Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
02.02.2006. Der dänische Karikaturenstreit beschäftigt die Zeitungen weiter. Die FR schildert Dänemark als ausländerfeindlich. Die NZZ berichtet über den Vorschlag, zur Versöhnung in Kopenhagen eine schöne Moschee zu bauen. Die FAZ fordert möglichst viele Medien auf, die Karikaturen zu veröffentlichen. Außerdem quält die Zeit Peter Handke mit einem Interview. Und in der SZ fragt sich Gustav Seibt, wozu die Berliner Akademie der Künste eigentlich noch gut ist.

Zeit, 02.02.2006

Im Literaturteil spricht der Schriftsteller Peter Handke im Interview mit Ulrich Greiner über die Freude, durch einen Schneesturm in Hokkaido zu wandern, die verlorenen Träume der Literatur und die Qual, Journalisten zu empfangen ("Morgen werde ich schreiben: 'Tag ohne Wälder, nur gequasselt.'). Unverändert ist seine Sicht auf Serbien und die Kriege im ehemaligen Jugslawien: "Hat jemals jemand in einer westlichen Zeitung von den Flüchtlingen, mehr als einer halben Million, in Serbien erzählt? Nie habe ich etwas darüber gelesen, wie die vegetieren. Und zum ersten Mal habe ich deren Geschichte erzählt. Warum geht nicht einer der Reporter der Zeit, die die Geschichte vom serbischen Adolf zum siebzigsten Mal als Dossier aufmöbeln, wo doch die bosnischen Muselmanen und die Kroaten genauso viel Blut am Stecken haben, zu den serbischen Flüchtlingen?"

Katja Nicodemus berichtet begeistert von einer Reise nach Teheran , wo sie die lebendigste und schizophrenste Filmszene der islamischen Welt erkundet hat: "Ein Besuch in den unterschiedlichsten Produktionsbüros wird auch zur Reise durch die Klassen, Schichten, Religions- und Bevölkerungsgruppen des Landes. Sie führt in die millionenschweren Penthäuser des teuren Teheraner Nordens, wo die Jeunesse doree ihre Filme auf nagelneuen Flachbildschirmen vorführt... Es gibt aber auch die Gegenwelt der ärmlichen Hinterhäuser, bewohnt von einer Großfamilie, die ihr gesamtes Erspartes in das sozialrevolutionäre Arbeiterdrama ihres jüngsten Zöglings gesteckt hat. Oder ein Produktionsbüro der aserbajdschanischen Community, in dem muffelige Bartträger den Tee zwischen Plastikblumen, Spiegeln, vergoldeten Kronleuchtern und Zierdolchen servieren."

Weiteres: In einem von sechzig Migrationsforschern unterzeichneten Offenen Brief greifen Yasemin Karakasoglu und Mark Terkessidis die Autorin Necla Kelek und ihr Buch "Die fremde Braut" an und fordern "Gerechtigkeit für die Muslime" und eine "rationalere Diskussion über die Gestaltung der Einwanderungsgesellschaft", die den sich neu interpretierenden Islam der zweiten Einwanderer-Generation nicht einfach über den Kamm des Patriarchalen und Rückschrittlichen schert." In Bezug auf die Berliner Gedenkstättenlandschaft vermisst der Historiker Götz Aly immer noch einen Ort, der den gesamten Nationalsozialismus erklärt und nicht nur "punktuelle Botschaften" aussendet. Nach der Ankündigung des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, eine Holocaust-Konferenz abzuhalten, spürt Klaus Holz den Ursprüngen des muslimischen Antisemitismus nach. Wulf Herzogenrath schreibt zum Tod des Vidokünstlers Nam June Paik.

Michael Hanekes Pariser "Don Giovanni"-Inszenierung hat Claus Spahn frösteln gemacht: "Einen so kalten, unbehausten Don Giovanni hat man auf der Opernbühne noch nie gesehen." Außerdem besprochen werden empfehlenswerte Mozart-Aufnahmen, Roland Schimmelpfennigs neues Stück "Auf der Greifwalder Straße" am Deutschen Theater in Berlin, James Mangolds Johnny-Cash-Film "Walk the Line" mit einem "grandiosen" Joaquin Phoenix und Deborah Colkers WM-Choreografie "Maracana".

