Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
19.05.2007. Die NZZ schreitet mit der Gemächlichkeit einer schwangeren Nonne voran, die zur Beichte geht. Die FAZ findet: Türkische Musik tut nur exotisch, und Anna Netrebko tut nur expressiv. Die Berliner Walter-Kempowski-Ausstellung beeindruckt taz und FR. Die SZ trifft die saudische Schriftstellerin Rajaa Alsanea, deren Roman "Girls aus Riad" das traurige Leben der Girls von Riad offenbart. In der Welt denkt Azer Nafisi, Autorin des Buchs "Lolita lesen in Teheran", über eine Demokratisierung der Religion im Iran nach.

NZZ, 19.05.2007

Andrea Köhler nimmt den Umzug der New York Times in ihren neuen von Renzo Piano entworfenen Öko-Wolkenkratzer (mehr) zum Anlass, auf die Probleme der überregionalen Tageszeitungen hinzuweisen. Das Berliner Theatertreffen bot Christoph Funke "tollkühne" Unterhaltung, überwältigt ist er aber nicht. Für den Croisette-Korrespondenten Martin Walder ist die Schauspielerin Anamaria Marinca aus Cristian Mungius "4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage" die erste Entdeckung von Cannes. Roman Bucheli gratuliert Autor Peter von Matt zum Siebzigsten. Franz Hass begrüßt eine italienische Initiative, die Religionslehrer mit der Bibel vertraut zu machen. Derek Weber analysiert vor dem Weggang von Rudolf Berger die Lage der Wiener Volksoper. Christian Schaernack vermeldet wie erwartet Preisrekorde auf den New Yorker Frühlingsauktionen.

Die Beilage Literatur und Kunst singt ein Hohelied auf die Langsamkeit. Zur Intensivierung des Blicks rät der Schriftsteller Wilhelm Genazino. In der Ruhe kann alles anregend werden. "Kurz darauf feuerte das Kind, das höchstens drei Jahre alt war, das ungeliebte Püppchen zum dritten Mal aus dem Wagen. Die Mutter war bestürzt (hatte sie den Hampelmann selber gebastelt?), aber nicht lange; sie blieb eine Weile stehen und betrachtete abwechselnd das Kind und das im Gras liegende Püppchen. Dann traf auch sie, wie das Kind, eine kühne Entscheidung. Sie ließ das verschmähte Spielzeug im Gras zurück und setzte ihren Spaziergang fort. Das Kind schien zufrieden darüber, dass es sich endlich durchgesetzt hatte. Ich näherte mich dem Püppchen. Das Kind hatte recht getan, sich von diesem unattraktiven Ding zu trennen. Ich bewunderte das Kind und geriet darüber selbst in eine Wegwerf-Stimmung."

Weiteres: Der ungarische Autor György Konrad präsentiert Eindrücke aus seinem langsamen Leben. Kollege Charles Simic rät: "Durchschreiten wir unsere Tage also so gemächlich wie eine schwangere Nonne, die zur Beichte geht." Der Autor Graham Swift macht seinem Namen wenig Ehre und plädiert für den Roman als "vollkommene Pause" im Fluss des Lebens. Der Literaturwissenschaftler Christiaan Lucas Hart Nibbrig offenbart die Vorteile langsamen Lesens. Kulturtheoretiker Hartmut Böhme sekundiert mit Bemerkungen über die fortwährende Beschleunigung in der Moderne. Philosoph Harry Tomicek sucht die Langsamkeit im Film. Wolfgang Hofer entwirft ein Gespräch zwischen zwei Flaneuren.

FR, 19.05.2007

Harry Nutt hat die Walter-Kempowski-Ausstellung in der Berliner Akademie der Künste besucht und hat manches Erstaunliche entdeckt: "Das eindrucksvollste Exponat ist dabei vielleicht ein Papiermodell der Stadt Rostock, das Kempowski eigens für seinen Roman Aus großer Zeit gefaltet und geklebt hat. Weil ihm zu DDR-Zeiten der Zugang zu Rostock verwehrt war, baute er die Stadt kurzerhand nach, um sich für den Roman anschaulich in sie hineinversetzen zu können."

