Heute in den Feuilletons

Luxus und Erleuchtung gehen immer

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
21.01.2013. Wer die FAZ liest, kommt zu dem Schluss: Der gefährlichste Job der Welt muss der Direktorenposten des Bolschoi-Balletts sein. Während amerikanische Zeitungen Paywalls errichten, expandiert das kostenlose Angebot des Guardian mit eigenen Redaktionen in andere englischsprachige Länder, berichtet Mashable. In der SZ erkunden Nir Baram und Abraham B. Yehoshua die Zukunft Israels. Außerdem: ein Schicksalstänzchen am Montag.

TAZ, 21.01.2013

Viele Pyjamahosen und Morgenröcke sah Enrico Ippolito bei den Modeschauen für Männer in Paris. Die Krise! Manche versuchen dagegen zu halten, aber das, so Ippolito unzufrieden, überzeugt höchstens ästhetisch: "Der britische Designer Kim Jones kreiert bei Louis Vuitton einen Mann auf Reise - ganz im Sinne des Hauses Vuitton, das vor allem mit Taschen Geld verdient. Die Models lässt er über einen blanken Boden laufen, Blitzeisgefahr. Hinter ihnen Himalaja-Fotos als Hintergrund. Was bieder, gar spießig beginnt, mit simplen Anzügen und Mänteln, endet in einer visuellen Orgie an Farben, Mustern und Stoffen. Seine Inspiration holte sich Jones auf einer Recherchereise ins Bergkönigreich Bhutan... Esoterik, gepaart mit elitärem Habitus. Luxus und Erleuchtung gehen eben immer."

Jürgen Berger liest Briefe Samuel Becketts, die ihm den "Dichter des Verstummens" als ziemlich redselig zeigen. Lisa Goldmann folgt in Schwerins Staatlichem Museum einer Führung für Sehbehinderte. Elise Graton empfiehlt das "Hip Hop Cookbook" von Cutmaster GB.

Und Tom.

Weitere Medien, 21.01.2013

(Via Performance Today) Schicksal. Es ist Montag!



Im Interview mit Anne-Catherine Simon in der Presse erklärt Necla Kelek, warum Bildung und Integration wichtig sind: "Wir bekamen die Möglichkeit, nach Europa zu gehen, weil wir in Anatolien keine Chance auf Bildung und selbstständiges Leben hatten. Wenn der Großvater aus Anatolien in der vierten Generation in Wien immer noch bestimmt, ob die Enkelin zur Schule geht, hätte die Familie nicht auswandern müssen."

Aus den Blogs, 21.01.2013

Während die meisten amerikanischen Zeitungen inzwischen paywalls haben expandiert das kostenlose Online-Angebot des Guardian in andere englischsprachige Länder, berichtet Lauren Indvik in Mashable: "Der Eröffnung eines Newsrooms in New York folgt der Gang nach Australien, der zum Teil von Graem Wood (Global Mail) finanziert wird. Der Guardian hat seine amerikanische Leserschaft von Februar 2011 bis Dezember 2012 um fast ein Viertel erhöht, von 8 auf 10,9 unique visitors. Der Guardian hat jetzt vierzige Festangestellte in den USA, zwei Dritel davon Redakteure."

Dabei hat der Guardian im vorigen Jahr laut Telepolis Verluste von 90 Millionen Euro gemacht und 18 Prozent seiner Printauflage verloren, nach 380.000 liegt sie jetzt bei 205.000 Exemplaren.

Ebenfalls in Mashable: Paul Spain hat in Neuseeland den unentwegten Kim Dotcom getroffen, der mit seinem neuen Cloudservice Mega für Aufsehen sorgt.

Welt, 21.01.2013

Sascha Lehnartz besucht die Kulturhauptstadtregion Marseille. Christiane Hoffmans stellt den neuen Leiter der Bonner Bundeskunsthalle vor, den Niederländer Rein Wolfs. Hanns-Georg Rodek schreibt den Nachruf auf den Filmkomponisten Rolf Wilhelm. Uwe Schmitt ist nicht mehr ganz so euphorisch, wie bei Barack Obamas erster Inauguration, aber immer noch froh, dass er es ein zweites Mal geschafft hat.

