Heute in den Feuilletons

Keine Berge, keine Kühe

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
22.08.2011. In der SZ erklärt Steve Carell, Star des Films "Crazy, Stupid, Love", einige Grundsätze des Komischseins. Der teuerste Konzern der Welt, Apple, hat nach wie vor eine goldene Zukunft, denn die Chinesen lieben ihn, berichtet die FAZ.  Die Kieler sind traurig. Sie dürfen künftig nicht mehr gemocht werden. jedenfalls nicht mittels des heutzutage so relevanten "Like"-Buttons von Facebook, meldet W & V. Der Blogger Lars Reineke echauffiert sich über diese Initiative des Schleswig-Holsteiner Datenschützers Thilo Weichert. In der FR erzählt Jan Koneffke, warum sein neuer Roman in Rumänien spielt.

FR/Berliner, 22.08.2011

Jan Koneffke erzählt im Interview, warum sein neues Buch "Die sieben Leben des Felix Kannmacher" von einem jungen "Reichsdeutschen" handelt, der sich zwischen 1934 und 45 in Rumänien vor den Nazis versteckt: "Mich interessiert Herkunftsgeschichte, auch in Bezug auf Rumänien. Wo kommen die Zustände her, die man heute dort hat. Die Zwischenkriegszeit war die eines großen Modernisierungsschubs, es gibt in kaum einer europäischen Hauptstadt so viele Bauten im Bauhausstil wie in Bukarest. Ich wollte diese Zeit erzählen, als interkulturelle Begegnung, wieder etwas Autobiografisches, zwischen einem 'Reichsdeutschen' und der balkanischen Mentalität."

Weiteres: Sebastian Preuss bereitet uns auf eine "ästhetische Sensation" vor: Leonardos "Dame mit dem Hermelin", die im Rahmen der Ausstellung "Gesichter der Renaissance" ab Donnerstag im Berliner Bode Museum zu sehen ist. Stephan Hebel mokiert sich über die Verwendung des Wörtchens "interaktiv" auf den Webseiten der Zeitungen. Besprochen wird Morten Ramslands Roman "Sumobrüder" (mehr in unserer Bücherschau heute ab 14 Uhr).

Weitere Medien, 22.08.2011

Im New York Magazine porträtiert Alex Morris das schönste Fotomodell der Welt: Andrej Pejic. Er posiert als Mann genauso gut wie als Frau, und die Frage, ob er sich eher als das eine oder andere fühlt, findet er total überflüssig: "'I guess professionally I've left my gender open to artistic interpretation,' he says. This past year, he walked in both men's and women's shows for Jean Paul Gaultier (who describes Pejic as an 'other­worldly beauty'), and was cast as ­Gaultier's bride - traditionally a line's piece de ­resistance - in his Spring 2011 couture show."

(Via turi2) Focus meldet, dass Woody Allen seinen nächsten Film möglicherweise in München dreht - jedenfalls sei er in Gesprächen mit der Bavaria: "'Bitte keine Berge, keine Kühe' habe Allen gesagt, 'ich brauche nur die Stadt'."

(Via Martin Oetting) Kieler Websites dürfen ab sofort nicht mehr "geliked" werden, meldet W & V: "Schleswig-Holsteins oberster Datenschützer Thilo Weichert meint es ernst: Bis Ende September müssen Website-Betreiber im nördlichsten deutschen Bundesland ihre Fanpages bei Facebook und Social Plugins wie den 'Like'-Button auf ihren Websites entfernen. Andernfalls droht ihnen ein Bußgeldverfahren. Die maximale Bußgeldhöhe liegt nach Angaben des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz (ULD) bei 50.000 Euro."

