12.07.2013. Outlook, Hotmail, Skype - der Guardian erklärt, wie Microsoft der NSA beim Bespitzeln seiner Kunden hilft. Unsere Existenz ist ein Provisorium, seufzt die NZZ angesichts zahlreicher Baustellen. Die taz bewundert das urbane Mosaik von Glaubensfacetten in München. Die SZ lernt von den Pet Shop Boys, Marx und Lacan: Liebe ist ein bourgeoises Konstrukt. Die FAZ fürchtet die vorsorgliche Entmachtung des Bürgers.
Weitere Medien, 12.07.2013
Die großen
Internetgiganten wie Google, Apple etc. haben bisher immer behauptet, beim
Ausspionieren ihrer Nutzer nur auf das allernötigste und erzwungenste mit der
NSA zusammengearbeitet zu haben. Zumindest für
Microsoft scheint das nicht zu gelten,
berichtet der
Guardian. Microsoft - jüngste Werbekampagne: "Your privacy is our priority" - arbeitet
seit mindestens drei Jahren sehr eng mit der NSA zusammen, wie neue Dokumente Edward Snowdens zeigen: "Die National Security Agency (NSA) habe etwa die Sorge geäußert, Web-Chats auf dem
neuen Outlook.com-Portal nicht mitlesen zu können. Microsoft habe daraufhin der NSA geholfen, die konzerneigene Verschlüsselungstechnik zu umgehen. Dieses Vorgehen soll sich dem Bericht zufolge nicht auf die Web-Chats beschränkt haben: Die NSA soll auch Zugang zu E-Mails auf
Outlook.com und
Hotmail trotz der Verschlüsselung gehabt haben",
fasst Spon die Nachrichtenlage zusammen.
Im
Guardian heißt es weiter: "The information the
NSA collects from Prism is
routinely shared with both the FBI and CIA. A 3 August 2012 newsletter describes how the NSA has recently expanded sharing with the other two agencies. The NSA, the entry reveals, has even automated the sharing of aspects of Prism, using software that 'enables our partners to see which selectors [search terms] the National Security Agency has tasked to Prism'. The document continues: 'The FBI and CIA then can request a copy of Prism collection of any selector…' As a result, the author notes: 'these two activities underscore the point that
Prism is a team sport!'"
Hansjörg Müller
führt für die
Basler Zeitung ein biografisches Gespräch mit
George Lord Weidenfeld: "Wäre ich 30 Jahre jünger, würde ich mit aller Kraft für ein Ziel arbeiten: die Akzeptanz
Israels als Teil Europas. Die EU hat ja auch Zypern aufgenommen und diskutiert darüber, die Türkei aufzunehmen, obwohl 85 Prozent von deren Staatsgebiet in Asien liegen."
NZZ, 12.07.2013
Ein schwer grüblerischer Roman Bucheli
deutet die allgegenwärtigen
Baustellen als eine "Generalmetapher" für unser ganzes Dasein: "Das ständige Niederreißen und wuchtige Auftürmen des Neuen erinnert daran, dass auch die Existenz ein
Provisorium ist: unfertig und unabschließbar. Und in den Spuren dieses rabiaten Umbaus der Lebenswelt erkennen wir ein Spiegelbild der unsichtbaren
sozialen wie seelischen Kosten des eigenen unablässigen Wandels im Versuch der Daseinsoptimierung."
Weiteres: Carsten Hueck
porträtiert den israelischen Lyriker
Natan Zach. Marc Zitzmann
gratuliert dem
Pariser Opernballett zum 300jährigen Bestehen.
Besprochen werden eine
Münchener Ausstellung mit Meisterwerken der
zeitgenössischen Kirchenarchitektur (in der Karin Leydecker
beobachtet: "Extreme sind 'out', auf laute Hollywood-Inszenierungen wird verzichtet") und Bücher, darunter
Manuele Fiors Graphic Novel "Die Übertragung" (mehr in unserer
Bücherschau heute ab 14 Uhr).
