Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
20.11.2004. In der SZ prangern Michal Bodemann und Ulrich Beck einen angeblichen anti-muslimischen Rassismus in Europa an. Auch taz und FR machen sich Gedanken zu Integration und Toleranz. In der Welt preist Joschka Fischer den Schriftsteller Amos Oz. Die NZZ bringt einen Schwerpunkt zu lateinamerikanischer Literatur.

NZZ, 20.11.2004

Zwei Schwerpunkte hat Literatur und Kunst diesmal, die letzte verbliebene Samstagsbeilage mit intellektuellem Anspruch. Vorne geht es zum fünften und letzten Mal um die Frage "Wohin geht das Gedicht?", weiter hinten um lateinamerikanische Literatur.

Hier untersucht der Romanist Gustav Siebenmann zunächst die Ursachen des einstigen Booms der lateinamerikanischen Literatur hierzulande und die Gründe für seinen Niedergang, um dann eine ganze Reihe von Namen neuer Autoren aufzuzählen. Roberto Bolano gehört natürlich dazu, auch Alberto Fuguet und Sergio Gomez, und Jorge Volpi, an dem Siebenmann eine interessante Tendenz festmacht: "Volpis Roman 'Das Klingsor-Paradox' (2001) handelt von Intrigen unter deutschen Mathematikern; es sei 'ein spannender deutscher Roman, verfasst in spanischer Sprache', meint Altmeister Cabrera Infante. Der mit Sowjetrussland vertraute Kubaner Jose Manuel Prieto (1962) sinniert in 'Liwadija' (2004) über sieben Briefe einer treulosen Frau, und wie nebenbei zündet er ein weltliterarisches Feuerwerk. - Man könnte die Aufzählung fortsetzen, um die Tendenz bestätigt zu sehen. Ein Rezensent schrieb in diesen Spalten bei Anlass von Prietos Roman treffend, die Halluzinationen lateinamerikanischer Erzählkunst seien nicht untergegangen; sie hätten nur den Ort gewechselt. Und dieser Ort liegt meistens weit außerhalb. Lateinamerika kommt in dieser emigrierten Literatur vielleicht noch als Bezugspunkt vor, kaum mehr als Schauplatz."

Zum Lateinamerika-Schwerpunkt gehören ein Artikel von Thomas Sträter über neue Lyrik, eine "kleine Hommage an den Schriftsteller Julio Cortazar" von Sonia Prior und eine Besprechung von Rodrigo Fresans Roman "Kensington Gardens" durch Markus Jakob.

Auf die Frage "Wohin geht das Gedicht?" antwortet Adam Zagajewski (unter anderem): "Nach jedem neuen Gedicht kehrt dieselbe alte Ignoranz wieder. Das Gedicht verschwindet irgendwo." Ulrike Draesner schreibt über frühe Erfahrungen beim Vortragen von Gedichten ("Meine Gedichte kannte ich nicht. Merkwürdig, denn ich hatte sie ja geschrieben. Ich glaubte, sie in- und auswendig zu kennen. Aber dass sie mich in sich aufnehmen könnten, wusste ich nicht.") Klaus Merz schreibt: "Wohin geht das Gedicht? Es geht an mir vorbei, abgewandt." Roman Bucheli denkt über poetologische Selbstverständigungen von Giuseppe Ungaretti über Ingeborg Bachmann bis Paul Celan nach. Und Michael Braun bespricht einen Gedichtband von Dirk von Petersdorff.

Schließlich in Literatur und Kunst: Urs Steiner und Samuel Herzog langes Gespräch mit der palästinensischen Künstlerin Mona Hatoum.

Im Feuilleton gibt Uwe Justus Wenzel allen Multikulti-Debattierern der letzten Tage eine kleine Denkaufgabe über den Begriff der Toleranz: "Den Intoleranten gegenüber kann Toleranz nicht in jeder Situation tolerant bleiben - sonst gäbe sie sich auf; aber sie muss, wenn sie Nein sagt und den Intoleranten mit ''Intoleranz' begegnet, nicht selbst zu einer Form der Intoleranz werden."

Ferner besucht Samuel Herzog das neue Moma. Paul Jandl schreibt über einen Neuanfang beim einst so bedeutenden Residenz Verlag.

Besprochen werden ein Robert-Wilson-Spektakel am Nederlands Dans Theater und einige Bücher, darunter Vladimir Nabokovs "Eigensinnige Ansichten".

