Heute in den Feuilletons

Tagtäglich dem Leser zugemutet

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
17.05.2013. Die taz stellt den ersten chinesischen Blogger vor, der es schaffte, einen Vizeminister zu stürzen. In der Welt ruft Richard Herzinger die westlichen Länder zur Intervention in Syrien auf. In der FAZ kritisiert Constanze Kurz die Kampagne deutscher Medien gegen Adblocker. In Cannes liefen Filme von Sofia Coppola und François Ozon. Meldung des Tages: Elisabeth Ruge verlässt Hanser Berlin. Ihr Nachfolger wird Karsten Kredel von Suhrkamp.

TAZ, 17.05.2013

Felix Lee berichtet aus Peking, wie ein Blogger dort erstmals einen Vizeminister stürzte: "Luo Changping, stellvertretender Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins Caijing, hatte im vergangenen Dezember in seinem Blog über Machtmissbrauch und Korruption berichtet und Liu Tienan in diesem Zusammenhang namentlich genannt. Blogger Luo warf dem Parteifunktionär vor, lukrative Geschäfte von Familienmitgliedern qua Amt gefördert und sich auch selbst bereichert zu haben. ... Das Interessante an der Enthüllung: Luo veröffentlichte sie nicht in der Printausgabe des Wirtschaftsmagazins, dem er vorsteht. Er schrieb darüber in seinem Privatblog."

Weiteres: Cristina Nord amüsiert sich in Cannes über teenage misbehaviour in den neuen Filmen von Sofia Coppola und François Ozon. Der Philosoph Gernot Böhme erklärt im Interview, was er unter städtischer Klangarchitektur versteht. Jan Feddersen unterhält sich mit Natalie Horler, die beim Eurovision Song Contest für Deutschland singt, über Frauenbilder, Feminismus und Quote: "Weiß nicht, ob ich mich so aus dem Fenster lehnen sollte, aber generell würde ich sagen: Ja, wenn das nötig ist, dann braucht man eine Quote."

Besprochen werde Stefan Puchers Inszenierung der "Hedda Gabler" mit Nina Hoss am Deutschen Theater und eine neue CD von Savages.

Und Tom.

Welt, 17.05.2013

Dringend ruft Richard Herzinger die westlichen Länder zu - vorsichtiger - Intervention in Syrien auf. Dass solche Missionen trotz allem gelingen können, zeigen für ihn die Beispiele Libyen und Mali. Und "gerade weil der Westen untätig geblieben ist, hat das Blutbad in Syrien apokalyptische Dimensionen angenommen. Und der Einfluss radikaler Islamisten in den Reihen der Opposition wächst in dem Maße, wie sich die Syrer vom Westen im Stich gelassen fühlen."

Sensationsmeldung in der deutschen Verlagsszene: Elisabeth Ruge verlässt "aus persönlichen Gründen" Hanser Berlin, einen Verlag, dem sie vom Berlin Verlag wichtige Autoren brachte. Ihr Nachfolger wird Karsten Kredel, der bisher bei Suhrkamp die ausländische Literatur betreute. Richard Kämmerlings weiß auch nichts genaues, kann sich aber nur negative Gründe vorstellen: "Vielleicht hatte Ruge doch selbst auf die Krüger-Nachfolge spekuliert; vielleicht aber ahnt sie auch, dass das literarisch anspruchsvolle Verlegen ohne den charismatischen Routinier im Rücken eher noch schwieriger wird."

Weitere Artikel: Andreas Rosenfelder besucht das umstrittene "Barbie Dreamhouse" in Berlin. Manuel Brug unterhält sich vor den Salzburger Pfingstfestspielen mit Cecilia Bartoli über ihre Rolle als Druidenpriesterin Norma in Bellinis Oper. Hanns-Georg Rodek hat in Cannes neue Filme von Sofia Coppola und François Ozon gesehen.

Besprochen werden unter anderem eine an Bruno Schulz erinnernde Videoinstallation in Berlin, eine Ausstellung über Bestseller der Nazizeit in Nürnberg und eine Aufführung von Brechts Lehrstück "Der kaukasische Kreidekreis" in New York.

NZZ, 17.05.2013

Mit ihrem öffentlichen Bekenntnis zur Mastektomie hat Angelina Jolie "eine der letzten zuverlässigen Bastionen zur Unterminierung weiblichen Selbstbewusstseins geschleift", meint Andrea Köhler: "den kritischen Blick der anderen". Peter Hagmann sieht Anzeichen für einen neuen Aufbruch des Orchestre de la Suisse Romande. Anlässlich des 100. Jubiläums erinnert Christoph Bignens an die Verdienste des Schweizerischen Werkbunds.

Knut Henkel unterhält sich mit dem kubanischen Jazzpianisten Chucho Valdés über seine neue CD. Besprochen werden eine Ausstellung mit Heiligenbildern von Francisco de Zurbarán in Sevilla sowie das neue Album von Daft Punk, das sich "ungeniert im Fundus der Pop-Geschichte (bedient), ohne eine substanzielle Weiterentwicklung zu wagen", wie Markus Ganz feststellt.

