13.01.2011. In der FAZ vergleicht Abdelwahab Meddab die Proteste der jungen Tunesier mit dem Aufstand nach den fabrizierten Wahlen im Iran im Jahr 2009. In der taz vergleicht sich Rudolf Thome, ohne mit der Wimper zu zucken, mit Howard Hawks. Der Freitag bringt ein historisches Porträt des Schweizer Nazi und Terroristenfreunds Francois Genoud, der sein Geld unter anderem mit Goebbels-Tantiemen verdiente.
TAZ, 13.01.2011
Ariane Heimbach
unterhält sich mit dem Regisseur
Rudolf Thome über die Liebe und seinen neuen Film
"Das rote Zimmer" über einen Kussforscher. Er erklärt: "Ich mag gern starke Frauen. Ich war immer begeistert von den Filmen des Regisseurs
Howard Hawks - und von seinen Filmfrauen: Katherine Hepburn, Lauren Bacall. Seine Filmmänner sind meinen übrigens ziemlich ähnlich: Sie können zwar schießen und wilde Tiere jagen. Oder todesmutige Rennfahrer sein. Aber in dem Moment, in dem sie
mit einer Frau konfrontiert werden, sind sie vollkommen hilflos." Ekkehard Knörer
bespricht den Film.
Besprochen werden außerdem die
Ausstellung "Tokyo Compression" des Fotografen
Michael Wolf, der in der Tokioter U-Bahn ein- und abfahrende Züge fotografierte, im Forum für Fotografie Köln und die
DVD von
Julian Hernandez Film
"Raging Sun, Raging Sky".
Die gestrige Doppelseite zu
Weißrussland haben wir leider übersehen. Barbara Oertel
berichtete über das brutale Vorgehen des Regimes Lukaschenko gegen die Opposition. Einzeln vorgestellt werden die 25 Vertreter, die seit den Protesten zu Weihnachten noch immer
in Haft sind. Im Interview mit Ingo Petz
sagt die Historikerin
Iryna Vidanava, künftig werde es keine Mitte mehr geben: "Man wird nicht in der Opposition sein und gleichzeitig mit dem Regime kooperieren können. Die
Fassade der '
Liberalisierung' wurde zerstört und das Bild ist nun schwarz-weiß. Du bist entweder
für oder gegen das Regime."
Und
Tom.
Aus den Blogs, 13.01.2011
Literaturcafe bespricht ausführlich das erste
"Libroid", ein besonderes Ebook-Format, das
Jürgen Neffe für Tabloid-Computer entwickelt hat. Neffes eigene
Darwin-
Biografie zeigt, was man elektronisch alles machen kann: "Da gibt es Neffes Beschreibung, aber da gibt es auch Darwins Bericht, der
wie eine Schicht darunter liegt. Und da gibt es unzählige Fotos und Zusatzinformationen zu jeder Station der Reise. Allein schon aus ökonomischen Erwägungen heraus kann so etwas gar nicht alles in einem Buch aufgenommen werden." Mehr auch
hier.
FR, 13.01.2011
H.L.
schreibt zum Tod
Klauspeter Seibels, ehemaliger Generalmusikdirektor an der Oper Frankfurt.
Roland Diry vom Ensemble Modern erklärt im Interview, wie schwierig es heute ist, Musikprojekte zu finanzieren.
Besprochen werden
Nigel Coles Film "We want Sex" (total irreführender Titel, Gewerkschaftsfilm),
Michel Gondrys Actionfilm "The Green Hornet" und
Edward St. Aubyns Roman "Ausweg" (mehr in unserer
Bücherschau heute ab 14 Uhr).
Zeit, 13.01.2011
Ein "
Denkmalpflege-Desaster ersten Ranges" sieht Nikolaus Bernau in den
Umbauplänen für das Berliner
Pergamonmuseum, das für den Massentourismus hergerichtet werden und einen vierten Flügel bekommen soll, der die Sicht auf den monumentalen Ehrenhof verstellen würde: "Offiziell werden nun 384 Millionen Euro verplant, intern wird von weit über 400 Millionen Euro gesprochen. Fest steht alleine: Es wird der
teuerste und längste Museumsumbau, den es je gab. Und in jedem Fall der
unsinnigste."
Weiteres: Gero van Randow betont, dass ein Erfolgsgrund für
Stephane Hessels Protestschrift
"Indignez-vous!" durchaus auch zweifelhafte Bemerkungen zu Israel und der Hamas sind. Claus Spahn meldet, dass
Wim Wenders in Bayreuth den "Ring" zum zweihundertsten Jubiläum inszenieren wird. Christof Siemes trifft
Udo Lindenberg vor der Premiere seines Musicals "Hinterm Horizont". Peter Kümmel macht uns mit der neuen Witzkultur bekannt, deren Zentralfigur die hässliche,
dicke Mutter ist. Nina May porträtiert die junge Theatermacherin Jorinde Dröse, die unter anderem gerade am Berliner Maxim-Gorki-Theater die "Nora" inszeniert. Auf der Glaubensseite besucht Julia Gerlach in den ägyptischen Bergen am Roten Meer das koptische Kloster
Sankt Paul, eines der ältesten des Christentums.