FR, 20.11.2004

Mit Hinweis auf die Präsenz türkisch-deutscher Künstler in der Öffentlichkeit ruft Ursula März die deutsche Gesellschaft zum selbstbewussteren Umgang mit ihren Integrationsleistungen auf: "Nur: Sieht sich die deutsche Gesellschaft überhaupt gern im Licht ihrer Toleranz, der Integrationsfähigkeit, die sie realiter besitzt? Oder fühlt sie sich nicht wohler und vertrauter in der Unterstellung der Intoleranz, in der selbstquälerischen Vermutung kultureller und religiöser Ressentiments? Wann immer ihr eine Debatte über den Umgang mit Fremdheit und Fremden zugemutet wird - Kopftuch-Streit, Tierschächtung, Einwanderungsgesetz, Abschiebung des Kölner Hasspredigers Kaplan - pflegt sie eine Art resignationsbereiten Selbstverdacht, im Zusammenleben mit Minderheiten zu versagen, im schwer durchdringbaren Gebiet von Toleranz und Toleranzgrenze ohne Kompass herum zu stolpern."

Weitere Artikel: Oliver Herwig informiert über den Münchner Streit übers vermeintlich Unmünchnerische von Hochhäusern und findet ihn vor allem eines: rückwärtsgewandt: "Gemütlichkeit hier, Modernität da." Den Nachruf auf den Schauspieler Helmut Griem schreibt Daniel Kothenschulte. In der Kolumne times mager meditiert Thomas Medicus über Nobelmarken und stealth bomber.

Der Rest ist Rezensionsfeuilleton: Groß besprochen wird Jürgen Goschs Inszenierung von Edward Albees "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" am Deutschen Theater, mit Ulrich Matthes und Corinna Harfouch. Peter Michalzik hält sie nur für bedingt geglückt: "Wenn das nicht so kunstvoll (und lustig) wäre, wäre es in der Dauergefahr unfreiwilliger Komik." Von Dresdner Aufführungen der "Weber" und der dramatisierten Version von Christoph Heins Roman "Die Landnahme" berichtet Nikolaus Merck. Eine Duisburger Ausstellung zum künstlerischen Umgang mit Licht im öffentlichen Raum hat Thomas Fechner-Smarsly besucht. Außerdem werden die Theaterfassung des Romans "Warum das Kind in der Polenta kocht" und zwei Auftritte des Rundfunksinfonieorchesters Frankfurt besprochen: Zum einen Jugendkonzerte, zum anderen die Begleitung von Chaplins Stummfilm "The Circus".

Welt, 20.11.2004

In der Literarischen Welt ist die Laudatio eines sehr engagierten Joschka Fischer auf Amos Oz zu lesen, der für seine "Geschichte von Liebe und Finsternis" den Litteraturpreis der Welt erhalten hat: "Immer wieder macht Oz uns beides bewusst: die Kreativität und Energie einerseits und die fortwährenden Spannungen und die Angst, die in Israel herrschen, andererseits. Seit Jahrzehnten leben die Menschen in seinem Land unter einer reellen, unter einer greifbaren Bedrohung. Sie leben mit einer kollektiven und existentiellen Sorge um die Zukunft, die über allem und über allen schwebt. Von seinen Anfängen bis heute ist die Politik in Israel 'eine Frage von Leben und Tod', wie es Amos Oz formuliert. Und uns als nicht-israelischen Lesern will Amos Oz dieses komplizierte Land mit all seinen Kontrasten und seinem schwierigen Umfeld nicht nur verständlich machen, sondern er will Sympathie wecken für dieses Israel, sein Israel. Und dies gelingt ihm."

TAZ, 20.11.2004

In der "Erlesenes erhalten"-Kampagne der taz dürfen diesmal Mark Twain - mit einem Text von 1870 - und Feridun Zaimoglu - mit einem Dramolett von heute - die Zeitung retten.

Der Schriftsteller Navid Kermani macht sich im Brennpunkt Gedanken über Parallelgesellschaften. Der Satz beginnt so: "Aufgefallen ist mir, dass die meisten, die sich über die Ausländer oder, um genau zu sein: über die Türken, nein, das ist es auch nicht, schließlich zeigt das Fernsehen im Augenblick ständig richtig gute Türken, die das Kopftuch abgelegt haben und auf die Türken schimpfen, wie sage ich also nun: also, dass die meisten, die sich über den Fundamentalismus aufregen ? Fundamentalismus, Fundamentalismus, das ist gut, muslimischer Fundamentalismus, um genau zu sein, Islamismus sozusagen, das kann man sagen, andererseits, der Islam ist doch fundamentalistisch, ...". Interviewt wird der Islamwissenschaftler Michael Kiefer.

