Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
27.11.2004. In der SZ blickt Andrzej Stasiuk nach Kiew und ruft: "Mein Gott, es steht noch nicht so schlecht um Europa." In der Berliner Zeitung lässt sich Elfriede Jelinek nach Schlucken einer Zusatz-Valium von Andre Müller interviewen. In der FAZ sieht sich Edita Gruberova an der Kante eines drohend-tiefen Abgrunds. Und nur Edmund Stoiber kann sie retten.

Berliner Zeitung, 27.11.2004

Na sowas, Andre Müller ist wieder aufgetaucht! Für das Magazin hat er ein Interview mit Elfriede Jelinek geführt, und es ist ganz wunderbar. Jelinek macht sich fast genüsslich schlecht und beschreibt ausführlich ihre Ängste und Depressionen, bis kein Stein mehr auf dem anderen steht. Oder ist es einfach nur ein Flirt?

"Müller: Wie stellen Sie sich Ihr Alter vor?
Jelinek: Schrecklich! Vor dem Alter habe ich panische Angst, seit ich bei meiner Mutter diesen Verfallsprozess miterlebt habe. Also, bevor es mit mir so weit kommt, hoffe ich, dass ich es schaffe, mich umzubringen. Man müsste dann einen Arzt kennen, der einem hilft. Denn ich könnte es nur mit Tabletten machen, auf die sanfte Art. Ich könnte mich nicht erhängen. Man muss die Tabletten, damit man sie nicht auskotzt, mit Apfelmus mischen.
Müller: Ach!
Jelinek: Ja, und vorher noch zusätzlich Valium schlucken.
Müller: Sie sind furchtbar. Ich kann mit Ihnen kein professionelles Interview führen.
Jelinek: Ich entwaffne Sie .
Müller: Ja.
Jelinek: ... weil Sie sehen, dass ich wirklich hilflos bin.
Müller: Ja, und ich kann Ihnen nicht helfen.
Jelinek: Mir kann niemand helfen. Aber mit Ihnen rede ich gern. Ich bin nur so erschöpft momentan. Sie sehen jetzt, wie jemand verfällt, der zu lange keiner menschlichen Gesellschaft ausgesetzt war.
Müller: Ich bin auch erschöpft.
Jelinek: Ja, fein. Wenn Sie auch verfallen, ist es gut."

Im Feuilleton erklären Sasha Waltz und Jochen Sandig im Interview, warum sie mit ihrer Tanzcompagnie von der Schaubühne (Kurfürstendamm) in ein "wunderschönes Pfarrhaus mit großem Garten, gleich bei den Sophiensälen" (Berlin-Mitte) umgezogen sind: "Wir bündeln jetzt alle Kräfte des Tanzes, die vorher über das ganze Theater verteilt waren. Der Zusammenhalt unserer Gruppe hat sich an der Schaubühne etwas aufgelöst. Das lag weniger an der räumlichen als an der strukturellen Größe. Das ganze Prinzip des Angestellten-Seins stimmte für uns nicht. Jetzt werden wir eine Küche haben, täglich zusammen kochen, im Sommer können wir im Garten essen, und wir wohnen wieder im Zentrum. Hier kommen viele Bekannte vorbei, das war an der Schaubühne nicht möglich, dass jemand einfach mal so vorbeischaut." (Armer Berliner Westen!)

SZ, 27.11.2004

Bei den Menschenmengen, die in der ukrainischen Kälte für die Demokratie frieren, wird es dem Schriftsteller Andrzej Stasiuk ganz warm und postsowjetisch ums Herz: "Große Dinge tun sich im Osten. Die Ukraine hat sich erhoben. In diesen kalten letzten Novembertagen schlägt dort das Herz Europas, in Kiew, auf dem Platz -- nomen est omen -- der Unabhängigkeit. (...) Mein Gott, denke ich, es steht noch nicht so schlecht um Europa, wenn jemand sich im Namen seiner elementaren Werte den Hintern abfriert, es steht noch nicht so schlecht, wenn jemand dafür kämpfen will. Ja, liebe Europäer, die Ukraine hat sich erhoben und versucht, aus dem langen und tiefen Schatten Russlands herauszukommen, sich aus der unheilvollen postsowjetischen Finsternis zu befreien. Sie versucht, den Teufelskreis der pseudo-unabhängigen Staaten zu verlassen."

