22.03.2013. Die SPD ist beim Thema Leistungsschutzrecht eingeknickt und wird das Gesetz heute im Bundesrat wohl passieren lassen. Der FAZ ist es eine winzige Meldung wert. Die FR sorgt sich um das "geistige Eigentum". Ohnmächtiger Aufschrei im Netz. In der taz kritisiert der Historiker Ulrich Herbert die ZDF-Serie "Unsere Mütter Unsere Väter", die von der Liebe der Deutschen zu Hitler so gar nichts zeigt. Die NZZ befasst sich mit der amerikanischen Debatte um Roosevelt und die Juden.
Weitere Medien, 22.03.2013
Kai Biermann
fragt auf
Zeit Online, warum die
SPD beim Thema
Leistungsschutzrecht ausgerechnet in
Hamburg und
NRW einknickte und muss dabei ja eigentlich nur an seinen Arbeitgeber denken: "In NRW und Hamburg sitzen
große Verlage. Die kämpfen seit Jahren für dieses Leistungsschutzrecht, da sie hoffen, damit Geld vor allem von Google zu bekommen. Es gibt keinen Beleg dafür, aber es ist immerhin vorstellbar, dass das Verhalten der beiden Bundesländer damit zu tun hat."
Freiheit endet beim "
geistigen Eigentum",
meint Harry Nutt zur Debatte um
#LSR in der
FR: "Die beanspruchte Netzfreiheit tendiert aber selbst
ins Totalitäre, wenn sie bedingungs- und voraussetzungslos auf das geistige Eigentum von anderen zugreift."
Auf
Twitter ist eine Menge los zum Thema:
Aus den Blogs, 22.03.2013
Breaking News:
TAZ, 22.03.2013
Das Entscheidende,
meint der Freiburger
Historiker Ulrich Herbert, hat dem
ZDF-Dreiteiler "Unsere Mütter, unsere Väter" gefehlt: "Die fünf Protagonisten sind wie aus der Zeit gefallen... Nichts von dem
Vertrauen und der Liebe, die Hitler gerade aus der Jugend entgegenschlug. Nichts von der festen Überzeugung, dass
Europa von Deutschland beherrscht werden müsse. Und dass es besser wäre, die
Juden wären weg. Nicht, dass sie umgebracht werden sollten - aber
weg sollten sie sein."
Weitere Artikel: K. Erik Franzen
berichtet über eine Performance des Künstlerduos
Elmgreen & Dragset, das für die
Aktion A Space Called Public / Hoffentlich öffentlich in München eine Art Minijobber täglich auf dem Odeonsplatz über Mikrofon den Satz:
"Es ist nie zu spät, sich zu entschuldigen" rufen lässt. Jürn Kruse
findet es ganz schlimm, wie
Alexander Gorkow in der
SZ den Moderator
Hinnerk Baumgarten, der Katja Riemann im
NDR zum Verzweifeln brachte, "erniedrigt" hat (
mehr hier).
Besprochen werden das neue
Album "Home" von MySpace-
Wunder Karo und
Thomas Heises Film "Gegenwart", der "weniger eine Dokumentation über ein Krematorium als eine
essayistische Annäherung an ein solches" ist, so Cristina Nord.
Und
Tom.
Welt, 22.03.2013
Der Übersetzer und Autor Wolfgang Schlüter
stellt den Sinn der
automatisierten Rundfunkgebühren grundsätzlich in Frage: "Fußball, Soaps, Krimis et cetera stehen nicht auf derselben Ebene wie
Bibliotheken,
Opernhäuser, Theater und Museen und dürfen auf eine vergleichbare, sei's fiskalische, sei's pseudofiskalische Weise, deswegen nicht finanziert oder subventioniert werden." Und Schlüter warnt (etwa mit Blick auf das
Leistungsschutzrecht, mit dem die Presse sediert wird?) dass, "wenn dieser Modus Schule machte, künftig jede Institution aus Gewinnstreben ihr
Partikularinteresse mithilfe von Lobbyisten beim Staat würde geltend machen können."
Im Feuilleton
unterhält sich Holger Heimann mit dem Schriftsteller
David Vann, dessen Roman "Dreck" gerade herauskommt: "Ich handle mit Tragödien. Ich komme aus einer Familie mit
fünf Selbstmorden und einem Mord." Thomas Schmid
denkt über die nach wie vor lebendigen und gerade wieder reaktivierten nationalen Vorurteile der
Italiener über
Deutsche und umgekehrt nach. Hanns-Georg Rodek
gratuliert Jost Vacano, dem Kameramann des "Boots", der mithilfe des angemessene Beteiligung zusichernden
Urheberrechtsparagrafen 32a nach jahrelangen Prozessen eine Gewinnbeteiligung aus dem Film für sich herausholen wird.
NZZ, 22.03.2013
Ronald D. Gerste resümiert, ohne wirklich zu einer eigenen Position zu kommen, die amerikanische Debatte um das
Buch "FDR and the Jews" der Historiker
Richard Breitman und
Allan Lichtman. Ob sich Roosevelt gegenüber den von den Nazis verfolgten Juden
Indifferenz zu schulden kommen ließ, wird demnach sehr unterschiedlich eingeschätzt. Gerste erinnert an die isolationistische Stimmung in den USA in jener Zeit: "Noch im Sommer 1940, als Winston Churchills Großbritannien allein gegen die scheinbar unaufhaltsame
Kriegsmaschinerie Hitlers stand, lehnte eine große Mehrheit der US-Bürger bei aller grundsätzlichen Sympathie für das einstige Mutterland und seine Demokratie ein direktes Eingreifen der USA ab."
