04.11.2006. In der Welt verteidigt Mario Vargas Llosa die Fundamentalisten der Aufklärung gegen Ian Buruma. In der taz beschimpft Karl Heinz Bohrer die 68er als potentielle brave Nazis. In der FR kritisiert György Dalos die ungarische Rechte, die den Aufstand von 1956 für sich reklamiert. In der NZZ weiß Ulrich Beck, wie die Europäer die neue Armut bekämpfen können. Die SZ randaliert bei Wikipedia. Die FAZ begreift den afrikanisch-chinesischen Gipfel als geschichtliche Umwälzung.
Welt, 04.11.2006
Mit angehaltenem Atem hat
Mario Vargas Llosa gelesen, was
Ian Buruma über den Mord an Theo van Gogh und seine Folgen in
"Murder in Amsterdam" geschrieben hat. Mit Burumas Kritik an
Ayaan Hirsi Ali und
Afshin Ellian als "Fundamentalisten der Aufklärung" ist er jedoch nicht einverstanden, wie er in der Literarischen Welt
schreibt: "Den Menschen im Westen geht es gut, sie leben in Sicherheit. Und obwohl Zeitungen und Fernsehen ihnen zeigen, wie schlimm es da draußen steht, haben sie vergessen, dass es Freiheit, Menschenrechte und Demokratie sind - Begriffe, die in ihren Ohren jetzt wie hohle Phrasen klingen -, denen sie Lebensstandard und Rechtssicherheit verdanken. Deshalb verfallen sie in
Selbstmitleid und Apathie, sind irritiert, sobald jemand ihr behagliches Leben stört. Sollte die Kultur der Freiheit die Herausforderung durch den religiösen Fanatismus bestehen, ginge es nicht zu weit, den Erfolg vor allem neuen Bürgern wie Afshin Ellian und Ayaan Hirsi Ali zuzuschreiben. Sie haben das Grauen des religiösen Obskurantismus und der
politischen Barbarei am eigenen Leib erlitten und kennen den Unterschied. Nun verteidigen sie die Kultur, die sie zu ihrer gemacht haben. Sie sind davon überzeugt, dass Bedrohung und Gefährdung
stärker machen, nicht schwächer."
Weiteres: Zu lesen sind auch ein
Vorabdruck aus
Rüdiger Safranskis neuem Buch über die Romantik als Projekt gegen die große Langeweile und Elke Heidenreichs
Eloge auf die große
Ruth Klüger. In seiner Klartext-Kolumne
hofft Tilman Krause, dass die Exzellenz der deutschen Geisteswissenschaften vielleicht doch noch Beachtung finden könnte.
Im Feuilleton wird
gemeldet, dass
Jürgen Habermas eine einstweilige Verfügung gegen
Joachim Fests Erinnerungen "Ich nicht" erwirkt hat - wegen
übler Nachrede. Es geht um Fests Andeutung, Habermas habe auf einer Party womöglich ein glühendes Bekenntnis zum Führer verschluckt. Marko Martin blickt auf
Nicaragua, wo sich im Wahlkampf die beiden alten Kämpen
Daniel Ortega und
Eden Pastora gegenüberstehen. Thomas Lindemann porträtiert den Erfinder des erfolgreichsten Computerspiels aller Zeiten ("Sims"),
Will Wright, ein "
schlaksiger Zausel mit Topfschnitt und Riesenbrille", der gerade mit "Spore" ein neues Werk auf den Markt wirft. Jetzt kommt dessen neues Werk heraus: "Spore". Klaus Honnef
widmet sich Jackson Pollock und seinem Dripping "No. 5", das zum teuersten Gemälde der Geschichte aufstieg. Wieland Freund
sinniert über
Zigaretten im Theater und große Verluste der Kulturgeschichte. Hanns-George Rodek unterhält sich mit dem Produzenten
Nico Hoffmann, der mit seinen Filmen zur deutschen Geschichte ordentlich Quote macht. Sven Felix Kellerhoff meldet, dass der Kunsthistoriker
Martin Warnke den Gerda-Henkel-Preis erhält. Reinhard Wengierek hat sich bei der Einweihung der neuen "Box" des Deutschen Theaters Berlin leider nicht sonderlich
amüsiert.