Das Verfassungsgericht hat den Einspruch des Schweizer Architekten Peter Zumthor gegen den Abriss seiner "Topografie des Terrors"-Fragmente zurückgewiesen: Gottfried Knapps Kommentar fällt bitter aus: "Berlin hat auf allen Ebenen gesiegt. Das einzige Bauwerk der neuen Berliner Herrlichkeit, das sich mit Scharouns Philharmonie und Libeskinds Jüdischem Museum hätte messen können, wird nun nicht gebaut."

Zumthor selbst hält im Interview noch mal fest: "Man glaubt, dieses Projekt sei abgesagt worden, weil Zumthor in elf Jahren nicht imstande gewesen sei, ein 'baubares' Projekt zu planen, und weil er die Kosten maßlos überzogen habe. Nichts davon stimmt ... ich wollte, dass die Verantwortlichen endlich sagen müssen, warum sie das Verfahren abgebrochen haben. Wenn das jetzt geklärt wäre, könnte man darüber diskutieren, ob dieser Baustopp einen Wechsel in der bundesrepublikanischen Erinnerungskultur bedeutet - oder ob es nur um Machtspiele einiger Leute geht."

Weitere Artikel: Christopher Schmidt nimmt den Gerichtsbeschluss, der die weitere Aufführung der Dresdner "Weber"-Inszenierung verbietet, zum Anlass, über weit verbreitete Allergien gegen das Regietheater nachzudenken. Stefan Koldehoff berichtet von heftigen Querelen mit (vorläufig?) friedlichem Ausgang um das neue Berner Paul-Klee-Zentrum (Website). Alex Rühle stellt den vielseitigen Schweizer Komponisten Nik Bärtsch vor. Johan Schloemann erklärt, wie die neue Google-Suche nach wissenschaftlichen Texten funktioniert (oder auch noch nicht so recht funktioniert). Anlässlich seines 250. Geburtstags erinnert Alexander Kosenina an den Schriftsteller und Revolutionär Georg Forster. Rainer Gansera resümiert das 53. Filmfest Mannheim-Heidelberg. Alexander Görlach berichtet über eine Tagung in Istanbul, die nach Gemeinsamkeiten von Islam und Moderne suchte. Gemeldet wird, dass dem neuen Suhrkamp-Stiftungsrat die Unseld-Witwe "Ulla Unseld-Berkewicz, die italienische Verlegerin Inge Feltrinelli, der ehemalige Vorstandschef der Deutschen Bahn, Heinz Dürr, und der Schriftsteller Adolf Muschg" angehören.

Besprochen werden die Inszenierung von Jean Genets "Zofen" am Thalia Theater in Hamburg, Robert Zemeckis' Film "Polarexpress", ein Buch über die Seidenstraße und der Briefwechsel zwischen Gottfried Benn und Thea Sternheim. (Mehr dazu in der Bücherschau ab 14 Uhr.)

Im Aufmacher der SZ am Wochenende denkt der in Stanford lehrende Literaturwissenschaftler Hans-Ulrich Gumbrecht über den Kitsch nach, der nicht so sehr im Gegenstand als vielmehr im Auge und im Herzen des Betrachters liegt: "In seinen attraktiveren Versionen setzt der Kitsch-Begriff voraus, dass es um eine Haltung, eine Einstellung, einen sozialen Typus geht, eben um den 'Kitsch-Menschen', und nicht um eine Unterscheidung zwischen Gegenständen, die 'an sich' kitschig oder geschmackvoll wären." Hier der feine Unterschied: "'Interesseloses Wohlgefallen' in Kants Sinne nähert sich dem Kitsch erst, wo es in 'Genüsslichkeit' hängen bleibt."

Der 1933 geborene, 1956 fast ohne Sprachkenntnisse von Ungarn nach Kanada geflohene Schriftsteller Stephen Vizinczey ("Wie ich lernte, die Frauen zu lieben") wird heute für sein wunderbares Englisch gefeiert. Er erinnert sich an seine Englischlehrerin in Ungarn: "'Vizinczey, in mehr als zwanzig Jahren Lehrtätigkeit', sagte sie zu mir, 'ist mir noch nie ein Schüler mit so geringem Sprachtalent untergekommen.'"