Besprochen werden das neue Album "Content" der
Postpunkband Gang of Four, die CD "Nur fort" der
Sängerin Lisa Bassenge, die DVD "Loriot und die Musik", Ausstellungen zu Jonas Burger in der
Kunsthalle Tübingen und Gregory Crewdson und Duane Hanson im im
Frieder Burda Museum Baden-Baden. Und viele Bücher, darunter
Joseph Vogls Studie "Das Gespenst des Kapitals" sowie der Briefwechsel zwischen Helmuth James und Freya von Moltke (mehr ab 14 Uhr in unserer
Bücherschau des Tages).
NZZ, 13.01.2011
Sergiusz Michalski
rühmt die
Graue Passion von
Hans Holbein dem Älteren, die in der
Staatsgalerie Stuttgart gerade in einer sehr schönen Ausstellung gezeigt werde und auf geradezu "theatralische Weise" den Betrachter fessele: "Die Unterscheidung von Wesentlichem und Unwesentlichem wird
streng beachtet."
Weiteres: Marcus Stäbler
preist Helsinkis vielfältige Musiklandschaft. Auf der Filmseite resümiert Marisa Buovolo die bisherige Karriere der
Isabella Rosselini, die in diesem Jahr Jurypräsidentin der Berlinale ist.
Besprochen werden eine
Bühnenfassung von Michael Morpurgos Erfolgskinderbuch 'War Horse' in London, Felix Mühlhölzer
Studie zu
Wittgensteins Interventionen "Braucht die Mathematik eine Grundlegung?" und
Greg Ames'
Debüt "Der bisher beste Tag meines Lebens" (mehr ab 14 Uhr in unserer
Bücherschau des Tages).
Welt, 13.01.2011
Stefanie Peter
besucht den ehemaligen Berliner Baustadtrat
Hans Stimmann, der nach wie vor zu seiner Politik einschläfernd
gerasterter Innenstadtfassaden steht, mit der er Berlin nach der Wende prägte. Cornelius Tittel
beschuldigt Berliner Galeristen in der Jury der
Art Basel des Intrigantentums, weil sie einem Kollegen, Judy Lybke, von der
Galerie Egen + Art den Zugang zur wichtigen Kunstmesse verwehrten. Tim Ackermann
unterhält sich mit dem Regisseur
Joachim Levy, der dem Grafitti-Künstler
Banksy und seinem Film "Exit through the Gift Shop" Plagiat vorwirft. Marcus Hammerschmitt legt einen kleinen Essay über den Kampf der Giganten
Apple und
Google und die Abwesenheit des großen Dritten
Microsoft vor. Johnny Erling
berichtet über die Aufstellung eines
Konfuzius-Denkmals auf dem Platz des Himmlischen Friedens, das sogar die
Mao-Statue um einiges überragt.
Besprochen wird Nettina Ehrhardts Dokumentarfilm über
Kent Nagano und das Montreal Symphony Orchestra (mehr
hier).
Freitag, 13.01.2011
Ach,
seufzt Jakob Augstein, "die Franzosen haben
Stephane Hessel und wir
Thilo Sarrazin. Die Franzosen machen ein Buch der Hoffnung zum Bestseller. Die Deutschen ein Buch der Niedertracht." Aber wir haben doch auch
Gesine Lötzsch!
Willi Winkler
schreibt ein historisches Porträt des Schweizer Bankiers
Francois Genoud, einer grauen Eminenz des Antisemitismus, die eine kontinuierliche Linie vom Terror der Nazis, zum linken, dem palästinensischen und dem islamistischen Terrorismus zieht. Sein Geld hat er unter anderem mit
Urheberrechten gemacht - zum Beispiel mit der Verwaltung der Rechte auf die
Goebbels-Tagebücher, auf die er sich mit den Nachkommen einigte: "Der Hitler-Verehrer bietet einen Handel an: Wenn man ihm die Hälfte an dem Erlös aus den Urheberrechten überließe, würde er sich um alles kümmern und der Familie die Goebbels-Tantiemen erstreiten. Für die Angehörigen bietet Genoud einen Vorteil: Als Ausländer ist er neutral und damit bei den deutschen Behörden unverdächtig."
Im Kulturteil
antwortet Albrecht von Lucke auf die
Intellektuellenschelte Hans Ulrich Gumbrechts aus dem Freitag der letzten Woche.
FAZ, 13.01.2011
Die
Aufstände in Tunesien überraschen die Führung des Landes, ebenso den Rest der Welt. Joseph Hanimann versucht die Hintergründe zu klären, etwa im Gespräch mit dem in Paris lebenden tunesischen Schriftsteller
Abdelwahab Meddeb, der die Forderungen der Jugendlichen nach "Freiheit, Arbeit, Würde" fast beschämt als Ausdruck politischer Reife lobt: "Die Ereignisse seien von mindestens ebenso großer Bedeutung wie die Proteste unlängst nach den
Wahlen in Iran, sagt ... Meddeb im Gespräch; er selbst habe sich von dieser Bewegung überraschen lassen. Auch er sei ein Opfer jenes 'achselzuckenden universellen Schweigens' geworden, gesteht er, das mit der Widerstandskraft jenes Volks nicht mehr gerechnet habe. 'Das Regime hat es geschafft, mein eigenes tunesisches Selbstvertrauen in mir
abzutöten.'"
