26.02.2007. Die NZZ betrachtet in der Münchner Conrat-Meit-Ausstellung die sexy Judith mit dem Haupt des Holofernes. In der taz erzählt Gabriele Goettle, wie es im Leben einer Kriminalkommissarin tatsächlich zugeht. In der Welt findet Robet Kagan die Ursache für das Desaster im Irak: Sie heißt Rumsfeld. Die SZ beschreibt das Vorhandensein eines behaglichen ästhetischen Mittelstands, der mit staatlichen Mitteln sein Auskommen findet. Im Perlentaucher zieht Ulrike Ackermann eine Parallele zwischen Islamismus und den anderen Totalitarismen. And the Oscar goes to...
Spiegel Online, 26.02.2007
Von dramatischen Szenen bei der
Oscar-Verleihung
berichtet Marc Pitzke: "Am Ende kann er es selbst kaum fassen. Ekstatisch springt
Florian Henckel von Donnersmarck von seinem Sitz in den Gang des Kodak Theatres. Umarmt sein Team. Umarmt in der Reihe vor ihm seinen Freund und Oscar-Konkurrenten Guillermo del Toro, dessen Film 'Pans Labyrinth' eigentlich der Favorit war. Umarmt Clive Owen und Cate Blanchett, die ihm die goldene Statue überreichen. 'Oh mein Gott!', ruft er atemlos. 'Dabei hatte ich doch
schon geweint!'"
NZZ, 26.02.2007
Birgit Sonna
betrachtet in der Münchner Ausstellung "
Conrat Meit - Bildhauer der Renaissance" die
sexy Judith mit dem Haupt des Holofernes: "Judith ist eine
anämische Schönheit, gerade einmal 30 Zentimeter groß und splitterfasernackt. Die sorgsam ondulierten Haare in einem modischen Zopf um den Kopf geschlungen, sieht man ihr das in einer vorsätzlichen Bluttat mündende Gerangel der letzten Nacht nicht an. Wäre da nicht der
frisch abgesäbelte Kopf des Hauptmanns Holofernes in der einen, das Riesenschwert in der anderen Hand, so würde man der aus milchigem Alabaster geschnittenen Frauengestalt mit den eher weichen Gesichtszügen wahrlich nicht abnehmen, dass sie zur Errettung ihrer Heimatstadt und damit ihres Volkes einen unglaublich martialischen Akt im Alleingang verübt hat."
Weitere Artikel: In der Reihe "Die Zukunft von gestern"
liest der Literaturwissenschaftler Manfred Schneider
H. G. Wells' Erzählung "Die Zeitmaschine". Martin Zingg
schreibt zum Tod des Schriftstellers Jürg Federspiel. In der "Werkstatt"
unterhält sich Peter Hagmann mit dem Dirigenten
Bernard Haitink über
Bruckners monumentale Achte, die er mit Tonhalle-Orchester Zürich zu Gehör bringen wird. Hagmann erläutert auch die komplizierten Fragen um die Fassungen der Sinfonie. Besprochen werden Bruno Madernas
Oper "Hyperion" an der Staatsoper Stuttgart und Friedrich Dürrenmatts
Stück "Das Versprechen" am Theater Luzern.
FR, 26.02.2007
In einer Times mager
rät Harry Nutt der Politik, nicht zu viele
Verbote auszusprechen. Christian Thomas
beobachtet die Zusammenballung von Polizeikräften vor seinem Fenster. In einer Agenturmeldung werden Reaktionen auf das geplante "
Wort zum Freitag" im ZDF
gesammelt.
Besprechungen widmen sich
Friedericke Hellers Version von Thomas Manns "Zauberberg" am Frankfurter Schauspiel und
Peter Kastenmüllers Inszenierung eines Falstaff-Abends mit
Shakespeares Heinrich IV. und V.
FAZ, 26.02.2007
Andreas Kilb berichtet von einer Tagung zum Thema
Bücherdigitalisierung und Urheberrecht.
"Creative Commons"-Verfechter
Lawrence Lessig hielt ein flammendes Plädoyer fürs
Draufloskopieren: "Wo heute Anwälte für die Musik- und Bildrechte ihrer Klienten streiten und Websites schließen lassen, sieht Lessig die zukünftige digitale Sonne aufgehen. 'Wir können die
Kreativität unserer Kinder nicht abtöten, wir können sie nur kriminalisieren', beschwor er die Versammlung, und die von Youtube heruntergeladenen Clips mit
Anime-Verschnitten und neu vertonten George-Bush-Fernsehbildern, mit denen er seinen Vortrag unterlegte, lieferten dazu das klingende und leuchtende Anschauungsmaterial."