Weitere Artikel: Dirk Peitz begutachtet "junge Dinger". Johannes Willms erklärt uns, wie in Frankreich Ruhm und Ehre in Gestalt von Orden und ähnlichem Gestalt werden. Linda Evangelista spricht im Interview über Fotografen, und zwar zunächst über Helmut Newton, der sie nie (wirklich) fotografiert hat: "Es ist zwar langweilig, jeden Tag Linda Evangelista zu sein, aber die Newton-Linda machte mir Angst. Jetzt, nach seinem Tod, bereue ich es natürlich."

NZZ, 27.11.2004

Andrea Köhler nimmt Bill Condons Film über den Sexualforscher Alfred C. Kinsey, der in den USA auf Proteste der religiösen Rechten stößt, zum Anlass für einen Artikel über die bis heute missliche Lage der Disziplin in den USA: "Dekaden nach der sexuellen Revolution arbeiten Sexualwissenschafter in dem Land, das Viagra und 'Sex and the City' erfunden hat, laut einem Bericht in der New York Times noch immer in einer Art Untergrund, selbst wenn die Studien - von der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten bis zur Verhütungsfrage - für die Gesundheitspolitik von größter Bedeutung sind. Das Klima, klagen die Wissenschafter, sei sogar feindseliger als je zuvor."

Weitere Artikel: Joachim Güntner kommentiert das Drama um Hauptmanns "Weber" in Dresden. Beat Stauffer resümiert eine Tagung über den Islam an der Uni Basel.

Besprochen werden Taboris "Clowns" in Zürich, Konzerte am Festival Wien modern, Ibsens "Nora" in Genf und einige Bücher, darunter Rafik Schamis Roman "Die dunkle Seite der Liebe"

In Literatur und Kunst untersucht Valeska von Rosen die "kalkulierten Regelverstöße" im Spätwerk von Caravaggio.

Einige Artikel sind musikalischen Themen gewidmet. Besonders lesenswert Hans-Joachim Hinrichsens Artikel über Furtwänglers Einspielung von Schumanns Vierter Sinfonie, für die er sogar Furtwänglers Dirigierpartitur im Furtwängler-Nachlass der Zentralbibliothek Zürich eingesehen hat. Jean-Jacques Rapin erinnert an eine Begegnung zwischen den Dirigenten Wilhelm Furtwängler (dessen fünfzigster Todestag sich nähert) und Ernest Ansermet. Rolf Urs Ringger schreibt über das Orchesterlied "In Haven" von Edward Elgar. Lothar Knessl schildert die durch Friedrich Cerha überlieferte Aufführungstradition der Zweiten Wiener Schule.

Außerdem erinnert Ulrich Kronauer an das bewegte Leben Georg Forsters. Und Susanne Ostwald bespricht D. H. Lawrences Roman "Lady Chatterley's Lover" in neuer Übersetzung.

TAZ, 27.11.2004

Heute erklärt der Schriftsteller Hermann Peter Piwitt in der taz-Zeitungs-Kampagne , warum "Erlesenes erhalten" werden soll: "Am schönsten ist es, sie morgens zu öffnen, auszubreiten und die Innenfalte glatt zu streichen. Den Kaffee auf dem Tisch bei sich zu haben. Die erste Zigarette. Die Sonne kommt schon schräg herein, aber sie ist immer noch stark."

In der Kultur erinnert Detlef Kuhlbrodt an einen ganz anderen Begriff, den man sich einst in Berlin von der Parallelgesellschaft machte: "In den 80ern gab es an allen größeren Orten Europas kleine Orte der Utopie, die im roten oder schwarz-roten Kalender aufgelistet waren. Diese Orte waren Teile einer Alternativ- oder Parallelgesellschaft, mit der man sich identifizierte, die man auch im Urlaub gern besuchte: WGs, Buchläden, die oft 'Roter Stern' hießen, besetzte Häuser, Schwarzfahrerzentralen, Kneipen, Bioläden und wenns im Herbst nach Frankfurt ging, dann natürlich zur Alternativen Buchmesse. Kreuzberg war das Zentrum von dem Ganzen und die taz das Zentralorgan. Wer bei der taz war, war in erster Linie nicht Journalist oder Setzer, sondern tätig auf der Seite des besseren Lebens."

