14.08.2012. Die Welt ermittelt: Die Leiche in Per Johanssons Krimi "Der Sturz" ist zwar zur Unkenntlichkeit entstellt. Sie sieht aber Frank Schirrmacher sehr ähnlich. Aber wer genau ist Per Johansson? Etwa Thomas Steinfeld? Dahinter verblasst die Realität zwar, aber dennoch ein paar Hinweise: In der FAZ plädiert Hans-Gert Pöttering für das Europäische Parlament. Die Berliner Gazette fragt nach der Funktion des Feuilletons. Laut Slate ist Twitter schuld an der erbärmlichen Freundlichkeit der amerikanischen Literaturkritik. Und die SZ beschäftigt sich mit einem Bestseller von Jonas Jonasson.
Welt, 14.08.2012
Nächste Woche erscheint bei S. Fischer der Krimi "Der Sturm" von "
Per Johansson". Einen Autor dieses Namens scheint es nicht zu geben, was insofern pikant ist, als das
von Dachsen zerfressene Mordopfer im Buch
FAZ-Feuilletonchef
Frank Schirrmacher zum Verwechseln ähnlich ist. Aber wer ist der Autor? Sollte
Thomas Steinfeld, Chef des
SZ-Feuilletons, hier seinen Rivalen mit der Schaufel - nur literarisch, versteht sich - erledigt haben? Richard Kämmerlings
sammelt Indizien und notiert auch die "boshafte Beobachtung, dass die Leute diesem Christian Meier (so heißt der Schirrmacher-Clon in dem Roman, d.Red.) seit einiger Zeit '
nicht mehr so gebannt zuhörten': 'Ein paar mal wirkte er fast komisch, wenn er wieder einmal den Untergang der Welt beschwor.' Härter als in diesem Schlüsselroman hat öffentlich noch niemand Schirrmacher angegriffen, jedenfalls niemand auf Augenhöhe: Ein
Denkmalsturz im Schafspelz des harmlosen Krimis. Ein Unterhaltungsroman als Racheakt."
Fischer hat für den Roman eine
extra Vorschau gefertigt, mit Blurb von
Orhan Pamuk:

Außerdem:
Youtube droht das
deutsche Fernsehen aus der Zuschauergunst zu
verdrängen,
meldet Ekkehard Kern Im Forum
fragt sich Ian Buruma, warum Mitt Romney solchen Wert auf die
Churchill-Büste im Weißen Haus legt, die Barack Obama durch eine Büste Abraham Lincolns ersetzen ließ.
Besprochen wird ein
Konzert von
Blur im Hyde Park.
Aus den Blogs, 14.08.2012
Angeregt von einem
taz-
Artikel Georg Seeßlens, der glatt die Abschaffung des Feuilletons forderte,
macht sich Krystian Woznicki in der
Berliner Gazzette Gedanken zur Funktion eines Feuilletons, das
von heute sein will: "Die Auflösung der traditionellen Kulturindustrie (samt ihren erodierenden Geschäftsmodellen) müsste hier nicht nur verhandelt werden. Es müsste auch eine
Neubestimmung der Kultur (und ihrer Industrien) erahnt, ertastet, vermessen und zur Diskussion gestellt, aber auch aktiv betrieben werden."
FR/Berliner, 14.08.2012
Markus Schneider
berichtet vom
Oya-Festival mit Frank Ocean, Björk und Bon Iver in Oslo. Cornelia Geißler
schreibt zum Hundertsten von Erwin Strittmatter. Jan Brachmann stellt die dänische Polit-Serie
"Borgen" vor. Frauke Hartmann resümiert das letzte von Matthias von Hartz kuratierte
Kampnagel-Sommerfestival in Hamburg.
Besprochen werden
Choreografien beim Berliner
Tanz im August und
Frank Blacks Krimi "Eine Frau verschwindet" (mehr in unserer
Bücherschau heute ab 14 Uhr).