Der Literaturwissenschaftler
Jürgen Link mischt sich in die Debatte um Goethes Haltung zum Islam und Sarrazins Indienstnahme von Goethe, er verweist auf ein vom Dichter Hadayatullah Hübsch in seinem postum veröffentlichten Brief an die
FAZ philoislamisches Goethe-Zitat und dann staunt er: "Was tut Sarrazin? Er kennt den Beleg gar nicht.
Was tut Necla Kelek? Sie muss ihn bei Hübsch gelesen haben: Sie unterdrückt ihn also einfach."
Weitere Artikel: Eine Gruppe
chinesischer Architekten mit dem Internationalen aufgeschlossener, aber genuin nationaltypischer Handschrift stellt Julia von Mende vor. In der Glosse
erklärt Daniel Haas, dass unter dem für die Literatur vielleicht nicht so tragischen Verbot der Bücher
Paulo Coelhos im Iran vor allem dessen aus dem Land getriebener Verleger zu leiden hat. Gerhard Rohde schreibt zum Tod des Dirigenten
Klauspeter Seibel. Ein weiterer Nachruf gilt dem britischen Literaturkritiker
John Gross. Auf der Kinoseite berichtet Marco Schmidt vom
Filmfestival in Marrakesch. Im politischen Teil führt Rainer Blasius noch einmal en detail aus, was er an der Studie der Historikerkommission zum
Auswärtigen Amt auszusetzen hat.
Besprochen werden ein Berliner Konzert, bei dem
Andras Schiff Bachs "Wohltemperiertes Clavier" zum besten gab (Jan Brachmann findet, dass Schiffs Vortrag etwas "Studienrätliches oder Stiftsdamenhaftes" hat), eine
Mondrian-Retrospektive im Pariser
Centre Pompidou, eine Ausstellung mit Fotografien von
Roger Ballen im Münchner
Stadtmuseum, die neue
Console-CD "Herself", Sophie Heldmans Alzheimer-Film "Satte Farben vor Schwarz" mit
Senta Berger und
Bruno Ganz, die gesammelten Erzählungen
Ibn Battutas "Die Wunder des Morgenlandes" (mehr dazu in der
Bücherschau ab 14 Uhr).
SZ, 13.01.2011
Die
Vergewaltigungsvorwürfe gegen
Julian Assange zeigen keineswegs, dass das schwedische Recht besonders scharf ist, meint Andreas Zielcke. Die Orientierung an ausgeübter Gewalt sei eher rückwärtsgewandt. Einschlägiger findet er den Bezug auf den freien Willen: "Wo seine
freie Ausübung endet und Täuschung, List, Bedrängung, Erzwingung oder Ausnutzung psychischer Not anfangen, kann auch ein Gesetzgeber nur schwer bestimmen. Aber er kann sich, wie es das Vereinigte Königreich und seine Ex-Kolonie in Australien tun, an die eine Schranke halten - wenn das Opfer
Nein sagt."
Weitere Artikel: Scharf
geht Catrin Lorch mit der in ihrer Tendenz nicht alleinstehenden Entscheidung des
Wallraf-Richartz-Museum in Köln ins Gericht, die Ausstellung mit den Werken des reaktionären
Salonmalers Alexandre Cabanel vom Modemacher
Christian Lacroix gestalten zu lassen. Henrik Bork berichtet kurz, dass der chinesische Künstler
Ai Weiwei dem Abriss seines Ateliers in Shanghai tatenlos zusehen musste. Jörg Häntzschel meint, dass der
Attentäter von Arizona - so verrückt er auch immer sein mag - nicht zu Unrecht als Menetekel für die Radikalisierung der amerikanischen Rechten betrachtet wird. Über die Suche nach einem
Pavarotti-Nachfolger denkt Reinhard J. Brembeck nach.
Auf der Filmseite darf
Günter Rohrbach den vom ihm co-produzierten, von Regisseur Leander Haußmann gerade abgedrehten Film "Hotel Lux" schon mal vorwärtsverteidigen: "Darf man das Terrorregime Stalins als Komödie erzählen?" (Und auch noch mit
Bully Herbig? Klar darf man. Findet - jetzt nicht so überraschenderweise - Rohrbach.)
Besprochen werden die Ausstellung "
Jungsteinzeit im Umbruch" im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe, neu anlaufende Filme, darunter
Rudolf Thomes "Das rote Zimmer" (Fritz Göttler ist ganz betört von der "spielerischen Leichtigkeit" des Regisseurs), die von
Michel Gondry verfilmte
Superhelden-Erzählung vom "Green Hornet" und Sophie Heldmans Alzheimer-Geschichte "Satte Farben vor schwarz" und Bücher, darunter
Niklas Holzbergs Studie zu "Aristophanes" (mehr dazu in der
Bücherschau ab 14 Uhr)