenn Sie an einem Riff tauchen, und Sie sehen einen Hai, irgendeinen Hai, und er fängt an, sich unberechenbar zu verhalten - seinen Kopf zu schütteln, einen Buckel zu machen, die Brustflossen zu senken -, dann zeigt er Ihnen wahrscheinlich eine Drohgebärde, eine deutliche Warnung, dass Sie verschwinden sollen. Nehmen Sie dies ernst."

Ansonsten spricht der Angstforscher Hans-Ulrich Wittchen über sein Metier, über Panikgefühle nach ausgiebigem Hecheln und die Tatsache, dass Deutsche in der augenblicklichen Krise vermehrt Johanniskraut zu sich nehmen. Lena Stärk porträtiert den sechzehnjährigen Jose Miguell, den Unbekannte vor acht Jahren beim Spielen über den Haufen geschossen haben. Und Landwirtschaftsmeister Martin Stark erzählt wieder, was ihn bewegt, etwa wie Aldi sechs Eier aus Bodenhaltung für schlappe 98 Cent verkaufen kann, wenn eines schon 22 Cent kostet.

TAZ, 29.03.2003

Der Filmemacher Samir erinnert sich im Interview an seine Kindheit im Irak der fünfziger Jahre. "Meine ersten Erinnerungen waren der Tigris, die Palmen und die Wüste, gelb und weiß. Es wurden große Irrigationsprojekte und Staudämme gebaut. Das ganze Land war beseelt von einem großartigen Fortschrittsglauben. Bagdad war - abgesehen vom schiitischen Quartier Khadhmia mit seinen engen Gassen und der großen Moschee - vom Aufbruch in die Moderne geprägt. Auch im Kleidungshabitus. Auf den Familienfotos trugen meine Tanten weite Röcke im Stil der 50er-Jahre, flache Schuhe, Blusen, klassische Frisuren. Kopftücher trug man praktisch nie, außer man ging zu einem Picknick in die Wüste."

Der Schriftsteller Selim Nassib führt sein Tagebuch über den Irakkrieg aus der Perspektive von al-Dschasira fort, wo der Rücktritt Richard Perles als Eingeständnis einer amerikanischen Niederlage präsentiert wird. Harald Fricke stellt die windelweichen Popstars bloß, die zwar für Frieden sind, aber nichts gegen den Krieg sagen: "Kravitz und Co. rocken für den Frieden, Rumsfeld lässt weiter Bagdad bombardieren, beides geschieht im Konsens mit der eigene Zielgruppe." Brigitte Werneburg berichtet von der Diagonale in Graz, von planmäßigen Würdigungen und ungeplanten politischen Diskussionen. Gerrit Bartels unternimmt einen Streifzug durch die Frühjahrsliteratur und stellt fest, dass sich viele Autoren mit den Kriegserinnerungen ihrer Großeltern beschäftigen.

Auf der Tagesthemenseite porträtiert Sven Hansen den "troubleshooter" Zalmay Khalilzad, der im Auftrag der US-Regierung die irakische Führungsriege der Zukunft bestimmen soll. "Mit seinen Sprach- und Regionalkenntnissen sowie einem in strategischem und militärischem Denken geschulten Politikverständnis verlässt sich Washingtons in den Krisen Westasiens auf ihn. Dabei hat Khalilzad seine politische Meinung schon mehrfach geändert. Und als Sonderbotschafter, Berater und Diplomat war er auch nicht immer erfolgreich. Trotzdem hat sein Einfluss weiter zu- und nicht abgenommen." Auf der Medienseite hat sich Carla Palm die amerikanische Armeezeitung "Stars and Stripes" angesehen, Helmut Höge im neuen Fachblatt für Agrarjournalisten geblättert.

Im tazmag wird die milde Despotie Tunesiens (Geschichtsüberblick) erklärt. Toni Keppeler fragt sich nachts in der Wüste, warum der Westen das Land so schätzt, obwohl es durchaus als Schurkenstaat durchgehen könnte. Zur Klärung trifft er sich mit einigen Einheimischen zu einer Männerunde am Lagerfeuer. "Nur wenn Monsieur Mouldi seinen alten Weltempfänger anknipst, um herauszufinden, ob der Krieg der USA gegen den Irak schon begonnen hat, herrscht Einigkeit ohne falschen Unterton: Natürlich seien die Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington nur ein Vorwand für den Feldzug gegen die arabische Welt. Man wisse ja noch nicht einmal sicher, ob die Flugzeuge nicht im Auftrag des US-Geheimdienstes ins World Trade Center und ins Pentagon rasten."