Aus den Blogs, 14.08.2012
(via
3 quarks daily) Jacob Silverman
gibt auf
Slate Twitter, Facebook und Co die Schuld daran, dass die amerikanische Literaturkritik fast nur noch aus Nettigkeiten besteht: "Today's reviewers tend to lionize the
old talk-show dustups between William F. Buckley
and Gore Vidal
or Noam Chomsky (the videos are on YouTube), but they're unwilling to engage in that kind of intellectual combat themselves. They praise the bellicosity of Norman Mailer and Pauline Kael, but mostly
from afar. Mailer and Kael are your rebellious high school friends: objects of worship, perhaps, but not emulation. After all, it's all so messy, and someone might get hurt. Instead,
cloying niceness and blind enthusiasm are the dominant sentiments. As if mirroring the surrounding culture, biting criticism has become synonymous with
offense; everything is personal - one's affection for a book is interchangeable with one's feelings about its author as a person. [...] And, of course, critics, most of them freelance and hungry for work, want to
appeal to fans and readers as well; so to connect with them, they
must become them."
(via
spiegel online)
Gotyes "Somebody That I Used To Know" kann niemand mehr hören? Ach was, dieses mit Variationen
von Fans zusammengestellte Video ist einfach zauberhaft, um nicht zu sagen - HYPNOTISCH.
NZZ, 14.08.2012
Andreas Breitenstein besichtigt
Bogdan Bogdanovics Weltkriegsdenkmal in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers
Jasenovac und kann bei der Erinnerung an Jugoslawien eigentlich nur sehr traurig werden. Bernhard Furrer befasst sich mit Problemen bei der
Sanierung moderner Bauten wie der
Siedlung Halen bei Bern. Und der Politikwissenschaftler
Hermann Lübbe erkennt in der Reihe zur Demokratie als kritisches Moment die schwindende Potenz der Parteien: "Die
Volatilität der Parteienpolitik nimmt zu."
Auf der
Medienseite berichtet Markus M. Haefliger von
Medienprojekten in Burundi.
Besprochen werden
Sibylle Bergs Roman "Vielen Dank für das Leben",
Thomas Stangls Essays "Reisen und Gespenster" und
Stefano Bennis Roman "Brot und Unwetter" (mehr ab 14 Uhr in unserer
Bücherschau des Tages).
Weitere Medien, 14.08.2012
Gut dass der neue
Flughafen Berlin-Brandenburg nicht zustande kommt. Denn beim Personal für die Sicherheitskontrollen war auch "der 21-Jährige Florian L. aus Berlin" beschäftige,
berichtet Hans-Martin Tillack bei
stern.de: "Der vor einigen Jahren zum Islam konvertierte Mann wird seit dem 20. Juli vom LKA Berlin als '
Gefährder im islamistischen Spektrum' geführt. Jüngst war er laut Polizeierkenntnissen mit gleich zwei Männern im engen Kontakt, die mit
Sprengstoffanschlägen oder deren Vorbereitung aufgefallen waren."
TAZ, 14.08.2012
Aram Lintzel
ärgert sich in seiner Kolumne über den Kult ums Interview und den "Terror der O-Töne". Du Pham
besucht die Schau der
Pixar-Studios, denen die Bonner Bundeskunsthalle das Haus überlassen hat. Julian Streich
war beim Musikfestival Way Out West in Göteborg.
Robert Misik
erkennt auf der
Meinungsseite beim Blick in Geschichte und Gegenwart glasklar: "
Konservative haben zu aktuellen Bedrohungen der Freiheit nichts zu sagen."
UInd
Tom.