Aus den Blogs, 17.05.2013

Stefan Niggemeier attackiert die VG-Wort-Kampagne "Wir geben 8" mit reaktionären Promi-Statements zum Urheberrecht: "Die VG-Wort-Kampagne ist des­halb ärger­lich, und für mich ganz beson­ders, weil ich einer der 'mehr als 400.000 Auto­ren' bin, deren Rechte und Ansprü­che die VG Wort ver­wal­tet und in deren Namen sie schein­bar spricht. Meine Frage, wel­che VG-Wort-Gremien kon­kret die Kam­pa­gne 'bera­ten und beschlos­sen' haben, hat die Pres­se­spre­che­rin bis­lang nicht beant­wor­ten wollen."
Stichwörter: Urheberrecht, VG Wort

FAZ, 17.05.2013

Constanze Kurz findet in ihrer Maschinenraum-Kolumne durchaus Verständnis dafür, wenn Internetnutzer sich mit einem Adblocker die Werbung auch von Zeitungswebsites vom Hals schaffen. "Die Bitte, doch eine Ausnahmeregelung für die deutschen Zeitungsseiten einzustellen, weil hier ja nur verantwortungsbewusst und schonend Werbung geschaltet würde, mutet mehr wie ein misslungener Witz an, wenn man sich etwa die flächenumrahmende bunt blinkende und bisweilen sogar Geräusche erzeugende Werbung ansieht, die etwa bei etlichen Verlagen tagtäglich dem Leser zugemutet wird."

Weitere Artikel: Abgedruckt ist ein Porträt aus dem Band "Galerie der Namenlosen", das Hanns Zischler sich zu Sebastiano del Piombos in der Berliner Gemäldegalerie ausgestelltem "Bildnis einer Römerin" ausgedacht hat. Jan Grossarth untersucht in einer Reportage am Beispiel Darmstadts, wie die Kommunen den ab August für jedes Kind bestehenden Anspruch auf einen Krippenplatz erfüllen wollen. Mark Siemons beobachtet aktuelle Tendenzen in der chinesischen Mode, deren Trends zusehends von Bloggern mitbestimmt werden. Verena Lueken berichtet aus Cannes (hier auch im Blog). Gerhard Rohde kehrt zufrieden vom Kölner Neue-Musik-Festival "Acht Brücken" zurück. Jürgen Dollase legt den Berliner den Besuch des neuen Restaurants Dos Palillos wärmstens ans Herz.

Eine Meldung informiert, dass Elisabeth Ruge "aus persönlichen Gründen" den Hanser Berlin Verlag verlässt. Ihr Nachfolger wird Karsten Kredel, bisher Programmleiter für fremdsprachige Literatur im Suhrkamp Verlag: "Wie Frau Ruge dieser Zeitung sagte, hat sie ihren Nachfolger selbst ausgesucht."

Besprochen werden neue Alben von unter anderem Reinhard Mey und Daft Punk, Robert Neumanns bei den Wiener Festwochen aufgeführte "Kinder von Wien", eine Andrea Fraser gewidmete Ausstellung im Museum Ludwig in Köln und Bücher, darunter Heinz Strunks Roman "Junge rettet Freund aus Teich" (mehr in unserer Bücherschau um 14 Uhr).

SZ, 17.05.2013

"Die Geste kommt nicht übers Zuprosten hinaus", unkt Catrin Lorch angesichts des Versuchs von Coca Cola, sein Produkt nun auch in Deutschland über mit Namen versehene Etiketten persönlicher zu gestalten: "Auch wenn mustergültig das aktuelle Credo der Werbe-Industrie 'lokal bleiben' erfüllt wird, hätte der Weltkonzern doch stolz darauf hinweisen können, dass eben nicht nur Sophie und Benjamin von nebenan Cola trinken, sondern auch der Hamish, die Destiny und der Anand." Von dem Karl ganz zu schweigen.

Weitere Artikel: Im 50. Jubiläumsjahr zeigt sich das Berliner Theatertreffen von seiner entspannten Seite, schreibt Christine Dössel: "Keine Aufreger, keine Ausfälle, viel Anerkennug." Kristina Maidt-Zinke unterhält sich mit der Sängerin und Festspiel-Chefin Cecilia Bartoli unter anderem über ihre Rolle als Norma im Bellinis gleichnamiger Oper. Susan Vahabzadeh sieht in Cannes neue Filme von Sofia Coppola, Francois Ozon und Amat Escalante (internationale Pressespiegel dazu hier, hier und hier). Volker Breidecker stellt zahlreiche Ausstellungen zum Grimm-Jahr 2013 vor.

Besprochen werden die Auffühung von "Mutter Kramers Fahrt zur Gnade" in Recklinghausen, eine Ausstellung mit Bildern von Ferdinand Hodler in der Fondation Beyeler in Basel, ein Konzert der "grandiosen" Geigerin Midori und Bücher, darunter die von Denis Hollier gesammelt herausgegebenen Skripte und Notizen aus dem Collège de Sociologie in Paris (mehr in unserer Bücherschau um 14 Uhr).