Den letzten Text mit Erinnerungen des Kunstsammlers
Heinz Berggruen druckt die
FAZ heute anlässlich seines Todes. Dies die letzten Worte: "Toulouse mit den französischen Freunden, Hans Huffzky und unser Ausflug in die russische Zone, die Oase Biskra, unsere WG in der Meinekestraße, aber auch die ersten Fingerübungen für die 'Frankfurter Zeitung' 1935 - bin ich der Nestor unter den Mitarbeitern dieser Zeitung? - bleiben schöne Erinnerungen.
Mensch, Heini!" Nur
online ist zu lesen, wie Heinrich Wefing nach der Todesnachricht die Berliner
Sammlung Berggruen besuchte.
Weitere Artikel: Für unseriös
hält Ulf von Rauchhaupt zwei Wissenschaftler, deren Behauptung,
Jesu Familiengrab gefunden zu haben, der Filmregisseur
James Cameron in einem vermeintlichen "Dokumentar"-Film nun zu Evidenz verhilft. Nicht gerade optimistisch stimmen die Berichte von Reaktionen auf den
Weltklimabericht, die Mark Siemons aus China und Jordan Mejias aus den USA liefern. In der Glosse reagiert Andreas Platthaus gereizt auf
Markus Söders Hetze gegen die Einrichtung eines "Worts zum Freitag" im Internet-Angebot des ZDF. Eduard Beaucamp gratuliert dem Künstler Eduardo Arroyo zum 70. Geburtstag. Gemeldet wird heftiger Protest von Helga Müller und Peter Schneider gegen den Verkauf von
Rotbuch an den Eulenspiegel-Verlag.
Auf der letzten Seite porträtiert Martin Thoemmes den Kunstmäzen
Christian Dräger. Martin Wittmann berichtet, wie
Weimar mit Klassik kaufkräftige Senioren lockt.
Besprochen werden Friederike Hellers und Marcel Luxingers Theater-Version von
Thomas Manns "Zauberberg", eine Ausstellung mit Gemälden von
Laura Owens in Münster,
Amanda Millers Ballettabend "Inimitable" in Köln und Bücher, darunter
Michael Pauens Beitrag zur Hirndebatte "Was ist der Mensch?", Charles Nicholls
Biografie Leonardo da Vincis und
Fuad Rifkas Gedichtband "Die Reihe der Tage ein einziger Tag" (mehr in der
Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).
TAZ, 26.02.2007
Gabriele Goettle
interessiert sich in diesem Monat für das dem Fernsehen so ferne Berufsleben einer deutschen
Kriminalkommissarin. "Gott sei Dank haben wir inzwischen Computer zum Schreiben, auch wenn sie schon etwas älter sind, leider. Auf der Maschine früher, da ist es oft vorgekommen, dass man den Tatortbefundbericht drei Mal geschrieben hat, weil auf der fünften Seite auffiel, was man auf der ersten vergessen hatte. Der Computer ist schon eine große Erleichterung. Unsere Computer sind natürlich alle zu, wegen der Virengefahr. Wir haben einen Rechner oben, man muss ja auch recherchieren können. Insofern ist der Internetrechner auch ständig belagert."
In der zweiten taz
unterhält sich Peter Unfried mit
Peter Schlosser, dessen
Buch "Fast Food Nation" jetzt von
Richard Linklater als Spielfilm in die Kinos kommt. Susanne Lang
fällt auf, dass Thomas Koschwitz in Berlin wieder im Radio zu hören ist. Jan Feddersen
schreibt zum Tod des Kunsthändlers und
Autors Lothar-Günther Buchheim.
Und
Tom.
Perlentaucher, 26.02.2007
Ulrike Ackermann zieht in der von
Perlentaucher und
signandsight.com angestoßenen
Multikulturalismus-Debatte eine Parallele zwischen den Islamismus und anderen totalitären Ideologien: "Der Hass auf die 'Dekadenz' des Westens, seinen Kapitalismus, Konsumismus und Individualismus war der kommunistischen Ideologie ebenso eingeschrieben wie dem radikalen Islam heute. In der Verschmelzung von
Glauben und Gesellschaftsordnung, von Wahrheit, Hierarchie und sozialer Realität entstand eine säkulare Umma, in der der Einzelne vergemeinschaftet werden sollte.
Das Individuum ist allen ideokratischen Totalitarismen suspekt: unberechenbar, triebgesteuert, egoistisch, eigensinnig und anarchisch soll ihm die jeweilige Umma die Zügel anlegen und es zum Wohle der Volksgemeinschaft, der Klassengemeinschaft oder der Religionsgemeinschaft domestizieren."
