12.08.2010. Die Huffington Post bringt eine Liste mit den fünfzehn am meisten überschätzten amerikanischen Autoren. Schuld ist Michiko Kakutani von der New York Times. Gawker kolportiert ein Brüllduett zwischen Larry Page und Sergey Brin. Es ging um Datenschutz. Es gibt Wichtigeres als Religionsfreiheit, meint Eva Quistorp in The European. In der FR heißt es Hirn statt Hintern statt Knackhirn statt Knackarsch in der Berliner Zeitung.
Berliner Zeitung, 12.08.2010
Im Rahmen der
Londoner Sparpolitik wird der britische Kulturminister Jeremy Hunt auch den
UK Film Council schließen. Schauspieler und Regisseure protestieren lautstark,
berichtet Barbara Klimke. "Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Ad-hoc-Entscheidung die gesamte britische Kulturszene in Verunsicherung stürzt. Zumal der 43-jährige Jeremy Hunt als Kabinettsmitglied gilt, das die Sparbeschlüsse der liberal-konservativen Regierung, die am 20. Oktober konkretisiert werden sollen,
energisch umzusetzen gedenkt."
Ach, und übrigens: Bei
Dumont-Schauberg herrscht interne Pressevielfalt. Die
FR-Überschrift zum Geburtstagsartikel über
Iris Berben (sie wird sechzig!) heißt "
Hirn statt Hintern". Die
Berliner Zeitung gibt dem identischen
Artikel eine berlinerischere Überschrift: "
Knackhirn statt Knackarsch." Nun müssen Physiologen noch die Frage klären, wie bei Berben das Hirn an die Stelle des Hinterns geraten konnte.
Zeit, 12.08.2010
Claus Spahn porträtiert den wunderbaren
Claudio Abbado, der sich mit seinem
Lucerne Festival Orchestra noch einmal ein beneidenswert komfortabel ausgestattetes Spitzenorchester geschaffen hat. Aber: "Wer Spitzenorchestermusiker für abgebrühte Routiniers hält, muss sich in Luzern von seinem Vorurteil verabschieden: Dort sitzen
Erlebnishungrige, die in ein Konzertprojekt maximale Emotionen investieren, idealistische Feuerköpfe, die sich für letzte Wahrheiten bei Mahler, Bruckner und Beethoven verzehren;
Rauschbereite, die sich von der Augenblickseuphorie einer erfüllten Aufführung mitreißen lassen."
Außerdem greift die Zeit das Thema
Tiere essen auf, das seit Erscheinen von
Jonathan Safran Foers gleichnamigen Buch in den USA auch in die hiesigen Feuilletons zu schwappen drohte. Im Interview mit Hilal Sezgin erklärt Foer, warum er zumindest
donnerstags kein Fleisch mehr isst: "Für mich begannen die Fragen bei unserem ersten Hund - und beim Eisbären Knut." Iris Radisch plädiert aus ökologischen und ethischen Gründen für gänzlichen Verzicht: "Wir haben
das Tier in uns vergessen und vergessen das Tier, sobald es auf unserem Teller liegt. Das gehört zur
Verhaltensweise der Kälte, der vielleicht zentralsten psychosozialen Technik fortgeschrittener Kulturen."
Weiteres: Jörg Lau hat ein letztes Gespräch mit dem britischen Historiker
Tony Judt geführt, der trotz seiner ALS-Erkrankung bis zuletzt unglaublich produktiv gewesen ist. Stephan Lebert trifft
Franka Potente, die gerade ihren ersten Erzählband "Zehn" veröffentlicht hat: "Das ist ja das Tolle am Schreiben. Man macht es dann einfach." Besprochen werden die Ausstellung "Geschichte der Rekonstruktion" in der Münchner
Pinakothek der Moderne und Bücher, darunter
Thomas Hettches Roman "Die Liebe der Väter" und "Die ganz Wahrheit von
Norbert Gstrein (mehr ab 14 Uhr in unserer
Bücherschau des Tages).
Aus den Blogs, 12.08.2010
Nicht mehr ganz frisch, aber unterhaltsam: Eine richtig richtig richtig
böse Liste mit den "15 am meisten
überschätzten Autoren" hat Anis Shivani für
Huffington Post zusammengestellt. Bei den meisten handelt es sich um staubtrockene Lyriker, die hierzulande völlig unbekannt sind, aber ein paar Promis stehen auch drauf, zum Beispiel
Jonathan Safran Foer: "Each of these writers has a gimmick, and
gimmick after gimmick is what Foer excels at. Always quick to jump on to the bandwagon of the moment. Debuted with harmless multiculturalism for the perennially bored in 'Everything Is Illuminated', with cute lovable foreigners and the slacker generation digging lovableness; a more pretentious 'magical realist' novel was never written." Und wer ist schuld daran?
Michiko Kakutani, die Chefkritikerin der
New York Times und "simply the worst book critic on the planet".