Philipp Gessler ist begeistert vom Taschen Verlag und seiner vollkolorierten 1800-seitigen Luther-Bibel in "zwei backsteingroßen Bänden", die sich überraschend, aber berechtigt zum Verkaufsschlager entwickelt hat. Christina Haberlik spricht mit Architekt und Stadtplaner Albert Speer (Biografie) über das Chaos in den Megacities der Dritten Welt. Und Carolin Callenius berichtet von dem Zusammenbruch der traditionellen Familienstrukturen in Ghana und der neuen Not der Senioren (Informationen zum Altern weltweit). Besprochen wird das Kochbuch "Top(f) Secret - Die Geheimrezepte des Bundesnachrichtendienstes" (dazu Geheimdienstadressen und Devotionalien).

NZZ, 29.03.2003

In einer nüchternen Analyse verneint Herfried Münkler (mehr hier) die Möglichkeit, dass es in der Welt zu einer Pax americana nach dem Vorbil der einstigen Pax romana oder Pax britannica kommen könne: "Mit der anwachsenden Häufigkeit der Kriege, die sich die USA zu führen genötigt sehen, und der schwindenden Bereitschaft der 'Reichsbewohner', deren Kosten nicht bloss einmal und für begrenzte Zeit, sondern permanent und auf unabsehbare Zeit zu tragen, wird das Imperium schon bald in Dilemmata hineingeraten, die kaum aufzulösen sind."

Der serbische Journalist Ljubomir Zivkov denkt über sein Land nach dem Mord an Zoran Djindjic nach: "Vergleiche mit dem Mord an John F. Kennedy tauchten bald nach der Tat auf. Ähnlichkeiten gibt es tatsächlich, nur dass nach dem Verbrechen in Dallas monatelang darüber gesprochen wurde, während eine Woche nach dem Belgrader Attentat der Krieg im Irak begann. Der Tod Djindjics wird die Serben noch lange beschäftigen, denn in ihm verknäueln sich das Erbe der Herrschaft Milosevics und der von Djindjic verkörperte Wille, endlich einen Ausweg zu finden aus Krieg, Verbrechen, Korruption."

Weitere Artikel: Joachim Güntner kommentiert das schnöde Ende des Berlin Verlags im Randomhouse-Verbund. Besprochen werden Choreografien Richard Wherlocks beim Balett Basel, Heinrich von Kleists "Familie Schroffenstein" am Pfauen und einige Bücher, darunter Essays von John Berger.

In Literatur und Kunst setzen sich zwei große Artikel mit Malewitsch-Retrospektiven auseinander. Felix Philipp Ingold besucht eine Werkschau im Pariser Musee d'Art Moderne. Und Ursula Sinnreich bespricht die Ausstellung " Suprematismus" in der Deutschen Guggenheim. Außerdem werden zwei Neuerscheinungnen zu Malewitsch angezeigt.

Ebenso interessant ein Essay von Maja Turowskaja, die einen auf russisch erschienen Band über eine künstlerische Tendenz vorstellt, die auch dem Suprematismus den Garaus machte, den Sozialistischen Realismus. Mehrere Autoren beschreiben und präsentieren hier den "Socrealisticeskij kanon": "Paradoxerweise ist der Geburtsort des 'Kanon'- Projekts nicht Russland, sondern Deutschland; auf fünf Konferenzen in Bielefeld (1994 bis 1998) kristallisierte sich die Kerntruppe der "Gründerväter" heraus (Hans Günther, Jewgeni Dobrenko, Thomas Lahusen). Doch vielleicht ist das kein Zufall, schließlich hat Deutschland bei der Erforschung seiner eigenen Totalitarismusvariante einige Erfahrung gesammelt."

Weitere Artikel: Evelyne Polt-Heinzl betrachtet "Gisela Elsners literarisches Schaffen im Kontext ihrer Zeit". Ursula Seibold-Bultmann denkt über den "menschlichen Körper als Modell für neue Architektur" nach. Besprochen werden auch hier Undine Gruenters Erzählungen "Sommergäste in Trouville" und der neue Roman von Wilhelm Genazino (mehr hier).