In der tazzwei erklären drei ehemals Linke - der Spediteur Klaus Zapf, der Verleger Bernd Lunkewitz, der jetzt rechte Bernd Rabehl -, wie sie in dieser unserer Gesellschaft angekommen sind. Philipp Gessler berichtet von der derzeit laufenden Kampagne gegen Klaus Wowereit, die von homophoben Motiven unterfüttert ist. Martin Reichert informiert über eine zynische Werbeaktion, bei der Obdachlose mit Werbetafeln für teures Olivenöl herumlaufen.

Im Dossier meditiert Herbert Beckmann erst allgemein, dann persönlich über die Lebensmitte: "In den Industriestaaten haben gegenwärtig Frauen im Durchschnitt 81 Jahre zu gewärtigen, Männer sieben weniger. Das ist noch eine ganze Menge Lebenszeit, von der Lebensmitte aus gesehen. Die Frage ist nur: Wofür lohnt es sich zu leben?" Leo Bauer erzählt Schauergeschichten von der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen. Den Worteerfinder Adib Fricke stellt Karl Hübner vor (hier seine Website).

Besprochen wird groß und im Kulturteil Stephen Greenblatts Shakespeare-Biografie "Will in der Welt". Außerdem rezensiert: Das neue Buch von Samuel Huntington ("sein neuer Feind: die Latinos"), "Sammlerlatein", die Auskünfte des Kunstsammlers Wilhelm Schürmann, Ilja Trojanows Geschichte seiner Konversion zum Islam und der neue Roman von Brigitte Kronauer. (Mehr dazu in der Bücherschau ab 14 Uhr.)

Die beiliegende literataz bespricht ausschließlich Hörbücher. Gerrit Bartels gibt einen Überblick.

Und Tom.

FR, 27.11.2004

Katajun Amipur kann das Gerede von der mangelnden Anpassungsbereitschaft der Muslime nicht mehr hören und stellt zur Abwechslung mal die Gegenfrage: "Vielleicht sollte man an dieser Stelle auch einmal nach der Integrationsbereitschaft der deutschen Gesellschaft fragen: Bis heute haben große Teile dieser Gesellschaft nicht akzeptiert, dass Deutschland faktisch schon seit langer Zeit ein Einwanderungsland ist. Immer noch haben sich viele nicht daran gewöhnt, dass Menschen einen orientalisch klingenden Namen haben und trotzdem Deutsche sind, also auch gut deutsch sprechen. Und zwar so gut, dass ich auf entsprechende Komplimente zu meiner Ausdruckweise nur erwidern kann: danke, Sie auch."

Weitere Artikel: In aller Ruhe klärt Frank Keil über berechtigte und unberechtigte Sorgen in Sachen Künstlersozialkasse auf. Johannes Wendland stellt den Neubau der Bundesbank in Chemnitz vor.

Der Rest sind Rezensionen: Klaus Walter stellt einen neuen Trend und damit auch die neuen Alben von Nancy Sinatra und Marianne Faithfull vor: "Herren um die vierzig schreiben Songs für Damen um die sechzig." Tim Gorbauch war beim Konzert der Fantastischen Vier in Frankfurt am Main: alle hüpften immer noch im Takt. Weiter besprochen werden Jürgen Kruses Inszenierung des "Othello" am Berliner Deutschen Theater und Hans Neuenfels' Version von Dimitri Schostakowitschs "Lady Macbeth von Mzensk".

Welt, 27.11.2004

Leider ist nur die Literarische Welt der letzten Woche im Netz. Auf Joschka Fischers Laudatio auf Amos Oz haben wir da schon hingewisen. Übersehen hatten wir offensichtlich Jonathan Franzens großen Artikel über Alice Munro, den die Welt aus der New York Times übernommen hat: "Es spricht vieles dafür, dass Alice Munros Erzählungen das beste sind, was die zeitgenössische Literatur Nordamerikas zu bieten hat. Leider hat Munro außerhalb Kanadas, wo ihre Bücher die Bestsellerlisten anführen, bisher keine große Leserschaft gefunden."

FAZ, 27.11.2004

Edo Reents bespricht die neue Platte von Eminem, der kurz vorm Verstummen - denn angeblich handelt es sich bei "Encore" um sein letztes Werk - noch die Möglichkeiten menschlicher Lauterzeugung ausschreitet: "Wenn man sich das Gerülpse, Gewürge und teilweise noch unappetitlichere Körpergeräusche in Songs wie 'Puke' und 'Paul' anhört, dann könnte man den Eindruck gewinnen, Eminem sei nun selber mundtot. Aber wie Elvis zuletzt nur noch durch seine Körperlichkeit wirkte, so setzt Eminem jetzt auf Allernatürlichstes. Eine Preisgabe des Intimsten, Schambehafteten ist das trotzdem nicht; es ist, als direkter Ausdruck von Körperlichkeit, immer noch Mittel zur Kommunikation."