Aus den Blogs, 22.08.2011

(Via Romelu) Der Blogger Lars Reineke hat bereits auf die Anti-Facebook-Initiative des Kieler Datenschützers Thilo Weichert reagiert: "Was ist eigentlich mit eingebetteten YouTube-Videos? Flattr-Buttons? Google Analytics? Google+? Amazon Affiliate Buchcovern? oder irgendeinem anderen verkackten Objekt, das ich als Webseitenbetreiber gerne von einer anderen Domain als meiner eigenen einbinden möchte? (Entschuldigung, ich echauffiere mich gerade)." Und weiter: "Das hieße also, dass zukünftig sämtliche Inhalte von jedem Webseitenbetreiber selbst gehostet werden müssten. Und wie Webseiten dann aussehen, das zeigt euch Thilo Weichert an der Homepage seiner eigenen Behörde."

Henryk Broder und Hamed Abdel-Samad drehten gerade in Kyritz in Brandenburg. Da kam eine etwa 50-jährige Frau auf sie zu und fragte, ob sie wüssten wer Judas sei, berichtet Henryk Broder in Achgut: "Wir bejahten. Worauf die Frau fragte, ob wir den Plural von Judas wüssten. Wir schauten uns etwas ratlos an." Fortsetzung hier.

TAZ, 22.08.2011

Höchstens noch eine Ahnung ließ Thomas Ostermeiers Salzburger "Maß für Maß"-Inszenierung davon aufkommen, welchen Preis das bürgerliche Subjekt einst für sich selbst bezahlte, befindet Uwe Mattheiss ("Marius von Mayenburgs Fassung reimt 'Bitte' auf 'Titte'"). Michael Kasiske besucht die Ausstellung "Eine Stadtkrone für Halle", die den Architekturwettbewerb von 1927 rekonstruiert, an dem sich unter anderen Walter Gropius und Hans Poelzig beteiligten. Rolf Lautenschläger hat sich von Stephane Hessel eine gewohnt zornige Rede zur Eröffnung des Kunstfest Weimars angehört.

Und Tom.

Welt, 22.08.2011

Ulrich Weinzierl resümiert die "trefflichen" Salzburger Festspiele. In der Glosse mokiert sich Marc Reichwein über die Adelung von Computerspielen durch das Feuilleton.

Besprochen werden Yassin Musharbashs Thriller "Radikal" ("ein verdammt guter Polit-Thriller - und nebenbei auch noch eine exzellente Nahaufnahme der deutschen Hauptstadt und ihrer Phänotypen", schreibt Claus Christian Malzahn), Peter Handkes Serbien-Essay "Die Geschichte des Dragoljub Milanovic" (dem Edith Kohn wenig abgewinnen kann) und eine Ausstellung der zeitgenössischen Kunstsammlung von Chen Dongsheng in Pekings Nationalmuseum.

NZZ, 22.08.2011

Der Biochemiker Gottfried Schatz plädiert angesichts einer prekären Energiezukunft für wirklich innovative Forschung: "Allzu oft erliegen wir der Versuchung, die Mängel des bereits Verfügbaren mit staatlichen Subventionen zu übertünchen. Sie aber schotten Technologien ebenso vom Wettbewerb ab, wie Importzölle dies für Inlandsprodukte tun. Auf kurze Sicht mögen Subventionen und Importzölle nützlich sein - langfristig verhindern sie unweigerlich die Geburt des Neuen. Wissen ist ein Kind der Vergangenheit; in einer stetig sich wandelnden Welt sichert es weder die Gegenwart noch die Zukunft."

Weiteres: Der Schriftsteller Kurt Drawert erzählt von New York, in dem er das Geld hat rauschen hören, aber auch die Poesie die Welt verändern. Peter Hagmann hat sich beim Lucerne Festival Bruckners Fünfte mit Claudio Abbado angehört. Dirk Pilz schreibt über die Theaterproduktionen der Salzburger Festspiele.