Freitag, 12.07.2013
Michael Angele
gleicht den NSA-Skandal mit
Spionage-Literatur ab und prüft die Politik auf ihre Vertrautheit mit der Gattung: "'Spionieren unter Freunden, das gehört sich nicht', meinte der frühere BND-Chef Hans-Georg Wieck dieser Tage. Es macht nicht den Anschein, dass er ein Leser von
John le Carré ist. Anders
Peer Steinbrück. Aus sicherer Quelle weiß man, dass der Kanzlerkandidat die Romane le Carrés gut kennt, und möglicherweise erklärt das auch, warum er sich im aktuellen Überwachungsskandal von Gabriel die Butter vom Brot nehmen lässt.."
TAZ, 12.07.2013
Sabine Leucht
lobt das
Projekt "
Urban Prayers" der Münchner Kammerspiele, das in verschiedenen Beträumen der Stadt gegeben wurde: "
München als
city of god, als
urbanes Mosaik von Glaubensfacetten und -ritualen, die es, obwohl gern in vielerlei Weise an die Peripherie gedrängt, anzuschauen lohnt - das ist die Botschaft des Stadtprojekts."
Weitere Artikel: Bernhard Clasen
berichtet über die Hintergründe für die
Absage des Festivals "Pilorama", auf dessen Programmmischung aus menschenrechtlichen Diskussionsforen, Ausstellungen und Rockmusik die
Behörden diesmal stark Einfluss zu nehmen versuchten. Der amerikanische Autor und Journalist Steven Lee Beeber
denkt über seine Wahrnehmung der Stadt
vor und nach dem Bombenattentat auf den Boston-Marathon und die beiden Attentäter nach. Anna-Katharina Messmer, Mitinitiatorin von #Aufschrei, glaubt nicht an den "neuen Feminismus" und
fragt sich, wem die aktuelle Popularisierung des
Narrativs von den zerstrittenen Feministinnen eigentlich nützt.
Besprochen werden die
Ausstellung "ShePOP - Frauen. Macht. Musik!" im
Rock-n-Pop-Museum Gronau, die Musikgeschichte aus weiblicher Sicht erzählt, und das
Album "Magna Carta Holy Grail" von
Rapper Jay-Z.
Und
Tom.
Welt, 12.07.2013
Das Plattmachen des Gezi-Parks hat nicht geklappt, dafür lässt die türkische AKP jetzt die
Gemüsegärten Konstantinopels planieren,
berichtet Boris Kálnoky. "Die Schwulen haben also wieder die Nase vorn",
meint Manuel Brug angesichts der Meldung, dass der dänische Balletttänzer
Jeppe Hansen von die Royal Winnipeg Ballet School verlassen musste, weil er "in geschmackvoll inszenierten Einaktern für eine
schwule Porno-Webseite" auftrat. Michael Pilz stellt die bayrische Blaskapelle
La Brass Banda vor. Christine Kensche berichtet von einem
Literaturfestival im sardischen
Gavoi, wo man bis vor 20 Jahren noch auf Blutfehden und Entführungen spezialisiert war. Kai Luehrs-Kaiser porträtiert den Pianisten
Kristian Bezuidenhout. Besprochen wird
Derek B. Millers Krimi "Ein seltsamer Ort zum Sterben".