Besprochen werden Yasmina Rezas neuer Roman "Heureux les heureux" und die Uraufführung von Sasha Raus Stück "Oh it's like home" durch Christoph Marthaler am Kölner Schauspiel.

NZZ, 21.01.2013

Christian Saehrendt ist nach Heidelberg gereist, um sich Javier Téllez' Videoinstallationen zu Werken der Sammlung Prinzhorn anzusehen. Joachim Güntner besucht im thüringischen Ossmannstedt Wielands einstiges Gut, das ihn jetzt im Winter aber etwas rau anmutete. Besprochen werden Fritz Hausers und Joachim Schloemers Musiktheaterstück "Königinnen" in Basel und die Uraufführung von Urs Widmers "Das Ende vom Geld" in St. Gallen.

FAZ, 21.01.2013

Der Job als Ballettchef am Mariinsky-Ballett in St. Petersburg oder gar dem Bolschoi ist lebensgefährlich, gerade wurde der in Moskau amtierende Sergej Filin Opfer eines Säureanschlags - in Belgien, wo er sicherer ist als in Moskau, versucht man sein Augenlicht zu retten. Neu ist das Phänomen nicht - Wiebke Huester macht Rivalitäten als Grund für solche Anschläge aus: "Oleg Vinogradov war Ballettdirektor am Mariinsky, als er 1995 beschloss, aus Angst vor Anschlägen das Ensemble von Washington aus zu leiten - in einem Interview mit dem britischen Independent äußerte er sogar den Wunsch, den Sitz des ganzen Mariinsky in die Vereinigten Staaten zu verlegen." Mehr zum Attentat auf Filin auch hier in The Daily Beast.

Weitere Artikel: Leander Steinkopf liefert einen etwas rätselhaften Bericht über ein Treffen einer altlinken Greisengruppe, die in der Akademie der Künste einen "Denk- und Handlungsraum Aufklärung" schaffen will. Mark Siemons berichtet über den sagenhaften Erfolg der kleinen chinesischen Komödie "Lost in Thailand" (Trailer), in der sich der neue chinesische Mittelstand selbst auf die Schippe nimmt. Hannah Lühmann und Jossph Crotoiru stellen zwei neue israelische Politiker vor, den Linken Aldad Yaniv und den Rechten Naftali Bennett. Olivier Guez unterhält sich mit dem einstigen Mitterrand-Berater Jacques Attali über die deutsch-französischen Beziehungen ("Die Eurokrise hat einen Vorzug: Sie erinnert Franzosen und Deutsche daran, dass sie zur Zusammenarbeit verurteilt sind").

Besprochen werden eine Ausstellung mit eine Ausstellung mit malerischen Variationen des Comiczeichners Enki Bilal auf Klassiker des Louvre ebendort, Sasha Raus Stück "Oh, It's like Home", inszeniert von Christoph Marthaler in Köln, Verdis "Räuber" in Venedig und Bücher, darunter Szilard Rubins Krimi "Die Wolfsgrube" (mehr in unserer Bücherschau ab 14 Uhr).

SZ, 21.01.2013

Die beiden israelischen Schriftsteller Nir Baram und Abraham B. Yehoshua unterhalten sich vor der Parlamentswahl in Israel über das Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern über die Möglichkeit einer Zwei-Staaten-Lösung und über die Bedeutung, die der Staat Israel für die jüdische Identität hat. Für Baram, den deutlich jüngeren der beiden, ist das Land für die Identität nicht mehr entscheidend, Yehoshua widerspricht entschieden: "Wenn wir in den dreißiger Jahren schon einen Staat gehabt hätten, dann wären Millionen von Juden gerettet worden. Es hat uns sechs Millionen Menschen gekostet zu sagen, dass wir Kosmopoliten sind und die Welt eine Hotelkette für uns ist."

Besprochen werden neue DVDs, eine Ausstellung mit Fotos von Steve McCurry im Kunstmuseum Wolfsburg, eine Ausstellung über Kaiser Konstantin in Mailand, Christoph Marthalers Inszenierung von Sasha Raus "Oh it's like Home" am Schauspiel Köln, Hanna Dooses Film "Staub auf unseren Herzen", und Bücher, darunter Andrea Diefenbachs Bildband "Land ohne Eltern" (mehr in unserer Bücherschau um 14 Uhr).