FAZ, 29.03.2003

Hubert Spiegel beschreibt die Lage bei Arnulf Conradis Berlin Verlag, der die Randomhouse-Gruppe "verlassen hat", wie es heißt. Als renommiertes und mittleres Haus ging er in die Masse der dort verwalteten Verlage ein und wurde zunächst umhegt, schreibt Spiegel, aber "nun, da die Geldmittel knapper und die Renditeforderungen höher werden, muss Conradi in Argumentationsnot gekommen sein". Und: "Nun steht Arnulf Conradi dort, wo er vor mehr als neun Jahren begonnen hatte: Er braucht einen Investor."

Auf der Medienseite bringt Jordan Mejias einen geradezu neidischen Artikel über die unaufhaltsame Expansion der New York Times - und das sogar im Internet: "Während der Zauber der Synergie nach dem Dotcom-Debakel weitgehend verflogen ist und etwa Time Warner kaum mehr weiß, wozu AOL noch taugen könnte, rechnet die New York Times Company unverzagt mit der segensreichen Wirkung einander befruchtender Medien. Bisher haben ihr die Bilanzen recht gegeben. Sogar mit ihrer Digitalabteilung, die sich um den Internetauftritt der New York Times und des ebenfalls firmeneigenen Boston Globe sowie ums gebührenpflichtige Archiv kümmert, hat sie im vergangenen Jahr einen ansprechenden Gewinn erzielt. Dabei ist der elektronische Zugang zu den täglichen Ausgaben der beiden Blätter völlig kostenlos geblieben." Und auch nach Europa will die Times expandieren. Da muss die FAZ doch erbleichen!

Weitere Artikel: Kerstin Holm erzählt noch einmal die Geschichte der Baldin-Sammlung, die schon kurz vor der Rückgabe an die Stadt Bremen zu stehen schien und nun in Moskau ausgestellt wird - ihre Rückkehr nach Bremen ist wieder in die Ferne gerückt. Im Kommentar freut sich Lorenz Jäger, dass Bushs Sicherheitsberater Richard Perle auf Grund von Recherchen des New Yorkers (auf die wir seinerzeit natürlich hinwiesen) von seinem Amt zurücktreten muss. Wer sich noch mal ein Bild über Perles Position zum Krieg machen will, sei auf ein kürzlich erschienenes Streitgespräch mit Daniel Cohn-Bendit verwiesen. Jordan Mejias berichtet über einen Prozess im obersten Gerichtshof der USA, der die Frage klären wird, ob ein Staat wie Texas homosexuelle Praktiken verbieten darf. Birk Ohnesorge gratuliert der Kunsthistorikerin Christa Lichtenstern zum Sechzigsten. Andreas Eckert gratuliert dem Historiker Ronald Oliver, der sich um die Geschichte Afrikas verdient machte, zum Achtzigsten. Ingeborg Harms liest deutsche Zeitschriften wie die Lettre und den Merkur, die sich in verschiedenen Artikeln mit dem Börsenboom der neunziger Jahre auseinandersetzen. Dietmar Polaczek berichtet über den Fund verschollen geglaubter Puccini-Manuskripte auf dem Dachboden seiner Villa in Torre del Lago.

Besprochen werden eine große Retrospektive des Malers Edouard Vuillard in der National Gallery of Art in Washington, Olivier Pys Inszenierung von Paul Claudels Bühnengedicht "Der seidene Schuh" in Straßburg, ein Konzert Michael Gielens mit dem SWR-Orchester in Frankfurt, Jenny Erpenbeck Stück "Leibesübungen für eine Sünderin" am Deutschen Theater Berlin, der Disney-Zeichentrickfilm "Das Dschungelbuch 2" und - auf der Schallplatten-und-Phono-Seite - eine CD mit Violinsonaten aus der Bach-Zeit, eine CD des Bandoneonisten Dino Saluzzi, Madrigale von Sigismondo d'India, eine Walzer-CD, zu der sogar Wolfgang Rihm einige Exemplare beitrug, und eine CD der Sängerin Cat Power. Auf der Literaturseite werden unter anderem die neuen Bücher von Undine Gruenter (mehr hier) und Helmut Krausser (mehr hier) besprochen (siehe unsere Bücherschau ab 14 Uhr).

In den Ruinen von Bildern und Zeiten schreibt Ingeborg Harms ein Profil des Romanciers John Irving. Henning Ritter bringt einen großen Essay über den posthumen Erfolg Vincent van Goghs beim Publikum.

In der Frankfurter Anthologie stellt Joachim Sartorius ein Gedicht von August von Platen vor - "Der Liebe Blütenstaub":

"Der Liebe Blütenstaub, o Freund, zerstiebe nie,
Doch wenn du liebst, versprich dir Gegenliebe nie..."