Im Leben schildert Jörg Lau einen "bemerkenswerten Moment für das Einwanderungsland" Deutschland: eine Pressekonferenz mit den Schülervertretern Asad Suleman und Halime Narin der Weddinger Hoover-Schule, die sich selbst zum Deutsch auf dem Pausenhof verpflichtet hat: "Eine Reporterin fragte: 'Wie fühlt ihr Schüler euch denn hier so als Opfer?' Asad gab lächelnd zurück: 'Ich verstehe die Frage nicht. Können Sie bitte präzisieren?' Der ganze Saal - bis auf die zunehmend säuerlichen Migrantenvertreter und einen Herrn aus der türkischen Botschaft - brach in Gelächter aus. Die inszenierte Aufregung brach in sich zusammen. Man hatte etwas Erstaunliches erlebt: Ein junger Mann mitten aus der viel beschworenen Parallelgesellschaft, der die wohlwollende Nötigung der angereisten Berufsempörten, er möge sich endlich ordnungsgemäß als Opfer darstellen, freundlich und bestimmt zurückweist."

FAZ, 02.02.2006

Kurz bevor die Buchmesse in Kairo vorbei ist, schlendert Rainer Hermann duch die Hallen und schildert die Probleme der arabischen Verlagsbranche. "Übersetzungen spielen noch kaum eine Rolle. Doch widerspricht Buchmessechef Ansari energisch einer Zahl, die Furore gemacht hat: Der 'Arab Human Development Report' (pdf) hatte behauptet, in jedem Jahr würden nicht mehr als dreihundert Bücher ins Arabische übersetzt. Allein die Übersetzungsabteilung des ägyptischen Kulturministeriums habe in den letzten Jahren mehr als tausend Bücher übersetzt, hält Ansari dagegen."

Christian Geyer fordert die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen (hier) in möglichst vielen europäischen Medien. "Nur in europaweiter Solidarität wird klar: Religiöse Fundamentalisten, die die Unterscheidung zwischen Satire und Gotteslästerung nicht respektieren, haben nicht nur mit Dänemark ein Problem, sondern mit der gesamten westlichen Welt." Die eigene Zeitung habe am 3. November mit dem Abdruck einer der Zeichnungen vorgelegt.

Heinrich Wefing stellt die deutschtürkische Anwältin Seyran Ates vor, die in Berlin für die Rechte türkischer Frauen streitet. Anne Schumacher de la Cuesta besucht den Maler Fernando Botero in Mexiko und erfährt, dass erst Abu Ghraib ihn politisch gemacht hat. Klaus Ungerer darf dem Pink-Floyd-Schlagzeuger Nick Mason auf seiner Buchpräsentation in Berlin beim Schweigen zusehen. Christian Schwägerl erörtert am Beispiel des Physikers und Nobelpreisträgers Theodor Hänsch das Problem der Altersobergrenze im Staatsdienst. Henning Ritter widmet dem nun achtzigjährigen Historiker Fritz Stern einen Geburtstagsartikel. Hansgeorg Hermann referiert eine Londoner Konferenz der British Psychoanalytical Society, der Auftakt zu den Feierlichkeiten zum 150. Geburtsjahr Sigmund Freuds.

Auf der Filmseite schildert Michael Althen den Werdegang des Schauspielers Kevin Bacon. Andreas Rossmann trommelt gegen den Abriss des Kinos "Metropol" in Bonn. Peter Körte meldet, dass die immerhin sechs Produzenten des oscarnominierten Films "L.A. Crash" sich nun streiten, wer die goldenen Statuen einstecken darf.

Die letzte Seite: Von den Schwierigkeiten des österreichischen Staats, wenigstens eines der an die Klimt-Erben Bloch Bauer zurückgegebenen Gemälde im Land zu halten, berichtet Daniela Gregori. Joseph Hanimann stellt den französischen Theatergründer Bernard Sobel vor.

Im Medienteil kolportiert "csl.", dass die Berliner Zeitung künftig ihren Gewinn verdoppeln und dafür vielleicht 30 Redakteure entlassen muss. Und Nina Rehfeld informiert, dass Amerikas Kabelsender The WB und UPN fusionieren.

Besprochen werden eine Schau mit den Skulpturen von Arnolfo die Cambio im Museo dell'Opera di Santa Maria del Fiore, Gilles Jobins Tanzstück "Steak House" auf den Berliner Festwochen, ein Auftritt des mit dem Darmstädter Musikpreis ausgezeichneten Vibraphonisten Christopher Dell in Darmstadt,
Atom Eyogans Thriller "Wahre Lügen", unter den Bücher findet sich unter anderem Patrick Leigh Fermors Reisebericht "Die Zeit der Gaben" (mehr in unserer Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).