Weitere Artikel: Christian Thomas hat Don DeLillos bisher nur in englischer Sprache erschienenen 9/11-Roman "Falling Man" (Auszug) gelesen und hält sich mit einer Bewertung sehr zurück: "Vor allem ist DeLillo erneut ein Arrangeur von bedeutungsträchtigen Details." Im Interview spricht der Pianist Rudolf Buchbinder über das Üben, über Konzert-Konzepte und die Freiheit, die ihm das Wissen verleiht. In ihrer "Plat du jour"-Kolumne schreibt Martina Meister über einen Glaser, der aus einer vergangenen Zeit zu stammen scheint.

Besprochen werden Gregory Hoblits Thriller "Das perfekte Verbrechen", die neue Dauerausstellung am Bauhaus Dessau, Ohad Naharins in Wolfsburg zu sehendes Tanzstück "Telophaza" und noch eine Choreografie, nämlich Kurt Jooss' in Mainz aufgeführte Inszenierung "Der grüne Tisch".

TAZ, 19.05.2007

Alexander Cammann hat sich die große Walter-Kempowski-Ausstellung in der Berliner Akademie der Künste angesehen - und ist mehr als beeindruckt: "Die enorme Menge an Material füllt 500 Regalmeter, die sich in drei Bereiche unterteilen. Da wäre einmal das klassische, persönlich-literarische Archiv: Manuskripte, Notizen, Briefe, Tagebücher, persönliche Zeugnisse und Gegenstände. Daneben existiert Kempowskis berühmte Sammlung privater Lebensläufe, die ständig anwächst: 8.000 autobiografische Dokumente unterschiedlichster Art. Schließlich die Fotosammlung: 300.000 Amateurfotografien zeigen den deutschen Alltag seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Diese unzähligen Erinnerungen liefern den Stoff, aus dem die Bücher Walter Kempowskis gemacht sind. Schon als Kind hatte er seine seltsame Neigung offenbart: 'Ich will Archiv werden' - so lautete sein Berufswunsch."

Weitere Artikel: Viel Spaß hat Katrin Bettina Müller beim diesjährigen Theatertreffen - und fühlt sich insgesamt doch etwas unterfordert. In ihrem Cannes-Bericht preist Cristina Nord den von den Hongkong-Regielegenden Johnnie To, Tsui Hark und Ringo Lam je zu einem Drittel gedrehten Actionthriller "Triangle" und Hou Hsiao-hsien ersten französischen Film ""Le voyage du ballon rouge" mit Juliette Binoche in der Hauptrolle. Im Interview spricht die österreichische Filmemacherin Anja Salomonowitz über ihren Film "Kurz davor ist es passiert". Dirk Knipphals war wieder im Spreebogen unterwegs, diesmal zwischen zwei und drei Uhr in der Nacht.

In der zweiten taz berichtet Dieter Grönling vom virtuellen Krieg zwischen Russland und Estland, der sich an der Beseitigung eines Sowjet-Denkmals entzündet hat. Das Dossier des taz mag besteht aus einem großen Interview mit dem Künstler Lutz Dammbeck, in dem dieser über die totalitären Gefährdungen moderner Utopien und künstlerischer wie abstrakter Welterklärungsmodelle nachdenkt. Tom Segev erzählt die Geschichte des israelischen Nationalhelden Abie Nathan, der 1966 nach Ägypten flog, um mit Staatspräsident Nasser zu sprechen.

Und Tom.

Tagesspiegel, 19.05.2007

Anna Netrebko erzählt Deike Diening und Frederik Hanssen im Interview von der Kindheit russischer Opernsängerinnen. "Wir haben unter der Flagge gesungen, im Pioniercamp, wir haben stramm gestanden und salutiert, wir hatten rote Halsbänder, und wir waren allzeit bereit. Aber es war Spaß. Daran gab es nichts Schlechtes, nichts Aggressives. Wir wussten nicht, was in der Stalinzeit geschehen war, wir wussten nur, dass in der Zukunft etwas sehr Schönes liegen würde. Alle würden glücklich sein, ohne Unterschied zwischen Arm und Reich. Die Idee jedenfalls war großartig. Die Lieder auch. Den Rest kennt man."