Welt, 26.02.2007
Im
Interview mit mehreren
Welt-Redakteuren bekennt sich der Neocon und
Autor Robert Kagan (
"Macht und Ohnmacht - Amerika und Europa in der neuen Weltordnung") nach wie vor zum
Irak-Krieg - und findet für die heutige desaströse Lage einen
einzigen Verantwortlichen: "Der größte Fehler war, dass die Amerikaner nicht begriffen haben, dass sie von den Irakern als Besatzungsmacht gesehen würden. Wir haben alles dafür getan, den Begriff 'Besatzung' zu vermeiden und haben dabei verdrängt, dass Besatzung die Übernahme von Verantwortung in allen gesellschaftlichen Bereichen bedeutet. Wir hätten alles dafür tun müssen, vom ersten Tag an Ordnung zu schaffen, auf den Straßen, in der Verwaltung und auf dem Sektor der Sicherheit. Dazu hätte es mehr Truppen bedurft.
Rumsfeld verkörperte eine Philosophie der Kriegsführung, die uns nach dem Ende des Krieges in ernste Schwierigkeiten brachte."
Im Magazin
porträtiert Thomas Kielinger den ziemlich erwachsen gewordenen Jungschauspieler
Daniel Radcliffe, der uns noch als "Harry Potter" bekannt ist und jetzt in einem Londoner Theater einen
nackten Stallburschen spielt. Im Feuilleton
schreibt Uta Baier den Nachruf auf den Sammler
Heinz Berggruen. Eckhard Fuhr stellt die neue
Zeitschrift für Ideengeschichte vor. Gerhard Midding berichtet von der Verleihung des
Cesar in Paris. Auf einer Seite werden neue
DVDs besprochen, darunter eine Box mit
klassischen Horrorfilmen aus Hollywood. Auf der Medienseite wird eine
Spiegel-Meldung übernommen, die besagt, dass die Herausnehmer-Familien der
Süddeutschen Zeitung bereit seien, das Blatt zu vekaufen - für eine Milliarde Euro. Besprochen wird die
Ausstellung "Hexenlust und Sündenfall - Die seltsamen Phantasien des
Hans Baldung genannt
Grien" im Frankfurter
Städel.
SZ, 26.02.2007
Thomas Steinfeld nimmt die öffentliche Förderung der Kunst unter die Lupe und entdeckt
staatliche Auftragskunst und Auftragskünstler. "Es ist ein bescheidenes, aber behagliches Leben, das hier geführt wird, ein Leben zwischen Schloss Wiepersdorf und dem Goethe-Institut in Kalkutta, zwischen Podiumsdiskussion im Literarischen Colloquium und einem Stipendium für die Villa Massimo. In dieser Hinsicht sind
Judith Hermanns Geschichten durchaus repräsentativ: Es sind nicht wenige Menschen, die so ihr Auskommen finden - es gibt in Deutschland einen
ästhetischen Mittelstand, lauter nicht ganz unbekannte, aber auch nicht ganz bekannte, nicht herausragende, aber auch ganz und gar nicht verächtliche Künstler, in denen die Wirkung der staatlichen Alimentierung von Kunst am deutlichsten zu erkennen ist: in Gestalt von mittleren Angestellten des originellen Einfalls, der treffenden Formulierung, des
künstlerisch vermittelten Dabeigewesenseins."
Gustav Seibt markiert
Luftkrieg und
Vertreibung als neue Grunderfahrungen des deutschen Wesens. "Man hat noch nicht über die Anthropologie der deutschen Nachkriegsgesellschaft nachgedacht. Aber wer sie zu schreiben versuchte, der müsste von der massenhaften Elementarerfahrung von Obdachlosigkeit und Flucht ausgehen. Ist sie nicht einbetoniert in der sichtbaren Oberfläche dieser Gesellschaft? In den Hunderttausenden Eigenheimen, in ihrer peniblen Reinlichkeit, ihrer heimatlosen, frostig anmutenden Gleichförmigkeit und ihren
überheizten Wohnzimmern? In den Fußgängerzonen und Einkaufszentren, in der geschrubbten Ordentlichkeit, Befestigtkeit und Solidität der Lebensumstände?"
Weiteres: Lothar Müller
schreibt den Nachruf auf den Kunsthändler und -sammler
Heinz Berggruen. Fritz Göttler meldet den Erfolg von
Pasacale Ferrans Film "Lady Chatterley" (mehr
hier) bei den französischen Cesars. Burkhard Müller resümiert eine Weimarer Tagung über die Universität Bielefeld. Jens-Christian Rabe fasst eine
SZ-Tagung zusammen, auf der Sonja Zekri, Juri Andruchowytsch, Ilma Rakusa, Hans-Ulrich Obrist sowie Ilija Trojanow in München über die Grenzen Europas diskutierten.
Besprochen werden
Friederike Hellers Inszenierung von "Zauberberg - Positionen am Abgrund" nach Thomas Mann in Frankfurt, Filme von Zhang Yimou, Cecil B. DeMille und Alex Steyermark auf
DVD und Bücher, darunter Dieter Schlesaks Biografie von "Capesius, dem
Auschwitzapotheker", zwei neue Bücher über
Thomas Mann und die Musik sowie
Silvio A. Bedinis Band "Der Elefant des Papstes" (mehr in unserer
Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).