Im Kulturteil äußert sich Robert Misik zum selben Thema: "In der Rede von der 'falschen Toleranz' schwingt ein Groll mit, der sich offenbar lange aufgestaut hat: über den Türkenbuben, der beim Fußball immer überhart gespielt hat, dem das Gewinnen wichtiger war als unsere verzärtelte Fairness; über den Neger in der Disco, der die Girls so plump anmachte, dem die subtilen und politisch korrekten Flirtcodes, auf die wir uns in langen wortlosen Prozessen verständigt haben, so offenbar am Arsch vorbei gingen." Von den Philippinen berichtet Tilman Baumgärtel über den Boom einheimischer Horrorfilmproduktionen. Michael Rutschky hat Wolfgang Thierse, Julian Nida-Rümelin und Gesine Schwan über Gleichheit diskutieren hören. Daniel Bax stellt die Schriftstellerin Emine Sevgi Özdamar vor, die morgen in Berlin den Kleist-Preis erhält. Imke Schridder hat sich mit dem Lyriker Jan Wagner unterhalten.

In der tazzwei preist Uke Bosse das Videospiel "Halflife 2", das für das Ego-Shooter-Genre das sein soll, was "Citizen Kane" für das Kino war. Außerdem gibt es einen wirklich informativen "kleinen Knigge" für ein besseres Zusammenleben mit den muslimischen Mitbürgern, zum Beispiel Flirtcodes betreffend. Sanem Kleff berichtet von einer skandalösen "Berlin-Mitte"-Sendung: "Vor Millionenpublikum wird gesagt, was bislang nur geflüstert wurde: Muslime raus!"

Das taz mag dreht sich heute ums Thema Tod. Aus Kalifornien berichtet Reinhard Tiburzy von einem Geisterhaus der besonderen Art. Die Baupläne wurden von Geistern diktiert. So sieht es aus: "Rundum aus Holz, mit wunderlich verschachtelten Anbauten, sinnlosen Türmchen und unzugänglichen Veranden, mit spitzen Erkern und knallroten Dächern will es, halb viktorianische Villa, halb Disneyland-Fantasieschloss, so gar nicht zwischen Shopping Mall, Movie Theaters und Texmex-Restaurants in das berühmte Tal der Halbleiter passen." Hanne Chen erzählt von einer erstaunlichen taiwenischen Trauerzeremonie. Georg Etscheid war beim alljährlichen Treffen der oberbayrischen Totengräber. Und Mark Sarg liefert Miniaturen vom Wiener Totensonntag.

Besprochen werden in einer Sammelrezension eine ganze Reihe von Büchern über Nordkorea und die Anklage eines BND-Aussteigers. Literarisches: Chang-rae Lees Roman "Turbulenzen", aus den Charts Tommy Jauds schrecklich witziger Erstling "Vollidiot" und Antje Ravis Strubels "Tupolew 134" (mehr dazu in der Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).

Und Tom.

FAZ, 20.11.2004

Hannes Hintermeier wundert sich im Aufmacher über den großen Erfolg von Bastian Sicks Buch "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" mit den gesammelten Spiegel-Online-Kolumnen des Autors zum richtigen Deutsch, und er vermutet, "dass sich in Anlehnung an den Boom der Manieren-Bücher ein neues Standesbewusstsein entwickelt, das Sprache auch als Teil gesellschaftlicher Etikette begreift: Für Aufstiegsinteressierte empfiehlt sich eben nicht nur der richtige Umgang mit dem Besteck, es kann auch nicht schaden, sich schriftlich wie mündlich angemessen zu artikulieren." Lobend bemerkt Hintermeier, dass Sick der "ideologisch verhärteten" (ach nee!) Rechtschreib-Debatte ohne Scheuklappen begegne.