Die Sopranistin Edita Gruberova protestiert in einem Offenen Brief an Edmund Stoiber gegen die Schleifung des Münchner Rundfunkorchesters: "Durch die brutale Entscheidung des br-Intendanten, Herrn Thomas Gruber, das Münchner Rundfunkorchester einfach aufzulösen, bekomme auch ich das schmerzhafte Gefühl, durch 'Kunst-Amputation' mitleidslos an die Kante eines drohend-tiefen Abgrunds gestoßen zu werden."

Weitere Artikel: Heinrich Wefing kolportiert Gerüchte, dass die Stiftung Topografie des Terrors und und die Stiftung des Mahnmals für die ermordeten Juden in Berlin zusammengelegt werden sollen. Joseph Hanimann besucht die wiedereröffnete Galerie d'Apollon im Louvre. In der Leitglosse fürchtet Jürgen Kaube, dass die westlichen Demokratien die Demokratie in der Ukraine ihrem Interesse am Öl aus der Ukraine opfern werden. Irene Bazinger bringt uns auf den neuesten Stand im Streit um die Dresdner "Weber". Hannes Hintermeier schreibt zum Tod des Bestsellerautors Arthur Hailey. In der französischen Zeitschriftenschau berichtet Jürg Altwegg, dass nun auch das Vaterland der Menschenrechte mit Grausen einsehen muss, was alle anderen schon längst wussten: nämlich dass die Franzosen im Algerienkrieg nach Kräften folterten. Gina Thomas schreibt zum hundertjährigen Jubiläum der deutschen evangelischen Christuskirche in London. Oliver Jungen gratuliert dem Mittelalterhistoriker Gert Melville zum Sechzigsten.

In den Bilder und Zeiten selig schreibt Felicitas von Lovenberg zum hundertsten Geburtstag der Schriftstellerin Nancy Mitford. Und Henning Ritter betrachtet die "ursprüngliche Konzeption von Jacques-Louis Davids Bild der vor 200 Jahren erfolgten Kaiserkrönung Napoleons".

Auf der Schallplatten-und-Phono-Seite geht's neben Eminem um eine Einspielung von Berlioz' Oper "Benvenuto Cellini" unter John Nelson, um eine CD von Mick Fleetwood, um eine CD der Band Secret Machines und um eine CD mit französischer Klaviermusik, eingespielt von Alexander Lonquich.

Auf der Medienseite schreibt Henrike Rossbach kenntnisreich über die immer kleinere "Rotation" in den Musiksendern der Öffentlich-Rechtlichen - je weniger Hits runtergedudelt werden, desto verzückter das Publikum, doch Sender wie Radio Fritz von RBB, You FM vom Hessischen Rundfunk und Eins Live vom WDR versuchen noch, es besser zu machen. Michael Martens nennt einen ZDF-Bericht über die angebliche Mitverantwortung des BND an der Verkennung der Lage im Kosovo eine "Ente". Stefan Niggemeier meldet, dass Sarah Kuttner jetzt doch ein bisschen bei Viva bleiben darf.

Auf der Literaturseite werden eine Weihnachtsgeschichte von Joseph Brodsky, ein Roman von Philipp Claudel und ein Roman von Udo Jürgens besprochen (mehr in unserer Bücherschau heute ab 14 Uhr).

Weitere Besprechungen gelten einer Luc Tuysmans-Ausstellung in Düsseldorf, Taboris "Clowns" in Zürich, Puccinis "Turandot" in Köln, einer Ausstellung über die Weltausstellung von 1873 in Wien, einem Auftritt der Fantastischen Vier in Frankfurt und Jon Turteltaubs Film "Das Vermächtnis der Tempelritter".

In der Frankfurter Anthologie stellt Hans Dieter Schäfer das Gedicht "Im Winter zu singen" von Wilhelm Lehmann vor:

"Die Jäger spannen die Tellereisen
Die Füchse entwischen..."