SZ, 12.07.2013
"Ausgesucht großartig" ist das neue Album "Electric" der
Pet Shop Boys mal wieder geworden, jubelt Joachim Hentschel, der nochmal eigens bei Marx und Lacan nachgeblättert hat, was diese von der
Liebe wussten. Der Anlass: Der
Song "Love Is A Bourgeois Construct", der es Hentschel ganz besonders angetan hat. Sänger Neil Tennant "lässt sein lyrisches Ich in diesem Song alte Uni-Papiere durchwühlen, noch einmal im
'Kommunistischen Manifest' nachlesen, die Londoner Banker und ihre Boni verfluchen - immer auf der Suche nach der
Seele Englands. Und alles geschieht angeblich nur, wie wir beim Hören dieses ansteckenden Flucht-nach-vorn-Ohrwurms bald merken, weil er verlassen wurde, die Liebe eben weg ist. Weil er die bourgeoise Illusion nur loslassen kann, wenn er mit Radau die Mitgliedschaft zur Bourgeoisie aufkündigt. Solch einen
antikapitalistischen Sommerhit mit bestechender innerer Logik hätten wir schon damals zum Lehman-Brothers-Crash gebraucht." Beim kommunistischen Boulevard-Blatt
Bild kann man sich das Album
in voller Länge anhören.
Außerdem: Felix Stephan beobachtet neuere Strömungen bei den
Grünen, die nicht allein durch Technik- und Zukunftsangst geprägt sind. Peter Richter besucht den eigens für
deutsche Nachkriegskunst erstellten Anbau des St. Louis Art Museum.
Besprochen werden eine Ausstellung mit Malereien von
Hans Thoma im
Frankfurter Städel und Bücher, darunter eine von
Timo Berger herausgegebene Sammlung mit junger
brasilianischer Literatur (mehr in unserer
Bücherschau um 14 Uhr).
FAZ, 12.07.2013
Dietmar Dath unterhält sich mit
Ranga Yogeshwar über die neuen Qualitäten der Datenspionage und den gesellschaftlichen Wandel, der damit einhergehe: "Bislang wurden Menschen nach ihrem Handeln bewertet, doch in Zukunft wird die
Vorhersage die Oberhand gewinnen. ... Und an genau dieser Stelle überschreiten wir den Rubikon zwischen Realität und dem digitalen Abbild: Nicht der Mensch an sich, sondern die
Vorhersage des Modells wird Grundlage des Handelns. Der noch gesunden Patientin entfernt man vorsorglich die Brüste, und der unbescholtene Bürger wird
vorsorglich womöglich verhaftet."
Constanze Kurz
kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Innenminister
Hans-
Peter Friedrich, der gerade in die USA gereist ist, das Ausmaß und die Brisanz der
Prism-
Schnüffeleien verstanden hat. Gleiches gilt für die EU: "Der zuständige Ausschuss für Bürgerrechte entschied am Mittwoch, dass man
zwölf Anhörungen planen werde, um Informationen und Beweise über Ausspähungen zu sammeln und dann Empfehlungen zu formulieren. Die erste ist allen Ernstes
für den September geplant, vermutlich um bis dahin alle Enthüllungen von Edward Snowden und anderen Informanten in Ruhe in der Zeitung lesen zu können."
Weitere Artikel: Karen Krüger berichtet über ein neues türkisches Stadtplanungsgesetz, das sich die
Regierung Erdogan gerade zurechtlegt. Christina Rietz schreibt eine Reportage über die katholisch-fundamentalistischen
Pius-
Brüder. Jan Brachmann besucht eine
Tagung über die
Reichsmusikkammer. Jan Wiele
kriegt auf
Robbie Williams' Gelsenkirchener Konzert mächtig schlechte Laune, als dieser unter allerlei Anzüglichkeiten ein Mädchen aus dem Publikum auf die Bühne holt. Christian Wildhagen besucht die
Liederwerkstatt des
Kissinger Sommers. Jürgen Dollase huldigt verzückt dem
in Bergisch-Gladbach kochenden Joachim Wissler, der mit "komplex-individuellen Lösungen (...) in den Bereich des genuin Künstlerischen" vorstößt.
Besprochen werden neue Schallplatten, darunter neue
Morton-
Feldman-Aufnahmen, eine Ausstellung mit
Bayernbildern aus dem 19. Jahrhundert im
Museum Georg Schäfer in Schweinfurt und Bücher, darunter
Joseph O'
Connors Roman "Irrlicht" (mehr in unserer
Bücherschau um 14 Uhr).