Welt, 02.02.2006

Die Welt setzt die Berichterstattung über die dänischen Mohammend-Karikaturen fort (übrigens haben wir gestern fälschlich gemeldet, dass die Welt die einzige deutsche Zeitung gewesen sei, die die Karikaturen abgedruckt habe, pardon an FAZ, Tagesspiegel und Berliner Zeitung! Im Netz war das nicht zu sehen): Boris Kalnoky schreibt: "Es fällt auf, dass die Demonstrationen dort am größten und die diplomatischen Reaktionen dort am heftigsten sind, wo autoritäre Regime unter innenpolitischem Druck islamistischer Oppositionen stehen." Auch greift man zu originellen Boykottmaßnahmen. In Ägypten zum Beispiel will man einen dänischen Kredit blockieren. Rainer Gatermann berichtet über jüngste Reaktionen in Dänemark: "Erik Svendsen, Bischof von Kopenhagen, sagte: 'Wir distanzieren uns sowohl von den Zeichnungen als auch von der Verbrennung der dänischen Flagge mit weißem Kreuz.'" Mariam Lau liest Reaktionen auf Weblogs. Und im Feuilleton untersucht Peter Dittmar das Verhältnis der Religionen zum Gottesbild.

Außerdem im Feuilleton: Lang Lang war in Berlin, und auch Manuel Brug erliegt nach manchen Spitzen über seine Possierlichkeit seinem pianistischen Charisma in Mozarts c-Moll-Klavierkonzert: "Und dann spielt er, stupend, makellos mit einer feinen Eleganz, leicht und doch mit Nachdruck. Das Deutsche Symphonie-Orchester unter Kent Nagano begleitet hingerissen. Vielleicht fehlt da - noch - ein Quäntchen Tiefe, Vergeistigung, ein Innehalten, im herrlich perfekten, unglaublich leichtgliedrigen Fluss dieser flink perlenden Finger. Doch die fein gesetzten Tempoakzente in der Kadenz, das lyrisch innig genommene Larghetto, die sanft ausgewogene, überlegen ausbalancierte Heiterkeit des Variationsfinale - das atmet das Wissen und das Können der ganz Großen."

Weitere Artikel: Eckhard Fuhr interviewt Klaus Mangold, den Vorsitzenden der Freunde der Berliner Akademie der Künste zur Zukunft der um ihren tieferen Sinn bangenden Institution. Wieland Freund besucht die Nürnberger Spielwarenmesse. Uwe Schmitt berichtet aus Washington über die Entscheidung, das künftige Museum für Afroamerikanische Geschichte auf der Mall in Washington zu bauen.

Besprochen werden der Film "Urlaub vom Leben" (mehr hier), das Debüt der 28jährige Neele Leana Vollmar und laut Gabriela Walde eine " wunderbare Ballade über den gnadenlosen Alltag", der Thriller "Wahre Lügen" (mehr hier) von Atom Egoyan und der Märchenfilm "Eine zauberhafte Nanny" (mehr hier).

Und im Magazin unterhält sich Josef Engels mit Jerry Lewis, der ein Buch über seine Liebesgeschichte mit Dean Martin herausgebracht hat: "Es war wie eine chemische Reaktion. Er wusste, dass ich das Witzigste bin, was er jemals gesehen hat, und ich meinte, er sei der schönste Mann, den ich jemals gesehen habe."

NZZ, 02.02.2006

Aldo Keel berichtet über die Eskalation im Streit um dänische Mohammed-Karikaturen und über eine Initiative zur Versöhnung: "Als weithin sichtbares Friedenszeichen schlägt nun der ehemalige Chefredaktor von Politiken, Herbert Pundik, den Bau einer großen Moschee mit Minarett und Kuppel vor. Noch immer seien Kopenhagens Muslime auf Hinterhöfe und stillgelegte Fabriken verwiesen. Es sei Aufgabe der großen Zeitungen, das Geld für diese 'Volksgabe' zu sammeln."