TAZ, 04.11.2006
Aus dem
Novemberheft des
Merkur wird ein Aufsatz von Herausgeber
Karl-Heinz Bohrer nachgedruckt, in dem dieser, den Fall Grass
mit Freude verallgemeinernd, die Wortführer der
68er-Generation nachträglich als die
braven Nazis erkennt, die sie unter anderen Umständen geworden wären: "Das brachte einen zu dem nicht sarkastisch gemeinten Verdacht, dass Leute mit
Öffentlichkeitsdrang diesen unter jedem Regime zur Geltung bringen. Man kann zum Beispiel mit Sicherheit darauf setzen, dass viele der Wortführer der Gremienuniversitäten und der Medien die gleiche Mischung von Betulichkeit, Gehorsam und Reform, die sie so penetrant und einschüchternd verbreitet haben, auch damals verbreitet hätten. Der Idealismus der ehemaligen
BDM-Führerin blieb wiedererkennbar bei solchen, die später im
Grünen grasten."
Weitere Artikel: Tilmann Rammstedt
eröffnet eine neue Serie, die sich unter dem Titel "So, nun habe ich
Zeit"
mit der Zeit befasst, die man hat. Oder "eigentlich" nicht hat, denn um dieses "
eigentlich"
geht es Rammstedt zum Auftakt. Detlef Kuhlbrodt
berichtet vom Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm. Julia Grosse hat sich Carsten Höllers für die "Unilever Series" aufgebaute
Rutschinstallation in der London Tate Modern
angesehen.
Auf der Meinungsseite
plädiert die Frauenbeauftragte der islamischen Religionsgemeinschaft in Hessen, Naime Cakir, in der Diskussion um das
Frauenbild des Islam dafür, diejenigen Frauen zu unterstützen, die einen "eigenen, islamischen Weg jenseits traditioneller Orientierungen" suchen.
In der
zweiten taz erzählt Bernhard Hübner, wie es sich so lebt
ohne Parteipolitiker. In Hergatz im Allgäu hat man vor vier Jahren kurzerhand die Parteien abgeschafft. Außerdem
erklärt Bauer Blume, wie er den
Klimawandel erlebt: "'Dass irgendwas nicht stimmt, sieht man an unseren Ernten', sagt Sven Blume. Sicherlich: Der Boden ist nicht der Beste. 'Aber gereicht hat es immer: Großvater ist sogar mal in den
Urlaub gefahren.'"
Rezensionen gibt es - Rubrik "Politische Bücher" - zu
Joan Didions autobiografischem
Buch "Das Jahr magischen Denkens", dem ersten
Band der Tagebücher des Dandys
Oskar A.H. Schmitz und zu
Sibylle Plogstedts Geschichte der "Frauenbetriebe". In der Belletristik-Abteilung geht es um
Ralf Rothmanns Erzählungsband "Rehe am Meer", um
Marcelo Figueras Roman "Kamtschatka" sowie neue
Wissensbücher für Jugendliche (mehr dazu in der
Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).
Und
Tom.
FR, 04.11.2006
Der
Schriftsteller György Dalos erinnert an den
Ungarn-Aufstand vor fünfzig Jahren - und bedauert, dass das Gedenken in Ungarn selbst von den aktuellen Querelen überschattet
wird: "Nun gedenkt Ungarn jenes Schwarzen Sonntags vor fünfzig Jahren und fühlt sich dabei
recht unwohl. Keineswegs wegen des traurigen Rückblicks, sondern aufgrund ganz ordinärer innenpolitischer Spannungen. Die konservative Opposition versucht seit anderthalb Monaten Druck auf die sozialliberale Regierung auszuüben. Gegen die linkischen Wahllügen der Linken führt
die Rechte eine Kampagne und zeigt sich, was die Mittel anbelangt, wenig wählerisch. Für den heutigen Samstag plant sie einen
Fackelzug durch die Innenstadt; der Unfrieden der letzten Zeit verheißt wenig Gutes. Die brutale Erstürmung des Fernsehgebäudes durch rechtsradikale Randalierer am 18. September und das berechtigte, aber unangemessen harte Durchgreifen der Ordnungshüter am 23. Oktober schufen ein Klima im Land, das die eigentliche Erinnerung zu einem
zweitrangigen Ereignis machen wird."