In einer als offener Brief gehaltenen Kolumne wandte sich Marius Meller schon gestern gegen Jürgen Habermas' Vorschlag einer staatlichen Förderung der freien Presse: "In Fragen der Moral, hochverehrter Herr Habermas, kommt es nur auf den Einzelnen an, nicht auf das 'System'. Schon in den achtziger Jahren prophezeiten Sie den Untergang der Demokratie durch das Privatfernsehen. Sie hatten unrecht. Ich hoffe inständig, dass das gnostische Schema von Gut und Böse, das Sie leichtfertig auf Liberalismus und Neoliberalismus anwenden, nicht zur Ideologie wird, die sich irgendwann auf Sie beruft." Habermas' SZ-Artikel zur Lage der Presse, auf den sich Meller bezieht steht inzwischen online.

SZ, 19.05.2007

Sonja Zekri hat in Chicago die saudische Schriftstellerin Rajaa Alsanea besucht, die mit ihrem E-Mail-Roman "Die Girls von Riad" in ihrer Heimat Furore gemacht hat. Es gilt als kleine Sensation, dass das Buch durch die Zensur gekommen ist, denn vieles, was darin über das Lebensgefühl junger Frauen in Riad zu lesen ist, wird sonst nicht offen ausgesprochen: "Die Kastrations- und Versagensängste hinter dem Tugendterror, der Kontrollzwang über den weiblichen Körper, der erst mit dem Ölboom und der Urbanisierung fast ins Pathologische gesteigert wurde - auch davon liest man zwischen den Zeilen. Es ist eine schmerzhaft dauererregte Gesellschaft, in der die jungen Männer meist großkotzige Jammerlappen sind, die jedem Mädchen ihre Handynummer ans Auto kleben, aber vor Mama, Papa und der Konvention einknicken. 'Natürlich dresche ich härter auf die Männer ein', sagt Rajaa. 'Sie haben mehr Möglichkeiten, also trifft sie größere Schuld.'"

Auf Seite drei porträtiert Kai Strittmatter den deutsch-türkischen Filmregisseur Fatih Akin, der dieses Jahr beim Festival in Cannes vertreten ist, aber eigentlich ganz andere Sorgen hat: "Wir wollen hier eigentlich nur erzählen, wie der Hamburger Fatih Akin zurück in das türkische Dorf seiner Großeltern fand - und was er dort erlebt. Und warum der Regisseur diese Woche in Cannes T-Shirts und Aufkleber des Dorfes Camburnu verteilt." Dieses Dorf nämlich ist zur Müllhalde der Schwarzmeerküste geworden - auch seinen nächsten Film will Akin über dieses Thema drehen.

Weitere Artikel: In ihrem Cannes-Bericht informiert Susan Vahabzadeh über neue Filme von Christophe Honore und Andrej Zviagintsev. Im Interview sprechen Antonio Carlos de Araujo Silva, Luis Rafael Ureta Letelier und Majid Sarsangi, drei Theaterfestivalleiter aus Brasilien, Chile und dem Iran, über ihre Eindrücke beim Berliner Theatertreffen. Jeremy Rifkin (mehr) hat sich mittels einer DNS-Analyse auf die Spuren seiner Vorfahren begeben. Jens Bisky stellt fest, dass die Politik die erstaunliche Wirtschaftskraft der "creative industries" - Journalismus, Werbung, Verlage etc. - entdeckt hat, deren Anteil am Bruttosozialprodukt sogar den der Chemieindustrie übersteigt. Am Beispiel der neuen Platte der Waterboys denkt Jens-Christian Rabe über das Abrutschen einst wichtiger Rockbands in die Bedeutungslosigkeit nach. Eva-Elisabeth Fischer gratuliert der polnischen Publizistin Hanna Krall zum Siebzigsten.

Auf der Literaturseite gratuliert Gustav Seibt dem Germanisten Peter von Matt zum Siebzigsten. Rezensiert werden Ingo Herrmanns "Knigge"-Biografie und die von Franz Schuh selbst eingesprochene Hörbuch-Version seiner Essays mit dem Titel "Schwere Vorwürfe. Schmutzige Wäsche" (mehr dazu in der Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).