Weitere Artikel: Martin Krumbholz führt uns in vertrackte Volten der Ironie in jüngsten Werken von Daniel Kehlmann (hier), Markus Werner (hier) und Woody Allen ein: Es handle sich hier um eine "andere Art der Ironie, die nicht nur relativiert, in der sich vielmehr Moral verpuppt". Max Nyffeler hört neue CDs mit Werken von Peter Eötvös. Besprochen werden außerdem neue Aufnahmen des Beethoven Violinkonzerts mit den Solisten Maxim Vengerov und Nikolaj Znaider und Bücher, darunter eine Neuausgabe von Fritz Sterns Studie "Kulturpessimismus als politische Gefahr".

FR, 02.02.2006

In seinem Korrespondentenbericht über den dänischen Karikaturenstreit beschuldigt Hannes Gamillscheg die Dänen der Ausländerfeindlichkeit: "Es ist kein Zufall, dass es nun just in Dänemark zu dem Zusammenstoß kam, denn nirgends sonst in Europa ist in den vergangenen Jahren die Ausländerdebatte so gehässig geführt, sind die Zuwanderungsgesetze so brutal verschärft worden. (...) In den tonangebenden Medien werden Ausländer ständig kollektiv als Problem bezeichnet, nie als Ressource. Abgeordnete der rechts-populistischen Volkspartei haben den Islam 'Krebsgeschwür' und 'Terrorbewegung' genannt. 'Krieg der Zivilisationen?', fragte DVP-Chefin Pia Kjærsgaard, 'es gibt nur eine Zivilisation, und das ist unsere.'"

Im Feuilleton werden eine Ausstellung des Designers Joe Colombo im Vitra Design Museum und Atom Egoyans neuer Film "Wahre Lügen" besprochen. Außerdem gratuliert Matthias Arning Fritz Stern zum Achtzigsten.

Tagesspiegel, 02.02.2006

Julian Hanich erfährt von Filmregisseur Atom Egoyan, dessen "Wahre Lügen" heute in die Kinos kommen, dass sich sein ganzes Schaffen aus seiner Herkunft speist. "Ich habe mittlerweile erkannt, dass beinahe alles damit zu tun hat, dass ich Armenier bin. Es ist einfach seltsam, mit einer verleugneten Geschichte leben zu müssen. Kürzlich sprach ich mit einem türkischen Künstler meiner Generation, Kutlug Ataman, den ich sehr verehre. Ich musste mir dabei immer wieder vor Augen führen, dass es für ihn keinen Grund gibt, sich für die türkische Geschichte zu entschuldigen, denn ihn wurde diese Geschichte nie gelehrt."
Stichwörter: Armenien

TAZ, 02.02.2006

Auf den Tagesthemenseiten erklärt Aktham Suliman, Deutschland-Korrespondent von al-Dschasira in Berlin, im Interview zum Streit um die Mohammed-Karikaturen: "Mich beleidigt einiges von dem, was hier in Europa über Muslime gesagt und gedacht wird. Dass Mohammed abgebildet wird, ist dabei weniger das Problem, auch wenn ich weiß, dass der Koran das nicht erlaubt. Mich stört vielmehr die Respektlosigkeit, die daraus spricht."

Robert Misik blickt aus großer Höhe auf die streitenden Muslime und "Liberalmilitanten" und empfiehlt ihnen: "Ach Kinder, geht nach draußen spielen."

Henning Mankells neuer Roman "Kennedys Hirn" erzählt, wie die Pharmaindustrie mit der Aids-Krise in Afrika Profite macht. Brigitte Werneburg stellt im Kulturteil das Buch kurz vor und interviewt den Autor, der offenbar - wie "viele afrikanische Journalisten" - glaubt, "dass Aids aus dem Labor stammt".

Weitere Artikel: Christian Füller beschreibt die Universität als absurdes Theater. Susanne Messmer berichtet über neue Filme aus China beim Rotterdamer Filmfestival. Cristina Nord stellt die Kandidaten für den Oscar vor. Besprochen wird Atom Egoyans Film "Wahre Lügen".

Schließlich Tom.