Weitere Artikel: In Form eines persönlichen Briefs
gratuliert die türkische
Schriftstellerin Emine Sevgi Özdamar dem
Erzähler und Essayisten
John Berger zum 80. Geburtstags. Der Architekt Christoph Mäckler zeigt sich im Interview
entsetzt über die geplante Entstellung beim Umbau der Frankfurter Großmarkthalle. In Martina Meisters
Kolumne "plat du jour" geht es diesmal überhaupt nicht um Französisches, sondern um den Kollegen
Harald Martenstein und den Überdruss am Indischen. Besprochen wird ein
Konzert der Band
Lambchop in der Frankfurter Dreikönigskirche.
NZZ, 04.11.2006
Der Versuch europäischer Regierungen,
Armut und Arbeitslosigkeit nationalstaatlich zu bekämpfen, ist "völlig falsch",
findet Ulrich Beck. Jetzt muss europäisch gehandelt werden! Zum Beispiel so: "Die Europäische Union (denn einzelne Staaten sind dazu nicht in der Lage) handelt
Kooperationsverträge mit China aus, von denen beide Seiten profitieren, etwa über kohlendioxidfreie Technologien, Regionen und entsprechende Märkte. Die Europäer könnten, sagen wir, ihre professionelle Phantasie von der Leine lassen und vieles entwerfen, unter anderem ultraeffektive, umweltschonende Wundereisschränke, energiesparende Produktionsautomaten usw. Das schafft
lukrative Arbeitsplätze in Europa. Die Chinesen könnten diese billig bauen und im Traummarkt China sowie vermittelt über ihre globalen Marktnetze weltweit preiswert verkaufen - zum Nutzen aller. Nur der Klimawandel wäre der Verlierer - endlich."
Weiteres: Claudia Schwartz
spaziert für einen
Schauplatz Berlin die Straße "Am Großen Wannsee" entlang, vorbei an der Liebermann-Villa und dem Haus der Wannsee-Konferenz. Besprochen werden eine
Ausstellung mit
Tizians Porträts im Pariser Musee du Luxembourg und
Falk Richters Inszenierung der "Drei Schwestern" an der Berliner Schaubühne.
Die Beilage Literatur und Kunst druckt den eindrucksvollen
Bericht eines Häftlings mit der Nummer 4935 über das Konzentrationslager
Buchenwald und die auf seinem Gelände befindliche "Goethe-Eiche". Johannes Fehr, Leiter des 2005 gegründeten
Ludwik-Fleck-Zentrums in Zürich,
erklärt, warum der Bericht vermutlich von dem Mediziner und Bakteriologen
Ludwig Fleck geschrieben wurde, der Buchenwald überlebte und 1961 in Israel starb. Die Schriftstellerin
Alena Wagnerova schreibt über "Hochstapler und Wichtigtuer", die sich an
Kafka erinnern. Zum 100. Geburtstag
Luchino Viscontis porträtiert Thomas Meder den Regisseur als "einzigartige Verbindung von Adel und Marxismus". Michael Schmitt
schreibt über den amerikanischen Autor
Cormac McCarthy und sein Werk.
Besprochen werden Bücher, darunter
Joseph Boydens Kriegsroman "Der lange Weg" über zwei Cree-Indianer, die als Scharfschützen im Ersten Weltkrieg kämpfen, und zwei
Bücher über die sagenhafte
Louise Brooks (
mehr), die im November Hundert geworden wäre (mehr in unserer
Bücherschau heute ab 14 Uhr).
SZ, 04.11.2006
Alex Rühle
kennt den sagenhaften
Erfolg von Wikipedia: "Die englischsprachige Seite enthält mehr als 1,4 Millionen Artikel, die deutsche 475.000. Nur die chinesische Volkswirtschaft und der Aktienkurs von Google sind in den vergangenen fünf Jahren schneller expandiert." Und er kennt die Schwächen der Online-Enzyklopädie: "
Vandalismus ist das Hauptproblem der Wikipedia, des Online-Lexikons, bei dem jeder mitschreiben kann." Jeder kann Vandale sein, sogar ein Redakteur der
SZ und seine Freunde: "Fünf Saboteure haben sich angemeldet und Einträge gefälscht. Um selbst zu sehen, wie sicher die Quelle ist, aus der heute fast alle ihr Wissen beziehen." Wie ging es aus? Von
siebzehn sabotierten Artikeln wurden zwölf innerhalb eines Monats korrigiert. Nicht genug, meint Rühle.