FAZ, 22.08.2011

Riesengroß ist der Apple-Fanatismus, wie Mark Siemons berichtet, in China. Neulich kam es fast zum Straßenkampf, weil alle als erste das weiße Iphone 4 haben wollten. In der Mittelschicht darf Apple nämlich nirgends fehlen: "Die Apple-Produkte spielen in der öffentlichen Selbstdarstellung chinesischer Mittelschichten eine noch auffälligere Rolle als andernorts. In Pekinger Cafes sind praktisch hundert Prozent der Gäste mit iPhone, iPad oder Mac-Computer ausgestattet, die sie gleich nach dem Eintreffen in Betrieb nehmen." (Mehr über Apples Erfolg in China in der NYT.)

Weitere Artikel: Wiebke Hüster klagt über "völlige ästhetische Instinktlosigkeit" beim Berliner "Tanz im August"-Festival. Julia Spinola berichtet von der Eröffnung des Weimarer Kunstfests "Pelerinages" in Buchenwald. Von der Franken-Hausse ausgelöste "Finanzkriege" in der Schweiz glossiert Jürg Altwegg. In der "Klarer Denken"-Kolumne erklärt Rolf Dobelli, wie wir uns falsche Entscheidungen durch kleine Lügen angenehmer machen. Andreas Kilb schreibt zum Tod des chilenischen Filmregisseurs Raul Ruiz. Auf der Medienseite schildert Oliver Jungen die erste deutsche Fernsehübertragung von Elektrosportspielen - also Computergames von Fußball- bis Ballerspiel - im deutschen Fernsehen: ein Spaß war es leider nicht, weil es etwa für "Counter Strike" bislang keine überzeugende Außenbeobachterperspektive gibt.

Besprochen werden "Mahler-Szenen" in Salzburg, die Ausstellung "Unser Schwarzwald. Romantik und Wirklichkeit" im Augustinermuseum Freiburg, Katarzyna Rolaniecs Debütfilm "Shopping Girls" (mehr) und Bücher, darunter Antonio Lobo Antunes' neuer Roman "Mein Name ist Legion" (mehr dazu in der Bücherschau ab 14 Uhr).

SZ, 22.08.2011

Im Interview mit Lars Jensen erklärt Steve Carell, Star des Films "Crazy, Stupid, Love" (mehr hier), der bei Jon Stewarts "The Daily Show" debütiert hat, einige Rezepte für komische Filme: "Alle Figuren müssen realistisch sein und in ihrem Irrsinn glaubhaft. Man kann Witze über Klischees machen, aber klischeehafte Figuren sind der Tod jeder Comedy. Zweitens: Die großen Witze, die absurdesten Ideen entstehen nur durch Improvisation."

Weitere Artikel: Stephan Speicher fürchtet um das berühmte Medizinhistorische Museum der Berliner Charite, das wegen Geldmangels vor einer Neustrukturierung stehen könnte. Wolfgang Schreiber erlebte die Eröffnungsrede des ehemaligen Buchenwald-Häftlings Stephane Hessel beim Kunstfest Weimar. Jörg Häntzschel besucht das neue, von Henning Larsen entworfene Musik- und Veranstaltungshaus in Reykjavik, das trotz der Krise realisiert wurde. In den "Nachrichten aus dem Netz" reflektiert Niklas Hoffmann Erkenntnisse des Techbloggers Daniel M. Russell und des Atlantic-Bloggers Alexis Madrigal, die herausgefunden haben, dass 90 Prozent der Internetnutzer nicht wissen, wie man mit der Tastenkombination "Strg+F" eine Seite oder ein Word-Dokument durchsuchen kann. Volker Breidecker berichtet von einer Renaissance des Frankfurter Bahnhofsviertels.

Besprochen werden die Aufführung aller fünfzehn Streichquartette Dmitri Schostakowitschs durch das Mandelring-Quartett (das es hinkriegt, eine Website ohne ein Fitzelchen Musik zu präsentieren) in Salzburg, neue DVDs, eine römische Ausstellung über den Kaiser Nero und Bücher, darunter Susanne Kuss' Studie "Deutsches Militär auf kolonialen Kriegsschauplätzen". (Mehr in unserer Bücherschau ab 14 Uhr.)