SZ, 02.02.2006

Im Aufmacher rechnet Gustav Seibt mit der Berliner Akademie der Künste ab. Er weiß nicht mehr, wozu sie eigentlich gut ist, und die Mitglieder selbst wissen es offenbar auch nicht. Ihre Erklärungen "sind erbärmlich konventionell und belanglos: Sie erschöpfen sich im Vokabular jener routinierten Aufmüpfigkeit, die nur zeigt, dass es Vertreter einer offenbar bewusstlos und erfahrungslos gealterten Avantgarde sind, die in der Akademie das Wort führen ... Glaubt im Ernst jemand, dass die Gesellschaft sich von einem Institut 'beraten' lassen will, das nicht einmal im Stande ist, sich ein funktionstüchtiges Haus zu bauen? Dessen innere Zerstrittenheit jedenfalls in Berlin schon seit Jahren notorisch ist, eine Zerfallenheit, die jetzt in einer Serie auch persönlicher Anschwärzungen über Tageszeitungen und Presse-Agenturen auch überregional ausgetragen wird? Von einem Apparat, der mit seinem konzeptionslosen Durcheinander von Veranstaltungen und Ausstellungen kaum auf der Berliner Stadtbühne bestehen kann, ganz zu schweigen von jener 'nationalen Ausstrahlung', die unentwegt verlangt wird?"

Marina Abramovic zeigt in Mailand gerade ihre gesamten Balkan-Videoinstallationen, in denen sie sich auch mit den sexuellen Praktiken und heidnischen Riten (Bild) ihrer Heimat auseinander setzt. Im Interview erklärt sie, warum: Die "rituelle Zurschaustellung der Genitalien hat es ja tatsächlich gegeben; sie ist nur vergessen worden. Es geht nicht darum, diese Riten heute lediglich zu wiederholen, also es so zu machen wie einstmals. Sondern es geht darum, dass wir die Erinnerung daran verloren haben. Wir hatten einmal eine andere Sexualität, als wir sie jetzt in der technologischen Gesellschaft haben. Wir haben die spirituellen Momente der Sexualität verloren."

Weitere Artikel: Christiane Schlötzer berichtet über eine türkische Website, die in Berlin zu einem Massenaufmarsch zum 85. Todestag des 1921 von einem Armenier ermordeten Talat Pascha aufruft. Talat gilt als einer der Hauptverantwortlichen für den Massenmord an den Armeniern. Beunruhigend findet Schlötzer, dass unter dem Aufruf "die Namen von vier Abgeordneten des türkischen Parlaments, davon drei Angehörige der Regierungspartei APK, einschließlich des Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses" stehen. Reese Witherspoon, die gerade als June Carter in "Walk the Line" zu sehen ist, erklärt im Interview, warum ihre Produktionsfirma Type A Films heißt: "Type-A-Menschen sind sehr organisiert und methodisch - aber anfälliger für Infarkte." Johannes Willms schreibt zum achtzigsten Geburtstag des Historikers Fritz Stern.

Eine kurze Meldung informiert uns über die Schändung einer Botho-Strauß-Aufführung am Berliner Ensemble: "Aufgebrachte Zuschauer störten die dritte Vorstellung durch Zwischenrufe ('Schweinetheater', 'Nazis', 'Ihr geilt euch doch daran auf' und 'Muss das sein?'), einige verließen den Saal und setzten ihre Proteste im Foyer fort." Eine andere Meldung berichtet, dass in Schweden über ein mögliches Gesetz diskutiert wird, "mit dem die schwedische Sprache gestärkt werden soll. Umstritten ist, ob Schwedisch als offizielle 'Hauptsprache' gesetzlich festgelegt werden soll - was bislang nicht der Fall ist -, und ob allen öffentlich Angestellten vorgeschrieben werden soll, ein 'klares und verständliches Schwedisch' zu sprechen."

Auf der Medienseite berichtet Claudia Tieschky über die "Philosophie-Unterschiede" zwischen Sony BMG und seinem Gesellschafter Bertelsmann, die vermutlich dazu führen werden, dass Vorstandschef Andrew Lack seinen Job an Rolf Schmidt-Holtz abtreten muss. Bertelsmann wollte das allerdings nicht bestätigen. Abgedruckt ist außerdem eine Rede des Verfassungsrichters Wolfgang Hoffmann-Riem zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland.

Besprochen werden die Genfer Uraufführung von Michael Jarrells Oper "Galilee" nach Bertolt Brechts Bühnenstück, Atom Egoyans Thriller "Wahre Lügen", der Disney-Film "Himmel und Huhn", Neele Leana Vollmars Film "Urlaub vom Leben" und Bücher, darunter Edward Castronovas Buch "Synthetic Worlds. The Business and Culture of Online Games", Iwan Bunins Revolutionstagebuch "Verfluchte Tage" und Sybille Bedfords Roman "Ein Liebling der Götter" (mehr in unserer Bücherschau heute ab 14 Uhr).