Das ist ziemlich beeindruckend: Stephen Hough hat in seinem Blog den
Tourneeplan von Wladimir Horowitz veröffentlicht, der
1929/30 durch die USA tourte. Und alles mit der Eisenbahn! Die Leser tragen in den Kommentaren eine Reihe von Horowitz-Anekdoten bei.
(
Via Achgut) Caroline Glick
schreibt über die
Pogromstimmung in Schweden: "Take the situation in Malmö, Sweden. Last Friday, Jew-haters set off firecrackers outside a synagogue in Malmo. The blasts came a day after Jew-haters posted a
bomb threat on the wall of the synagogue for the second time in two weeks. Malmö is a hotbed of anti-Jewish violence and the Jews of the city are
fleeing in droves. Yet in the face of all this, Malmö's non-Jews cannot bring themselves to acknowledge that there is a problem with anti-Semitism in their city."
Larry Page und
Sergey Brin haben sich angebrüllt. Und zwar bei der Frage, ob Google eine ähnlich
klebrige Datenschutzpolitik führen soll wie Facebook. Brin sträubte sich dagegen, wenn auch erfolglos,
berichtet Ryan Tate in
Gawker: "That account should further cement Brin's reputation as the
conscience of the company; it was Brin, remember, who pushed hard to stand up to
China's authoritarian regime."

(Via
Blog of a Bookslut) Die Welt der
literarischen Tattoos ist überraschend groß,
schreibt Russ Marshalek bei
flavorwire und zeigt ein paar Beispiele. Hier ein Auszug aus "Der kleine Prinz".
Weitere Medien, 12.08.2010
Es gibt Wichtigeres als
Religionsfreiheit meint die ehemalige Europaabgeordnete der Grünen
Eva Quistorp in
The European: "Beispielsweise sind die
Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Versammlungsfreiheit, die Meinungs-, Wissenschafts- und die Kunstfreiheit wichtigere grundgesetzlich garantierte Rechte. In diesem Zusammenhang ist die Religionsfreiheit nicht als Freiheit für fundamentalistische Evangelikale, holocaustleugnende Katholiken oder djihadistische Muslime, sondern nur im Zusammenhang mit der Geschlechtergleichberechtigung, der Meinungs-, Wissenschafts- und Kunstfreiheit denkbar."
Google und Verizons Pläne für einen Abschied von der
Netzneutralität betreffen keineswegs nur das
mobile Netz,
kommentiert Erich Moechel in der ORF-Website
Futurezone, sondern auch neuartige Dienste, die als ein "
kostenpflichtiges Parallelinternet " aufgebaut werden sollen: "In erster Linie geht es dabei natürlich weniger um mögliche Gesundheitsdienste oder vernetze Stromzähler, sondern um das erst in seinen Kinderschuhen befindliche Geschäft mit
hochauflösenden Videos."
Der
Guardian meldet, dass die Iranerin
Sakineh Mohammadi Ashtiani, die wegen Ehebruchs gesteinigt werden werden sollte, im Staatsfernsehen "zugegeben" haben soll, in die Ermordung ihres Mannes verwickelt gewesen zu sein. Nun droht ihr unmittelbar die Hinrichtung. Ihr Anwalt sagt, sie sei gefoltert worden.
Welt, 12.08.2010
Dennis Sand
besucht ein Sommercamp von
angehenden Rockmusikerinnen im Alter von elf bis 17 Jahren bei Cottbus. Andreas Rosenfelder mokiert sich in der Leitglosse über den Sender
RTL 2, der die
muslimischen Mitbürger im Ramadan durch Laufbänder aufklärt, wann die Sonne auf- und untergeht. Besprochen werden eine
Ausstellung über die Garderobe
Grace Kellys in London und Filme, darunter der
Trickfilm "Summer Wars" von
Mamoru Hosoda (mehr
hier).
TAZ, 12.08.2010
Sonja Eismann
liest eine Studie über die besorgniserregende soziale Lage von
Musikerinnen in den USA. Besprochen werden eine
Straub-Huillet-DVD-
Edition,
Alexis Dos Santos'
Spielfilm "London Nights",
Ereignisse des Sommerfestivals Kampnagel und der französische
Spielfilm "8. Wonderland".
Und
Tom.
FR, 12.08.2010
Besprochen werden
Stephane Brizes Film "Mademoiselle Chambon", ein
Konzert von
U2 in Frankfurt, ein dem Dichter
Carl Michael Bellmann gewidmeter
Liederabend beim Festival "Barock am Main",
Alexis Dos Santos'
Film "London Nights, Joe Carnahans
Actionfilm "Das A-Team",
Mauro D'
Agatis Bildband über den einst mit sowjetischer Hilfe gebauten kubanischen Stadtteil Alamar,
Richard Powers Buch über seine Genomentschlüsselung "Ich #9" (mehr in unserer
Bücherschau heute ab 14 Uhr).