Weitere Artikel: In der Leitglosse kommentiert Andreas Platthaus einen Exzess der political correctness durch einen juristischen Vergleich, in dem sich der Kleiderhersteller Abercombie & Fitch verpflichtet, mit Mannequins aus ethnischen Minderheiten zu werben, um nicht mögliche Job-Bewerber aus den Minderheiten abzuschrecken. Christian Geyer fragt, wie in der aktuellen Integrationsdebatte die Begriffe Kultur und Religion zu trennen seien. Gemeldet wird, dass weitere Bücher Walter Moers' verfilmt werden sollen. Jürgen Dollase besucht für seine Gastro-Kolumne das Zwei-Sterne-Restaurant des Essener Hotels "Residence". Dietmar Dath gratuliert dem Mathematiker Benoit Mandelbrot zum Achtzigsten. Ingeborg Harms liest deutsche Zeitschriften, die sich mit der Frage "Was sagt Architektur über den Zustand der Gesellschaft?" auseinandersetzen. Dieter Bartetzko betrachtet mit Verzücken ein filigranes antikes Silberrelief, das einen jungen Krieger darstellt und das nach neuartiger Restauration im Leipziger Antikenmuseum nun endlich ohne Gefahr für das Objekt ausstellbar ist. Andreas Kilb schreibt zum Tod des Film- und Theaterschauspielers Helmut Griem. "hd" stellt das Programm der nächsten Salzburger Festspiele vor. Joseph Hanimann unternimmt einen neuen lexikalischen Grenzgang zwischen Frankreich und Deutschland und untersucht dabei, wie über den EU-Beitritt der Türkei diskutiert wird.

In den Überresten von Bilder und Zeiten erinnert Tilman Spreckelsen an den Schriftsteller Wilhelm Waiblinger, der in diesen Tagen 200 Jahre alt würde. Und der ehemalige Spiegel-Redakteur Hajo Schumacher porträtiert Roland Koch - ein Vorabdruck aus einem demnächst erscheinenden Fischer-Taschenbuch.

Auf der Schallplatten-und-Phono-Seite geht's um eine neue CD der Glasgower Band The Delgados, um Psalmvertonungen mit Münchens bedrohtem Rundfunkorchester, um das "Wohltemperierte Klavier" in der Einspielung Daniel Barenboims und um eine CD mit Arien und Madrigalen der Altistin Sara Mingardo.

Auf der Medienseite trägt "mse" zusammen, was der Bayerische Rundfunk demnächst so im Unterhaltungsprogramm des Ersten anbieten wird, zum Beispiel eine Geburtstagsgala für Carolin Reiber ("Auch das ist öffentlich-rechtliches Kerngrundversorgungsprogramm"). Und Michael Hanfeld weiß, dass der ersehnten Ankunft Harald Schmidts im Ersten der "Scheibenwischer" nicht wird weichen müssen.

Auf der Literaturseite werden ein Band des Fotografen Pierre Verger, Gedichte von Friederike Mayröcker und Novellen von David Grossman besprochen.

Besprochen werden außerdem Jürgen Goschs Inszenierung von "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" im Berliner Deutschen Theater, die Ausstellung "Schatzhäuser Deutschlands - Kunst in adligem Privatbesitz" im Münchner Haus der Kunst, Neue Ballette von Martin Schläpfer und Nils Christe in Mainz, der Film "Sky Captain and the World of Tomorrow" und ein Abend des Kabaretts "Studio Braun" in Frankfurt.

In der Frankfurter Anthologie stellt Joachim Sartorius ein saftiges Fragonard-Gedicht von Paul Boldt vor - "Erwachsene Mädchen:

Wer weiß seit Fragonard noch, was es heiße,
Zwei stracke Beine haben in dem Kleide;
Roben gefüllt von Fleisch, als ob die Seide
In jeder Falte mit dem Körper kreiße. (...)"

SZ, 20.11.2004

In gleich zwei Feuilleton-Leitartikeln wird ein neuer anti-muslimischer Nationalismus beziehungsweise Rassismus angeprangert. Der Soziologe Y. Michal Bodemann sieht von Toronto aus in den jüngsten Entwicklungen Parallelen zum Antisemitismus: "Die Intensität dieser neuerlichen rassistischen Hetze in Europa ist freilich ohne den 11. September nicht zu denken. Nun schaukelt sich der Hass zwischen Einheimischen und den Migranten wechselseitig hoch. Übersehen wird dabei, dass es hier weitgehend um für Migranten reformulierte alte Antisemitismen geht: von der 'Parallelgesellschaft' (den Juden, die nur ihresgleichen helfen) zur 'Undurchsichtigkeit' (den verdeckt operierenden, verschwörerischen Juden) bis hin zum jüdischen und türkischen Patriarchat." Am Ende heißt es noch, der 11. September sei eine Tat von Moslems!

Und der Münchner Soziologe Ulrich Beck plädiert dafür, sich einen neuen Begriff von den Einwanderern zu machen: "Transnationale sind Einheimische, und sie sind es in bestimmten Hinsichten (manchmal aus der eigenen Perspektive, manchmal aus der Fremdperspektive der Einheimischen) auch wiederum nicht. Die Transnationalität der europäischen Muslime hebt die Unterscheidung von Ausländern und Inländern, Freunden und Feinden, Fremden und Einheimischen auf."