Besprochen werden die Frankfurter Ausstellung "Die Entdeckung der Kindheit", ein Münchner Klavierkonzert mit Leif Ove Andsnes und Michael Caton-Jones' Film "Shooting Dogs".

In der SZ am Wochenende wird die Laudatio des Film-Produzent Günter Rohrbach auf den Theaterregisseur Peter Zadek abgedruckt, die er für die Verleihung des "Europäischen Theaterpreises" schrieb. Der Preis wurde wegen Nicht-Erscheinens aberkannt - und so handelt es sich um eine ungehaltene Rede. Dirk Peitz hat Julian Temple getroffen, der einen Film über den früh verstorbenen "The Clash"-Sänger Joe Strummer gemacht hat. Auf der Historien-Seite geht es um den Natur-Klassifizierer Carl von Linne. Abgedruckt wird Jan Böttchers Erzählung "Sinai - Eine Berührung".

Welt, 19.05.2007

Ah, die Welt.de. Die interessantesten Artikel stellt sie nicht online, und wir müssen abtippen, wenn wir sie zitieren wollen!

Azer Nafisi, Autorin des Buchs "Lolita lesen in Teheran" denkt in der Literarischen Welt über eine Demokratisierung der Religion in ihrem Land nach, die sich in der Kopftuchfrage entscheiden werde: "Traditionsbewusste iranische Frauen wie meine Großmutter trugen den Schleier,weil er für sie ein Symbol ihres Glaubens war. Das wollten sie respektiert wissen. Wenn der Schleier aber zum politischen Symbol wird, büßt er Respekt und Würde ein, denn jetzt kann ja jeder daher kommen und ihn so angreifen, wie man einen politischen Gegner angreift. Wer auf dem Schleier als politisches Zeichen besteht, hat letztlich keinen Respekt vor den eigenen religiösen Überzeugungen. Wer eine politische Auseinandersetzung will , soll sie suchen. Aber in der Poltiik. Nicht in der Schleierfrage. Das ist wie eine Frau, die sagt: 'Ich muss nackt auf die Straße gehen, denn ich will Freiheit."

Torsten Krauel legt einen Essay über das Buch als Medium der politischen Debatte  in den USA vor: "Barack Obama empfahl sich als Buchautor für das Weiße Haus - in einem Land, das in Übersee als die Nemesis der Lesekultur gilt, als Hort und Schoß allen billigen Kitsches, der 'Entertainments' und des Talkshowgeredes. Nichts ist falscher als eben dieses Zerrbild. Die Vereinigten Staaten sind die größte und wichtigste politische Buchkultur der Erde."

Weitere Artikel in der Literarischen Welt: Tilman Krause spricht Klartext über einen Diskussionsabend mit Nike Wagner zur Cosima-Wagner-Biografie Oliver Hilmes'. Ulrich Weinzierl gratuliert Peter von Matt zum Siebzigsten. Besprochen werden unter anderen Tom Segevs Buch über den Sechstagekrieg und Pascal Merciers neuer Roman "Lea". Und Uwe Wittstock besucht den seit 200 Jahren tätigen katholischen Herder-Verlag.

Im Feuilleton erinnert der amerikanische Autor Jonathan Lethem an John Wayne, der in diesen Tagen hundert Jahre alt geworden wäre. Besprochen werden eine Ausstellung über Walter Kempowski in Berlin, die Ereignisse des Berliner Theatertreffens und Luigi Nonos "Intolleranza" in München.

FAZ, 19.05.2007

Gustav Falke besucht Musikkneipen in Kreuzberg und Neukölln und sieht die Türken mit ihrer Musik weiter im Westen angekommen, als sie es wahrhaben wollen. "Weder Türken noch Antitürken (sehen), dass orientalisch an dieser Musik kaum mehr als die chromatischen Verzierungen sind. An die Stelle der komplizierten Metrik ist der internationale Viervierteltakt getreten, an die Stelle der heterophonen Soloinstrumente Orchester-Unisoni, unter den Makamen werden die ausgewählt, die sich als Dur oder Moll umdeuten lassen... Diese Musik ist zu dem geworden, was sie nach Meinung der Soziologen immer schon war, 'Marker' von Differenz."