Der junge afghanischer Schriftsteller Taghi Akhlaghi
berichtet, wie das 2005 gegründete Umweltschutzamt in Afghanistan die Menschen zu
mehr Umweltbewusstsein erziehen will: "Die Vertreter des Amtes behaupten, dass es ihnen gelungen sei, durch
religiöse Bestimmungen die Menschen von der Notwendigkeit des Umweltschutzes zu überzeugen. Obwohl die Zerstörung der Naturressourcen weitergehe, habe sich zumindest
das Tempo der Zerstörung reduziert."
Besprochen werden das neue
Album "Delta Machine" von
Depeche-Mode,
Tomasz Stankos neue CD mit dem New York Quartet: "Wislawa", "Who's That Man" des deutschen Toningenieurs und Produzenten
Conny Plank, die
Ausstellung "Die Medici. Menschen, Macht und Leidenschaft" im Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim, ein "Ballettabend" in der Tonhalle Zürich, und Bücher, darunter
Eveline Haslers historischer Roman "Mit dem letzten Schiff - Der gefährliche Auftrag von Varian Fry" (mehr in unserer
Bücherschau heute ab 14 Uhr).
SZ, 22.03.2013
Gustav Seibt befasst sich mit den historischen Grundlagen päpstlicher Legitimation: "Wo gibt es eine zweite Institution, die sich so direkt auf Texte und Bilder beziehen kann, die
mehr als ein halbes Jahrtausend zurückliegen? Noch heute zitiert der Ritus zur Inthronisation des Papstes Symbole und Formeln, die auf die sogenannte Konstantinische Schenkung zurückgehen."
Außerdem: Johan Schloemann spricht mit dem Theologen
Udo Sträter über den Pietismus, dessen Begründer
August Hermann Francke heute vor 350 Jahren geboren wurde. Cathrin Kahlweit meldet, dass der rechtsextreme ungarische Fernsehjournalist
Ferenc Szaniszló den kürzlich erhaltenen Táncsics-Preis nach empörten Protesten zurückgegeben hat.
Besprochen werden die große
David-
Bowie-Ausstellung im
Victoria & Albert Museum in London (durch die Catrin Lorch mit spürbarer Freude
flaniert, auch wenn sie es "bedauerlich [findet], wie sehr die Ausstellung ... versagt, wo es um Bowies künstlerische Ambitionen geht"), das neue Album von
Depeche Mode (für das sich Joachim Hentschel "Kenntnisse in Phasenphysik und Frequenzmodularanalyse" wünscht, um eindeutig zu erkennen, aus welchem Jahr es stammt),
Giuseppe Tornatores Film
"The Best Offer" und Bücher, darunter
Ulrike Edschmids Roman "Das Verschwinden des Philip S." (mehr in unserer
Bücherschau um 14 Uhr).
FAZ, 22.03.2013
Die neue "Debattenkultur" des
FAZ-Feuilletons erlaubt leise Kritik jetzt nur noch, wenn die Chose gelaufen ist. So bemerkt heute auf der Medienseite Wolfgang Michal über das TV-Wehrmachtsspektakel "Unsere Mütter, unsere Väter", es zeige "nicht die Traumata der Eltern, sondern die
Wunschtraumata ihrer Kinder. Es sind eingebildete Flashbacks, mit denen die sekundär Traumatisierten den Eltern Schuld und Scham abnehmen wollen und Gerechtigkeit für sie einfordern."
Eine winzige Meldung informiert uns, dass das von den Zeitungen
durchgepuschte Leistungsschutzrecht heute wohl nicht im Bundesrat scheitern wird. (Die SPD in NRW und Hamburg will einer Anrufung des Ermittlungsausschusses nicht zustimmen,
meldet Markus Beckedahl auf
Netzpolitik.)

Tobias Rüther
besucht die große Londoner
David-
Bowie-
Ausstellung, die neben zahlreichen Kostümen aus Bowies Fundus auch Artefakte aus der Epoche versammelt, die Bowie hervorgebracht hat. Lena Bopp wünscht sich in ihrem ganzseitigen Bericht von der offenbar recht aufgeräumten
Biennale im
Emirat Sharja von dieser "etwas mehr
Krawall" (Mohammed-Karikatur gefällig?). Jürg Altwegg
attestiert einem
neuen Band mit
Claude Lévi-
Strauss' gesammelten Kolumnen aus
La Repubblica "das Zeug zum Kultbuch". Joachim Willeitner sorgt sich um die Tempel von
Abu Simbel. Daniel Koerfer
skizziert die Etappen der Reihe von
Ermächtigungsgesetzen der Weimarer Republik, die am Ende Hitlers Macht im Land festigten. Andreas Rossmann
ärgert sich grün und blau, dass das Land Nordrhein-Westfalen sich aus einer Initiative zur
Denkmalpflege zurückgezogen hat. Jürgen Dollase speist im
rustikalen "Sansibar" auf
Sylt.
Besprochen werden
Saul Steinbergs in Köln ausgestellter Bilderzyklus "The Americans", ein
Mahler-Konzert der Bamberger Symphoniker in Barcelona, neue Schallplatten, darunter Chansons von
Paul Hindemith, und Bücher, darunter
Anders Petersens Fotoband "Soho", in das man
hier einen Blick werfen kann (mehr in unserer
Bücherschau um 14 Uhr).