Weitere Artikel: Der in Sankt Petersburg geborene, in Kiew lebende Autor Andrej Kurkow weiß, warum Wladimir Putin bei der Präsidentenwahl ein Sieg des ukrainischen Amtsinhabers recht wäre: Es "gefällt Russland, wie Janukowitsch die demokratische Opposition attackiert". Der amerikanische Künstler Richard Prince erzählt im Interview Witze wie diesen: "Zwei Kannibalen essen einen Clown. Meint der eine zum anderen: Schmeckt er nicht komisch?" Dirk Peitz denkt über die Kontinuität amerikanischer Pop- und Rockkultur-Exporte nach Deutschland nach. Den Nachruf auf den Schauspieler und Regisseur Helmut Griem hat Thomas Thieringer verfasst. Angekündigt wird das Programm der Salzburger Festspiele 2005: Schreker,Verdi, Horvath, Kleist etc. Gemeldet wird, dass der in der Dresdner Inszenierung der "Weber" fallende Satz "Wen ich sehr schnell erschießen würde, das wäre Sabine Christiansen" voraussichtlich nicht strafrechtlich verfolgt wird.

In Gera war eine Inszenierung von Leos Janayeks "Die Ausflüge des Herrn Brouyek" zu erleben (ein Triumph), in Berlin ein "genial witzig-wunder Abend" mit Jürgen Goschs Version von Edward Albees "Wer hat Angs vor Virginia Woolf?". Kaum ein gutes Haar bleibt an der jüngsten Fortsetzung (als Prequel) eines Klassikers: "Exorzist: Der Anfang". Besprochen werden Mike Davis' neue Studie "Die Geburt der Dritten Welt", Werner Herzogs Fitzcarraldo-Tagebuch, Briefe von Edith Södergran und ein Buch zur Geschichte der christlichen Gebetsrichtung (mehr dazu in unserer Bücherschau des Tages).

Gemeldet wird, dass der Literaturauszeichnungsbetrieb sein Füllhorn über F.C. Delius (Fontane-Preis, 5000 Euro), Martin Mosebach (Blauer Salon Literaturhaus Frankfurt, 15000 Euro) und Thomas Brussig (Zuckmayer-Medaille, 30-Liter-Fass des von Zuckmayer geliebten Nackenheimer Weins) ausschüttet.

In der SZ am Wochenende: Larissa Beham liefert Impressionen aus Belgrad und bedauert aktuelle Tendenzen: "Ins Aus gewirtschaftet, scheinbar festgehalten in einer Phase der Orientierungslosigkeit, beginnt die Mehrzahl wahllos alle Errungenschaften des Westens aufzusaugen. So entsteht nun auch in Belgrad die Massenkultur mit dem Wasserzeichen MTV, unkritisch kombiniert mit deren heimischer Variante, der Turbofolkkultur der dekadenten Neunziger. Allenthalben herrscht Aufbruchsstimmung -- hipper, jünger, gesünder und erfolgreicher in die EU, heißt die Devise." Jens Bisky liefert Impressionen aus Berlin-Neukölln: "Spazierengehen ist hier aufregender als in Charlottenburg oder am Prenzlauer Berg, und doch möchte man seine Tochter nicht auf eine der Schulen des Bezirks schicken, nicht riskieren, dass sie auf dem Spielplatz erpresst wird, dem Machogehabe junger Araber ausgeliefert ist."

Weitere Artikel: Barbara Wrede erzählt von einem Besuch in der Heimat. Im Aufmacher macht sich Gerhard Matzig Gedanken über die gegen das "Unmünchnerische" ins Felde ziehende hochhausfeindliche Initiative "Unser München". Tobias Kniebe stellt den Münchner Amtsleiter Wilhelm Hoegner vor, der gerade dabei ist, Microsoft auf den Rechnern der Stadt den Garaus zu machen. Mit dem Juwelendieb Bill Mason unterhält sich Kristin Rübesamen. Hier ein paar Berufsgeheimnisse: "Ich zeigte den Leuten meine Karte und erzählte, dass wir einen Artikel bringen würden. Ob sie etwas dagegen hätten, fotografiert zu werden. Die meisten -- nein: alle! -- fanden das toll. Sie liebten es, fotografiert zu werden. Dann fragte ich sie nach ihrer Adresse, um ihnen das Foto zuzuschicken und ihre Erlaubnis zu erfragen, bevor wir die Story bringen. So hatte ich die Adresse."