SZ, 14.08.2012
"Der
literarische Bestseller [lässt] sich nach wie vor nicht planen",
schreibt Kristina Maidt-Zinke so erleichert wie beeindruckt angesichts des überraschenden Bestseller-Erfolgs von
Jonas Jonassons erst von einigen Verlagen abgelehnten und dann bei Veröffentlichung
von den Feuilleton nicht beachteten Romans "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" (
Leseprobe). Ihren Kritikerkollegen rät sie jedenfalls dringend zur nachholenden Lektüre: "Denn Jonassons ebenso haarsträubende wie lebensweise Geschichte eines Jahrhundertzeugen, der wider Willen in sämtliche wichtigen politischen Ereignisse verwickelt wird und es dennoch schafft, sich aus allem herauszuhalten, kann vielen gewissenhaft rezensierten
Werken der Gegenwartsliteratur das Wasser reichen - oder besser: den Wodka."
Weitere Artikel: Der
Kirchenhistoriker und Priester Hubert Wolf argumentiert ganzseitig für eine allein der Empirie verpflichtete
historische Kirchenforschung, um deren betrüblichen momentanen Zustand zu überwinden, in dem die "Dogmatik und in letzter Konsequenz das kirchliche Lehramt definieren, was kirchenhistorische Forschung zu Tage fördern darf und
was nicht." Gustav Seibt liest bei
Goethe nach, was der Dichterfürst von Vermögensabgaben für Reiche gehalten hat.
Besprochen werden neue Jazz-Veröffentlichungen,
Steven Soderberghs Männer-Striptease-Film "Magic Mike", ölige Fotografien von
Edward Burtynsky im
C/O Berlin,
Christof Loys Inszenierung von "La donna del Lago" im
Theater an der Wien und Bücher, darunter
Peter Sloterdijks Notizbuch (mehr in unserer
Bücherschau um 14 Uhr).
FAZ, 14.08.2012
Der ehemalige Europaparlamentarier und heutige Vorsitzende der Adenauer-Stiftung
Hans-Gert Pöttering hält ein leidenschaftliches Porträt für die EU und das Europäische Parlament: "Traditionelle staatliche Institutionen sind angesichts globaler Herausforderungen nur noch selten in der Lage, die passende Antwort zu geben,
nationale Lösungen allein reichen nicht aus. Und die Europäische Union ist eben nicht die Ursache des Übels, wie uns einige Kritiker glauben machen wollen. Sie ist vielmehr
die Antwort auf die Fragen unserer Zeit."
Leidenschaftlich auch der Artikel des türkischen Archäologen
Edhem Eldem, der beschreibt, wie die türkischen Behörden ausländische Grabungsteams behindern und ihre Schätze gleichzeitig dem
Tourismus preisgeben. Seine Erklärung: Auf der Welle eines "neuartigen türkisch-islamischen Nationalismus reitend, schert sich die gegenwärtige Regierung nicht um den Widerspruch zwischen ihren Ansprüchen auf Fundstätten und Funde und der
Gleichgültigkeit, mit der sie die Geschichte und das Erbe behandelt, welche diese Funde repräsentieren." (
Laut dem Internetportal
deutsch-türkische Nachrichten wurden außerdem mehr als 200 Kulturschätze von korrupten Beamten verkauft.)
Weitere Artikel: Verena Lueken
kommt begeistert vom Filmfestival und besonders der
Preminger-Retro in
Locarno zurück. Gina Thomas
beschreibt das neue "
britische Wir-Gefühl" nach den gelungenen Olympischen Spielen. Dirk Schümer berichtet mit nicht zu verkennender Empörung über ein Denkmal, das die italienische Stadt Affile dem faschistischen Kriegsverbrecher
Rodolfo Graziani widmet. Auf der Medienseite kann sich Michael Hanfeld über die
Selbstgratulationen von
ARD und
ZDF nach den Olympischen Spielen nicht wundern: Schließlich hat man rund
480 Leute nach London geschickt und für die Rechte angeblich
70 Millionen Euro ausgegeben - und zwar
pro Sender.
Besprochen werden die
Rossini-Oper "La Donna del Lago" im Theater an der Wien und Bücher, darunter Neuerscheinungen über die nicht immer rühmliche Biografie
Erwin Strittmatters (mehr in unserer
Bücherschau ab 14 Uhr).