NZZ, 12.08.2010
Tomasz Kurianowicz
beschreibt noch einmal den tiefen
politischen Riss, der durch
Polen geht und der durch das Unglück von
Smolensk eher noch verstärkt wurde. Peter Hagmann
lobt das Salzburger
Konzertprogramm unter dem Pianisten
Markus Hinterhäuser als das Beste, was die Festspiele zu spielen haben. Michael Kempe
stellt einige neue Publikationen zur Geschichte der
Piraterie vor. Besprochen werden auch
Stephane Brizes Liebesfilm
"Mademoiselle Chambon" und
Daniel Richters Ausstellung "The Black Saint and the Sinner Lady" im
Museum der Moderne in Salzburg.
FAZ, 12.08.2010
Joachim Müller-Jung hat in einem
Artikel im
New Scientist eine Erklärung für die Wetterkatastrophen in
Russland, Japan und
Pakistan gefunden: es liegt an
Jet Streams, Starkwindströme in der oberen Atmosphäre, die das Wetter blockieren. Begeistert ist Rüdiger Suchsland von
Olivier Pere, dem neuen Leiter des Filmfestivals
Locarno, der den Wettbewerb ordentlich aufpoliert habe. Betrübt hat sich Timo John den verfallenden
Hoppenlauffriedhof in Stuttgart angesehen, für dessen Sanierung es an den nötigen Mitteln mangelt. Michael Althen hat sich mit dem
Schauspieler Vincent Lindon unterhalten, der im aktuellen
Kinofilm "Mademoiselle Chambon" mit seiner Ex-Frau
Sandrine Kiberlain ein Liebespaar spielt. Sehr begeistert berichtet der
Historiker Ulrich Sieg vom Enthusiasmus armenischer Studenten, denen er in einer Woche als Gastdozent die deutsche Kulturgeschichte näher brachte. Binnen kürzester Zeit hat sich der chinesische Film "Aftershock", der sich mit dem
Erdbeben von Tangshan beschäftigt, in seiner Heimat zur
erfolgreichsten nationalen Produktion entwickelt (
mehr), berichtet Mark Siemons und fasst zugleich die Diskussionen darüber zusammen. Jordan Mejias berichtet vom Streit um eine
geplante Moschee in der Nähe von "Ground Zero" in New York.
Besprochen werden der japanische
Animationsfilm "Summer Wars",
neue CDs von
Jakob Dylan und
Prince (dessen neues Album nur als Beilage des
aktuellen "Rolling Stone" erhältlich ist), zahlreiche Ausstellungen (
Magdalena Jetelova in
Mannheim, "Trust" in
Dortmund,
Arnulf Rainer in
München)und Bücher, darunter "Tiefe",
Burkhard Meyer-Sickendieks Überlegungen zur Faszination des Grübelns (mehr in unserer
Bücherschau ab 14 Uhr).
SZ, 12.08.2010
Burkhard Müller denkt darüber nach, ob das "
Gesetz der sinkenden Erträge" auch in der
Wissenschaft gilt. Geschuldet seien die gesetzmäßig geringeren Resultate bei immer höherem Aufwand demnach vor allem der riesenhaften Unternehmung des heutigen Wissenschaftsbetriebs, der instinktiv auf seine Verewigung hinarbeite. "Er muss, obwohl er behauptet, aufs Neue zu zielen,
wesenhaft konservativ sein. Und er ist so komplex organisiert, dass einer schon ein halbes Leben braucht, um sich darin überhaupt zurechtzufinden und seinen Weg zu machen - die bessere Hälfte, wie man befürchten muss, denn um
wirklich Neues zu finden, muss man
jung sein."
Weiteres: Ira Mazzoni wirft einen Blick auf die Landschaft internationaler
Kunstbibliotheken, in der in Deutschland gespart wird, während die Franzosen ihre Bestände mehren. Christiane Kohl berichtet über die Zeugnisse mittelalterlichen jüdischen Lebens, mit denen sich
Erfurt bei der Unesco als
Weltkulturerbe bewerben will. Alexander Menden informiert über das bevorstehende Aus für die
britische Filmförderung. Christine Dössel gratuliert dem Schauspieler
Peter Weck zum 80.
Besprochen werden eine große Ausstellung des Bildhauers
Thomas Schütte in der
Bundeskunsthalle Bonn,
Anna Netrebkos Auftritt in Gounods "Romeo et Juliette" bei den
Salzburger Festspielen, das Filmdrama
"Mademoiselle Chambon" von
Stephane Brize und die Komödie
"Unmade Beds" von
Alexis Dos Santos,
Jean-Marie Straubs Filme aus den vergangenen zwei Jahren, die auf dem
Filmfestival in Locarno laufen,
Robert Lutekics Actionkomödie
"Kiss & Kill" und
Bücher, darunter das neue von
Peter Sloterdijk "Scheintod im Denken" und eine "Geschichte Kleinasiens in der Antike" von
Christian Marek (siehe hierzu unsere
Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).