Julia Spinola wünscht sich, dass Anna Netrebko mit der "faltenlosen" Stimme bald anfängt, ihren Figuren ein wenig Herzblut zu spendieren: "Wie sinnlich Anna Netrebkos Timbre ist, wie artifiziell und glatt aber ihre Interpretationen, das irritiert mich immer wieder. Wer einmal ernsthaft Netrebkos Interpretation der Szene und Arie am Ende des ersten 'Traviata'-Aktes mit jener der jungen Callas verglichen hat, wird die Mär von einer angeblichen Ähnlichkeit der beiden Diven nie wieder nachplappern. Denn abgesehen von allen offensichtlichen Unterschieden der vokalen Charakteristik, klingen Netrebkos Koloraturen gegen den entgrenzenden Ausdruck anarchischer Lust, wie die Callas ihn in den 'Gioir'-Ausrufen entzündet, ungefähr so lebensprall wie eine Runde Standardtanz."

Weiteres: Verena Lueken meldet sich aus Cannes, wo sie unter anderem "Triangle" gesehen hat, ein Gemeinschaftswerk von Tsui Hark, Ringo Lam und Johnnie To. Rechtsprofessor Gerd Roellecke doziert, dass Bundespräsidenten vor der Entscheidung über ein Gnadengesuch nicht mit den Häftlingen sprechen sollten. Heinrich Wefing hält ja eigentlich nichts von Mega-Ausstellungen wie den Besuch der 150 französischen Impressionisten aus dem New Yorker Metropolitan Museum in der Neuen Natinalgalerie in Berlin, hofft aber auf Einnahmen, die dann Anspruchsvollerem zugute kommen. Hubert Spiegel pflückt dem Autor Peter von Matt einen Lobesstrauß zum Siebzigsten. Jordan Mejias glossiert den Berlin Day in New York.

Die Schallplatten- und Phonoseite bietet Rezensionen von Von Südenfeds Album "Tromatic Reflexxions" und eine Aufnahme mit "Sämtlichen Liedern" von Richard Wagner. Sven Beckstette hält Funk für lebendig, aber langweilig. Auf der Medienseite beschreibt Alexander Häntzschel die Krise des einzigen privaten philippinischen Fernsehsenders iTV, dessen Mitarbeiter seit März ohne Gehalt arbeiten.

In der Beilage Bilder und Zeiten begründet der Schriftsteller Stefan Weidner sein Projekt einer lyrisch inspirierten Neuübersetzung des Korans. "Im Gegensatz zu den prosaisch-sachlichen, den Schönheiten des Originals abholden Übersetzungen der Islamwissenschaftler lädt die hier vorgestellte Übertragung den Text poetisch neu auf - ausgehend von der Reimprosa des Originals, aber nicht davon abhängig, vielmehr sich auf die sprachlichen Mittel verlassend, die speziell das Deutsche für solche poetische Aufladung bereithält." Sure 114 hört sich dann so an: "Sag: Ich suche Zuflucht beim Herrn der Menschen,/ Dem König der Menschen,/ Dem Gott der Menschen,/ Vor dem teuflischen Denken,/ Das in die Brust des Menschen senken/ Geister oder Menschen."

Außerdem schließt Christoph Kardinal Schönborn aus seiner Shakespeare-Lektüre, dass echte Schuldeinsicht erst durch Gnade möglich wird. Und Andreas Platthaus unterhält sich mit dem britischen Kollegen Michale Farr über den belgischen Comiczeichner Herge.

Besprochen werden die Uraufführung von Bernhard Langs "naiver" Oper "Der Alte vom Berge" über selbstmordattentäter in Schwetzingen, und Bücher, darunter Christian Krachts Hörversion von Truman Capotes "Frühstück bei Tiffany" sowie Georg Kleins Roman "Sünde Güte Blitz" (mehr in unserer Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).