Der Autor
Tibor Meray erinnert an den
Einmarsch der Sowjets in Ungarn vor 50 Jahren - und den Verrat durch den Westen: "Wir Ungarn waren übrigens nicht die Einzigen, die sich verlassen fühlten. Sprach nicht der damalige französische Außenminister
Michel Debre von einem 'Störfall', nachdem der Prager Frühling 1968 niedergeschlagen worden war? 'Gestört' wurde die Zusammenarbeit mit der UdSSR, die absoluten Vorrang hatte."
Weitere Artikel: Jens Bisky fragt: "Wer wird
neuer Kultursenator in Berlin?" - er kennt die Antwort aber auch noch nicht. Stefan Koldehoff berichtet von verzweifelten Versuchen, den Verkauf von
Ernst Ludwig Kirchners "Straßenszene" rückgängig zu machen. Im Interview spricht der Soul-Musiker
Allen Toussaint über New Orleans nach Katrina. Oliver Fuchs hat den Regisseur
Klaus Lemke bei Dreharbeiten zu seinem neusten Film beobachtet. Kurz gemeldet wird, dass
Tom Cruise als neuer Chef das seit einigen Jahren inaktive Studio "United Artists" zu neuer Blüte führen will. Harald Eggebrecht stellt in einem knappen Porträt die Jahrhundert-Geigerin
Anne-Sophie Mutter vor.
Besprochen werden Ausstellungen des Blitz-Skulpteurs
Erwin Wurm in Aachen und Wien, eine Schweriner
Ausstellung, die zeigt, wie Daniel Spoerri die Prillwitzer Idole für sich entdeckt und die in Berlin aufgeführte Musical-Fassung von Aldous Huxleys "Schöne Neue Welt".
Auf der Literaturseite berichtet Hans-Jürgen Balmes von einem Besuch bei dem Erzähler und
Kunstkritiker John Berger, der morgen seinen 80. Geburtstag feiert. Besprochen werden
Antonio Machados Buch "Juan de Mairena" sowie Rudolph Herzogs Dokumentation zum
Humor im Dritten Reich "Heil Hitler, das Schwein ist tot!" (mehr dazu in der
Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).
Im Aufmacher der
SZ am Wochenende blickt Johannes Waechter, auf den Spuren von Bob Dylan, zurück in die Früh- und
Frühestgeschichte aufgezeichneter Musik: "1877 erfand Thomas Edison den Walzenphonographen, und schon zehn Jahre später war sein Gerät eine
Weltsensation, das erste Erfolgskünstler hervorbrachte, zum Beispiel den Kunstpfeifer George W. Johnson, einen ehemaligen Sklaven, dessen Darbietungen die Menschen an öffentlichen
'Hör-Apparaten' lauschten."
Weitere Artikel: Sonja Zekri stellt junge Leute vor, die gerade in die
SPD eingetreten sind, und fragt leicht besorgt: "Was treibt die denn um?" Außerdem porträtiert sie, selber ziemlich umtriebig, noch eine junge
Designerin in Usbekistan. Steffen Heinzelmann führt vor den US-Kongresswahlen in die Geheimnisse des "gerrymandering" ein, der amtsinhaberfreundlichen
Wahlkreismanipulation durch willkürliches Zuschneiden der Bezirke. Verena Krebs erzählt vom absoluten "Nullpunkt" und vom
Leben des Menschen als solchen: "Die Menschen duschen sich, ficken ihre Frauen und begraben ihre Väter." Im Interview spricht
Barbara Sukowa über Sterne.
FAZ, 04.11.2006
An diesem Wochenende treffen sich die Vertreter der afrikanischen Staaten mit einer chinesischen Delegation. Ein
chinesisch-afrikanischer Gipfel, den Mark Siemons als Beginn einer geschichtlichen Umwälzug
begreift: Die Erste Welt "findet sich nun wieder als eine, die Afrika immer zum Objekt ihrer eigenen Ambitionen machte, zuerst ihrer materiellen, später ihrer politischen. China dagegen nimmt den Kontinent insofern ernst, als es ihn in einen
realen Interessenaustausch verwickelt."
Tilmann Lahme freut sich über den Erwerb dreier
Lenbach-Porträts der Familie Thomas Mann durch das Mann-Archiv in Zürich. Patrick Bahners schlägt sich im Streit zwischen der hessischen Kulturministerin Karin Wolff, die angeregt hat, im
Biologieunterricht gelegentlich einen Blick auf die
Schöpfungslehre zu riskieren, und dem Biologenverband, der auf "rein wissenschaftlichem" Biologieunterricht besteht, auf die Seite der Ministerin. Regina Mönch berichtet, das Berlin die Zahlungen an die
Islamische Förderation eingestellt hat, die damit den Islamunterricht an Berliner Schulen finanzierte, aber keine pädagogischen Mindeststandards einhielt. Oliver Jungen beobachtete auf einer Tagung in Sarajewo über den Stand der
Holocaustforschung in Südosteuropa ein "verkürztes, nämlich aufrechnendes Interesse am Genozidvergleich". Christian Schwägerl und Heinrich Wefing
berichten, wer alles in den "
Idomeneo" gehen will; die beiden Vorstellung am 18. und 29. Dezember sind aber noch nicht ausverkauft. Bei den Kasseler Musiktagen spielt
Neue Musik wieder die maßgebliche Rolle, meldet Achim Heidenreich. Gemeldet wird, dass
Jürgen Habermas eine
Einstweilige Verfügung erwirkt hat, die es dem Rowohlt Verlag untersagt, die Lebenserinnerungen von Joachim Fest mit der Habermas-Schluck-Passage auf den Seiten 342 und 343 zu verbreiten. Im Leitartikel auf der ersten Seite
vergleicht Eberhard Rathgeb das
Berliner Dauerreflexionspersonal mit den Bewohnern seines Dorfes.
Auf den Seiten der ehemaligen Tiefdruckbeilage liest Eberhard Rathgeb
Kierkegaards "Unwissenschaftliche Nachschrift",
Imre Kertesz' "Roman eines Schicksallosen" und
Joan Didions "Das Jahr des magischen Denkens" als "anhaltende Geschichte unseres Existenzverlusts".
Bernd Schultz, Geschäftsführer des Auktionshauses Villa Grisebach, protestiert heftig gegen die Einstufung von
Ernst Ludwig Kirchners Gemälde "Berliner Straßenszene" aus dem Brücke-Museum als
Raubgut. Er hat den Verdacht, dass beim "eilfertigen Entgegenkommen" des Berliner Senats an die Erben des Kunstsammlerpaares Hess "das wohlbekannte Phänomen des
deutschen '
Schuldstolzes' eine tragische Rolle gespielt hat". Das Bild ist inzwischen in New York, wo es am 8. November bei Christie's versteigert werden soll. Auf der Medienseite
kommentiert Michael Hanfeld bitter die Entscheidung deutscher "Kleinkrämer", den Verkauf von
Pro Sieben Sat.1 an Springer zu unterbinden. Jetzt will nämlich
Berlusconi die Gruppe erwerben, "und zwar mit Sack und Pack, also der Aktienmehrheit von 50,5 Prozent", und kein Kartellamt kann ihn daran hindern.
Besprochen werden
Falk Richters Inszenierung der "Drei Schwestern" an der Berliner Schaubühne,
Marc Evans' Film "Snow Cake", ein Konzert von
Richard Ashcroft in Köln und Bücher, darunter
Oliver Maria Schmitts Roman "Anarchoshnitzel schrieen sie" (mehr in unserer
Bücherschau heute ab 14 Uhr).
Auf der Schallplatten- und Phono-Seite geht's um eine Aufnahme von
Vivaldis Oper "Griselda",
Beethovens Fünfte und Siebte Sinfonie, dirigiert von Gustavo Dudamel, sowie CDs von "My Chemical Romance" und Jerry Lee Lewis.
In der Frankfurter Anthologie stellt Georg Wöhrle eine Gedicht von
Günter Kunert vor:
"Pompeji:
Garten des Fauns
Ein Bronzebildnis. Und es spricht
Von einem Menschsein, das man längst vergaß:
Graziös und sinnlich. Kein Verzicht
Auf Leben: Sand im Stundenglas.
..."